Kolonialismus in der neusten Forschung

Im Pferdesport hingegen wird weder bei Reitern noch bei Pferden ein Unterschied bei den Geschlechtern gemacht und es scheint (!) auch keinen Grund dafür zu geben - Hengste und Wallache und Stuten scheinen hier keine so gravierenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zu zeigen, dass eine Trennung nach Geschlechtern ernsthaft thematisiert würde. Oder doch und ich bin schlichtweg schlecht informiert?

Ich kenne mich im Pferdesport auch nicht besonders gut aus, aber es gibt zumindest im Galopprennsport, wo man wohl am ehesten deutliche Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern erwarten sollte, durchaus reine Stutenrennen, wie z. B. in Deutschland den Preis der Diana, bei dem nur dreijährige Stuten der Rassen Englisches Vollblut teilnehmen dürfen, der mit 500.000 Euro angesichts des eingeschränkten Teilnehmerkreises erstaunlich hoch dotiert ist:

Galopprennsport – Wikipedia
Preis der Diana – Wikipedia

Außerdem schreibt Wikipedia:

"An einem normalen Renntag (Rennveranstaltung) werden 7 bis 12 Rennen für unterschiedliche Leistungsklassen von Pferden ausgeschrieben."

D. h. die Pferde werden nach Leistungsfähigkeit sortiert und vermutlich werden in den höheren Leistungsklassen dann Hengste dominieren.

Da Stuten aber eine schwächere Lobby als Frauen haben und auch nicht wählen können und normalerweise auch nicht fernsehen, regt sich niemand darüber auf, dass die Stuten bei den Rennen gegenüber den Hengsten im Nachteil sind.
 
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Biologisch gesehen sind Eunuchen und Kastraten mitnichten ein drittes Geschlecht, sondern es sind und bleiben Männer (bzw. Jungen), die nur aufgrund eines gewaltsamen Eingriffes nicht mehr über alle primären Geschlechtsorgane verfügen und die deshalb zeugungsunfähig sind und bei denen teilweise als Folge des Eingriffs auch die sekundären Geschlechtsmerkmale nicht oder untypisch ausgeprägt sind.
Biologisch-medizinisch kommen wir da in einen sehr komplizierten Bereich.

Die übliche Methode zur medizinischen Geschlechtsbestimmung ist die Inaugenscheinnahme der Genitalien. Sind Hoden und Penis vorhanden, ist es ein Junge bzw. ein Mann. Wenn das Geschlecht fehlt, fehlt das Geschlecht.
Es gibt zwar seit ein paar Jahrzehnten die Möglichkeit der Chromosomenuntersuchung, aber auch dadurch kann keineswegs eine strenge Dichotomie nachgewiesen werden, weil es auch seltene Fälle von genetischer Intersexualität gibt.

Der Mediziner und Psychologe John Money entwickelte in den 1960ern die Theorie, dass intersexuelle Kinder oder kastrierte Jungen einfach als Mädchen erzogen werden können. Grundlegend für die Theorie war die traurige Fall eines jungen Kanadiers, der durch einen Kunstfehler bei der Beschneidung den Penis verlor. Ärzte und Eltern entschieden dann, dass dem Säugling auch noch die Hoden entfernt werden, eine Vulva chirurgisch gestaltet und das Kind wurde als Mädchen erzogen.
Die Praxis, dass Mediziner in uneindeutigen Fällen an neugeborenen Kinder mittels Chirurgie eine Geschlechtszuweisung bzw. -umwandlung vollziehen, ist zwar in den meisten Ländern verworfen, war jedoch im 20. Jahrhundert gängige Praxis bei der Geburt intersexueller Kinder in den Industriestaaten.
Im 20. Jahrhundert wurde Intersexualtät nicht akzeptiert. Medizinisch wurde als versucht um jedem Kind eines der beiden Geschlechter zuzuweisen.

Ich halte die Rolle der Religion bei der Herausbildung der Heteronormativität eher für gering, sondern halte das Zusammenwirken von Medizin, Bürokratie und Juristerei für weitaus wirkmächtiger.

Als interessante Lektüre zum Thema Geschlechterrollen empfehle ich noch:
Susanne Schröter: Grenzverläufe zwischen den Geschlechtern aus ethnologischer Perspektive
Die Beispiele im Text stammen aus Pakistan, Albanien, Nordamerika und Brasilien.
 
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Das stimmt wohl sogar insofern als er anscheinend im unter Iustinian I. zurückeroberten Teil der Iberischen Halbinsel geboren wurde.
Iustinian I und seine "Reconquista" werden als lediglich zeitliche Zäsur an den Beginn der "byzantinischen" Geschichte gesetzt, will sagen, so typisch "byzantinisch" war weder das rückeroberte Italien, noch das rückeroberte Vandalenreich; und dasselbe gilt wohl auch für die relativ kurzfristig wieder oströmisch kontrollierten spanischen Regionen (die man sich wohl nicht als allzu grandios vorstellen muss) - - in diesem Sinne hat Isidor trotz seines Geburtsorts eher wenig mit nicht zu tun mit "typisch byzantinisch".
 
Im Lexikon Adelung von 1793 ist notiert, die Castraten seien "Halbmänner". Meines Erachtens ist in der Formulierung bereits intendiert, dass sie eben keine richtigen Männer seien.

Wär interessant, was dieses Lexikon noch alles als "Halbmänner" einstuft. Ich mein, die gesamte Geschichte über haben Männer von anderen Männern behauptet, sie seien keine richtigen Männer; Frauen auch hin und wieder... Konstituiert das auch ein weiteres Geschlecht?

Oder ist es gar eine andere Art, wie der Spruch "Mann oder Maus?" impliziert? ;)
 
Nach den vielen Kastraten möchte ich die Fragestellung zurückschrauben auf "homosexuelle Aktivitäten" (was wir heute so nennen). Dabei kann es zu ambivalenten Geschlechterrollen kommen, so dass die "Binarität" aufgeweicht wird, und zwar in der Differenz von sozial / biologisch. Meine Vermutung ist, dass in den trad. Kulturen die soziale Dimension gewinnt. Wir sind heute etwas biologischer gepolt.

Grundlage ist ein Aufsatz von Brett Beemyn, Nord- und Südamerika: Von der Kolonialzeit bis zum 20 Jh., aus: R. Aldrich (ed.), "Gay Life and Culture. A World History", 2007. Es geht also um ... ist klar.

1. als erstes wird klargestellt, dass HS nicht in allen Völkern / Stämmen Lateinamerikas akzeptiert war (vor der Ankunft der Europäer), die Bandbreite reicht von "voll azeptiert" bis "voll abgelehnt".
- In den Andenhochländern wurde HS abgelehnt
- dagegen in den nördlichern Küstenregionen der Inkas akzeptiert
Jedenfalls gibt es Briefe von Cortes an Karl V, dass in Vera Cruz "die abscheuliche Sünde der Sodomie begangen wird".

Wenn der Kolonialismus dazukommt, kann er natürlich nur da etwas auslöschen, was vorher schon da war.

2. Bei den Berdaches gibt es einen Austausch sozialer und biologischer Geschlechterzuordnung.
Bsp: Coahuiltec-Indianer im südlichen Texas. Oder: Timucua-Indianer, Florida.
Berichte hierzu: ein Mann war mit einem Mann verheiratet, der wiederum war als Frau gekleidet, verrichtete Arbeiten von Frauen, trug aber trotzdem (als Mann) große Lasten. Im Krieg schleppten sie die Verwundeten vom Schlachtfeld.
Die Europäer nannten sie zunächst Hermaphroditen (was aber gar nicht zutraf), später nannten sie die Franzosen "Berdaches", was im 18. Jh so etwas wie "Strichjunge" bedeutete.
Zum Kolonialiasmus: Beemyn verweist auf einen Stich von de Brys, der zeigt, wie der Portugiese de Balboa solche "Berdaches" der Cueva-Indianer Panamas von Hunden zerfleischen lässt.

Andererseits gibt es diese "Berdaches" auch in Nordamerika: bei den Cree z.B., die sie axekkwew nannten, bei den Zuni, dort als katsotse bezeichnet. Für sie war offenbar das Geschlecht dieser Person weiblich, womit eine Liaison zwischen Mann und "Berdache" eine "hetero"-Liaison wurde. Damit war auch die traditionelle Binarität (so meine Vermutung!) gerettet, indem das Soziale die Oberhand gewann.

Ausrottung: gab es in Nordamerika wohl weniger, falls man den de-Brys-Stich verallgemeinern kann. So zeigt Beemyn ein Foto der letzten "Berdache" der Crow-Indianer aus dem Jahr 1928.

Es leuchtet natürlich eines ein: wenn die Kultur eines Stammes verschwindet, verschwinden damit auch diese Rollen (selbst wenn der Stamm noch existiert), aber diese Rollen wurden dann nicht explizit materiell ausgerottet. Das ist aber eine Vermutung von mir, denn der Artikel bietet keine Übersichten à la: es gab x Kulturen mit "Berdaches", davon wurden von den Europäern y % ausgerottet.

Das kann also nur eine Art Einstimmung ins Thema geben, jenseits der Eunuchen, aber vielleicht diesseits der Fragestellung.
 
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Und wenn nun jemand wie ich kommt, der das Offensichtliche auch benennt und sagt, das und jenes ist bei Paulus, bei Augustinus oder sonstigen theologischen oder kirchlichen Größen gewachsen, dann
[...] sollte er das auch nachweisen können.

Wir reden hier immerhin von theologischen Auffassungen, die nicht mal immerhalb der verschidenen Kirchen unumtritten waren.
Zu behaupten dies und das sei heutige Realität, weil antike bis Mittelalterliche Theologen sich mal darüber ausgelassen haben, ist nun wirklich hahnebüchender Unfug.

Und da muss man feststellen, dass die Kirchen meistens rückwärtsgewandt handelten und damit gesellschaftlichen Fortschritt behinderten.
Gehe ich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mit.
Seit dem sind die Kirchen zumeist konservative bis raktionäre Veranstaltungen, bis dahin waren sie das durchaus nicht oder jedenfalls nicht konsequent.

Dass wir heute in einer Demokratie leben, haben wir nicht den Kirchen zu verdanken, sondern ihren Gegnern.

Ich halte weder Roosevelt, noch Truman, noch Churchill für ausgemachte Gegner der Kirchen. Stalin wäre verhandelbar, wobei mir die Vorstellung, dass wir diesem die Demokratie zu verdanken hätten für ein wenig weit hergeholt erscheint oder meintest du da jetzt was anderes?

Dass Kinder weder zu Hause noch in der Schule nicht mehr geprügelt werden dürfen, ist auch ein Verdienst der Gegner der Kirchen, denn diese verwiesen bis zuletzt auf das Alte Testament, wo es steht, wer seinen Sohn liebt, der züchtigt ihn. Dieses Bespiel ist nicht aus dem Mittalter, sondern keine 30 Jahre alt.

Also mir fallen eine Menge Gegner der Kirchen ein, die mit Prügeln für Kinder nie ein Problem hatten.
Man denke z.B. an die autoritären Erziehungsmethoden im Ostblock, der wirklich nicht als besonders kirchenfreundlich gelten kann.
Insofern das Verdienst für weniger autoritären Umgang in Familie und Schule eingetreten zu sein, pauschal jedem ("Gegner der Kirchhe") anrechnen zu wollen, der nur laut genug bekundet hat die Kirche(n) scheiße zu finden, ist in dieser Form Unfug.
Die Vorstellungen die dazu geführt haben das zu ändern kamen aus dem sozialliberalen Spektrum, dass sie nie durch besondere Nähe zu Religionsgemeinschaften und Kirchen ausgezeichnet hat, dass sich aber auch nicht unbedingt als engagiertester Gegner von Religion und Kirchen betrachten lässt.
Die Meisten, die damals für die entsprechenden gesellschaftlichen Veränderungen eingetreten sind, haben jedenfalls nicht im gleichen Atemzug gefordert Kirchen und Religion am Besten gleich mit zu verbieten oder Leute zu diskriminieren weil sie sich an religiösen Veranstaltungen beteiligten.

Dass wir heute in einer Demokratie leben, haben wir nicht den Kirchen zu verdanken,

Im Übrigen haben wir auch den Aquädukt, diverse leckere Nudelgerichte, gepflasterte Straßen, allgemeine Krankenkassen etc. pp. nicht der Kirche zu verdanken.
Schon skandalös, was die Kirche sich erdreistet hat uns vorzuenthalten!


Es ist daher kein Zufall, dass die katholische Kirche bis zuletzt an den Kastraten als Sängern festhielt.
Verzeihung, was genau hat das Festhalten der katholischen Kirche an Kastraten als Sängern bis in die erstem Jahres des 20. Jahrhunderts mit Reformen der 1980er und 1990er Jahre in Deutschland zu tun?
Nichts.

Sie hielt es nicht deshalb fest, weil Päpste dem Adel entstammen – das war im 19. Jahrhundert kaum noch der Fall
Die Päpste des 19. Jahrhunderts entstammten nicht mehr dem Adel? Darf ich mal laut lachen?
Es gab im gesammten 19. Jahrhundert genau keinen Papst, der nicht aus einer adligen Familie stammte.

Das war zwar zum Teil weniger bedeutender Niederadel und das sind nicht mehr die ganz großen Familien der Italienischen Geschichte, aber adelig waren sie alle.
Und wie sehr sich die Päpste auch ds 19. Jahrhunderts noch selbst als weltliche Fürsten verstanden, zeigt sich daran, wie sie immer wieder versuchten ihre politische Herrschaft über den Kirchenstaat zu behaupten oder sie, nachdem dieser 1870 de facto passé war zurück zu erlangen.
Diese Herrschaften mögen, mindestens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Theologie deutlich ernster genommen haben als die Renaissance-Päpste.


sondern weil das Kastratensingen in Kirchen mit Verweis auf Paulus begründet war.
Dann wäre jetzt zu fragen, warum die katholische Kirche sich davon überhaupt verabschiedet hat?
Ist Paulus in den letzten 150 Jahren irgendwann mal aktualisiert worden? Oder hat er seine Relevanz für die katholische Kirch im ausgeheden 19. Jahrhundert schlagartig verloren?



Viel mehr als Kopfschütteln fällt mir zu diesen Ergüssen nicht ein.
 
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Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt.

Kastraten spielten nicht sich selbst, sondern eine dritte und eigentlich fremde Natur. Als „homines tertii generis“, als Menschen dritten Geschlechtes, sahen sich manche Betroffene selbst; dies zeigen etwa die erst vor einigen Jahren aufgefundenen Briefe Farinellis an seinen Gönner Graf Pepoli oder die Selbstdarstellungen des Sängers Filippo Balatri, der als einziger Kastrat eine ausführliche Autobiographie mit dem Titel Frutti del mondo hinterließ. Als Balatri auf seinen Reisen gefragt wurde, ob er ein Mann oder eine Frau sei, und wo Menschen mit einer solchen Stimme geboren werden, gerate er in Verwirrung. Er wisse nicht, was er sagen solle: „Sage ich, ich sei ein Mann, ist es gewissermaßen gelogen, sage ich, ich bin eine Frau, ist es auch nicht besser, und wenn ich sage, das ich ein Neutrum bin, werde ich dabei erröten. Wiederholte Selbstbezeichnungen als „Neutrum“ weisen darauf hin, dass sich Balatri „tatsächlich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlte“.

https://www.uibk.ac.at/musikwissenschaft/forschung/publikationen/maennerspiele/fink.pdf

Zu seiner 1863 komponierten Petite messe solennelle schrieb Gioachino Rossini, vermutlich kurz bevor der Kolonialismus das binäre Geschlechtersystem brachte: "Dodici cantori di tre sessi, uomini, donne e castrati, saranno sufficienti per la su esecuzione." ("Zwölf Sänger der drei Geschlechter, Männer, Frauen und Kastraten, werden für ihre Aufführung genügen.")
 
Ich meine (!), dass die Kastration nicht zu mehr Kraft führt, sondern bei Ochs und Edelesel in erster Linie dazu führen soll, a) beherrschbarer, da sanfter im Gemüt zu werden und b) den Reparaturaufwand an Geschlechtsgenossen, Stuten, Zäunen und Pflegepersonal wegen akuter Riemigkeit und Anwesenheit von Stuten niedrig zu halten. Spätestens Züchter wollen dann ja auch noch kontrollieren, welcher seiner Jungs sich verewigt und das machte man, wie am chinesischen Kauserhof durch operative Eliminierung (potentieller) Konkurrenz.
Meiner Meinung nach ist das korrekt.
Meines Halbwissens wurden bei Ritterns und schwerer Kavallerie Hengste eher bevorzugt, weil sie mehr Wumms haben. Einerseits.

Andererseits verblüfft mich bis heute: im Menschensport wird ein Riesenbohei um Trennung der Geschlechter gemacht wird, von wegen unterschiedliche körperliche Leistungsfähigkeit mitsamt der durch Transfrauen eingebrachten Verungerechtifizierung des Frauensports (inzwischen amscheinend mit Diskussion/Regelung eines Grenzwertes für den Testosteronspiegel - wann bei Männern?).

Im Pferdesport hingegen wird weder bei Reitern noch bei Pferden ein Unterschied bei den Geschlechtern gemacht und es scheint (!) auch keinen Grund dafür zu geben - Hengste und Wallache und Stuten scheinen hier keine so gravierenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zu zeigen, dass eine Trennung nach Geschlechtern ernsthaft thematisiert würde. Oder doch und ich bin schlichtweg schlecht informiert?
Wie @Nikias schon sagte, auch im Reitsport wird zwischen Hengsten und Stuten unterschieden, vor allem in Wett- und Ausdauerrennen.

Zunächst: Pferde weisen einen Sexualdimorphismus auf, bei Hauspferden ähnlich ausgeprägt wie bei Wildpferden. Ein männliches Bergzebra wiegt bis zu 350 kg, während Stuten maximal 260 kg schwer werden. Ein Andalusierhengst wiegt durchschnittlich 512 kg, eine Andalusierstute im Mittel 412 kg.

Beide Hengste besitzen dadurch vor allem mehr Muskelmasse als die jeweilige Stute, und es leuchtet auch ein, warum dies so ist: Die Hengste kämpfen gegeneinander, die Stuten kämpfen nicht.

Interessanterweise scheint der Mensch durch Züchtungen das Hauspferd dahingehend optimiert zu haben, dass Wallache vieler Rassen nur unwesentlich leichter und schmächtiger als Hengste werden, wogegen ein beschnittener Zebrahengst deutlich kleiner bleibt als sein Nicht-Wallach-Artgenosse.

In vielen Anwendungsbereichen spielt dieser Dimorphismus keine allzu große Rolle. Eine Stute zieht Dir den Pflug ebenso gut wie ein Hengst, eher machst Du Feierabend, als dass Dein Pferd schlapp macht.

Bei der Kavallerie jedoch wurden Hengste oft bevorzugt, so war der klassische Destrier mittelalterlicher Ritter ein aufgrund von Geschlecht und Erscheinung ausgewählter Hengst. Ich denke aber, dass das Statussymbol dabei ebenso eine Rolle spielte wie Männlichkeitsvorstellungen. In vielen Quellen werden nämlich Wallache und auch Stuten hinsichtlich ihrer Eigenschaften gelobt und als Kriegspferde empfohlen.

Auch beim Menschen weisen Mann und Frau einen Sexualdimorphismus auf, weswegen es genauso sinnvoll ist, ihre Leistungen im Sport getrennt voneinander zu bewerten, wie es sinnvoll ist, auch Altersgruppen bzw. Gewichtsklassen zu berücksichtigen. Am geringsten ausgeprägt ist der Unterschied in puncto Ausdauer, am größten dort, wo es auf Rumpfkörperkraft ankommt.

So liegt der Weltrekord im 100 m-Sprint der Damen bei 10,49 s, der der Herren bei 9,58 s (9,5% Differenz), während bei der höchsten Gewichtsklasse der Gewichtheber der Zweikampf-Weltrekord der Damen 348 kg und der der Herren 492 kg beträgt (bereits 41,4% Differenz).

Der Grund, warum viele Sportlerinnen sich dagegen wehren, dass als Männer geborene Transfrauen im Frauensport antreten, besteht darin, dass geborene Männer nach der Geschlechtsangleichung lange die Vorteile behalten, die das Testosteron in der männlichen Pubertät bewirkt. Ihre Knochen- und Muskeldichte ist größer. Deswegen besiegen sie in allen Disziplinen regelmäßig das restliche Feld.

Um in dieser Hinsicht Fairness herzustellen, müssten Transfrauen über lange Zeit künstlich ihren Testosteronspiegel senken, bevor sie als Profisportlerinnen antreten. Was im Profisport aber wenig erstrebenswert ist, denn das Leistungsmaximum liegt zwischen etwa 17 und 27 Jahren. Langes Zuwarten könnte bedeuten, auf die Karriere zu verzichten. Darum werden Testosteronspiegel gemessen, um zu schauen, ob sie sich wenigstens im Rahmen dessen bewegen, was als fair gelten kann.

Übrigens gibt es im Sport durchaus auch Testosterongrenzwerte bei Männern – insbesondere im Kampfsport, aber auch in vielen Ausdauersportarten. Männer, die künstlich ihren Testosteronspiegel erhöhen, entwickeln mehr Muskelmasse, auch heilen ihre Verletzungen etwas schneller.

Das linke Bild zeigt den Kampfsportler Vitor Belfort, bevor er des Dopings mit Testosteron überführt wurde, rechts zeigt es ihn, nachdem er das Testosteron absetzen musste: https://i.ytimg.com/vi/Ml9qcTfEcCI/maxresdefault.jpg
Kastraten spielten nicht sich selbst, sondern eine dritte und eigentlich fremde Natur. Als „homines tertii generis“, als Menschen dritten Geschlechtes, sahen sich manche Betroffene selbst; dies zeigen etwa die erst vor einigen Jahren aufgefundenen Briefe Farinellis an seinen Gönner Graf Pepoli oder die Selbstdarstellungen des Sängers Filippo Balatri, der als einziger Kastrat eine ausführliche Autobiographie mit dem Titel Frutti del mondo hinterließ. Als Balatri auf seinen Reisen gefragt wurde, ob er ein Mann oder eine Frau sei, und wo Menschen mit einer solchen Stimme geboren werden, gerate er in Verwirrung. Er wisse nicht, was er sagen solle: „Sage ich, ich sei ein Mann, ist es gewissermaßen gelogen, sage ich, ich bin eine Frau, ist es auch nicht besser, und wenn ich sage, das ich ein Neutrum bin, werde ich dabei erröten. Wiederholte Selbstbezeichnungen als „Neutrum“ weisen darauf hin, dass sich Balatri „tatsächlich einem dritten Geschlecht zugehörig fühlte“.

https://www.uibk.ac.at/musikwissenschaft/forschung/publikationen/maennerspiele/fink.pdf
Wobei sich mir die Frage stellt, ob da nicht vielmehr ein Kastrat sprach, der auch die Merkmale einer angeborenen oder durch die Kastration erworbenen Genderdisphorie erfüllte. Ich habe noch keinen Beweis dafür gesehen, dass Kastraten sich generell nicht für Männer hielten.

Außerdem dürfte Farinello ein Kind seiner Zeit gewesen sein. Die Kastration macht das biologische Maskulinum nicht zum Neutrum oder Femininum – doch sprechen wir immerhin von einer Zeit, in der die Zeugungsfähigkeit als Männlichkeitserweis galt. So sehr, dass auch Männer mit unzweifelhaft vorhandenen Genitalien sozial in die Bredouille gerieten, wenn sie keine Kinder zeugten konnten.

Durch Unfall, Krankheit oder Gewalt die Zeugungsfähigkeit zu verlieren, war bis in die jüngste Vergangenheit für Männer eine Katastrophe. Noch heute begeht so mancher Kriegsveteran Suizid, der durch eine Landmine oder Sprengfalle die Hoden verlor. Vielleicht sollte man solche Aussagen daher z.B. einer Verbitterung des Sängers über sein ihm von den Eltern aufgezwungene Anderssein zuschreiben. Schließlich bewegte er sich in Kreisen, wo man(n) sich mit Mätressen umgab und die eigene Virilität zelebrierte. Er muss sich wie ein Außerirdischer vorgekommen sein.
vermutlich kurz bevor der Kolonialismus das binäre Geschlechtersystem brachte
Heißt das, Du siehst die These der fraglichen Historikerin als bewiesen an?
 
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Einige Ergänzungen zu Nord- / Lateinamerika, in Beitrag #107.

Beemyn stellt kurz dar, dass in die Kolonien Lateinamerikas die europäischen Sodomiegesetze eingeführt wurden, meistens war der Tod auf dem Scheiterhaufen dafür vorgesehen. Ein Bsp. hierzu: in Mexiko wurden Mitte 17. Jh. 14 homosex. Männer hingerichtet. Diese Entwicklung müsste man nun genauer analysieren, denn hier ging es einfach "nur" um Homosexualität, das muss nicht unbedingt etwas mit Geschlechtsambivalenz zu tun haben, auch wenn es im Mexiko-Prozess hieß, die 14 Männer hätten sich gegenseitig mit Namen bezeichnet, wie sie sonst nur von Prostituierten benutzt wurden. Halte ich aber für kein Indiz.

Und in Nordamerika? Beemyn sind nur 5 Todesurteile wegen Sodomie 16.-17. Jh bekannt: 1 in Florida, 2 in New Netherland, 1 in Virginia, 1 in New Haven. Doch auch hier ging es nicht um ambivalente Geschlechter, sondern "nur" um hs. Handlungen. Es gab auch Widerstände gegen Todesurteile, z.B. setzten sich in Kanada Jesuitenpriester erfolgreich für einen zum Tode Verurteilten ein.

Es gab in der Tat aber auch Urteile gegen Leute, die sich "wie das andere Geschlecht kleideten", denn dies war verboten; darauf stand aber nicht der Tod, sondern Geldstrafen, Auspeitschung o.ä. Beispiele:
1652 Joseph Davis, New Hampshire, hatte Frauenkleider getragen
1677 Dorothy Hoyt, Massachusetts, hatte Männerkleider getragen
Ein interessanter Fall einer Person, die behauptete, weder Mann noch Frau zu sein: Thomas / Thomasine Hall, Virginia. Man kam nicht überein, welches Geschlecht dieser Mensch hatte, und fällte 1629 folgendes Urteil: Hall habe fortan sowohl Frauenschürze als auch Männerhose zu tregen: ein echt salomonisches Urteil!

Nach Gründung der USA gab es nur 1 Todesurteil wegen Sodomie, 1743 in Georgia; die meisten Staaten schafften die Kapitalstrafe für Sodomie ab, Schlusslicht waren North und South Carolina: hier passierte das erst 1868. Gesetze gegen Sodomie gab es jedoch weiterhin.
 
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Nach Gründung der USA gab es nur 1 Todesurteil wegen Sodomie, 1743 in Georgia; die meisten Staaten schafften die Kapitalstrafe für Sodomie ab, Schlusslicht waren North und South Carolina: hier passierte das erst 1868. Gesetze gegen Sodomie gab es jedoch weiterhin.

1743 wär vor Gründung der USA.

Meines Halbwissens wurden bei Ritterns und schwerer Kavallerie Hengste eher bevorzugt, weil sie mehr Wumms haben.

ME wichtiger: Stuten braucht man, um neue Pferde zu bekommen, Hengste nur einen. Ist in dem Punkt genau wie beim Menschen...
 
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Es gibt im Zusammenhang mit dieser Thematik einen weiteren Punkt, welcher hier nicht angesprochen wurde.
Wenn man die Existenz von Eunuchen als Hinweis oder sogar Beweis einer "nicht-binären Kultur" werten will, wie verhält es sich dann mit den in einigen (ost)afrikanischen Regionen noch heute ziemlich verbreiteten Praxis der Frauenbeschneidung ? Bei dieser müsste es sich - bei solcher vorgegebner Definition - dann tatsächlich um das Überbleibsel eines vorkolonialen und sogar "vorreligiösen Brauchtums" handeln. Jedenfalls war die Frauenbeschneidung weder eine vom Kolonismus ausgedachte Diziplinierungsmassnahme noch eine religiöse Forderung einer der Weltreligionen (auch nicht vom Christentum oder Islam).
 
die Existenz von Eunuchen als Hinweis oder sogar Beweis einer "nicht-binären Kultur"
bewirkt nebenbei bemerkt kein sonderlich erfreuliches Bild dieser wohl fiktiven "nicht-binären Kultur", da abgesehen von wenigen Ausnahmen*) die Kastration/Verstümmelung nicht voller Begeisterung herbeigesehnt wurde**) sondern gewaltsam "verabreicht" wurde.

________
*) orthodox-christlich fanatische https://de.wikipedia.org/wiki/Skopzen#:~:text=Bei den Skopzen war jeder,30 und Lk 23,29. wären zu nennen, 18. Jh.
**) es gibt keine Quellen, die von begeistertem Schlange stehen und vordrängeln der Freiwilligen berichten...
 
Halbmann bei Adelung ;)

Halbmann bei Meyers Lexikon 1905:D

Halbmänner = Kleinbauern, Kastraten oder Leichtmatrosen

Im Gefängnis-Jargon sind Halbmänner oder "halbe Männer" meist sehr unerfahrene Gefangene, die Erpressungen von Mitgefangenen nachgeben, in der unsinnigen Hoffnung sich so Ruhe zu erkaufen und die von ihrem Tabak, ihrem Kaffee, ihren Lebensmitteln- von allem was sie besitzen die Hälfte abtreten.

Wenn ein "Halbmann" oder halber Mann nicht schleunigst dagegenhält oder das Glück hat, das jemand das unterbindet, endet das oft damit, dass jemand vom Fensterkreuz abgeschnitten werden muss.
 
Naja, Mottenkiste ist ja eher ein Ausdruck für veraltete Thesen und Weltbilder. Das ist ja hier nun gerade nicht der Fall.
Ich würde das auch entspannter sehen. Zur Zeit sind wir ihn einer Phase, in der die LGBT+-Community über ihre tatsächliche prozentuale Bedeutung hinaus Aufmerksamkeit verlangt, weil sie eben bis vor Kurzem nie gesehen wurde und wenn, als deviant.
Das wird sich auch wieder normalisieren.

Es ist immer wieder von der LGBT-Community die Rede, aber existiert diese Community wirklich?

Historisch hat die Homosexuellenbewegung mit der Frauenbewegung keine Überschneidungen gehabt, und ebenso wenig gab es eine Überschneidung mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung.



Im Grunde sind Homosexuelle längst am Ziel angelangt. Homosexualität ist straffrei, es ist möglich, sich dazu zu bekennen, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Homosexuelle können Lebenspartnerschaften eingehen, sie können Kinder adoptieren.

Aufmerksamkeit und noch mehr Aufmerksamkeit kann man immerhin fordern und verlangen.

Aufmerksamkeit wird man mit Sicherheit auch bekommen, wenn man den eigenen Fetisch so exhibitionistisch auslebt wie einige "Aktivisten" das tun.

Respekt kann man sich so aber nicht erwerben.

Es war einmal Ziel der Homosexuellen-Bewegung, dass Menschen, die nun einmal homosexuell sind, diese Neigung straffrei ausüben können, ohne deswegen gesellschaftliche Stigmatisierung zu erleiden.

Inzwischen gehen einige LGBT- Aktivisten so weit, dass sie die Meinung vertreten, dass es "trans-feindlich", sexistisch und rassistisch ist, wenn man davon nicht begeistert ist, wenn man Trans-Menschen nicht schön oder begehrenswert findet.

Ich sehe LGBT als einen reinen Hype. Gott und die Welt will nun an diesem und von diesem Hype profitieren. McDonalds und Coca Cola und andere hissen denn auch mutig die Regenbogenflagge.

Die wird aber ganz schnell auch wieder eingeholt, wenn Gratismut nicht ausreicht und die zur Schau gestellte Weltoffenheit und Toleranz mit handfesten Interessen kollidiert.
 
Im Grunde sind Homosexuelle längst am Ziel angelangt. Homosexualität ist straffrei, es ist möglich, sich dazu zu bekennen, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Homosexuelle können Lebenspartnerschaften eingehen, sie können Kinder adoptieren.
Ja, auf der rechtlichen Seite hat sich einiges getan. Aber so leben wie Heteros können Homosexuelle doch nicht. Beispiel: Küsst sich auf einer Parkbank ein Heteropaar, wird das als normal hingenommen, bei einem Homosexuellenpaar wird das als offensiv exhibitionistisch wahrgenommen. Warum? Weil diese Gesellschaft immer noch latent homophob ist. In anderen Ländern, wie zum Beispiel im ehemaligen Ostblock, wird diese Homophobie offen ausgelebt und äußert sich auch in entsprechenden Gesetzen. Insofern sind Homosexuelle noch lange nicht an ihrem Ziel angelangt.

Allerdings frage ich mich auch, ob es Menschen, für die das T in LGBT steht, tatsächlich in so großer Zahl gibt, dass es sich lohnen würde, sprachliche Akrobatik zu betreiben bzw. überhaupt darüber zu reden: Vor einem Jahr oder so, gab es bei der SZ eine anonyme Umfrage über Irgendetwas, bei der es möglich war, beim Geschlecht divers einzutragen – bei über 1000 Antworten hat kein einziger divers eingetragen; in diesem Fall war der Prozentsatz der Transgenderpersonen mangels Masse nicht zu ermitteln bzw. lag bei unter 1 Promille, was auch 1 pro Million bedeuten kann; ich schätze, dass dieser Prozentsatz in der Gesamtbevölkerung auch nicht höher liegt.

Worüber reden wir also? Nicht über Erotik, sondern über Exotik.
Haben wir tatsächlich so viel Zeit übrig?
 
Ja, auf der rechtlichen Seite hat sich einiges getan. Aber so leben wie Heteros können Homosexuelle doch nicht. Beispiel: Küsst sich auf einer Parkbank ein Heteropaar, wird das als normal hingenommen, bei einem Homosexuellenpaar wird das als offensiv exhibitionistisch wahrgenommen.

Das mag vielleicht vor 20 Jahren der Fall gewesen sein, aber ich denke nicht, dass das heute noch zutreffend ist.

Allerdings frage ich mich auch, ob es Menschen, für die das T in LGBT steht, tatsächlich in so großer Zahl gibt, dass es sich lohnen würde, sprachliche Akrobatik zu betreiben bzw. überhaupt darüber zu reden

Und das halte ich für ganz großen Unfug.
Selbst wenn die Zahl der Personen überschaubar wäre (was mit davon abhängen dürfte ob man unter Transpersonen auch Personen mit nicht binären Identitäten rechnen möchte oder nicht) warum sollte man darüber nicht reden?
Auch die Probleme zahlenmäßig kleiner Gruppen haben selbstredend eine gesellschaftliche Relevanz.

Ich bin aber ausnahmsweise mal mit dir einer Meinung.
Die Sammelbezeichung "LGBT(+)" halte ich persönlich aus zwei Gründen für ziemlich unglücklich:

1. Wirft sie mit sexueller Orientierung und sexueller Identität zwei Komplexe durcheinander, die nicht zwangsläufig etwas miteinander zu tun haben.
2. Wirft sie Gruppen deren Probleme mindestens auf rechtlicher Ebene (sexuelle Orientierung) weitgehend geklärt und deren Rechte angeglichen sind mit Gruppen (sexuelle Identität) durcheinander, bei denen dieser Prozess noch nicht weitgehend abgeschlossen und im Gange ist.

Diskriminierung von Homosexualität oder homosexuellen Handlungen hat man sicherlich in den 1990er und frühen 2000er Jahren in diesem Land noch sehr massiv beobachten können.
Nach meinem Empfinden ist das aber sehr stark zurück gegangen, im Gegensatz zum Themenkomplex Transsexualität und nicht binäre Identitäten, wo die gesellschaftliche Akzeptanz noch bei weitem nicht so weit ist.


Aufmerksamkeit und noch mehr Aufmerksamkeit kann man immerhin fordern und verlangen.

Aufmerksamkeit wird man mit Sicherheit auch bekommen, wenn man den eigenen Fetisch so exhibitionistisch auslebt wie einige "Aktivisten" das tun.

Respekt kann man sich so aber nicht erwerben.

In der Hinsicht muss ich sagen, dass ich zwiegespalten bin.

Auf der einen Seite bin ich geneigt dir recht zu geben, die Aufmachungen in denen einige bei diversen "Pride-Veranstaltungen" herumlaufen, sind mitunter purer Exhibitionismus und haben mit Werben um Akzeptanz wenig zu tun, bzw. erweisen entsprechendem Werben regelmäßig einen Bärendienst.

Es gibt aber ein Problem.

So legitim der Standpunkt, grundsätzlich ist es insgesamt für unangemessen zu halten, wenn eine Person ihre sexuellen Belange durch ihr Auftreten veröffentlicht, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob es andere Anwesende vielleicht stört, spätestens wenn man bei der Problematik "Transpersonen" ankommen, wo es nicht um sexuelle Handlungen, sondern tatsächlich Identität geht, stehen da zwei an und für sich legitime Forderungen gegeneinander.
Nämlich diejenige Sexualität nicht öffentlich wie eine Monstranz vor sich her zu tragen und diejenige auf Freie entfaltung der Persönlichkeit ohne dabei irgendwelche rein exhibitionistischen Handlungen zu begehen.

Von dem her muss ich sagen, finde ich das mit "Exhibitionismus" etwas schwierig.
 
Die Kastration wurde im 19. Jahrhundert strafrechtlich verboten bzw. das Verbot wurde vom neuen Nationalstaat Italien durchgesetzt. Dies fällt auch mit der Entmachtung des Kirchenstaates und der Säkularisierung Italiens zusammen.

Verboten war sie offensichtlich schon lange vorher. Charles Burney schreibt 1772:

Ich erkundigte mich durch ganz Italien, an welchem Orte vornehmlich die Knaben durchs Castriren zum Singen tüchtig gemacht würden, aber ich konnte keine gewisse Nachricht erhalten. Zu Mayland sagte man mir, es geschehe zu Venedig; zu Venedig, es geschehe zu Bologna; zu Bologna leugnete man es, und wies mich nach Florenz: von Florenz nach Rom, und von da nach Neapel. Eine solche Operation ist freylich an allen diesen Orten so sehr wider die Gesetze als sie wider die Natur ist; und die Italiäner schämen sich derselben so sehr, daß sie sie von einer Provinz auf die andere schieben.
[...]
Inzwischen steht die Todesstrafe darauf, wenn jemand die Operation verrichtet, und der Bann, wenn man darum weiß, es sey denn, daß es, wie man oftmals vorgiebt, wegen einer Krankheit an diesen Theilen, wovon man glaubt, daß sie die Operation erfodere, und mit Einwilligung des Knabens geschehe. Man hat Exempel, daß es selbst auf Verlangen des Knaben geschehen sey, welches mit Graffetto zu Rom der Fall war. In Ansehung der vorläufigen Proben der Stimme, glaube ich, daß diese grausame Operation nur zu oft ohne Probe, oder wenigstens ohne hinlängliche Beweise geschieht, daß die Stimme dadurch besser werden könne; sonst würde man gewiß nicht in jeder italiänischen Stadt eine solche Menge Verschnittener finden, die gar keine Stimme oder doch keine so gute haben, die einen solchen Verlust ersetzen könnte. Alle Musici in den Kirchen werden itzt aus dem Ausschusse der Opernhäuser zusammengelesen, und sehr selten findet man einen Sänger mit erträglicher Stimme in ganz Italien, der bey einer Kirche in Diensten stünde. Die Virtuosi, welche gelegentlich bloß an hohen Festen daselbst singen, sind gemeiniglich Fremde, die für diese Zeit bezahlt werden.

Charles Burney, Tagebuch einer musikalischen Reise durch Frankreich und Italien (Hamburg 1772, Faksimile-Ausgabe Kassel 2003, S. 226ff)

An medizinischen Indikationen, die als Vorwand herhalten werden konnten, war kein Mangel: Hodenbruch, Epilepsie, Gicht oder Lepra, auch einen Unfall konnte man vorschützen.



Nein, das Kastratentum geht auf die Forderung der Kirche zurück, Frauen haben in der Gemeinde/Kirche zu schweigen – siehe Paulus. Aber in der Musik werden alle Oktaven genutzt, d.h. auch hohe Stimmen, die gewöhnlich nur Kinder und Frauen haben. Aus diesem Grund ist man dazu übergegangen, Knaben vor dem Stimmbruch...

... die hohen Stimmen singen zu lassen. So hat man es schon im Mittelalter gehalten, so wird es bei den in alter Tradition stehenden Knabenchören (z. B. Thomanerchor Leipzig, 1212 gegründet) bis heute gehalten. Interessieren würde mich, wieso die Kastration aus stimmlichen Gründen Deiner Meinung nach erst im 16. Jahrhundert aufgekommen ist – m. W. wurde da keine Kirchenmusik komponiert, die von Knabenstimmen nicht zu bewältigen gewesen wäre.

Im Sinne der Renaissancekultur war, was ästhetisch begründet war; so galt die Kastration als eine vollständig berechtigte Handlungsweise, und nach dem Gedankgengange des Cinquecento bedeutete sie "nichts anderes als eine technische Verbesserung in der Behandlung der menschlichen Stime, geradeso wie die Einführung der Ölfarbe in der Malerei, wie die Anwendung der Perspektive, wie die Benutzung der kleinen Quadrate in der Skulptur".
Franz Haböck, Die Kastraten und ihre Gesangskunst, Berlin/Leipzig 1927, S. 490
 
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