Maglor
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Der Begriff "Wehrbauer" ist sicherlich problematisch, trotzdem würde ich annehmen, dass bei den Germanen der größere Teil der Krieger auch Bauern waren. Kriegerbünde erscheinen in der Germania des Tacitus als ausgesprochen exotisches Elemet.Dies ist dabei ein ganz wichtiger Punkt. Den so lange postulierten "Wehrbauern", der in seiner Freizeit (wann hat ein Bauer Freizeit?) zum Krieger wird, dürfte es nie gegeben haben, zumindest nicht als militärisch relevantes Element. Um als Kämpfer erfolgreich zu sein, ist Training unerlässlich, wofür einem Bauern einfach die Zeit fehlt, zudem kann er sich eine konkurrenzfähige Ausrüstung schlichtweg nicht leisten.
Einen ziemlich sicheren Beleg dafür, dass auch hoch spezialisierter Krieger immer noch Bauern waren, gibt es für die Bataver, deren "Stammesgebiet" an der Rheinmündung in den heutigen Niederlanden lag. Die Bataver waren dafür bekannt gerüstete Reiter für die Römer zu stellen. Es handelt sich daher sicherlich um spezialisierte und sich jahrelang trainierte Truppen.
Aus dem englischen Vindolanda sind zahlreiche Holztafeln mit vulgärlateinischen Inschriften bekannt. Es handelt sich u.a. um Briefe der batavischen Hilfstruppen am Hadrianswall. In einem dieser Briefe tauschen sich zwei batavischer Brüder aus. Aus dem Brief geht hervor, dass der Soldat doch bitte eine Kastrationszwange für Stiere besorgen soll, d.h. von Nordengland in die Niederlande schicken. Der Grenzsoldat am Hadrianswall ist hier also immer noch in die Geschäfte des heimatlichen Hofes verwickelt und beschräftigt sich mit solchem Kleinklein wie der Beschaffung einer Kastrationszange.
(Ich halte übrigens die Bataver für den germanischen Stamm, der den Cheruskern am meisten ähnelt. DIe Bataver sind ungefähr der einzige andere germanische Stamm, dem Tacitus auch eine "stirps regia" zuschreibt. Das Verhältnis der Bataver zu Rom war auch dem Cherusker bis zur Varus-Schlacht sehr ähnlich. Das Briefeschreiben haben die Cherusker wahrscheinlich auch noch von den Römern gelernt, es wäre jedenfalls sehr hilfteich gewesen, um über weite Strecke Kontakt zu halten. Wie sonst soll ein Segimundus in Köln über die neusten Intrigen informiert werden? Ein früher Nachweis für das Briefe-Schreiben germanischer Stammeseliten, ist auch der Brief der Chatten Adgandestrius, der dem römischen Senat anbot, Arminius zu vergiften, wenn man im Gift schicke. Das Briefeschreiben gehört wahrscheinlich schon zum Alltag - zumindest für die Eliten.)
Den richtigen Begriff gibt es nicht. In den römischen Quellen tauchen verschiedene lateinische Begriffe aus, um die Eliten der Cherusker zu benennen, aber es gelingt nicht mal Tacitus die Angehörigen dieser Elite irgendwie durchgängig zu betiteln.aber ist der Begriff König denn richtig?
Der Untergang:
Tacitus entschied sich dafür den Niedergang der Cherusker als spannenden Familiendrama ohne Happy End zu schildern, indem sich die engverwandte oder zumindest verschwägerte Elite in verschiedenen Intrigen innerhalb weniger Jahrzehnte gegenseitig auslöscht hat.
Warum sich Tacitus für diese Interpretation entschieden hat, wäre zu klären. Vielleicht wollte er eine spannende Geschichte erzählen oder ein politisches oder moralisches Lehrstück.
Oder ganz unwahrscheinlich: Tacitus wusste wirklich bescheid und irgendein Informant hat ihm solche intimen Details wie den Inhalt des Streitgesprächs zwischen Arminius und Flavus zugesteckt.
Nicht unwahrscheinlich scheint mir, dass Tacitus eine Erklärung dafür liefern wollte, warum seinerzeit die Cherusker in der Tagespolitik keine Rolle mehr spielten.
Das schnelle Verschwinden der Cherusker von der politischen und militärischen Bildfläche nach dem Untergang ihres Adelsclans scheint mir ein ziemlich einmaliger Vorgang gewesen zu sein. Die in die Rangkämpfe des Cherusker-Adels verwickelten Langobarden existieren im Gegensatz dazu noch im frühen Mittelalter - wenn auch an ganz anderer Stelle.
Bzgl. andere Stammes-Gruppierungen scheint es den Zusammenhang zwischen dem Untergang der Adelsfamilie (Clan) und dem Verschwinden des Stammesnamens nicht zu geben. Als Marbod ins Exil geht, führt dies keineswegs zum Untergang der Markomannen. Nach dem der Quade Vannius und kurze später der Hermundure Vibilius das markomannische Gebiet erobern, existierten die Markomannen in den römischen Schriftquellen einfach weiter und das bis ins 4. Jahrhundert n Chr.
Ebenfalls durch Tacitus überliefert ist ein gewisser Gannascus. Dieser Warlord gehört zum Stamm der Cannefaten, trotzdem führte er die Chauken bei einem Raubzug an.
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