Oder man hätte halt versuchen können aus dem Westen des russischen Reiches neue Staaten zu kreieren. Aber wie hätten die sich allein gegen Russland halten sollen? Wenn man nicht bereit gewesen wäre diesen Staaten ein Bündnis anzubieten oder eine einseitige Garantie hätte Russland sie eben binnen einer Dekade wieder eingesammelt, oder man hätte sich mit ihnen verbündet, dann wäre man wegen des Bündnisses wieder indirekt Zielscheibe des russischen Revanchismus geworden.
Das mit der Protektion bezog sich vor allem auf das Baltikum, wo es ja eine in weiten Teilen deutschsprachige Oberschicht gab. Da wäre eine wie auch immer geartete Bindung an das Reich sich nicht völlig abwegig gewesen.Ich frage mich nur, wie du dir ein "unter deutscher Protektion" unabhängiges Polen z.B. vorstellst?
À la Brest-Litowsk als Satelitenstaat Deutschlands mit ggf. noch mehr Satelitenstaaten drumm herum, am Besten noch in Personalunion mit dem deutschen Kaiserreich, oder unter einem Sprössling eines der deutschen Fürstenhäußer, oder der Sigmaringer Linie der Hohenzollern oder so etwas?
Polen wäre sicher viel schwieriger zu kontrollieren gewesen aber, aber selbst ein völlig unabhängig, Deutschland (und Österreich-Ungarn) feindlich gesinntes, aber schwaches Polen wäre imho für das Reich als direkter Nachbar besser gewesen als ein auf mittlere bis lange Sicht übermächtig erscheinendes Russland.
Da kann man jetzt natürlich lange drüber diskutieren, aber letzten Endes ist das nicht entscheidend, denn, wie ich schon in meinem letzten Posting geschrieben hatte: Wenn solche territorialen Änderungen (oder ähnliches) nicht wünschenswert oder nicht erreichbar erschienen wäre, dann hätte ein Präventivkrieg eben keinen Sinn gemacht. Denn sonst wäre Russland vielleicht ein paar Jahre lange geschwächt, aber dann bald wieder so stark wie vorher oder stärker und außerdem nun mit Sicherheit feindlich gesinnt.
Ein Bündnis Polens mit Frankreich wäre verkraftbar gewesen und ein Bündnis zwischen Polen und Russland sehe ich nicht als besonders realistisch an. Allein schon, weil es vermutlich wie historisch zu Grenzstreitigkeiten zwischen Polen und Russland gekommen wäre.Die alternative wäre ein tatsächlich unabhängiges Polen auf Kosten Russlands gewesen. Wenn man aber ein tatsächlich unabhängiges Polen, dessen Außenpolitik man nicht von Berlin aus hätte lenken können, zugelassen hätte, warum hätte dann ein, wahrscheinlich von der polnischen Nationalbewegung dominiertes Polen auf die polnischsprachigen Teile Deutschlands und Österreich-Ungarns oder auf Deutschland überhaupt nicht in den Kram passende Bündnisse mit Russland oder Frankreich verzichten sollen?
Warum hätte die polnische Nationalbewegung darauf verzichten sollen? Um der deutschen und österreichischen Teilungsmacht einen Gefallen zu tiun?
Wenn Russland den ersten Schritt gemacht hätte, wäre es kein Präventivkrieg gewesen und über einen solchen spekulieren wir hier doch.Wenn Deutschland angefangen, damit für diesen Konflikt den Dreibundvertrag ausgehebelt und sich in der britischen öffentlichen Meinung zum Schmuddelkind gemacht hätte, dann ja.
Wenn es Russland den ersten Schritt hätte tun lassen, um bei französischer Einmischung Italien in seine Bündnispflichten nehmen zu können, und ggf. britische Unterstützung, zumindest auf See und auf der diplomatischen Ebene zu haben, wäre das keine besonders gute Gelegenheit für Frankreich gewesen.
Ja, nur statt der Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages hätte es in dem hypothetischen Szenario, das wir betrachten halt einen Krieg Deutschlands gegen Russland mit hunderttausenden Toten oder Verwundeten gegeben und egal ob der anschließende Frieden nun milde oder nicht gewesen wäre, wiegt so ein Krieg wohl ungleich schwerer als die Nichtverlängerung eines Vertrages.Verzeihung, doch, genau das ist historisch passiert. Russland ließ sich auf den Rückversicherungsvertrag mit Deutschland ein und der wäre auch verlängert worden, wenn Berlin nach Bismarcks Abgang nicht andere Pläne gehabt hätte.