Nun ist mir schon klar, dass solche Übertragungen problematisch sind.
genau das ist ja das Problem bzgl. der Betrachtungsweise.

angenommen es gäbe einen rassistischen "Antihunnismus" oder "Antislawismus", dann müsste man die Historiker Priskos und Prokop für Antihunnisten bzw. Antislawisten halten -- beides ist natürlich Blödsinn :) aber es macht etwas sehr wesentliches deutlich: Luther und seine Zeit konnten noch nichts vom Rassismus und Genozid des 20. Jh. wissen. Wir sollten folglich beim lesen seiner Schriften auf gar keinen Fall unseren Erfahrungshorizont dort wiederfinden wollen! Das Wort "Volk" im 16. Jh. wurde nicht mit denselben Konnotationen und Hintergründen wie heute verwendet.

Also gälte es erst einmal, Luthers Sprache zu analysieren und zu verstehen, und das vor dem Erfahrungshorizont und bzgl. des Vokabulars innerhalb seiner Zeit - tun wir das nicht, ist die Gefahr von Missverständnissen zu groß.

antijudaisch, Judenhasser, unreflektierte antijüdische Ressentiments - all das kann man Luther attestieren; aber der Begriff Antisemit ist dennoch fehl am Platz, denn er betrifft andere Zeiten und Kontexte/Konnotationen, die das 16. Jh. noch nicht kannte.

(mal scherzhaft dieses Problem beschrieben: Luther hat sich nie gegen den Nuklearkrieg ausgesprochen, also muss er ein übler Kriegshetzer gewesen sein)
 
...
(mal scherzhaft dieses Problem beschrieben: Luther hat sich nie gegen den Nuklearkrieg ausgesprochen, also muss er ein übler Kriegshetzer gewesen sein)

..und weil er weder Darwin noch Mendel kannte..
konnte er auch kein "Antisemit" sein?

Sei mir net bös..
aber wenn man Menschen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit verdammt,
dann kann man doch kein Vorbild im Sinne der "golden rule" sein.
Der Luther als historische Gestalt hat zuletzt bizarre Züge entwickelt.

Grüße hatl
 
..und weil er weder Darwin noch Mendel kannte..
konnte er auch kein "Antisemit" sein?
...wie hätte er das können, wenn cum grano salis erst ab ca. 1800 von Antisemitismus die Rede ist? vgl. Antisemitismus (bis 1945) ? Wikipedia

ich bin dir net bös, wieso auch, wir diskutieren ja die gestellte Frage :) und ich bin sicher, dass sich keiner von uns dazu versteigt, den ollen Luther des 16. Jh. zum Antisemitismuspropheten für ab 1800 zu deklarieren :):)
 
...wie hätte er das können, wenn cum grano salis erst ab ca. 1800 von Antisemitismus die Rede ist? vgl. Antisemitismus (bis 1945) ? Wikipedia

ich bin dir net bös, wieso auch, wir diskutieren ja die gestellte Frage :) und ich bin sicher, dass sich keiner von uns dazu versteigt, den ollen Luther des 16. Jh. zum Antisemitismuspropheten für ab 1800 zu deklarieren :):)

Klar war er das.
Da brauchts ja uns net.

Dabei ist ja die Person weniger erheblich als die Nachwirkung eines Gedankens der sich "wirkmächtig" in die Welt setzte und dergestalt ein Eigenleben entwickelte.

:winke:
 
Luther, Martin, war ein Prophet des Antisemitismus?

(wolltest du das ernstlich so ausdrücken?)

Ich denke man kann das so sehen.
Dabei ist die Wirkung nicht abhängig von einer Absicht, sondern eben vorhanden.
Man darf man das sinnvollerweise von einer Gesamtwürdigung einer Person trennen und sich auf die Weiterentwicklung eines Gedankens beziehen.

hatl
 
...antijudaisch, Judenhasser, unreflektierte antijüdische Ressentiments - all das kann man Luther attestieren; aber der Begriff Antisemit ist dennoch fehl am Platz, denn er betrifft andere Zeiten und Kontexte/Konnotationen, die das 16. Jh. noch nicht kannte. ...
Hervorhebung durch mich.

So sehe ich das auch.

Historische Kategorisierungen machen nur Sinn, wenn sie auf den historischen Kontext bezogen werden und nicht selbigen verlassen und retrospektiv bzw. prospektiv für unterschiedliche historische Epochen verwandt werden.

Mit seiner Judenfeindlichkeit befand sich Luther im absolutem Mainstraem seiner Zeit, in diesem Punkt hätte er und Eck sich durchaus die "Hände reichen können", da wäre in Leipzig ganz schnell Konsens erzielt worden, und zwar unter dem Beifall von Georg.

Antisemitismus bezeichnet eine neue Qualität der Judenfeindlichkeit, damit standen die Juden nicht mehr unter einem Generalverdacht, sondern vielmehr war das Generalurteil gesprochen. Ein Jude konnte sich diesem Urteil nicht mehr entziehen, weder durch Taufe noch durch Assimilation.

Das Argumentarium von Luther aufgreifend, die "Gerechtigkeit vor Gott" wäre bei Luther für einen Juden noch möglich gewesen, in dem Theoriegebäude des Antsemitismus, wäre diese "Gerchtigkeit vor Gott" qua Geburt und Herkunft unmöglich.

Der Antisemitismus kennt, im Gegensatz zum Antijudaismus, keine Möglichkeit der Vergebung der Schuld. M.E. war Luther von diesem Ideenansatz sehr weit entfernt.

M. :winke:
 
Der Antisemitismus kennt, im Gegensatz zum Antijudaismus, keine Möglichkeit der Vergebung der Schuld. M.E. war Luther von diesem Ideenansatz sehr weit entfernt.
Mit genau diesem Hintergrund hatte auch ich mich dagegen ausgesprochen, ihn als Antisemiten zu bezeichnen. Andererseits: Maglor hat in Beitrag 68 einen Text verlinkt, in dem Luther mit den Worten zitiert wird, die Juden seien ein zum Lügen neigendes "Menschengeschlecht" und Judentaufen müssten deshalb mit Argwohn betrachtet werden. Diese Wortwahl gibt mir schon zu denken, auch wenn die Definition für "Antisemitismus" erst nach Luthers Ableben formuliert wurde.

Natürlich ist das ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat, das wir aufgrund veränderter Wortbedeutungen vielleicht falsch auslegen... Durch die Lektüre anderer Texte aus vergangener Zeit weiß ich, dass Dekumatland mit der folgenden Aussage völlig Recht hat:
Also gälte es erst einmal, Luthers Sprache zu analysieren und zu verstehen, und das vor dem Erfahrungshorizont und bzgl. des Vokabulars innerhalb seiner Zeit - tun wir das nicht, ist die Gefahr von Missverständnissen zu groß.

Die Gefahr von Missverständnissen ist besonders groß bei Vokabeln, die aus einer veralteten "Version" unserer Muttersprache stammen und die wir gar nicht hinterfragen, weil wir sie auf Anhieb zu verstehen glauben.

MfG
 
Die Gefahr von Missverständnissen ist besonders groß bei Vokabeln, die aus einer veralteten "Version" unserer Muttersprache stammen und die wir gar nicht hinterfragen, weil wir sie auf Anhieb zu verstehen glauben.
oh ja!
das "englische Fräulein" der deutschen Romantik ist mitnichten Insulanerin, sondern äußerlich engelsgleich; und wenn Daland seine Tochter anpreist mit "sie zieret ihr Geschlecht" (Wagner, Fliegender Holländer), dann weist er nicht auf Intimschmuck hin :rofl:(:still: bevor es rote hagelt)
in diesem Sinne ist Luthers Gebrauch des Wortes "Volk", auch in zusammengesetzen Hauptworten usw., noch lange nicht im Sinne von völkisch-national oder völkisch-rassistisch zu verstehen.

@Maelonn: ich bin auch kein Kirchgänger, ja nicht mal gläubig - aber mir widerstrebt es, wenn historische Zusammenhänge fehlinterpretiert werden (und Luther zum Antisemiten zu machen ist eine Fehlinterpretation)
 
@dekumatland
Was wollte uns Luther damit wohl sagen?
"Ein solche verzweifeltes durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist´s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes. Da ist kein menschliches Herz gegen uns Heiden. Solches lernen sie von ihren Rabbinern in den Teufelsnestern ihrer Schulen."

Mit seiner Judenfeindlichkeit befand sich Luther im absolutem Mainstraem seiner Zeit, in diesem Punkt hätte er und Eck sich durchaus die "Hände reichen können", da wäre in Leipzig ganz schnell Konsens erzielt worden, und zwar unter dem Beifall von Georg.
Mainstream oder nicht, seine Forderungen - und er fordert quasi eine ethnische Säuberung - blieben trotz seines nicht gerede unbedeutenden Einfluss auf den christlichen Adel deutscher Nation im wesentlichen unerfüllt.
Viel mehr ist es sdoch so, dass die Schutzbriefe des Kaisers für die Juden mit dem Speyrer Judenprivileg erneuert und erweitert wurde. Mittelalterliche Diskriminierungsgebote wie Pflicht zu einer besonders Judentracht, wurden ganz aufgehoben. Etwas grotesk wirkt das ganze dadurch, dass der Privilegiengeber Kaiser Karl V. gleichzeitig auch König von Spanien war und daher in seinen beiden Reiche eine quasi gegensätzliche Judenpolitik vorantrieb.
 
@dekumatland
Was wollte uns Luther damit wohl sagen?
"Ein solche verzweifeltes durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist´s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Das ist nichts anderes. Da ist kein menschliches Herz gegen uns Heiden. Solches lernen sie von ihren Rabbinern in den Teufelsnestern ihrer Schulen."
solche Tiraden aus dieser Zeit, egal ob von Luther oder sonstwem: wurden die ernst genommen? (um auch modernes Vokabular zu verwenden) fand irgendwo in der Renaissance ein Pogrom im Namen Luthers statt?
derartige vollmundige Klerikertiraden, ob gegen fahrendes Volk, Sittenverfall, Häretiker, Juden, wurden irgendwann nur noch parodiert:
Heine schrieb:
(...)

Juden, Juden, ihr seid Säue,
Paviane, Nashorntiere,
Die man nennt Rhinozerosse,
Krokodile und Vampire.

Ihr seid Raben, Eulen, Uhus,
Fledermäuse, Wiedehöpfe,
Leichenhühner, Basilisken,
Galgenvögel, Nachtgeschöpfe.

Ihr seid Vipern und Blindschleichen,
Klapperschlangen, gift'ge Kröten,
Ottern, Nattern - Christus wird
Eu'r verfluchtes Haupt zertreten.

Oder wollt ihr, Maledeiten,
Eure armen Seelen retten?
Aus der Bosheit Synagoge
Flüchtet nach den frommen Stätten,

(...)
komplett hier nachzulesen (aber Vorsicht, die Lachmuskeln werden stark beansprucht) Heinrich Heine - Gedichte: Disputation
 
sorry für off-topic

(aber Vorsicht, die Lachmuskeln werden stark beansprucht)
da ich Heines Disputation nun schon zitiert habe und da wir hier ja engagiert am diskutieren sind noch ein herrliches Zitat aus besagtem Gedicht:
Durch die Macht der Argumente,
Durch der Logik Kettenschlüsse
Und Zitate von Autoren,
Die man anerkennen müsse,

Will ein jeder Kämpe seinen
Gegner ad absurdum führen
Und die wahre Göttlichkeit
Seines Gottes demonstrieren.
:D:D:D
 
...
Mainstream oder nicht, seine Forderungen - und er fordert quasi eine ethnische Säuberung - blieben trotz seines nicht gerede unbedeutenden Einfluss auf den christlichen Adel deutscher Nation im wesentlichen unerfüllt...

@Maglor,

ich möchte Dir in zwei Beiträgen antworten, weil ich sonst die Übersicht verliere, sorry.

Luther hat keine "ethnischen Säuberungen" gefordert, sondern ein Pamphlet wider die Juden als Glaubensgemeinschaft geschrieben.

Er schreibt von "scharfer Barmherzigkeit". Er schließt sie auch nicht von der Gnade aus, so sie ihrem jüdischen Glauben entsagen und sich taufen lassen und somit Mitglied einer, hier reformierten, christlichen Kirche würden.

Von den Juden und ihren Luegen

Da findet sich kein antisemitischer Ton, wohl aber heftige antijudaistsche Argumente.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
.... Etwas grotesk wirkt das ganze dadurch, dass der Privilegiengeber Kaiser Karl V. gleichzeitig auch König von Spanien war und daher in seinen beiden Reiche eine quasi gegensätzliche Judenpolitik vorantrieb.

@Maglor,

das ist aus mittelalterlicher bzw. fnz - Sicht nicht "grotesk". Einfach deshalb, weil m.E. Karl V. keine "Judenpolitk" betrieb. Im HRR musste er sich mit den Reichsständen einigen, in Spanien fand er eine ganz andere Situation vor, an die er sich anpassen mußte und dieses auch erfolgreich tat.

Der handelte nicht aus ideologischer Sicht: "Judenpolitik", wie wir das heute vllt. unterstellen würden, sondern einfach aus dynastischer Sicht.

Das schloss Speyer und die spanische Inquisition nicht aus.

M. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
es wird immer besser: erst soll der Luther ein krasser Antisemit sein, jetzt fordert er auch noch "ethnische Säuberungen"...
(ich kann bzgl. des 16. Jh. nicht viel mit derart modernen Vokabeln anfangen)
(Hervorhebung durch mich)

Hierzu:
Ethnische Säuberung bezeichnet das Entfernen einer ethnischen oder religiösen Gruppe aus einem bestimmten Territorium. Dies erfolgt zumeist durch gewaltsame Vertreibung, Umsiedlung, Deportation oder Mord.
Ethnische Säuberung ? Wikipedia

Auch wenn der Begriff als solcher ein moderner ist, so kann ich doch nicht erkennen warum man ihn nicht auf Vorgänge oder Forderungen vorheriger Zeit anwenden könnte.
 
Er schreibt von "scharfer Barmherzigkeit".
Was Luther mit scharfer Barmherzigkeit gemeint hat, erklärt er am Ende seiner Schrift noch mal ganz deutlich. Scharfe Barmherzigkeit bedeutet Unbarmherzigt. Wie ein treuer Arzt das kranke Fleisch herausschneiden oder abbrennen müsse, so soll der Landesherr mit den Juden um umgehen. Wenn das Verbrennen der Synagogen und die Zwangsarbeit nichts nützt, so solle man jene Juden, die nicht mehr vor dem Höllenfeuer gerettet werden können, wie "tolle Hunde" fortjagen. (Eigentlich macht ja der Ton die Musik, aber das Schimpfwort ist Nebensache. Die nicht mit "scharfer Barmherzigkeit" bekehrbaren Juden sollen gewaltsam vertrieben werden. Das ist der spingene Punkt. Folgerichtig würde es danach eben keine Juden in den Fürstentümern geben, an deren Landesherren Luther appelliert.)

Eine andere vorbildliche scharfe Barmherzigkeit weiß Luther von Moses zu berichten. Moses habe auch mal 3000 Juden totgeschlagen, damit der "ganze Haufen" nicht verdirbt. In diesem Sinne müsse man die Juden loswerden, da auch die Christen von Lastern und Lästerungen der Juden angesteckt werden könnten und daher ebenfalls von Gott verdammt werden würden.
Ein Zusammenleben von (jüdischen) Juden und Christen ist für Luther daher ausgeschlossen.

Leider macht Luther keine Angaben darüber, wie viele Juden durch "scharfe Barmherzigkeit" draufgehen würden und wie viele wirklich durch Zwangsarbeit u. a. doch noch gerettet werden könnten.
Ethnische Säuberung oder nicht, Antisemitismus oder nicht - wie man es auch bewertet, hätte die besagten Landesherren Luthers Anweisungen strikt befolgt, wäre das wenigstens das Ende des Judentums in protestantischen Europa gewesen oder auch Massenmord. Das am Ende auch einige jüdische Täuflinge überlebt hätten (obwohl sich da Luther auch nicht gerade sicher ist), kann bei der Wertung des ganzen natürlich nicht hoch genug einschätzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann sich ja mal den ganzen Text des Links von Maglor reinziehen..
und sich fragen inwiefern die Entgleisungen des späten Luthers als Vorlage des modernen Antisemitismus dienen konnten, oder gar als Handlungsanleitung für das 3. Reich.
Es wäre ja nicht allzuschwer eine solche zu entnehmen.
Die Frage ist natürlich ob eine derartige Verbindung erkennbar ist oder man sie unterstellend konstruieren müsste.
Und es erhebt sich dergestalt die Frage ob Luther einen wesentlichen Beitrag zum Antisemitismus leistete.

Immerhin gibt es laut englischen Wiki eben diese Verbindung:
The prevailing view[28] among historians is that Luther's anti-Jewish rhetoric contributed significantly to the development of antisemitism in Germany,[29] and in the 1930s and 1940s provided an ideal foundation for the Nazi Party's attacks on Jews.[30] Reinhold Lewin writes that "whoever wrote against the Jews for whatever reason believed he had the right to justify himself by triumphantly referring to Luther." According to Michael, just about every anti-Jewish book printed in the Third Reich contained references to and quotations from Luther. Diarmaid MacCulloch argues that Luther's 1543 pamphlet On the Jews and Their Lies was a "blueprint" for the Kristallnacht.[31] Shortly after the Kristallnacht, Martin Sasse, Bishop of the Evangelical Lutheran Church in Thuringia, published a compendium of Martin Luther's writings ; Sasse "applauded the burning of the synagogues" and the coincidence of the day, writing in the introduction, "On November 10, 1938, on Luther's birthday, the synagogues are burning in Germany." The German people, he urged, ought to heed these words "of the greatest anti-Semite of his time, the warner of his people against the Jews."[32]
Martin Luther and antisemitism - Wikipedia, the free encyclopedia

Nun will ich mal unsere Forumshistoriker fragen ob das so ist wie oben dargestellt:
Ist es vorherrschende Meinung unter Historikern, dass Luthers antijüdische Schriften einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des deutschen Antisemitismus beitrugen,
und ist es so, dass sich nahezu jedes antisemitische Buch des 3. Reichs auf Luther berief?

hatl

(Die Frage nach der angesprochenen Rolle des Bischofs Martin Sasse erübrigt sich, ebenso die nach der Haltung der "Deutschen Christen".
Denn eine solche Frage wäre ja eine rhetorische.)

Eine jedoch ernsthafte Frage, die man sich stellen darf, ist diese:
Behindert uns der Blick in den hässlichen Teil des Gesichts der eigenen Geschichte nicht in dem Sinne, dass wir geneigt sein könnten diesen vorschnell abzuwenden?
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Nun will ich mal unsere Forumshistoriker fragen ob das so ist wie oben dargestellt:
Ist es vorherrschende Meinung unter Historikern, dass Luthers antijüdische Schriften einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des deutschen Antisemitismus beitrugen,
und ist es so, dass sich nahezu jedes antisemitische Buch des 3. Reichs auf Luther berief?...

Nein. Ich bin bestimmt kein ausgewiesener Experte in der Geschichte des Antisemitismus, Luther spielte da keine Rolle, vllt. mal ein Zitat im "Stürmer", weiß ich aber nicht und wenn, dann wäre das eine Marginalie auch was Bücher betrifft.

Weder das Parteiprogramm der NSDAP noch die Nürnberger Gesetze stellen in irgendeinerweise auf Religionszugehörigkeit ab, sondern vielmehr auf "rassebiologische" Kategorien.

Vergl.: Parteiprogramm der NSDAP, hier Pkt. 4

Dokument: Die 25 Punkte des Programms der NSDAP

"...4. Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein. ..."

Religion ist da explizit ausgeschlossen.

Nürnberger Gesetze, vergl.:

Dokument: Die Nürnberger Gesetze

Hier auch, da ist nichts religiöses zu finden.

Einwand: Ist Luther in einer judenfeindlichen Traditionslinie zu sehen?

Ja, bestimmt.

Benutzt die ns Ideologie Luther für ihren "Rassenwahn" ausdrücklich - nein.

Paßt Luther in die ns "Judenpolitik" und kann er als Folie dienen - wahrscheinlich nein.

Grund:

Der Begriff "Jude" ist bei Luther fundamental anders als in der ns Ideologie:

religiöse Definition L. <=> "rassenbiologische Definition" im ns DR.

Paßt Luther überhaupt für antijüdische Polemik im DR:

Nur bedingt, weil, da gab es ein Konfessionsproblem, was die ns Politik/Propaganda beachten mußte und hat.

@hatl

Das wäre so mein erster Erklärungsansatz auf Deine Fragestellung.

M.
 
am Ende auch einige jüdische Täuflinge überlebt hätten ....

Sarkasmus erkannt und akzeptiert. ;)

Aber ist das nicht exakt der Unterschied zwischen einem theologisch determinierten Antijudaismus und einem "rassebiologischen" Antisemitismus?

Der Antijudaismus kennt und akzeptiert die Heilung des Malus, der Antisemitismus verneint dieses. Ich meine, das ist ein großer Unterschied.

M. :winke:
 
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