Das habe ich auch nicht bestritten, ich frage nur was es gebracht hätte, bzw. gebracht hat?
Sicherlich ein couragierteres Verhalten von Herrn Wels und der SPD, als das vom Zentrum vorgetragene Abstimmungsverhalten, nur hat es realiter irgendwas geändert?
Was hätte es geändert, hätten sich die Zentrumsabgeordneten bei der Abstimmung zum "Ermächtigungsgesetz" anders verhalten?
Bis zum Ermächtigungsgesetz beruhte die Macht Hitlers zu einem großen Teil auf der Reichstagsbrandverordnung Hindenburgs. Hindenburg hätte die theoretisch auch wieder aufheben und vielleicht sogar Hitler als Reichskanzler entlassen können. Im März 33 war die Macht der Nazis imho noch nicht so gefestigt, dass man sicher hätte vorhersagen können, dass sie sich bei einem Machtkampf gegen den Reichspräsidenten, wenn sich Reichswehr und Polizei und die Behörden auf dessen Seite gestellt hätten, durchgesetzt hätten.
Man kann natürlich fragen, wie wahrscheinlich es war, dass sich Hindenburg gegen Hitler gestellt hätte. Ich halte es aber nicht für unmöglich, dass er noch versucht hätte, die Reißleine zu ziehen, wenn die Nazis jetzt etwa nach einem Scheitern des Ermächtigungsgesetztes massenweise bürgerliche Abgeordnete verhaftet oder sogar ermordet hätten.
Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz waren jedenfalls jeder Form von passivem oder aktivem Widerstand gegen die Nazis seitens der Sicherheitsbehörden, anderer Behörden oder der Reichswehr die Grundlage entzogen.
Aber selbst wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes die Diktatur Hitlers mit Sicherheit nicht aufgehalten hätte, entlässt dass die Abgeordneten, die diesem zugestimmt haben, trotzdem nicht aus ihrer Verantwortung.
Es wird ja auch bei Prozessen gegen Wächter oder Sekretärinnen in Vernichtungslagen nicht als Entschuldigung akzeptiert, dass die Ermordung der Juden auch ohne sie weiter gelaufen wäre.
Im Übrigen hätte die Abgeordneten des Zentrums und der anderen bürgerlichen mehr oder weniger demokratischen Parteien bei Sorge um ihre persönliche Sicherheit bei Ablehnung auch einfach der Abstimmung fernbleiben können.
Es hätte möglicherweise etwas geändert, wenn sich, als die Kanzlerschaft Hitler sich abzeichnete (die fiel nicht aus heiterem Himmel) SPD und Zentrum versucht hätten mit der KPD zu einer Zweckgemeinschaft auf Zeit zusammen zu raufen um diese Gefahr abzuwehren.
Das hätte das Bürgertum erst recht in die Hände der Nazis oder gegebenenfalls der Deutschnationalen getrieben und wäre ja auch schon im Ansatz an der KPD gescheitert, die ja zulange die Sozialdemokraten als ihre Hauptgegner angesehen haben.
Die KPD hätte ja auch bei den Reichspräsidentenwahlen 1925 und 1932 jeweils darauf verzichten können, im zweiten Wahlgang einen eigenen Kandidaten aufzustellen. 1925 wäre dann vielleicht Marx statt Hindenburg Reichspräsident geworden. 1932 hätten die demokratischen Parteien dann vielleicht den Mut gehabt, jemand anderen als ausgerechnet Hindenburg zu unterstützen.
Die Unterstützung Hindenburgs bei der Wahl 1932 halte ich für einen der schwerwiegendsten Fehler der demokratischen Parteien in der Weimarer Republik.
Man hätte das Risiko eingehen sollen, einen Demokraten zu unterstützen, selbst wenn dieser vielleicht gegen Hitler hätte verlieren können. Wenn es keinen demokratischen Politiker gab, dem man einen Sieg gegen Hitler zugetraut hätte, wäre vielleicht eine angesehene Persönlichkeit wie z. B. Thomas Mann in Frage gekommen.