Okkultismus, Esoterik, Grenzwissenschaft und NS

Dieses Thema im Forum "Das Dritte Reich" wurde erstellt von hatl, 26. September 2022.

  1. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Völlig richtig. Himmler hatte nie die Absicht, seriöse Wissenschaft gegen unseriöse Angriffe zu unterstützen (den Unterschied kannte er gar nicht).

    Der Hetzartikel stammte von Johannes Stark, einem der beiden Hauptvertreter der "Deutschen Physik":

     
  2. hatl

    hatl Premiummitglied

    :D
    Das ist schon richtig.
    Doch in einem Fachblatt hätte er nicht absondern können, was die SS-Zeitschrift gerne druckte.
     
  3. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Am 15.7.37 veröffentlichte Johannes Stark, jener frühzeitig 'arisierende' Nobelpreisträger der Physik, in Das Schwarze Korps den die 'jüdische' Physik angreifenden Text, mitsamt einem - wohl auf Geheiß von Stark produzierten - anonymen Angriffs-Artikel gegen Heisenberg.

    Am 21.7.37 schreibt Heisenberg an Himmler den Brief mit der Bitte/Forderung einer 'grundsätzlichen Entscheidung'. Heisenberg lässt den Brief über seine Mutter an Himmlers Mutter, die beiden Mütter sind miteinander bekannt, weitergeben, die ihn Himmler jun. aushändigt.

    Dieser wiederum gibt eine gründliche Prüfung bei Heydrich in Auftrag und am 1. März 1938 verwendet sich der einflussreiche LuftfahrtsIngenieur Ludwig Prantl bei einer Begegnung mit Himmler energisch für Heisenberg, mit Datum vom 12.7.38 wiederholt Prantl in einem Brief an Himmler seine Forderung.

    Am 21.7.38 verschickt Himmler jene drei Briefe, einen mit einem positiven Bescheid an Prantl, einen an Heisenberg, und den hier schon zitierten an den mit der Prüfung/Untersuchung in der Causa Heisenberg beauftragten Gestapo-Chef Heydrich.

    Das Schwarze Korps hat anscheinend nach dem 15.7.37 keine weiteren Angriffe Starks oder anderer Apologeten der Deutschen Physik veröffentlicht.

    Vor daher kann man schon noch formulieren, Himmler habe weitere Angriffe Starks oder Lenard unterbunden....oder die Möglichkeiten dazu zumindest doch wesentlich eingeschränkt mit dem Wegfall der publizistischen, bedeutsamen wie öffentlichkeitswirksamen Plattform Der Schwarze Korps.

    Details bei Könnecker, Auflösung der Natur. Auflösung der Geschichte (2001), S. 340-358, 2.5. Physik im 'Dritten Reich'; 2.51. Der Kampf um Heisenberg.
     
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  4. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Die bedeutsame/wichtigste 'epistomologische' Wende kam bekanntlich 1941 mit den Ausbleiben des schnellen Erfolgs der Krieges gegen die SU.

    So wurde es möglich, dass an die NS-Musteruni in Sraßburg entschiedene Vertreter der modernen Physik berufen wurden wie von Weizsäcker oder Wolfgang Finkelnburg (auch Direktor des Physikalischen Institutes & offensiver Gegner von Stark & Co.).
     
  5. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Falls die Bemerkung auf Kurlander referiert....;)
    Kurlander, Hitler's Monster, S. 142, die dort in Anm. 113 angegebenen diversen Seiten in Uwe Werner, Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus (1999) stützen Kurlanders Behauptung nicht. Die andere genannte Quelle bietet an angegebener Seite inhaltlich anscheinend gar keinen Bezug auf Steiner/Anthroposophie und den Nationalsozialismus/H.

    Das Ergebnis überrascht nicht...ein bisschen eigene Erfahrung mit Recherchen/Lektüren in Jahrzehnten boten dafür eine gewisse Sicherheit...

    Mit den beiden Physik-Nobelpreisträgern Lenard und Stark, die unabhängig vom bzw. vor dem NS bereits wissenschaftlich 'arisierten' (nach 1919), schließt sich der Kreis zur 'seriösen Wissenschaft/Naturwissenschaft', die weiter oben etwas vereinfacht oder naiv dem Komplex von Pseudowissenschaften /Grenzwissenschaften /Okkultismus-Esoterik in einem klaren Schwarz-Weiß-Modell gegenüber gestellt worden war.

    Es gab also nicht nur jene aus heutiger Sicht unangenehmen Derivate aus Zoologie, Biologie, Entwicklungsbiologie, Physiologie usw. wie beispielsweise die Eugenik/Rassenhygiene.
    Es gab auch einige hochseriöse Naturwissenschaftler wie Wissenschaftler samt ihren Fachbereichen, die ab den 1920er Jahren partiell eigenartige (pseudowissenschaftliche) Theorien/Modelle auf-, ein- und ausbauten, in klassische wissenschaftliche Systeme integrierten.
     
    Zuletzt bearbeitet: 4. November 2022
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  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    So langsam finde ich das schon bedenklich, was Kurlander sich da an schlecht belegten Thesen und Halbwahrheiten leistet.

    Dann würde ich zum Thema doch eher empfehlen:

    Nicholas Goodrick-Clarke, Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Graz/Stuttgart 2000 (es gibt ältere und neuere Auflagen, das englische Original ist von 1985)
     
  7. hatl

    hatl Premiummitglied

    Ich bin gespannt darauf. Montag krieg ich das Buch (Black Sun).
     
  8. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Black Sun wäre der falsche Titel....da gehts um den Neonazismus....

    Und im Titel Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus werden die Geschichte, Vertreter/Autoren und Wirkungen der Ariosophie hinsichtlich des NS abgehandelt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 5. November 2022
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  9. hatl

    hatl Premiummitglied

    Hoppla.
    Danke für den Hinweis!
     
  10. hatl

    hatl Premiummitglied

    Das 'blutgebundene Volk' Hitlers ist ein "mystischer Kult".
     
  11. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    ...ein mythischer Kult...Mystik...naja
     
  12. hatl

    hatl Premiummitglied

    In jedem Fall aber "okkult". :D
     
  13. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    ooh..kult..ja..:D
     
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  14. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Die Diskussion scheint ein wenig abzuflachen.
     
  15. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    ...in Sachen Wortwitz nimmt sie aber Fahrt auf! :D
     
  16. hatl

    hatl Premiummitglied

    Macht ja nichts zwischendurch.

    Nochmal dazu:
    Was der Hitler da vor dieser Kulisse* erzählt ist offenkundiger Blödsinn.
    Nicht jedoch die vorletzten zwei Sätze.
    Die NSDAP hat ein Okkultismusproblem in dem Sinne, dass sie besondere Anziehungskraft auf Menschen hat die sich gerne etwas zusammenspinnen, um es salopp zu sagen. Und solche Leute sind gerne mal ein Problem.
    Gleichzeitig jedoch vertreten die Nazis ein Weltbild das eben nicht eine „Wirklichkeitslehre schärfster wissenschaftlicher Erkenntnisse“ vertritt, sondern aus den trüben Wassern von eben diesen dreien schöpft: Okkultismus, Esoterik und „Grenzwissenschaften“. Allen vorangestellt die "Rassenlehre".

    War die „ Auslöschung des Judentums“ nach Deiner Einschätzung ein religiöser Plan?



    * meine Einladung zur Besichtigung des Geländes gilt noch.
     
  17. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Über die Widersinnigkeit der Nazi-Ideologie brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Grenz- und Pseudowissenschaften, Verschwörungstheorien und eindimensionale Geschichtsbilder sind aber noch lange keine Religion, zumindest nach meinem Verständnis. Und bombastische Veranstaltungen und Kulissen ebensowenig.

    Was willst Du mit mit der "Kulisse" mitteilen? Dass die Nazis bereits eine religiöse Säule ihrer Herrschaft errichtet hatten, es nur noch nicht bemerkt hatten?

    Der Begriff "Jude" war ja bei den Nazis ja gerade nicht religiös definiert, in der Sicht der Nazis war das also ganz gewiss kein "religiöser Plan".
    Im Effekt hätte er natürlich die Auslöschung des Judentums als Religion bewirkt, die Brandanschläge auf die Synagogen waren der Auftakt dazu.
     
  18. hatl

    hatl Premiummitglied

    Goodrick-Clarke (Danke für die Buchempfehlung) endet seine Betrachtung des Themas so:
    „The Nazi crusade was indeed essentially religious in its adoption of apocalyptic beliefs including a New Jerusalem (cf. Hitlers plans for a magnificent new Capital Berlin) and the destruction of the Satanic hosts in al lake of fire. Auschwitz, Sobibor and Treblinka are terrible museums of twentieth-century Nazi apocalyptic.“
    Schließlich brach das seltsame Gebäude zusammen, die Wewelsburg wurde nicht zum „SS vatican“, die Rassenzüchtung misslang, und das „tausendjährige Reich“ wütete magere 12 Jahre.

    Ich stimme der Einschätzung zu, ja es scheint fast offenkundig zu sein, dass der Kreuzzug der Nazis "essentially religious" war.

    Denn wenn man behauptet einer hohen Rasse anzugehören, die durch Vermischung verdirbt, bleibt ja unausweichlich die Frage woher man denn selbst stammt, wenn nicht vom Göttlichen.
    Man also selbst gottähnlicher sein muss als der Untermensch, der Äffling, ein Tschandale, oder wie er sonst noch genannt wird.
    Das ist nebenbei angemerkt auf den Kopf gestellter Darwinismus, doch Quintessenz der Rassenlehre der Nazis.

    Und da findet sich eine weitere Besonderheit im Vergleich etwa zum faschistischen Spanien oder Italien.
    In Spanien finden wir die Kirche als wesentlichen Bestandteil des Siegs der Faschisten und in Italien bleibt die Kirche mindestens akzeptiert.

    Die Nazibewegung ist dagegen inhärent feindlich gegenüber dem Christentum, das sie zu überwinden gedenkt.



    Goodrick-Clarke, Nicholas (2019): The occult roots of Nazism. Secret Aryan cults and their influence on Nazi ideology. [New edition]. London, New York, NY: Tauris Parke.
     
  19. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Der Kreuzzug der Bolschewisten war in diesem Sinne genauso religiös....das Ideal des Urkommunismus (das 'Paradies') und dann wieder vollendeten ebenso.

    Welchen wissenschaftlichen-methodischen, differenzierenden geschichtswissenschaftlichen Sinn ergibt es, die menschliche individuelle und gemeinsame bis kollektive Fähigkeit und Sehnsucht zur 'höheren', transpersonalen 'Sinnstiftung' und Gemeinschaft allesamt als religiös zu interpretieren ?

    Auch da hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass die Erlösungs- und Radikalantisemiten vielfach keine Ariosophen gewesen waren. Fritsch nicht, Knüppel-Kunze nicht, Rosenberg nicht, Hitler anfangs auch nicht, Heydrich auch nicht.
    Daher geht der nun offenkundig von Goodrick-Clarke inspirierte vermeintliche, ariosophische Zentralideologem als vermeintliche Mitte der diffusen wie eigenartigen NS-'Rassenlehre' eher ins Leere.

    Die Eugenik, Rassenhygiene, der Sozialdarwinismus, die Idee, der Stärkere hat das oder praktisch jedes Recht auf seiner Seite, die gewalttätige Vision eines ortelosen, für die dortige Bevölkerung weitgehend rechtslosen Lebensraums im Osten, die Paranoia einer globalen Verschwörung, bei der eine heimtückische wie gefährliche und allmächtige Judenheit die anderen versklavt bzw. versklavt, steuert, manipuliert usw., ist eben sowenig speziell ariosophisch.

    Siehe Rosenberg.

    Der Faden Gemlich-Brief könnte zur Differenzierung hilfreich sein.
     
    Zuletzt bearbeitet: 18. November 2022
  20. andreassolar

    andreassolar Aktives Mitglied

    Eugen Dühring ist der richtige Name für diesen radikalen, globalen und atheistischen 'wissenschaftlichen Rassenantisemitismus'....und nicht die Esoteriker Lanz oder List...

    Einmal Dühring...und man sieht dem Gemlich-Brief vor sich.
     
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