Was wäre der Unterschied zur folgenden Aussage (der zitierte Herr ist sicher nicht "das Christentum", er repräsentiert aber einen nicht ganz unbedeutenden Teil des Christentums) (...)Allerdings wirds jetzt schon wieder ziemlich theologisch. Ich weiß nicht genau, wo die Toleranzgrenze der Moderation liegt..
Die Auferstehung ist ein zentrales Motiv in der Johannesoffenbarung, ich sehe also keinen Grund, warum es - sofern es im zeitlichen Rahmen des frühen Juden- und Christentums diskutiert wird - hier OT sein sollte. Der von dir verlinkte Text stützt sich auf die klassische Auferstehungslehre des Paulus, reflektiert also keine modernen theologischen Überlegungen, die hier natürlich OT wären.
Wenn du die von dir verlinkte Seite raufscrollst, dann kannst du am Ende der vorigen Seite lesen, dass es - ganz im Sinne von Paulus - nicht um die Auferstehung des biologischen Leibes geht, sondern um eine neue Art von Leib ("
spiritueller Leib", z.B. 1 Kor 15,44), die mit der ´Seele´ zusammen eine ´Person´ bildet. Im orthodoxen Judentum geht es aber - ganz im Sinne der jüdischen Apokalyptik - um die Auferstehung des
biologischen Leibs, siehe auch Ezechiel 37.
Ob Johannes sich die Auferstehung in geistiger oder geistig-physischer Weise vorgestellt hat, ist anhand des Textes nicht eindeutig nachweisbar. Sofern die Moderation kein Problem darin sieht, können wir diese Fragestellung, die durchaus eine religionsgeschichtliche Komponente hat (Bezug zu Paulus oder jüdischer Tradition), hier ja vertiefen.
Johannes hat weder die Farben noch die Fahrer noch die Tuniken übernommen. Und schon gar nicht die Symbolik - oder haben die "Weißen" bei den Römern immer gesiegt?
Also hat er offensichtlich gar nichts übernommen.
Ich habe schon zwei Mal betont, dass Johannes - falls er von den Wagenrennen inspiriert wurde, was natürlich unbeweisbar ist - keine inhaltlichen Details übernahm, sondern nur die (allgemeine)
Idee der symbolischen Markierung. Die Unterschiede, die ja unübersehbar sind, spielen bei dieser These überhaupt keine Rolle.
Da es über hundert andere deutlich wichtigere Themen gibt, die im Kontext der Offb diskutiert werden können, sollten wir - meine ich - das Thema ´Wagenrennen vs. apokalyptische Reiter´ bis auf weiteres aus der Arena nehmen, bis ich möglicherweise neue Argumente vorbringen kann. Ich hatte die These aus einer deutschen Doktorarbeit über die Johannesoffenbarung (im Druck erschienen bei Vandenhoeck & Ruprecht) entnommen, wo sie aber - wie ich gestern, nachdem ich die Stelle auf meiner Festplatte endlich wiederfand, feststellte - nicht näher belegt wird. Aus diesem Grund verzichte ich im Moment darauf, den Autor nambar zu machen. Immerhin hat die von ihm trotz nicht genannter Belege vorgebrachte Kontextualisierung weder die Erlangung des Doktortitels noch die Veröffentlichung seiner Doktorarbeit verhindert.
Wurde die dahinterstehende Symbolik übernommen? Ist für Ezechiel der Stier die Entsprechung des Königsgotts Marduk? Der Löwe die Entsprechung des Kriegsgotts Nergal?
Natürlich nicht. Was sich Ezechiel dabei gedacht hat, ist unbekannt. Alles, was man zur hypothetischen Deutung unternehmen kann, ist eine Untersuchung der Symbolik der genannten Wesen in der frühjüdischen Literatur. Dabei wird man durchaus fündig.
Der
Löwe war das Symbol des Stammes Juda, siehe auch Offb 5:
Und einer von den Ältesten spricht zu mir: Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe, der da ist vom Geschlecht Juda, die Wurzel Davids, aufzutun das Buch und zu brechen seine sieben Siegel.
Ezechiel selbst vergleicht Israel in Ez 19,1 ff. mit einer Löwin. Die Löwenmetaphorik fand auch anderweitig in der israelitischen Religiosität häufige Verwendung (Genesis 49,9 und 1 Könige 7,29 z.B.), ebenso wie in allen anderen Religionen des Alten Orients schon lange vor dem Judentum.
Der
Stier/Ochse war das im Alten Orient wichtigste Tier mit religiöser Bedeutung. Damit versinnbildlichte er für die Juden zwar den missbilligten Polytheismus ("goldenes Kalb" = hebr. ´Jungstier´), behielt im jüdischen Tempel aber die klassisch-altorientalische Bedeutung eines Königtiers bei:
1 Könige 7,29
Und an den Seiten zwischen den Leisten waren Löwen, Ochsen und Cherubim. Und die Seiten, daran die Löwen und Ochsen waren, hatten Leisten oben und unten, dazu herabhängende Kränze.
Der Stier hatte in der Symbolik des Ersten Tempels also eine wichtigte Funktion als Sinnbild der Macht des Jahwe, wobei er mit dem Löwen parallelisiert wird. Als Priester wird Ezechiel damit gut vertraut gewesen sein.
Der
Adler ist ebenfalls ein jüdisches Symbol göttlicher Macht, siehe bei Ezechiel selbst und in Mose 2:
Ex 19,4
Ihr habt gesehen, was ich (= Jahwe, Anm. Chan) den Ägyptern angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe.
Ez 17,3-4
Sag: So spricht Gott, der Herr: Ein mächtiger Adler mit gewaltigen Flügeln, / mit weiten Schwingen, mit dichtem, buntem Gefieder kam zum Libanon / und nahm den Wipfel der Zeder weg. Den obersten Zweig riss er ab./ Ins Land der Krämer brachte er ihn, / in die Stadt der Händler legte er ihn.
Die Zeder des Libanon ist ein Symbol für Israel.
Für was der
Mensch in der Ezechiel-Vision steht, bleibt relativ unklar, er könnte aber als Bezugnahme auf Gen 1,27 gedeutet werden (Mensch = Abbild Gottes).
Dass Ezechiel die Vierheit seiner Wesen nicht aus der jüdischen Tradition, sondern während seines Exils in Babylon aus der babylonischen Mythologie/Astronomie übernahm, ist religionswissenschaftlich anerkannt.
Übrigens hat die christliche Tradition von Ezechiel die Motivik der vier Wesen nicht nur in der Johannesoffenbarung, sondern auch in den sog. Evangelistensymbolen übernommen (Markus = Löwe, Matthäus = Mensch, Lukas = Stier, Johannes = Adler), die seit Irenäus und Hieronymus gültig sind.
Ich betone nochmals, dass die Übernahme polytheistischer Symbole durch Juden- und Christentum natürlich nicht bedeutet, dass auch die damit verbundenen Vorstellungen übernommen werden. Symbole waren in der Antike Elemente einer Bildsprache, die - wenn von einer fremden in die eigene Vorstellungswelt transponiert - eine neue Bedeutung annahmen, die der eigenen Vorstellungswelt entsprach. Dafür liefern Ezechiel und Johannes viele Beispiele. Einige wurden hier schon genannt: Die Isis-Symbolik, die Drachen-Symbolik (aus Ägypten und Babylon übernommen), die babylonische Tier&Mensch-Symbolik und - noch ungenannt - die Unterweltschlüssel-Symbolik (Offb 1,18: übernommen aus dem ägyptischen Anubis-Mythos / Anubis mit dem Schlüssel zur Unterwelt).
Das Lamm (Christus) öffnet das erste Siegel, und dann ruft das erste Wesen ein Pferd herbei, auf dem wer herbeigeritten kommt? Noch ein Christus?
Gut beobachtet. Ich habe mit diesem Argument aber gerechnet. Es lässt sich durchaus relativieren:
1)
In Offb 12 wird das Christuskind von der Himmelsfrau geboren, also zu einem Zeitpunkt innerhalb der Gesamterzählung, als Christus schon längst in die Handlung eingegriffen hat. Daraus folgt, dass die Zeitlogik innerhalb der Offb keine strikt lineare ist. Man kann also nicht ausschließen, dass der Autor zwei verschiedene Zeitebenen vermischt, wenn er Lamm und (möglichen) Christusreiter synchron auftreten lässt.
2)
Das Lamm befindet sich, als es die Siegel bricht, im Himmel, während der Reiter auf der Erde erscheint. In Anbetracht der zuallermeist jede normalmenschliche Logik sprengenden Surrealistik der Offb-Handlung kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Autor den Christus in unterschiedlichen Funktionen synchron im Himmel und auf der Erde agieren lässt.
Während ich bei Verstößen gegen die normale Zeit- und Raumlogik in der Offb-Geschichte also überhaupt kein Problem sehe, weil sie ein sinnvolles Stilmittel in einer Visionsgeschichte sind, halte ich einen Widerspruch gegen die ansonsten evidente Weiß-Symbolik der Offb (14 mal, wie gesagt) für äußerst unwahrscheinlich. Das Weiß ist für Johannes, ebenso wie die Zahl Sieben, ein Symbol des Heiligen und der Vollkommenheit.
Die Unterschiede zum Christusreiter in Offb 19,11 ff., die zweifellos bestehen, lassen sich unter Beibehaltung der These Erster Reiter = Christus erklären. Aus Zeitgründen gehe ich erst morgen darauf ein.