Vergleichbar ist sicher der lateinische Begriff
Marcomannia. Mit den Markomannenkriegen verbunden war angeblich der Plan, eine Provinz Marcomannia zu errichten:
"Voluit Marcomanniam provinciam, voluit etiam Sarmatiam facere..."
Marcus Aurelius
Es dürfte wohl keinen Streit darüber geben, nach welchem germanischen Stamm Dio die
Markomannis benannt hat.
Der Autor Bernd Steidl scheint auch kein Problem mit dem Begriff "Marcomannia" zu haben:
"Auffallenderweise bleiben die der
Marcomannia und dem
regnum Vannianum nächstgelegenen römischen Provinzgebiete in Noricum und Pannonien fast vollständig frei von Augenfibeln A 45/4651. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil die Handelskontakte des Markomannenreiches gerade in diesen Bereich besonders intensiv bestanden."
Die Frage ist, aus welcher Quelle Cassius Dio geschöpft hat: benannte er die
Markomannis eben nach der in seiner Zeit (* um 163; † nach 229 AD) gebräuchlichen geographischen Bezeichnung (dann meint
Markomannis wahrscheinlich Böhmen), oder übernahm er die
Markomannis aus einer älteren Quelle, die damit das Land bezeichnete, aus dem die Markomannen ausgewandert sind, und damit die problemlose Ansiedelung der Südhermunduren (die später bei Tacitus an der Grenze zu Rätien erwähnten) ermöglicht hatten. (Velleius spricht übrigens auch von Boiohaemum für Böhmen, nicht von Markomannis, für 6 n.Chr. Vell 2,109,5). Johne meint auf S.122 in
Die Römer an der Elbe, 2006
Die Gleichsetzung der Markomannis mit Böhmen bringt also mindestens so viel Schwierigkeiten mit sich wie sie löst. Nun kann Casius Dio unter diesem begriff auch denjenigen seiner Quellen verstanden haben. Für die Zeitgenossen im letzten Jahrzehnt der vorchristlichen Zeit kann Böhmen noch nicht das "Markomannenland" gewesen sein, sondern das Gebiet, in dem der Stamm spätestens seit Cäsars Zeit siedelte. Als dieses "alte Markomannenland" wird im Allgemeinen Mainfranken verstanden, doch können auch Teile Hessens und Thüringens dazu gehört haben
siehe auch Kehne, RGA 19,2001 Markomannen, link in Sepiolas Beitrag oben
Nur assoziativ: wenn Bernd Steidls These stimmen sollte, dass das Legionslager Marktbreit in Mainfranken für eine südliche geplante Provinzialisierung gedacht war, und wie Volkmann ( PDF mein letzter Beitrag) in einer germanischen Siedlungskammer angesiedelt war, könnte es sich nicht dort um die angesiedelten Hermunduren handeln? Treue Verbündete, wie es Tacitus in seiner Stammesbeschreibung hervorhob (Tac. Germania 41)
?
Die gibt es schon, allerdings beweisen diese Funde nichts.
(Hermundure ist anderer Meinung, bei ihm ergeben schon einzelne Denare und Fibeln ganze Feldzüge, siehe
http://www.geschichtsforum.de/739900-post73.html und
http://www.geschichtsforum.de/740196-post85.html)
So kritisch manche These von Hermundure sehe, er hat meiner indirekten Kritik zugestimmt, dass einzelne kontextlose Lesefunde wenig aussagekräftig sind, und nur in der Zusammenschau und Fundzusammenhang interpretierbar sind
http://www.geschichtsforum.de/f28/m...eugen-hypothese-51637/index57.html#post783446
... von der die römischen Funde ebenso fehlen.
Sic! Meine Worte - Marktbreit liegt nicht auf einer Aufmarschroute - interessanterweise wurde dort ein älteres Marschlager(?) von 9 ha überbaut. Trotz allem liegt es
nicht auf der günstigsten Aufmarschroute an die Elbe von der Donau nach Norden.
Der ungenannte Beleg dürfte wohl bei Florus zu finden sein. Drusus schmückte sein Siegesdenkmal Trophäen, die er von den Markomannen erbeutet hatte. Das setzt einen Sieg über die Markomannen voraus:
Nam Marcomannorum spoliis et insignibus quendam editum tumulum in tropaei modum excoluit.
LacusCurtius ? Epitoma Flori ? Liber*II, Pars*VIII ex*IX
Die Florusstelle ist mir bekannt, die Markomannnen sind wahrscheinlich 10 v.Chr ist besiegt worden. Aus einem Trostgedicht für Livia (Tod ihres Sohnes Drusus) Consolatio ad Liviam:
Eben entriß er den Feinden die schlupfwinkelbietenden Alpen,
Kriegsruhm als Feldherr gewann er in des Bruders Armee.
Sueben, ein feuriges Volk, noch unbesiegte Sugambrer schlug er vernichtend
und trieb so die Barbaren zur Flucht
Kehne meint im RGA-Band 2001,S.292, dass es schwerlich vorstellbar ist, dass die Markomannen nicht mitgemeint sind wenn von einer allgemeinen Unterwerfung der germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe 8 v.Chr.gesprochen wird. Die Deditio ist eine "freiwillige" Unterwerfung, (Augustus nahm das Angebot der Deditio germanischer Gesandschaften 8 v.Chr. in Lugdunum (Lyon) nicht an, solange die Sugambrer nicht einbezogen waren). Die Quellen (Strab 7,1,4; Suet Augustus 21,1; Tac. ann 2,26,3) und auch Florus helfen uns da nicht weiter in der Beantwortung der Frage,
welche Stämme sich namentlich unterworfen haben; dies trifft insbesondere auf die Markomannen zu, die sich unter Marbod aus römischer Sicht ihrem Zugriff über die Elbe ins Böhmische Becken entzogen haben. In der
Res Gestae Divi Augusti (13/14.AD) gibt es folgenden Abschnitt, den man auf die Deditio beziehen kann:
32 54 Ad mé supplices confugerunt regés Parthorum Tíridates et postea Phrátes 1 regis Phratis filius; § Medorum Artavasdes; Adiabenorum Artaxa2 res; § Britannorum Dumnobellaunus et Tima. . . . . .; Sugambrorum 3 Maelo; § Marcomanórum Sueborum . . . . .rus. Ad me rex Parthorum 4 Phrates Orodis filius filiós suós nepotesque omnes misit in Italiam, non 5 bello superátus, sed amicitiam nostram per liberorum suorum pignora 6 petens. § Plúrimaeque aliae gentes expertae sunt p. R. fidem me prin7 cipe, quibus anteá cum populo Romano nullum extiterat legationum 8 et amícitiae commercium. §
Man kann diese Stelle jedoch auch so interpretieren, dass ein markomannischer König ins römische Exil gegangen ist, aus welchen innenpolitischen Gründen auch immer.
Der lässt sich nur indirekt aus Velleius erschließen. Marbod nahm gegenüber den Römern zeitweise eine unterwürfige Haltung ein (interdum ut supplicem*), zeitweise sah er sich auf Augenhöhe (interdum ut pro pari). Die unterwürfige Haltung würde eher zu den früheren Jahren passen, die auftrumpfende in die Zeit direkt vor dem Tiberius-Feldzug.
Um Fragen an einen Text zu stellen, muss der Zusammenhang beachtet werden:
Dio behandelt hier das Jahr 1 n. Chr. und den fehlgeschlagenen Versuch, die versprengten Cherusker zurückzubringen.
Bei dieser Gelegenheit erwähnt er eine frühere gelungene Aktion des Ahenobarbus (Ansiedlung der herumirrenden Hermunduren).
* EDIT: supplex wäre nach meinem Wörterbuch substantivisch auch als "Schützling" zu übersetzen. Also: "zeitweise wie ein Schützling - zeitweise wie ein Ebenbürtiger"
Da stellt sich mir die Frage, wie flexibel das römische Reich außenpolitisch agiert hat - angenommen 8 v.Chr. hätten sich auch die Markomannen unterworfen, oder zumindest ein Teil, vielleicht der nicht mehr fassbare König mit der Endung -rus, dann schon wieder Amici, ein abgeschlossener Freundschaftsvertrag mit ihnen durch Ahenobarbus ein paar Jahre später - so verstehe ich die Cassius Dio-Stelle
55,9-10,2-3 Gleichzeitig gab es neue Ereignisse bei den Kelten. Domitius Ahenobarbus hatte früher, als er noch die Gebiete an der Donau verwaltete, die Hermunduren, die ihre Heimat aus mir unbekannten Grund verlassen hatten, und auf der Suche nach neuem Land umherirrten, unter seinen Schutz genommen und in einem Teil des Markomannengebiets angesiedelt. Und er hatte die Elbe, ohne dass ihm jemand entgegentrat, überschritten. Freundschaftsverträge mit den dortigen Barbaren geschlossen und an dem Strom einen Altar für Augustus errichtet. Jetzt aber war er an den Rhein gekommen, und als er einige vertriebene Cherusker durch Vermittlung anderer in ihre Heimat zurückführen wollte, hatte er dabei keinen Erfolg und bewirkte so, dass auch die anderen Barbaren sie verachteten. Mehr wurde in diesem Jahr nicht erreicht.
Mir erscheint es wesentlich wahrscheinlicher, dass der Feldzug des Ahenobarbus zu den Hermunduren an die Mittelelbe ging. Insgesamt ist mir die Politik der Hermunduren (Sturz Catualdas, Sturz Vannius, Krieg gegen Chatten unter ihrem König Vibilius, der 30 Jahre regiert) tendenziell eher romfreundlich. Zur Zielrichtung des Ahenobarbus-Feldzugs Jan Bemmann in seinem Fazit:
Genau aus der Zeit, in die die Herausbildung der Markomannen und die Herrschaft Marbods fällt (Völling Gruppen II und III bzw. Stufe D2 und B1a bzw. ca. 50/40 v. bis 15 n. Chr.), fehlen in der Region zwischen Pirna und Wittenberg Siedlungsindikatoren fast gänzlich. Daher dürfte auch der bei Cassius Dio überlieferte (55,10a,2), vor das Jahre 1 n. Chr. zu datierende Vorstoß von Domitius Ahenobarbus an die Elbe kaum in dieses Gebiet geführt haben (vgl. jedoch Johne 2006, 124), viel eher ist an die dicht besiedelte Region zwischen Magdeburg und Dessau zu denken, denn die Römer waren nicht an dünn besiedelten Landschaften ohne besondere Rohstoffvorkommen interessiert. In der Phase B1b, in die der Sturz Marbods fällt, setzen die Gräberfelder in der Untersuchungsregion ein und mehrere große, westlich der Weißen Elster gelegene Bestattungsplätze wie Ballstädt, Großromstedt, und Schkopau werden aufgelassen. Aber ob das eine etwas mit dem anderen zu tun hat, bleibt offen.
Jan Bemmann,
Das Elbegebiet zwischen Wittenberg und Bad Schandau von der Spätlatènezeit (Stufe D2) bis zum Ende der älteren Römischen Kaiserzeit, 2009, S.392
https://www.vfgarch.uni-bonn.de/vfg/mitarbeiter/wissenschaftler-2/veroeffentlichungen/bemmann_elbe
Noch ein Text von Johne zu Klientelpolitik Roms
http://edoc.hu-berlin.de/miscellanies/topoi-amici-42168/225/PDF/225.pdf