Kolonialismus in der neusten Forschung

Ja, auf der rechtlichen Seite hat sich einiges getan. Aber so leben wie Heteros können Homosexuelle doch nicht. Beispiel: Küsst sich auf einer Parkbank ein Heteropaar, wird das als normal hingenommen, bei einem Homosexuellenpaar wird das als offensiv exhibitionistisch wahrgenommen. Warum? Weil diese Gesellschaft immer noch latent homophob ist. In anderen Ländern, wie zum Beispiel im ehemaligen Ostblock, wird diese Homophobie offen ausgelebt und äußert sich auch in entsprechenden Gesetzen. Insofern sind Homosexuelle noch lange nicht an ihrem Ziel angelangt.

Allerdings frage ich mich auch, ob es Menschen, für die das T in LGBT steht, tatsächlich in so großer Zahl gibt, dass es sich lohnen würde, sprachliche Akrobatik zu betreiben bzw. überhaupt darüber zu reden: Vor einem Jahr oder so, gab es bei der SZ eine anonyme Umfrage über Irgendetwas, bei der es möglich war, beim Geschlecht divers einzutragen – bei über 1000 Antworten hat kein einziger divers eingetragen; in diesem Fall war der Prozentsatz der Transgenderpersonen mangels Masse nicht zu ermitteln bzw. lag bei unter 1 Promille, was auch 1 pro Million bedeuten kann; ich schätze, dass dieser Prozentsatz in der Gesamtbevölkerung auch nicht höher liegt.

Worüber reden wir also? Nicht über Erotik, sondern über Exotik.
Haben wir tatsächlich so viel Zeit übrig?

Vor ca. 30 Jahren gab es in der Öffentlichkeit noch einen Aufschrei, als sich in der Lindenstraße zwei Männer küssten, und ein General Kiesling wurde 1985 mit großem Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet und zum 30. Jubiläum der Bundeswehr als Einziger nicht eingeladen, obwohl sich nachträglich herausstellte, dass die Vorwürfe gegen Kießling haltlos waren. Etwa 20 Jahre später, im Jahre 2001 konnte Klaus Wowereit sich dagegen recht offen outen. Bei der OB-Wahl sagte er: "Ich bin schwul, und das ist auch gut so" In diesen 20 Jahren hat sich doch die BRD weiterentwickelt. Sein Bekenntnis hatte für Wowereit keine negativen Folgen- eher war das Gegenteil der Fall. Seine Einschätzung, dass die Republik reif auch für einen schwulen Kanzler sei, wurde durch Umfrage-Ergebnisse bestätigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir scheint nicht, dass wir diese Diskussion führen müssen. LGBT hat in diesem Zusammenhang nur insofern Relevanz, als von Teilen dieser Bewegung versucht wird, die Deutungshoheit über den wissenschaftlichen Diskurs zu erlangen. Und dabei mitunter Aussagen gemacht werden, die, freundlich ausgedrückt, dem Erkenntnisgewinn entgegenstehen.

Wenn z.B. von angeblich evidenzbasiert arbeitenden Akademikern die Forderung erhoben wird, Archäologen sollten sterblichen Überresten kein Geschlecht zuschreiben, weil man ja nicht wissen könne, ob sich der Tote als Männlein, Weiblein oder irgendwas dazwischen sah, scheint mir, dass da jemand die Aufgabe der Archäologie nicht verstanden hat.

In diesem Sinne stellt sich mir nach wie vor die Frage, ob es Schriften kolonialer Behörden, von Missionaren oder von Lautsprechern wie Stanley gibt, die darauf hinweisen, dass vor Ankunft der Europäer in den Gesellschaften Afrikas oder Asiens nicht-heteronormatives Verhalten wirklich so verbreitet war, wie eingangs behauptet. Denn es scheint mir auf der Hand zu liegen, dass Fürsprecher der angeblich humanitär gesinnten imperialistischen Expansion nicht die Chance vertan hätten, davon zu berichten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings frage ich mich auch, ob es Menschen, für die das T in LGBT steht, tatsächlich in so großer Zahl gibt, dass es sich lohnen würde, sprachliche Akrobatik zu betreiben bzw. überhaupt darüber zu reden:

In den Zeitungsspalten in denen Prostituierte ihre Dienste anbieten, inserieren regelmäßig auch "Trans-Frauen"- Die wirken tatsächlich auch sehr feminin solange man sie nicht im Schritt fasst.

Als sprachliche Akrobatik würde ich politisch korrekten LGBTQ- Aktivisten-Sprech nun wirklich nicht bezeichnen. Eher schon als sprachlichen Amoklauf.

Akrobatisch ist daran nur der Umgang mit der Logik- und das auch nur solange sie sich im freien Fall bewegt. Spätestens wenn Neusprech auf den Boden plumpst und unsanft in der Realität aufschlägt ist es mit der Akrobatik vorbei
 
In diesem Sinne stellt sich mir nach wie vor die Frage, ob es Schriften kolonialer Behörden, von Missionaren oder von Lautsprechern wie Stanley gibt, die darauf hinweisen, dass vor Ankunft der Europäer in den Gesellschaften Afrikas oder Asiens nicht-heteronormatives Verhalten wirklich so verbreitet war, wie eingangs behauptet. Denn es scheint mir auf der Hand zu liegen, dass Fürsprecher der angeblich humanitär gesinnten imperialistischen Expansion nicht die Chance vertan hätten, davon zu berichten.
Wenn auch das Werk des Ferdinand Karsch – Wikipedia schon etwas älter ist, liefert es doch so etwas wie eine Übersicht und ist eine gute Sammlung von Quellenhinweisen.
Forschungen über gleichgeschlechtliche Liebe ("Naturvölker")
Forschungen über gleichgeschlechtliche Liebe (Ostasien)
Man kann Karsch kaum eine homophobe Sichtweise vorwerfen, er war homosexuell.

Auffallend ist, dass bei diesen Beschreibungen oft um die richtigen Wörter gerungen wird, da es noch keine gab oder man sie nicht verwenden wollte. Wörter, die heute weniger in Gebrauch sind, wie Tribadie, Päderastie, Hermaphroditen, Effeminierte etc.
 
Wenn auch das Werk des Ferdinand Karsch – Wikipedia schon etwas älter ist, liefert es doch so etwas wie eine Übersicht und ist eine gute Sammlung von Quellenhinweisen.
Vielen Dank für diesen Link.

Dieser Ferdinand Karsch hat in seinem Werk „Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker“ wohl alles zusammengetragen, was ihm zum Thema Homosexualität bekannt war. Unter anderem verweist er dort auf der Seite 39 auf einen gewissen Julien-Joseph Virey, der laut Wikipedia ein schlimmer Rassist und gleichzeitig ein Gegner der Sklaverei gewesen sei. etc.

Virey war auch einer der ersten, der den Begriff Evolution im Zusammenhang mit dem Leben auf der Erde verwendete – Zitat:

"Es ist also plausibel, dass die Natur dank einer solchen Evolution vom zartesten Schimmelpilz zur majestätischen Zeder, zur gigantischen Kiefer aufgestiegen ist, ebenso wie sie von mikroskopisch kleinen Tieren bis zum Menschen, dem König und Beherrscher aller Wesen, vorgedrungen ist."

Er vertrat die Ansicht, es gebe nur 2 Rassen: Die schwarze und die weiße – wobei die schwarze nah bei den Affen angesiedelt, die weißer jedoch weit entfernt davon sei.

Inzwischen hat auch die deutsche Wikipedia von unserer Diskussion hier erfahren und hat wohl aus diesem Grund einen in diese Richtung zielende Artikel auf die erste Seite platziert: https://de.wikipedia.org/wiki/We’wha
:D
 
Dieser Ferdinand Karsch hat in seinem Werk „Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker“ wohl alles zusammengetragen, was ihm zum Thema Homosexualität bekannt war. Unter anderem verweist er dort
zitierend/Paraphrasierend auf einen paradiesischen Urzustand bevor --- am besten den Originalwortlaut lesen:
Bildschirmfoto 2024-01-05 um 11.13.03.png

...der frostige Karpfen Albion vs das geile Kaninchen
zu finden in https://archive.org/details/forschungenber00kars/page/n7/mode/2up auf S.241
 
Dieser Ferdinand Karsch hat in seinem Werk „Das gleichgeschlechtliche Leben der Naturvölker“ wohl alles zusammengetragen, was ihm zum Thema Homosexualität bekannt war.
Eine mE sehr gute Rezension zu Karsch gibt es beim Radio FM4 des ORF zu lesen: https://fm4v3.orf.at/stories/1656646/index.html
Dieses Buch, gut gemeint, ist ein Sortiment, in dem ein guter Mensch versuchte, den Blödsinn vom Blödsinn zu trennen. Übrig bleibt ein Inventar - eines, das verdammt viel Spaß macht zu lesen.
 
Erhielten diese Kastraten einen Posten im Palast, egal ob beabsichtigt oder nicht, bedeutete das für die ganze Familie Lebensunterhalt und Sozialprestige."
Die Abasgians (Abasgoi - Wikipedia , ein kaukasischer Stamm, der im 2. Persischen Krieg auf Seiten Konstantinopels gegen Chosroe gekämpft hatte) waren in der Spätantike dafür berühmt, dass ihre beiden Fürsten ("princes"), die das Land regierten, Jungen ihrer Untertanen entführten, kastrierten und den Byzantinern als Eunuchen verkauften, die dort sehr begehrt waren. Inwieweit in diesem Fall die Familien der Kinder davon profitierten, ist mir nicht bekannt: auf jeden Fall profitierten die beiden Fürsten.
Justinian machte diesem nonbinären Treiben allerdings ein Ende.
(vgl. John Bury, History of the Later Roman Empire, Vol.2, p.115)
 
Die Abasgians (Abasgoi - Wikipedia , ein kaukasischer Stamm, der im 2. Persischen Krieg auf Seiten Konstantinopels gegen Chosroe gekämpft hatte) waren in der Spätantike dafür berühmt, dass ihre beiden Fürsten ("princes"), die das Land regierten, Jungen ihrer Untertanen entführten, kastrierten und den Byzantinern als Eunuchen verkauften, die dort sehr begehrt waren. Inwieweit in diesem Fall die Familien der Kinder davon profitierten, ist mir nicht bekannt: auf jeden Fall profitierten die beiden Fürsten.
Justinian machte diesem nonbinären Treiben allerdings ein Ende.
(vgl. John Bury, History of the Later Roman Empire, Vol.2, p.115)
Ich sehe hierin noch nichts, was mit Nonbinarität zu tun hätte. Nonbinarität ist ja, dass ein Mensch sich nicht in die Kategorie Mann/Frau einsortieren kann. Auch Transmenschen sind binär. Eunuchen sind nicht nonbinär (doppelte Verneinung). Es ist - i.d.R. - nicht ihre Entscheidung und selbst dann, wenn die Entscheidung zur Kastration durch die Person freiwillig auf sich genommen wurde, besagt das noch nichts über ihre Selbstwahrnehmung als Mann, Frau oder keines von beidem.
 
Auffallend ist, dass bei diesen Beschreibungen oft um die richtigen Wörter gerungen wird, da es noch keine gab oder man sie nicht verwenden wollte. Wörter, die heute weniger in Gebrauch sind, wie Tribadie, Päderastie, Hermaphroditen, Effeminierte etc.
Das zeigt wie stark sich die Konzeptionen im Bereich von Sexualität und Geschlechtlichkeit in den letzten 100 Jahren bereits geändert haben. Die Analysekategorien der europäischen Ethnologen sind uns fremd.
Neu Lesarten sind daher auch notwendig.
Aus den Augen verlieren sollte man jedoch dabei nicht, dass andere Kulturen und Epochen noch schwerer deutbar sind als die eigene.
Und je mehr man sich mit Vergleichen beschäftigt, um so deutlicher wird der Konstruktivismus.

Viele Impulse im Bereich der Soziologie, Psychoanalyse usw. kommen übrigens ursprünglich aus der Ethnologie. Vor allem die Erforschung der Südsee um 1900 wurde stark rezipiert. Noch wirkmächtiger als Karsch war Bronislaw Malinowski.
 
Im Pferdesport hingegen wird weder bei Reitern noch bei Pferden ein Unterschied bei den Geschlechtern gemacht und es scheint (!) auch keinen Grund dafür zu geben - Hengste und Wallache und Stuten scheinen hier keine so gravierenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zu zeigen, dass eine Trennung nach Geschlechtern ernsthaft thematisiert würde. Oder doch und ich bin schlichtweg schlecht informiert?
https://de.wikipedia.org/wiki/Generalausgleich

Vor vielleicht 45 Jahren habe ich ein Jugendbuch gelesen, in welchem eine Stute in einem wichtigen Rennen in Kentucky mitlief und natürlich gewann. Eigentlich hätte eine Stute da keine Chance auf den Sieg. Die restlichen Pferde - alles Hengste - mussten jedoch Gewichte in Satteltaschen mitschleppen, damit die Stute auch eine Gewinnchance hatte. Auf die Schnelle habe ich jetzt nichts darüber gefunden, aber es scheint mir so, als hätte das Buch auf reale Vorgaben zurück gegriffen.
 
Zurück
Oben