Niederländische Marine des 17. Jhrdt.

Somit ist das Linienschiff kein Schiffstyp mit baulichen Charakter, sondern ein Schiffstyp mit taktischer Charakter.
Nicht nur: Ein Linienschiff war immer noch ein "Schiff". Ein "Schiff" wiederum war während der Zeit, als es "Linienschiffe" unter Segeln gab, klar definiert und zwar an Hand seines Riggs (das gilt zumindest für den englischen Sprachraum - für die übrigen Europäer dürfte aber das selbe gegolten haben).
Hierbei entspricht "Schiff" dem heute üblicheren "Vollschiff":
Ein "Schiff" hatte drei (oder mehr) rahgetakelte Masten. Rahen sind die Hölzer, an denen die Segel befestigt sind. Rahen und damit Rahsegel sind grundsätzlich quer zur Längsachse des Schiffes ausgerichtet. Damit stehen sie im Gegensatz zu "Gaffeln" und "Bäumen", respektive Gaffelsegeln und Schratsegeln, die längst der Längsachse des Schiffes gesetzt werden. Siehe auch: Full-rigged ship - Wikipedia, the free encyclopedia

Zwischen 17. und 19. Jahrhundert wurden (praktisch) alle hochseefähigen schweren Kriegsfahrzeuge europäischer Marinen als "Schiff" gebaut. Mit Einführung der Lineartaktik und damit des "Linienschiffes" wurden diese Schiffe (und NUR diese) nach ihrem Kampfwert, gemessen in Anzahl von Geschützen und Sollbesatzung gruppiert. Die Briten führen dafür ein System mit sechs Klassen ein. Franzosen, Spanier, Niederländer und vermutlich die meisten anderen europäischen Marinen nutzten entsprechende ähnliche Systeme. Schwächere Schiffe (wie z. B. Korvetten) oder Fahrzeuge ("vessels") mit einem anderen Rigg - wie z. B. Briggs, Schoner oder Kutter liefen außer- und unterhalb dieser klassifizierten Schiffe.
"Linienschiffe" waren also stets Schiffe. Selbst wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, einen großen, starken Rumpf mit mehr als 60 Kanonen auszustatten, ihm jedoch das Rigg einer Bark zu geben, so wäre das Ergebnis eben kein "Linienschiff", sonderen eine "Linienbark" gewesen. Lediglich der Wortbestandteil "Linien-" ergab sich aus der taktischen Verwendung. Das "-schiff" ergibt sich aus der baulichen Gestalt - eben der Ausgestaltung des Riggs, vulgo der Antriebsanlage.

Das (Linien-)schiff befindet sich übrigens in einer Entwicklungslinie, in der ihm "Galeone" und der wiederum "Karracke" bzw. "Nao/Nau" vorausgehen. Dazu hier ein recht ordentlicher Überblicksartikel, wenn auch auf niederplatthochdeutsch: SQUARE-RIGGED SHIP HISTORY

Ohne jetzt tiefer ins Detail einzugehen: Die Niederländer MUSSTEN auf Grund der Gegebenheiten vor ihrer Haustüre flachgehende Kriegsschiffe bauen. Alles andere hätten sie nicht aus ihren Häfen herausbekommen. Und immer noch mussten Linienschiffe mit Ziel z. B. Amsterdam (ich hoffe, mein Gedächtnis trügt mich hier nicht), zusätzlich geleichtert werden, um ihren Heimathafen anlaufen zu können. Das hieß: Artillerie und Vorräte von Bord - ein Mordsaggevaas mit entsprechenden Rückwirkungen auf Verfügbarkeit und Mobilität und damit Einsatzfähigkeit. Im Gegensatz zu ihren englischen und französischen Gegenstücken waren diese niederländischen Schiffe Dwarslööper mit miesen Seeeigenschaften.Das war insbesondere ein Problem, wenn man "Höhe laufen" wollte. Wer windaufwärts von seinem Gegner stand, hatte in einem Seegefecht das Gesetz des Handelns, da er seinem Gegner (bei vergleichbaren Manövriereigenschaften) den Zeitpunkt des Gefechtes aufzwingen konnte. Viele Seegefechte begannen Stunden und Tage vor dem ersten Schuß, als die Kontrahenten nach Insichtkommen zunächst versuchten, sich diesen sogenannten Luvvorteil zu verschaffen. Ein Schiff mit einer hohen Abdrift, wie es diese niederländischen Schiffe waren, war hier in deutlichem Nachteil. Das selbe galt vor einer Leeküste, wenn man sich gegen den vorherrschenden Wind freisegeln oder scheitern musste.
In jedem Fall waren diese niederländischen Schiffe in der Regel nicht nur flacher gehend, sondern auch etwas kleiner und vor allem schwächer bewaffnet: Sowohl Anzahl der Geschütze betreffend als auch deren Kaliber. Beides, um Gewicht und damit Tiefgang zu sparen.
 
Amsterdam war für See-Schiffe nur mittels der Zuidersee zu erreichen. Der Nordseekanal, welcher heute Amsterdam via Ijmuiden mit der Nordsee verbindet wurde erst 1876 eröffnet.
Nordseekanal ? Wikipedia

Der Vorgänger war der Nordhollandsch Kanal, zwischen Den Helder und Amsterdam. Er wurde aber erst 1824 eröffnet. Der Vorteil war das man einmal geschleust, keine Gezeiten mehr hatte. Die Zuidersee wurde ja erst mit dem Bau den Abschlussdeiches in den 30er Jahren Gezeitenfrei und zum Ijsselmeer.
Und selbst heute ist das Ijsselmeer verdammt flach an vielen Stellen, das gilt auch für viele Häfen. Mit etwa 2m Tiefgang kann man viele Häfen nur noch bedingt anlaufen.

Noordhollandsch Kanaal - Wikipedia

IJsselmeer ? Wikipedia

Bis 1825 setzte man Schiffskamele ein, um den Tiefgang der Seegehenden Schiffe zu verringern. Diese warteten entweder in der höhe des Enkhuizener Sandes oder im Pampus, der heute die westliche Zufahrt zur Oranjesluis und damit dem Nordseekanal bildet. Der Vorteil der Kamele ist oder war das man die Schiffe nicht komplett leerräumen musste.
Schiffskamel ? Wikipedia

Deshalb wurde Den Helder als Flottenstützpunkt angelegt und auch ausgebaut.

Apvar
 
[...]
"Linienschiffe" waren also stets Schiffe. Selbst wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, einen großen, starken Rumpf mit mehr als 60 Kanonen auszustatten, ihm jedoch das Rigg einer Bark zu geben, so wäre das Ergebnis eben kein "Linienschiff", sonderen eine "Linienbark" gewesen. Lediglich der Wortbestandteil "Linien-" ergab sich aus der taktischen Verwendung. Das "-schiff" ergibt sich aus der baulichen Gestalt - eben der Ausgestaltung des Riggs, vulgo der Antriebsanlage.
[...]

Sicherlich wurden Schiffe auch nach der Art der Beseglung unterschieden (obwohl es eigendlich nur zwei Segelgrundgruppen gibt, das Rah- und das Schratsegel, vielleicht noch das Stagsegel), doch haben fast alle großen Kriegsschiffe (vom Linienschiff über die Fregatte bis zur Korvette) eine Vollschiffstakelung, um hier die größtmögliche Geschwindigkeit durch größte Segelfläche erreichen zu können.
Entsprechende Änderungen der Takelung entsprechend seiner Entwicklung natürlich vorausgesetzt.
Eine Schonertakelung (Schratsegel) war für kleinere Schiffe von Vorteil, um hier nicht nur hohe Geschwindigkeit zu gewährleisten, sondern auch beweglicher zu sein.

Ansonsten war die Einteilung der Kriegsschiffe nach der Kanonenanzahl definiert, also nach seinem taktischen Wert.

Und das die Niederländer durch die geographische Gegebenheit des Wattenmeeres mit flachgehenden Schiffkonstrutionen arbeiteten mussten, ist mir schon bewusst, ändert aber nix an den damit auftretenden Problemen einer gewissen Topplastigkeit.
 
Eine Schonertakelung (Schratsegel) war für kleinere Schiffe von Vorteil, um hier nicht nur hohe Geschwindigkeit zu gewährleisten, sondern auch beweglicher zu sein.
... sowie eine einfachere Bedienung zu gewährleisten, damit wiederum eine geringere Besatzung zu erfordern und des Weiteren höher an den Wind gehen zu können...

Ansonsten war die Einteilung der Kriegsschiffe nach der Kanonenanzahl definiert, also nach seinem taktischen Wert.
Haha, das wird eine lebhafte Sonntagsdebatte :friends:. Der taktische Wert hat m. E. nichts bzw. nicht nur mit der Kanonenanzahl (oder besser dem Breitseitgewicht) zu tun, sondern ergibt sich aus der Gesamtschau u. a. von Manövriereigenschaften, Bewaffnung, Geographie, Wetterbedingungen und Eigenschaften von Ziel und Gegner. Gerade vor der niederländischen Küste oder in den Ostseezugängen war der taktische Wert eines Linienschiffes Ersten Ranges gleich null oder mangels Bewegungsfähigkeit negativ. In der Blockade der Küste der jungen USA war der taktische Wert eines solchen Linienschiffes des Ersten Ranges mangels adäquater Gegner nicht höher als der eines solchen Dritten oder Vierten Ranges. Als Kreuzer war eine Fregatte taktisch wertvoller als ein Linienschiff. Für ein Landzielschießen war ein Mörserfahrzeug (unrated vessel!) wertvoller als ein rated vessel. Und im Kanonenbootkrieg haben die Dänen, Windstille vorausgesetzt, mit ihren ollen Ruderbooten mit Kanone im Bug in Sunden und Belten ausgewachsenen Linienschiffen im wahrsten Sinne des Wortes gehörig Feuer unterm Hintern gemacht. Vergiss mir die Spezialisten nicht - Kleinvieh kann halt auch gehörige Haufen k...reieren. :winke:

Und das die Niederländer durch die geographische Gegebenheit des Wattenmeeres mit flachgehenden Schiffkonstrutionen arbeiteten mussten, ist mir schon bewusst, ändert aber nix an den damit auftretenden Problemen einer gewissen Topplastigkeit.
Die Topplastigkeit dürfte für die Niederländer das geringere Problem gewesen sein, da die niederländischen Rümpfe relativ bauchiger waren. Durch die damit einhergende größere Formstabilität war dann auch das erforderliche aufrichtende Moment sichergestellt. Würde mich nicht wundern, wenn die niederländischen Schiffe dadurch eher zu steif geworden wären ...
 
Wie Neddy schon schrieb waren bei der RN nur Vollschiffe klassifiziert. Die Takelung als Bark wurde erst ab etwa 1850 populär. Und da hatte man erkannt, das man als Besan keinen vollwertigen Mast braucht um die Geschwindigkeit zu erreichen.

Stagsegel waren wohl 1650 noch unbekannt. Das Schiff wurde mittels Blinde/Oberblinde sowie Besan in der Waage gehalten. Das Ruder war eher nur von unterstützender Wirkung um den Kurs zu halten.

Siehe Modelle der Leopoldus Primus in Hamburg. Sie war zwar eine Hamburger Konvoifregatte aber wohl von einem Niederländischen Schiffsbaumeister gebaut worden. Vorbild soll die Aemilia von Admiral Maarten Tromp gewesen sein.

Leopoldus Primus ? Wikipedia
http://de.wikipedia.org/wiki/Aemilia_(1632)

Auch die Marine des Großen Kurfürsten wurde nach Niederländischem Vorbild aufgestellt.

Kapitän zur See oder Post-Captain wurde in der RN nur wer ein Qualifiziertes Schiff kommandierte. Also ab 6. Klasse aufwärts. Damit war die Karriere im Normalfall gesichert. Man brauchte nur lang genug zu leben um Admiral zu werden.
Zum anderen hing das Gehalt unter anderem Kapitäns, des Masters, Bootsmannes von der Qualifizierung des Schiffes ab.

Apvar
 
Die Topplastigkeit dürfte für die Niederländer das geringere Problem gewesen sein, da die niederländischen Rümpfe relativ bauchiger waren. Durch die damit einhergende größere Formstabilität war dann auch das erforderliche aufrichtende Moment sichergestellt. Würde mich nicht wundern, wenn die niederländischen Schiffe dadurch eher zu steif geworden wären ...

Na gut, vielleicht nicht Topplastig, aber die Stabilität der flachgehenden Rümpfe wächst auch nicht, wenn der Querschnitt des Rumpfes breiter ausgelegt ist, siehe hier:

Zitat schrieb:
[...]Für geringe Neigungen des Schiffes gibt die metazentrische Höhe M G – Entfernung des Systemschwerpunktes des vollausgerüsteten Schiffes vom Metazentrum – einen guten Anhalt, da der aufrichtende Hebelarm der Stabilität gleich M G sin φ ist (φ der Neigungswinkel des Schiffes). Bei größeren Neigungen übt jedoch auch die Form des Schiffes einen großen Einfluß aus, wie dies aus der Betrachtung der beiden Schiffe I und II in der Figur erstellt. Das breite, nachgehende Schiff I weist zwar bei kleinen Neigungen einen größeren Hebelarm der Stabilität auf als das schmale, tiefgehende Schiff II; dieser Hebelarm nimmt jedoch bei Schiff I mit zunehmender Neigung ab, während derselbe bei Schiff II bei größeren Neigungen wächst, so daß die Stabilität von Schiff I trotz seiner großen Anfangsstabilität und seiner großen metazentrischen Höhe M G bei größeren Neigungen viel früher aufhört als die von Schiff II, d.h. Schiff I kentert schon bei kleinerem Neigungswinkel als Schiff II. Für die Beurteilung der Stabilität eines Schiffes spielt daher neben der metazentrischen Höhe M G auch der Umfang der Stabilität, wie sie aus dem Verlauf der Stabilitätsmomentenkurve zu ersehen ist, eine wichtige Rolle.

Anhang anzeigen 12413
Quelle: Lexikon der gesamten Technik - Otto Lueger 2. Auflage 1904 - 1920

[...]Der taktische Wert hat m. E. nichts bzw. nicht nur mit der Kanonenanzahl (oder besser dem Breitseitgewicht) zu tun, [...].

Um eine Klassifizierung darzustellen, war die Kanonenanzahl auch ausschlagend, welchen Wert das Schiff im Kampf darstellt. Diese Größe stellt auch den taktischen Wert des Schiffes dar, oder nicht?
 
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Hallo Köbis

Die Grafik ist sehr anschaulich. Mein Problem damit ist das hier sehr extreme Fahrzeuge miteinander verglichen werden.
Das erste Fahrzeug zeigt ein rein Formstabile Fahrzeug wie eine moderne Jolle, das zweite Fahrzeug ein Fahrzeug, welches typisch für eine Langkielerklasse ist, wie die alten Rennkutter oder Meter-Klasse-Yachten.
So extrem waren die Unterschiede der Linienschiffe nicht.

Als Beispiel die HMS Lenox von 1678 und die Eendracht der Vereinigten Provinzen von 1655.
http://en.wikipedia.org/wiki/HMS_Lenox_(1678)
http://nl.wikipedia.org/wiki/Eendragt_(vlaggenschip)

Du siehst, wirklich flach waren die Schiffe nicht. Der Unterschied im Tiefgang betrug nur etwa 1m. Und das kann man mit der breite zum Teil ausgleichen. Das Problem ist dabei aber das der Bug anders geformt (stumpfer, wenn man denn davon reden kann :devil:) ist, so das sich die Schiffe in der Welle viel leichter feststampfen können.
Die flachen Gewässer in den Niederlanden sind auch der Grund warum erst sehr viel später Linienschiffe ersten und zweiten Ranges gebaut worden sind. Die Schiffe dritten Ranges sind nicht umsonst das Rückgrat der Französischen und der Britischen Flotte gewesen. Zum einen billiger in der Anschaffung und Unterhalt, aber auch mit einem besseren Seeverhalten als die größeren Schiffe.

Apvar
 
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@ Köbi:
Danke für die Skizzen und die Erläuterung. Das hat nicht nur meinem klapprigen Hirn auf die Sprünge geholfen, sondern dürfte auch dem einen oder anderen Mitleser etwas besser verdeutlichen, worüber wir Fischköppe hier klönen. :boot: :winke:

Apvars Entgegnung schließe ich mich jedoch an: Der Unterschied zwischen britischen und niederländischen Rümpfen war bei weitem nicht so groß wie in den Skizzen, sondern allenfalls ein gradueller ebensolcher. Nichtsdestoweniger geben diese meiner Befürchtung der größeren Steifigkeit niederländischer Segler Vorschub. Bei im Übrigen gleichen Dimensionen und Umweltbedingungen war das Rigg eines Niederländers wesentlich stärker belastet. Auf Grund der relativ größeren Anfangsstabilität musste z. B. bei einer Bö zum Krängen (vulgo Ausweichen durch Schräglegen) auf Grund der Formstabilität des Rumpfes ein höherer Widerstand überwunden werden. Um dies auszugleichen dürften die Masten der Niederländer niedriger gewesen sein bzw. deren Kommandanten gezwungen, früher Segelfläche zu reduzieren, um das Risiko zu verringern, dass etwas von oben kam. Ein klarer Nachteil gegenüber einem weniger steifen Schiff.

Im übrigen war bei Kriegsschiffen des 17. und 18. Jh bei einer Krängung, die dem jeweils zweiten Bild der Skizze entspricht, an Kämpfen ohnehin nicht mehr zu denken gewesen - allein aus praktischen Gründen. Bei Wetterlagen mit solchen Krängungswinkeln kümmerte man sich schon ums Überleben - u. a. durch Reduzieren der Kräfte, die diese Krängung beförderten: Reduzieren der Segelfläche, streichen der Toppmasten. Gefechte fanden in der Regel bei Wetterbedingungen statt, in denen der Vorteil der höheren Anfangsstabilität des bauchigeren, fülligeren Rumpfes noch zog.

Btw. waren die Schiffe der ersten drei englisch-niederländischen Seekriege tendenziell ohnehin eher topplastiger als ihre Nachfolger im 18. Jh.: Sie waren vorrangig für die Schlägerei vor der Haustüre - also in Nordsee und Ärmelkanal ausgelegt. Daher mussten sie nicht so viele Vorräte mitschleppen, weshalb mehr Platz und Verdrängungsreserve für Artillerie zur Verfügung stand. Das hatte den Vorteil, das relativ kleinere Schiffe 50 - 70 Geschütze tragen konnten. Allerdings brachte es auch den Nachteil mit sich, dass diese per se topplastigeren Schiffe relativ schlechtere Seeeigenschaften hatten. Aus diesem Grund gab es in diesen Konflikten auch noch eine dezidierte Winterpause - den Winterstürmen in diesen so unangenehmen flachen und stürmischen und engen und landmarkenarmen Seegebieten hätten diese Kriegsschiffe nur wenig entgegenzusetzen gehabt.
 
Habe eben bei der engl. Tante Wiki einen Artikel über das Rating der Schiffe der RN gefunden. Es wurde tatsächlich im laufe der Zeit angepasst, d.h. zu Anfang waren die Schiffe wirklich kleiner, auch bei den Engländern.
Rating system of the Royal Navy - Wikipedia, the free encyclopedia

In dem Artikel über die Prince Royal von 1610 bin ich auf eine interessantes Detail gestossen. Das Schiff war das Flaggschiff von Admiral George Ayscue im ersten Niederländischen-Englischen Seekrieg. Es war wohl auch der Vorläufer der Dreidecker Linienschiffe, also mit drei kompletten Geschützdecks. Aber jetzt kommen wir zur Besonderheit des Schiffes, im hinteren Teil des Schiffes waren die Decks abgestuft, um im Falle eines Enterangriffes den Verteidigern einen Vorteil durch die höhe zu sichern.
Die Sovereign of the Seas hatte erstmals wohl durchgehende Geschützdecks, was wohl auch Vorteile bei der Aufstellung der Geschütze brachte. Und die Geschützdecks waren erstmals voll bestückt. Sie war aber so teuer das eine Sondersteuer aufgebracht werden musste um das Schiff zu bezahlen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Prince_Royal_(1610)
Sovereign of the Seas ? Wikipedia

Apvar
 
Überfall auf den Medway

Was mich beim "Überfall auf den Medway" überrascht, ist die scheinbare Mühelosigkeit der holländischen Flotte den Medway hinauf zu segeln und erst bei Gillingham auf Wiederstand zu stossen.
Dies kann 2 Gründe haben:
1. War den Engländern nicht klar das der Schutz durch einen Flusslauf in einem Gezeitenrevier nicht gut genug war, zumal die Niederländer als Händler die Englischen Häfen und auch Flüsse kannten.
Bei Sheerness die Befestigung war wohl zu Rudimentär, da sie die Niederländer nicht aufhalten konnte.
Eine kleine Flottille an Linienschiffe oder Brandern und Bombardierschiffen hätte wohl das gleiche getan.
Oder:
2. England sich zu Tode gesiegt mit den Seeschlachten vorher, vor allem der Schlacht am St. James's Day. Aufgrund der teuren Reparaturen an den Schiffen konnte die RN nicht mehr in Kampfbereitschaft gehalten werden. Zum anderen musste das englische Königshaus ja auch einige teure Zugeständnisse machen durch die Wirren des Commonwealth und der Restoration.

Überfall im Medway ? Wikipedia
Sheerness - Wikipedia, the free encyclopedia
St. James?s Day Fight ? Wikipedia

Apvar

P.S. Das Marine-Kommano "Nore" der RN wurde erst kurz vorm 7-jährigen Krieg aufgestellt, laut der englischen Tante Wiki. Das Kommando hatte seinen Namen von einer Sandbank in der Themsemündung. Sie wird heute durch die Tonne Sea-Reach 1 gekennzeichnet.
http://en.wikipedia.org/wiki/Commander-in-Chief,_The_Nore
 
Zuletzt bearbeitet:
Was mich beim "Überfall auf den Medway" überrascht, ist die scheinbare Mühelosigkeit der holländischen Flotte den Medway hinauf zu segeln und erst bei Gillingham auf Wiederstand zu stossen.
Dies kann 2 Gründe haben:
Naja, man weiß ja nicht, wo der Feind zuschlägt. Auch kann man nicht riesige Räume wie heute mit Luftüberwachung etc. beobachten. Von vielen feindlichen Bewegungen hat man im 17.Jh. nur zufällig erfahren. Bspw. weil ein Fischer mit seinem Boot das Herannahen eines Feindes gesichtet hat und da weitererzählte etc..

Außerdem war England damals noch keine so gewaltige Militärmacht.
 
Werften und Dockanlagen waren ja für eine Kriegsmarine wichtig. Daher wundert mich der Rudimentäre Schutz der Anlagen am Medway. Das man versuchen könnte diese zu Überfallen ist von daher nicht so abwegig, zumal der Medway bei Sheerness gar nicht so breit ist. Mit einer Geschützstellung, auch der damaligen Geschütze, auf beiden Seiten des Ufer hätte man die Einfahrt in den Medway schützen können.
Die Niederländer brauchten sich durch ihre flacher gehenden Schiffe da nicht so viele Gedanken machen, siehe die Schlachten bei Schooneveld.

Apvar
 
Eine recht überzeugende Theorie dazu hat ein gewisser Rudyard Kipling vor einigen Jahrzehnten publiziert:
Poems - The Dutch in the Medway

Hellmut Diwald, Der Kampf um die Weltmeere
stieß (Gedächtnisprotokoll!) ins selbe Horn: Die Engländer, ihres Sieges bereits sicher, hatten ihrer Verteidigungsmacht schon wieder den Geldhahn abgedreht, und waren weder verteidigungsbereit, noch vorbereitet aber dafür umso überraschter.
Bei N. A. M. Rodger, The Command of the Ocean steht m. E. ähnliches. Kann ich bei Bedarf gern nochmal nachschlagen.

Der Medway und Chatham waren in der Geschichte ja bei weitem nicht die einzigen Kriegshäfen und Festungen, die mit runtergelassenen Hosen erwischt worden sind, ich säch nur "Pearl Harbour", oder "Oran", oder - in milderer, aber nicht minder desaströser Form - Kopenhagen 1801 und 1807.
 
1607 wurde im 80-Jährigen Krieg vor Gibraltar die Spanische Flotte entscheidend durch die Niederländer geschlagen. Oder genauer gesagt eine Kombinierte Flotte der Holländer und der Seeländer Admiralität. Das heißt also, das die Niederländische Flotte schon zu diesem Zeitpunkt in ernst zu nehmender Gegner war. Auch wenn sich noch nicht die Kiellinie entwickelt hat, nachdem sich 1588 um die Armada herum die Wirksamkeit der einheitlichen Artillerie an Bord erwiesen hatte.

Schlacht bei Gibraltar ? Wikipedia

Zum Vergleich der Link zur Armada von 1588. Interessant ist das Fazit, welches hier gezogen wurde, nämlich das die Niederlage von 1588 quasi der Weckruf für Spanien war und nicht das Fanal der Flotte, wie allgemein hin angenommen wurde oder wird.
Spanische Armada ? Wikipedia

Apvar
 
Bin im Urlaub auf ein Buch über die 4-Tage-Schlacht gestolpert. Zur Strafe für das Buch wurde es gekauft und in meine Sammlung eingereiht.
"The Four Day's Battle" von Frank L Fox, erschienen bei Seaforth Publishing.

Hier wird die Überzeugung der Engländer das die Zeitgenössischen Schiffe der Niederländer im 17. Jahrhundert zu weich, mit zu niedrigem Freibord an den unteren Geschützlucken. Und zu wenig Platz zwischen den Geschützen wäre.
Nur das die Briten wohl die Gedanken, die in der Konzeption der Niederländischen Schiffe lag, nicht begriffen haben.
Wenn die Briten ein Niederländisches Schiff erbeutet haben, wurde es wenn wieder in Dienst gestellt wurde komplett Artillerietechnisch komplett neu ausgerüstet. Mit wesentlich größeren Stücken. Dadurch wurde der Tiefgang erhöht, das Freibord der unteren Geschützlucken gesenkt und gleichzeitig die Seeeigenschaften verschlechtert. Bedingt durch den höheren Rückstoß der Stücke wurden gleichzeitig die Verbände stärker beansprucht, die auf die wesentlich geringeren Kaliber ausgelegt waren.

Auch interessant das in dem Buch die Werftkapazitäten mit einander verglichen werden. Während die Niederlande 40 Schiffe für die eigenen Admiralitäten bauen konnten und zusätzlich 6 Schiffe für Frankreich, wurden nur 9 Schiffe in den königlichen Werften in England gebaut.
Meine Folgerung daraus ist, das die Engländer ihre Flotte vor allem durch die Kaperung während der Seeschlachten ihre Flotte vergrößert haben. Das Problem war wohl für beide Flotten immer genug Matrosen zu bekommen, da beide Länder eine begrenzte Anzahl an Bevölkerung auf zu bieten hatten.

Apvar
 
So, habe in oben erwähnten Buch nun etwas zu dem Tiefgang der Niederländischen Schiffe und der Schiffe der RN gefunden. Die Niederländer sollen etwa einen Tiefgang von 3 Faden gehabt haben, also circa 5,5 m. Die Briten einen Tiefgang von 4 Faden, circa 7 m. Der Unterschied von etwa 1,5 m ist in den Gatts und vor den Sänden schon gewaltig.
Ein weiterer Unterschied soll der Abstand der unteren Stückpforten zum Wasserspiegel gewesen sein. Die Briten haben hier einen geringeren Abstand für nötig befunden. Die Schiffe der Briten waren also zu dieser Zeit Fahrzeuge für den Sommer. In dem Moment wo die See etwas unruhiger wurde konnten sie die unteren Geschützdecks nicht benutzten. Da nützt dann das größere Geschossgewicht nichts, wenn man es nicht nutzen kann.

Apvar
 
Das geringere Breitseitengewicht der Geschosse scheint nicht nur der Tatsache geschuldet zu sein einen geringeren Tiefgang zu haben. Die Britten haben vor allem auf Vollkugeln gesetzt, während die Niederländer viel mehr Kettenkugeln als Geschosse mitführten. Diese wurden nur von mittleren und leichten Kalibern verschossen. Auch wenn die effektive Reichweite nur bei etwa 300 m lag, im Gegensatz zu 500 m bei Vollgeschoßen.
Und was auch interessant ist, das die Niederländer vor allem die Schlachten im Enterkampf für sich entschieden haben, während die Britten versuchten den Gegner mittels Rumpfbeschuß zu demoralisieren.
Übrigens, sowohl die Niederlande als auch England haben im Jahre 1665 ein Regiment See-Soldaten aufgestellt.
Im 2. Englisch-Holländischen Krieg haben die Franzosen noch keine Rolle gespielt, obwohl sie inzwischen Schiffe hatten. Aber das Offizierskorps als auch die Mannschaften wahre wohl noch nicht richtig mit der Materie der See vertraut.

Apvar
 
Je mehr man in die Zeit der Englisch-Niederländischen Seekriege eintaucht, desto unglaublicher wird der überfall auf den Medway, vor allem wenn man schon ein mal mit einem Schiff in der Mündung des Medways war. Die eigentliche Mündung ist schätzungsweise nur 300m breit und kurz nach der Mündung macht er einen scharfen Knick in Richtung Rochester. Und der Medway ist heute ausgebaggert und betonnt.
Die Themsemündung ist voller Sandbänke, welche zum Teil sehr nah bei einander liegen und auch langgestreckt sind.
Die RN lief zur Zeit des hier diskutierten Zeitraumes nur einzeln aus den Häfen aus. Und in Kriegszeiten wurden die Tonnen, welche Trinityhouse ( Trinity House ? Wikipedia ) einer Art Lotsenverband, ausgelegt hatte, wieder eingezogen. Also deutlich erschwerte Bedingungen.
Die Geschwader fanden sich erst an den äusseren Sandbänken und vereinten sich danach erst zur Schlachtflotte. Und die Schiffe erster und zweiter Klasse gingen nur bei Hochwasser über die Sandbänke, um das Risiko einer Strandung zu verkleinern. Nebenbei bemerkt mußte auch noch der Wind aus der richtigen Richtung kommen und auch der Strom passen. Da ist es kein Wunder das die Britten mit herunter gelassenen Hosen im Medway erwischt wurden, da keiner damit gerechnet hat, das eine gesamte Schlachtflotte den Medway hochkommt.
Wobei die Niederländer bessere Seekarten über das Gebiet gehabt haben sollen, als die Briten.

Apvar
 
So habe eben auf der Niederländischen Seite von Tante Wiki ein Portal zur Niederländischen Marine gefunden:
Portaal:Marine - Wikipedia

Vor allem die Zeitleiste von 1600 bis 1900 ist sehr interessant. Da sind auch die Schlachten erwähnt, die nicht in den Englisch-Niederländischen Kriegen statt gefunden haben. Vor allem sieht man das die VOC hier quasi als Staat im Staate agierte, mit Bewilligung der Generalstaaten.

Aber nun zu einem anderen Punkt. Die Seeschlacht von Lowestoft ging ja nicht gut aus für die Niederländer.
Im Vorfeld des 2. Englisch-Niederländischen Krieges wurde Adm. De Ruyter zu einer Übersee-Expedition geschickt. Das wurde auch mit einem anderen Admiral gemacht. Soweit so gut. Die Herren der Generalstaaten haben wohl nicht damit gerechnet das der Krieg ausbricht.
Durch das fehlen von 2 Senioren Admirälen musste die Führung der Flotten umgebaut werden. Normalerweise kein Problem, da zu diesem Zeitpunkt die Ränge nicht so fest vergeben wurden wie heute.
Aber da die Niederlande nicht eine Admiralität hatte, sondern jede Provinz mit einer Küste eine eigene wurden die Geschwaderführer der Flotten sehr stark durcheinander gewürfelt. Neben persönlichen Animositäten kam dazu das die Seeländer den Holländern per se misstrauten und die Kapitäne zum Teil nicht wussten was die Admiräle gerne hätten. und das in einer Zeit, als die Kommunikation noch sehr rudimentär war.
Das ganze eskalierte als der Befehlshaber der Flotte Adm. Jacob van Wassenaer, Baron van Obdam gefallen war und kurz danach sein Schiff, die Eendragt durch ein Explosion in der Pulverkammer verloren ging.
Des weiteren waren die Niederländer mit der Melee-Taktik angetreten, während die Engländer unter dem Duke of York die Linientaktik eingeführt haben.

Seeschlacht bei Lowestoft ? Wikipedia
Zeeslag bij Lowestoft - Wikipedia

Jacob van Wassenaer Obdam - Wikipedia

Nach der Schlacht kam de Ruyter von seiner Expedition zurück und da wendete sich Blatt langsam zu Gunsten der Niederländer.

Apvar
 
So, noch mal zu den Admiralitäten zurück.
Wie schon gesagt, gab es 5 Admiralitäten.
Erst einmal Seeland mit dem Sitz in Vlissingen. Neben Vlissingen waren die Häfen von Zierikzee, Middelburg und Kampvere von der Seeländischen Flotte benutzt worden.
Friesland hatte relativ gesehen wenige Schiffe, diese waren dafür größer als die holländischen Schiffe und kampfstärker. Zum anderen sind aus der Provinz relativ viele Freibeuter gekommen. Und die Flotte der Generalstaaten hat keinen Seeländischen Admiral als Oberbefehlshaber im 17. Jahrhundert gehabt.
De Ruyter war zwar gebürtiger Seeländer, aber als er den Befehl der Flotte übernommen hatte war er im Dienst der Admiralität von Amsterdam, also einer holländischen.
Friesland, mit Sitz in Harlingen. Relativ klein und ausser im Jahre 1665 wohl kein Etatmässiger Admiral.
So nun das absolute Kuriosum. Holland, mit sage und schreibe 3 Admiralitäten.
Rotterdam mit dem Flottenstützpunkt Hellevoetssluis. Dies war die stärkste Admiralität hat meist den Befehlshaber der Flotte der Generalstaaten gestellt.
Amsterdam war dan dran mit dem Befehlshaber, wenn Rotterdam ihn nicht stellte.
Das Noorderkwartier mit dem Sitz in Hoorn hat folgende Häfen benutz neben Hoorn,: Enkhuizn, Medemblik und Monnikendam. Monnikendam liegt an der Gouzee, einer sehr flachen Bucht in der Zuiderzee. Der Bereich wo das Noorderkwartier liegt nennt sich Westfriesland. Die Admiralität war auch sehr schwach. Als de Ruyter der Befehlshaber der Flotte war, war er auch der Chef der Admiralität Amsterdam und Noorderkwartier.

Nun zu einer weiteren Nachbetrachtung der Schlacht von Lowestoft.
Johan de Witt, Ratspensionär der Vereinigten Provinzen soll folgendes geäussert haben nach der Niederlage:
Der größte Vorteil für die Nation liegt im Entern des Gegners.
http://de.wikipedia.org/wiki/Johan_de_WittDies war seine Lehre aus der verlorenen Schlacht.
Wobei die Flotte nicht nur durch den Unfrieden in der Führungsebene geschwächt war, sondern auch mit der alten Melee-Taktik und gleichzeitig dem aufteilen der Flotte in 7 Geschwader. Dies soll eine Idee von de Witt gewesen sein, die nach hinten los ging.

Nach der Niederlage hat Cornelius Tromp angefangen die Flotte nach englischem Vorbild zu Reorganisieren. Er wurde von den überlebenden Admirälen auch unterstützt.
Am 5. August 1665 wurde dann doch die Gefechtsdoktrin nach dem Vorbild Englands festgeschrieben. Da hat sich de Witt dann doch beraten lassen.

Durch den Verlust des Befehlshabers Jacob van Wassenaer und weiterer hochrangiger Admiräle war die Führungsfrage dringend zu lösen. An erster Stelle stand de Ruyter, nur von ihm war lange nichts mehr gehört worden, er stand quasi auf der Vermisstenliste.
Die 2. Wahl für den Ratspensionär war Cornelis Tromp.
Cornelis Tromp ? Wikipedia
Dies hat er bei der Ernennung ihm auch gesagt und das die Ernennung nur auf Wiederruf währe, bis de Ruyter aus Amerika zurück währe.
Kurz bevor die Flotte auslaufbereit war, kam wieder erwarten de Ruyter von seiner Atlantikrundreise zurück. Und wurde sofort der Befehlshaber der Flotte. Das spätestens dürfte der Knackpunkt im Verhältnis der beiden gewesen sein. Sie haben sich danach immer belauert.
De Ruyter war auch wegen seiner aus Sicht de Witt's die bessere Wahl, weil er Republikaner war. Während Tromp ein Parteigänger der Oranier war. Zu dem Zeitpunkt des 2. Seekrieges war eine Staathalterlose Zeit, d.h. das Haus Oranien hatte nichts zu sagen.

Apvar
 
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