Rainer F Schmidt und seine Beurteilung von Poincarre, Buch Kaiserdämmerung

Das denke ich auch.

Gert Krumreich hat in dem Werk von Keller "Schuldfragen" , es geht dort um den belgischen Untergrundkrieg im August 1914,ein schönes Vorwort geschrieben.

Ich zitiere hier einmal eine kurze Passage:
"Zu häufig stieß man bei der Lektüre der Quellen des August 14 auf klare und eindeutige Erzählungen, etwa von verwundeten Soldaten oder von Priestern, die einen Soldaten auf dem Weg in den Tod beistanden, über eben solche Übergriffe seitens belgischer Zivilisten - oder waren es als Zivilisten getarnte belgische Soldaten? Ich nahm mir vor, dem irgendwann einmal nachzugehen, und hatte dann Anderes zu tun, zumal diese Fragestellung äußerst unbequem war und drohte, einem in der internationalen scientific community zu isolieren."

So weit Gert Krumreich.

Historiker die innerhalb des genannten Zeitraumes nicht antideutsch schreiben, die haben es nicht leicht.
 
Ich versteh auch nicht warum immer mit Scheuklappen argumentiert wird. Schon Georges-Herni Soutou hatte ja damals (1997) angemahnt, dass man Kriegsziele immer im Kontext der Mächte und der Wechselwirkungen untereinandern betrachten müsse.

Georges-Henri Soutou: Die Kriegsziele des Deutschen Reiches, Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten während des Ersten Weltkrieges: ein Vergleich. In: Michalka: Der Erste Weltkrieg. 1997, S. 28 f.
 
Vorsicht, auch bei den Historikern gibt es eine gewisse Selbstgefälligkeit. Man hat einfach bestimmte Aspekte ausgeblendet und sich eine vereinfachte Erklärung zu eigen gemacht.

Wovon sich allerdings auch Schmidt nicht so ganz freisprechen kann.

Ich habe mir die "Kaiserdämmerung" jetzt mal ausschnittweise angelesen.

Da gibt es ein Unterkapitel mit der Überschrift:

"Der Schlieffenplan als Poincarés Kompass zur Kriegsentfesselung".

In dem Kapitel wird die Angelegenheit mehr oder minder so dargestellt, als sei in Paris und vor allem unter Poincaré kontinuierlich daran gearbeitet worden den Schlieffenplan, nachdem man Hinweise darauf hatte, in eine Falle für Deutschland umzuwandeln und Deutschland im Kriegsfall dazu zu zwingen sie zu aktivieren.

Wörtlich vergleicht Schmidt dieses Vorgehen mit dem der Emser Depesche im Fall Bismarcks:

"Wie scharf Poincaré dieses Szenario durchkalkuliert hatte, wie gut die starren Handlungszwänge des Schlieffenplans sich als Drehbuch einer Kriegsprovokation eigneten und wie berechenbar die deutsche Reaktion im Fall der Fälle war, das hatte Delcassé im fernen St. Petersburg vollkommen verstanden. Er brachte diese Strategie der Kriegsentfesselung die an jene der Emser Depesche von 1870 erinnerte, mit der Bismarck Frankreich in den Krieg gelotzt hatte auf die Formel: >> Deutschland kann es sich nicht leisten, abzuwarten; es wird nicht in der Lage sein, den Druck auszuhalten; seine Lage wird in wenigen Jahren noch schlechter sein als jetzt; [...] und wenn der Krieg nicht vermieden werden kann, dann wird es diesem jetzt nicht aus dem Wege gehen<< "

- S. 704 e-book

Im Vorhinein doziert Schmidt die 1912 seitens Poincaré protégierten Unterhandlungen mit Russland, wegen Änderung des russischen Mobilisationsplans und Eisenbahnkrediten für die strategisch wichtigen Bahnen.



Das ganze Szenario, hat, was die Darstellung Poincarés als Bismarck'esquen Strippenzieher, der dieser Darstellung nach beabsichtigte die Weichen auf Krieg zu stellen, allerdings einen ganz entscheidenden Haken:


Poincaré konnte, als er 1912 massiv dafür sorgte die strategische Zusammenarbeit mit Russland zu stärken überhaupt nicht wissen, dass der Schlieffenplan Deutschlands einzige Handlungsalternative sein würde, weil das bis 1913 nicht so war.
Die deutsche Planung für den Ost-Aufmarsch wurde ja bis 1913 fortgeführt.

Die Handlungszwänge gemäß des Schlieffenplans auf die Schmidt abstellt, waren in dieser Art und Weise allerdings nur dann gegeben, wenn man gleichzeitig voraussetzen konnte, dass der Schlieffenplan die einzige denkbare militärische Handlungsweise Deutschlands sein würde.

So lange in Deutschland durchaus noch mit dem Ostaufmarsch als wenigstens valider Alternative geplant wurde und das war bis 1913 der Fall, war es keineswegs ausgemacht, dass es wegen des Mobilisierungsvorsprungs im Falle einer Krise die Tendenz haben müsse einen Krieg im Westen loszutreten, der Großbritannien mit hineinziehen würde.

Diese Sachzwänge waren 1914 gegeben, 1912, wo Schmidt mit seiner Darstellung von Poincarés Absichten ansetzt, allerdings noch nicht.

Und deswegen halte ich dass für ein bisschen überzeichnet.

Im Übrigen macht es in dieser Hinsicht keine gute Figur, dass sich Schmidt in diesem Kapitel voll auf den Schlieffenplan kapriziert ohne die faktische Fortschreibung der Planung-Ost bis 1913 auch nur mit einem Wort zu erwähnen.
Ich habe das Buch bisher nur auszugsweise gelesen, daher weiß ich noch nicht ob das noch anderswo vorkommt.



Auch sonst macht das Buch auf mich den Eindruck, als würde da einiges etwas einseitig beschrieben.

Schmidts Einlassungen hinsichtlicher der Rolle französischer Spionageerkenntnisse etwa, hinsichtlich der Erkenntnis der deutschen Absichten im Kriegsfall mit Frankreich über Belgien zu gehen und die angebliche Rolle dieser etwa die Briten zu überzeugen sich auf Frankreichs Seite zu stellen.

Da möchte ich doch bei einigem, was Schmidt schreibt einige Fragezeichen dahinter machen.

Insgesamt sicherlich eine leswenswerte, interessante Darstellung, aber wie alle anderen Werke zum Thema auch mit gewissen Schwächen.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Zu häufig stieß man bei der Lektüre der Quellen des August 14 auf klare und eindeutige Erzählungen, etwa von verwundeten Soldaten oder von Priestern, die einen Soldaten auf dem Weg in den Tod beistanden, über eben solche Übergriffe seitens belgischer Zivilisten - oder waren es als Zivilisten getarnte belgische Soldaten? Ich nahm mir vor, dem irgendwann einmal nachzugehen, und hatte dann Anderes zu tun, zumal diese Fragestellung äußerst unbequem war und drohte, einem in der internationalen scientific community zu isolieren."

So weit Gert Krumreich.

Wenn man Krumeich hierfür als Kronzeugen heranziehen möchte, aber bitte auch auf das Präteritum achten.
"Drohte", nicht "droht".

Das mag ja vor Jahrzehnten in vollkommen anderen gesellschaftlichen Kontexten vielleicht sogar so gewesen sein, ist aber kein Urteil darüber, dass dem noch heute so sei.
 
An der Darstellung von Schmidt ist einiges dran, so hatte ja auch Oberst House aus Potsdam am 29. Mai 1914 an Wilson gemeldet, dass:
Wann immer England dem zustimmt, werden Frankreich und Rußland über Deutschland und Österreich herfallen.
Ferguson, Der falsche Krieg, S.199


Man kann also feststellen, dass die Zeitgenossen die Politik Poincares und Russlands auch so verstanden haben, wie sie gedacht war.


Man kann an der zitierten Passage feststellen, dass ein Zeitgenosse das so einschätzte.
Die Tatsache dieser Einschätzung ist allerdings kein Beweis für ihre Richtigkeit.

Ich versteh auch nicht warum immer mit Scheuklappen argumentiert wird. Schon Georges-Herni Soutou hatte ja damals (1997) angemahnt, dass man Kriegsziele immer im Kontext der Mächte und der Wechselwirkungen untereinandern betrachten müsse.

Ja, aber wenn dir Wechselwirkungen und Abläufe so wichtig sind, warum argumentierst du dann derart vehement im Namen einer Darstellung, die das alles nicht in dieser Form berücksichtigt und (siehe obige Einlassung) überlage Kontinuitätslinien konstruiert und sich um mögliche Widersprüche oder Verengungen der Perspektive nicht schert?

Wenn Schmidt sich in der "Kaiserdämmerung" darauf beschränkt hätte, die Positionen Frankreichs im Allgemeinen und Poincarés im Besonderen so darzustellen, als habe man von französischer Seite in der Juli-Kriese darauf spekuliert die deutschen Handlunszwänge auszunutzen um entweder Deutschland eine eklatante diplomatische Niederlage beizubringen oder einen Krieg auszulösen, bei dem Deutschland mit der gesamten Entente aneinandergeraten musste, wäre das wenigstens diskutabel.

Aber Schmidt geht ja weiter, wenn er Poincaré und anderen unterstellt, schon 1912 und gegebenenfalls früher Handlungszwänge auf der deutschen Seite erkannt und benutzt zu haben, obwohl diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden.

In Frankreich wusste man natürlich über den Schlieffenplan bescheid, aber daraus ließ sich erstmal nicht mehr als eine deutsche Tendenz ableiten im Fall einer militärischen Konfrontation im Westen zuzuschlagen.
Aus dem Wissen um den Schlieffenplan ging ja aber durchaus nicht hervor, dass das Deutschlands einzige Handlungsoption war, was es ja bis 1913 auch nicht war.


Wenn Schmidt mit solchen Positionen eher weniger Anklang findet, mag das daran liegen, dass sie ihre Schönheitsfehler haben, nicht immer unbedingt daran, dass alle mit Scheuklappen herumliefen.
 
Wenn man Krumeich hierfür als Kronzeugen heranziehen möchte, aber bitte auch auf das Präteritum achten.
"Drohte", nicht "droht".

Passieren dir Tippfehler? Mir häufiger auf dem Smartphone. Ich habe bei dir auch schon mehrere gesichtet; dich aber nicht öffentlich darauf aufmerksam gemacht. Ist nicht mein Ding.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man kann an der zitierten Passage feststellen, dass ein Zeitgenosse das so einschätzte.
Die Tatsache dieser Einschätzung ist allerdings kein Beweis für ihre Richtigkeit.

Deine Ausführung ist aber auch kein Gegenargument.

Ja, aber wenn dir Wechselwirkungen und Abläufe so wichtig sind, warum argumentierst du dann derart vehement im Namen einer Darstellung, die das alles nicht in dieser Form berücksichtigt und (siehe obige Einlassung) überlage Kontinuitätslinien konstruiert und sich um mögliche Widersprüche oder Verengungen der Perspektive nicht schert?

Für diese Ausführungen hast du leider keine argumentative Stütze. Es ist lediglich eine Kommentierung.

(...)
Aber Schmidt geht ja weiter, wenn er Poincaré und anderen unterstellt, schon 1912 und gegebenenfalls früher Handlungszwänge auf der deutschen Seite erkannt und benutzt zu haben, obwohl diese zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden.

In Frankreich wusste man natürlich über den Schlieffenplan bescheid, aber daraus ließ sich erstmal nicht mehr als eine deutsche Tendenz ableiten im Fall einer militärischen Konfrontation im Westen zuzuschlagen.
Aus dem Wissen um den Schlieffenplan ging ja aber durchaus nicht hervor, dass das Deutschlands einzige Handlungsoption war, was es ja bis 1913 auch nicht war.

Du unterschätzt bei deiner Debatte völlig den Eisenbahnbau in Rußland. Auch der Ausbau der Infrastruktur um Warschau etc. Frankreich unterstützte und drängte Rußland zu dieser Politik geradezu. Wenn nun aber Rußland in der Lage ist, große logistische Aktionen vorzunehmen, dann war Deutschland aufgrund seiner deutlich kleineren Armee geradezu gezwungen panikartig loszuschlagen. Das ist eine ganz nüchterne Analyse der taktischen Lage.
In Frankreich war das Bild der russischen Dampfwalze, die über Deutschland hereinbricht eine Wunschvorstellung.

Wenn Schmidt mit solchen Positionen eher weniger Anklang findet, mag das daran liegen, dass sie ihre Schönheitsfehler haben, nicht immer unbedingt daran, dass alle mit Scheuklappen herumliefen.

Rainer F. Schmidt hat ein wichtiges Werk geschrieben. Es öffnet die Augen für die Denkweise der damaligen Akteure. Schmidt war ja nach eigener Aussage wichtig, dass Vorfeld zu bearbeiten, dass Clark nur ansatzweise behandelt hat. So beschreibt Schmidt zB. klar, dass Frankreich nach 1912 den Balkan als zukünftiges Spannungsfeld erkannt hat, und deswegen Serbien aufgerüstet hat. Wenn Deutschland seinen Verbündeten Österreich nicht verlieren wollte, musste Deutschland hier handeln. Dieser Mechanismus wurde den Beteiligten klar, und die Zwangslage, in die Deutschland kommen würde, auch.
 
@Shinigami

Hast du das Werk von Schmidt eigentlich gelesen?

Bücher, wie das von Clark und Schmidt haben es schon traditionell in Deutschland schwerer, da sie nicht liebgewonnene Positionen vertreten und diese abweichenden dann auch mit Belegen untermauern.

Man kann an der zitierten Passage feststellen, dass ein Zeitgenosse das so einschätzte.
Die Tatsache dieser Einschätzung ist allerdings kein Beweis für ihre Richtigkeit.

Das war aber nicht irgendein Zeitgenosse und er war per se sehr freundlich gegenüber der Entente eingestellt.

@Shingami

Erkläre bitte einmal, weshalb der französische Präsident Poincaré den Bündnisfall mit dem Zarenreich auch auf dem Balkan ausdehnte? Und das ohne jede Not. Alle Amtsvorgänger Poincarés haben dies sorgfältig vermieden und wollten sich nicht in die Balkanwirren hineinziehen lassen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Passieren dir Tippfehler? Mir häufiger auf dem Smartphone. Ich habe bei dir auch schon mehrere gesichtet; dich aber nicht öffentlich darauf aufmerksam gemacht. Ist nicht mein Ding.
Das betreffende Zitat der Unterstreichung enthält keinen Tippfehler, und es geht bei dem Hinweis von Shinigami nach meinem Verständnis auch nicht um Orthographie, sondern um den Hinweis auf die Beachtung der Grammatik für eine Interpretation.
 
Ich habe es bisher so verstanden, das wir hier inhaltliches zu historischen Themen diskutieren.
Das Orthographie auch dazu gehört, das ist mir wohl entgangen; zumal nach meiner Beobachtung es bisher nicht üblich gewesen war, darüber öffentlich Belehrungen zu erteilen.
 
Du hast es immer noch nicht verstanden.

Nochmal anders erklärt:
Er hat Dich nicht auf einen Rechtschreibfehler aufmerksam machen wollen, sondern auf die gewählte Vergangenheitsform, die Krumeich benutzt hat, für das Verständnis des Textes.

(wobei ich das "Auslesen" oder "Ausdeuten" solcher Vorworte, noch dazu in den üblichen BlaBla-Passagen, - um ein gängiges Zitat zu benutzen: - für "form-, frist- und fruchtlos" halte)
 
Passieren dir Tippfehler? Mir häufiger auf dem Smartphone. Ich habe bei dir auch schon mehrere gesichtet; dich aber nicht öffentlich darauf aufmerksam gemacht. Ist nicht mein Ding.

Wegen eines Tippfehlers würde ich das nicht aufgreifen, wenn das nicht geeignet wäre den Sinn umzustellen.

Mir geht es einfach darum, dass es nicht sein muss, wenn in Zeiten "alternativer Wahrheiten" es so dargestellt wird als wäre es in der heutigen Zeit in irgendeiner Weise problemtatisch zu Themen im Kontext des 1. Weltkriegs zu forschen oder zu veröffentlichen.
Damit isoliert sich heute niemand mehr gesellschaftlich, sofern das methodisch einigermaßen sauber und keine stumpfe Apologie ist.
Das mag vor 30 Jahren mal anders gewesen sein.

Ich greife das auch deswegen auf, weil ich im Kopf habe, dass sich Krummeich vor einigen Jahren in einer Gesprächsrunde, in der es um Clarks Buch ging, sich in ähnlicher Weise geäußert hat, nämlich dahin, dass man so etwas früher und noch dazu als Deutscher, vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Lage nicht hätte veröffentlichen können.
Das zielte aber klar auf die damaligen Umstände, die Wirkmächtigkeit der Positionen Fischers und den geschichtspolitischenn Umgang damit.

Das ist aber abgeschlossen und von Krummeich auch so festgestellt worden.
Worüber er sich im Rahmen der entsprechenden Runde noch mockiert hat, war, dass es angeblich sehr schwierig sei Forschungsgelder für Arbeit an bestimmten Themen zu bekommen, die politisch unliebsam wären.

Nun ist das aber zum einen seine persönliche Mutmaßung gewesen und zum anderen, selbst wenn es so wäre, sind ausbleibende Fördermittel eine andere Nummer als politische oder gesellschaftliche Pression einer Person, die bestimmte, wissenschaftlich durchaus diskutierbare Positionen vertritt.


Ich möchte da jetzt weder die Positionen Krummeichs werten, noch dir Absicht unterstellen, dass du da Krummeichs Aussagen verdrehen wolltest.
Mir ging es einfach nur darum, wie sich der Mann tatsächlich geäußert hat und das dass eine Kritik an, in seinen Augen, repressivem Umgang mit der Wissenschaft in der Vergangenheit, nicht der Gegenwart gewesen ist.


Es liegt mir, zumal als Legastheniker, wirklich sehr fern mich über Rechtschreibung und Tippfehler von irgendwem zu mokkieren.
Das steht mir bei meinen eigenen Problemen mit der Rechtschreibung sicherlich nicht an und es wäre in der Tat auch unnötig.
 
Deine Ausführung ist aber auch kein Gegenargument.
Ehrlich gesagt, sehe ich mich auch nicht dazu veranlasst da irgendwie gegenzuargumentieren, weil deine Gangart die Einlassung von House mal eben pars pro toto für die gesamte politische Szene nehmen zu wollen, ohnehin nicht halt- oder sinnvoll diskutierbar ist.

Für diese Ausführungen hast du leider keine argumentative Stütze. Es ist lediglich eine Kommentierung.
Ja, man kann natürlich ignorieren, was ich hierzu geschrieben hatte und so tun, als hätte ich es nicht geschrieben. Dadurch kommen allerdings der Ost-Aufmarsch und Schmidts Ignoranz dessen im genannten Kapitel bei der Darstellung von Poincarés Handlungsweisen nicht aus der Welt.

Du unterschätzt bei deiner Debatte völlig den Eisenbahnbau in Rußland. Auch der Ausbau der Infrastruktur um Warschau etc. Frankreich unterstützte und drängte Rußland zu dieser Politik geradezu. Wenn nun aber Rußland in der Lage ist, große logistische Aktionen vorzunehmen, dann war Deutschland aufgrund seiner deutlich kleineren Armee geradezu gezwungen panikartig loszuschlagen. Das ist eine ganz nüchterne Analyse der taktischen Lage.
In Frankreich war das Bild der russischen Dampfwalze, die über Deutschland hereinbricht eine Wunschvorstellung.

Nein, da bist du mit dem gleichen Tunnelblick unterwegs, den Schmidt in sein Buch hineingeschrieben hat.

Die Fakten referieren ist ganz nett, wenn es aber darum geht Handlungszwänge zu konstatieren und herauszustellen, nicht hinreichend, denn dann müssen auch die Möglichkeiten eruiert werden, die ein Akteur hatte um damit umzugehen, um festzustellen, ob denn nun tatsächlich Handlungszwänge vorlagen oder nicht.

Von deutscher Seite her hätte man:

- Mit entsprechenden Heeresvermehrungen und gegebenenfalls geringfügigier Verlängerung der Dienstzeit reagieren können um die eigene Mobilmachung noch weiter zu beschleunigen und mehr Truppen zu haben um die ersten potenteillen Angriffe Russlands im Osten abzufangen.
- Man hätte Österreich-Ungarn entsprechende Kredite bewilligen können, um das österreichische Eisenbahnnetz und die K.u.K.-Armee im Bezug auf ihre materielle Ausstattung aufzutüchtigen und die Flankenbedrohung für Russland zu verstärken.
- Man hätte den Festungsbau im Osten intensivieren können.
- Man hätte vorsorglich die eigenen Munitionsreserven aufstocken und vorsorglich mehr Maschinengewehre und Artillerie für die vorhandenen Formationen beschaffen können um nummerische Unterlegenheiten auszugleichen.
- Man hätte nach Aufkommen des Haber-Bosch-Verfahrens 1911 mit staatlichen Mitteln eine entsprechende Infrastruktur aufbauen können um sich in Sachen Munitionsproduktion von überseeischen Importen unabhängig zu machen.
- Man hätte in größerem Stil Kraftwagen zur Aufstellung motorisierter Formationen und einer verbesserten Naschschubabteilung anschaffen können, um den Erfordernissen des Bewegungskriegs besser gerecht zu werden und schneller vorran zu kommen.

etc. etc.

Man hätte ein ganzes Arsenal von Maßnahmen ergreifen können, um den russischen Rüstungen rechtzeitig entgegen zu wirken.
Und man hätte auch durchaus weiterhin mit der Alternative eines Ost-Aufmarschs planen können.

Gerade die Fortschritte in der chemischen Industrie, die es erlaubten die Munitionsproduktion vom Weltmarkt zu entkoppeln, hätte durchaus die Möglichkeit geliefert sich auf einen Erschöpfungskrieg einzustellen und geringere Manpower mit besser Ausrüstung und Feuerüberlegenheit auszugleichen.

Das man es in Deutschland, in Teilen aus innenpolitischen und finanzpolitischen Gründen verschlief hierauf rechtzeitig in entsprechender Weise zu reagieren schuf dann in der Konsequenz die Handlungszwänge des Schlieffenplans als einziger militärischer Option.
Das diese Entscheidungen so fielen, war aber nicht vorgezeichnet.

Deutschland hatte Möglichkeiten hier anders zu reagieren als damit alles auf den Schlieffenplan zu setzen und panisch loszuschlagen.
Das man es in Deutschland unterließ in solcher Weise auf die Aktionen Frankreichs und Russlands zu reagieren, konnte Poincaré nicht voraussetzen.
Die Handlungszwänge auf die hier abgestellt wurde, mussten von deutscher Seite erst noch geschaffen werden und das war anno 1912 nicht selbstverständlich.


Rainer F. Schmidt hat ein wichtiges Werk geschrieben.
Das hat auch niemand bestritten.

Es öffnet die Augen für die Denkweise der damaligen Akteure.
Ja, das mag ja sein.
Nur, neben den von Schmidt beleuchteten Akteuren gab es eben auch andere Akteure, die auf das Geschehen in anderer Weise einwirkten und sich ebenso hätten durchsetzen können, was dann gerade im Bezug auf Wechselwirkungen und Eruierung von Möglichkeiten zum Tragen kommt und da hat Schmidts Buch in meinen Augen Schwächen.

Z.B. dass Deutschland in Sachen Rüstungswettlauf ins Hintertreffen und damit in politische Handlungszwänge geriet, hat ja auch etwas damit zu tun, dass der damalige Kriegsminister Josias von Heeringen die v. Moltke verlangten Heeresvermehrungen ablehnte und mit weitgehenden Mitteln bekämpfte.

Das ist z.B. so etwas, was man von französischer Seite her sicherlich gerne mitnahm, aber nicht antizipieren konnte, also konnte man es auch nicht als Handlungszwang ohne weiteres voraussetzen.
Hätte das Kriegsministerium hier anders aggiert und wären die Heeresvermehrungen, auch in dem Umfang wie Moltke sich das vorstellte, zeitig als Vorlage eingebracht und abgesegnet worden, hätte man im Juli 1914 die Möglichkeit gehabt, das ganze wesentlich gelassener anzugehen.

Schmidt war ja nach eigener Aussage wichtig, dass Vorfeld zu bearbeiten, dass Clark nur ansatzweise behandelt hat.
Ist ja als solche auch durchaus verdienstvoll.
Allein, das Beleuchten der Denke bestimmter Persönlichkeiten ohne das Eruiren des Handlungsmöglichkeiten, kann dann das Gesamtbild einer Person verzerren und ich bin der Meinung, dass das bei Schmidts Darstellung von Poincaré insofern der Fall ist, wenn Schmidt ihn zum vorrausschauenden Strippenzieher dieser Gestalt stilisiert.


So beschreibt Schmidt zB. klar, dass Frankreich nach 1912 den Balkan als zukünftiges Spannungsfeld erkannt hat, und deswegen Serbien aufgerüstet hat.
Den Balkan nach Balkankrieg Nr.1 nicht als Spannungsfeld zu erkennen, wäre auch schwierig gewesen.

Die Aufrüstung Serbiens war aber gerade im Hinblick auf das Verhältnis zu Russland auch ein Risiko, weil Russlands traditioneller Juniorpartner auf dem Balkan bis 1913 Bulgarien war und die serbisch-bulgarischen Streitigkeiten wegen der mazedonischen Gebiete ja bereits in der Welt waren.

Sollte man gegebenenfalls berücksichtigen, wenn man mit Einkreisungsnarrativen um sich werfen möchte.

Wenn Deutschland seinen Verbündeten Österreich nicht verlieren wollte, musste Deutschland hier handeln.

Ja, es musste handeln, aber es war zu diesem Zeitpunkt noch absolut nicht darauf festgelegt wie.
Z.B. hätte man auf die französischen Rüstungsunterstützungen für Serbien mit der Militär- und Eisenbahnkrediten für Bulgarien reagieren können um den Effekt der französischen Rüstungsexporte zu egalisieren und Serbien zu zwingen seine neuen militärischen Potentiale auf den Schutz der eigenen Ostflanke zu verwenden.
Wo wäre das Problem gewesen?
Davon abgesehen, dass man, wie an anderer Stelle angemerkt auch gannz einfach mal grundsätlich hätte überdenken können, ob man dass Bündnis mit Österreich tatsächlich brauchte oder ob man sich mit diesem Bündnis nicht eher in Schwierigkeiten brachte, weil es genau die Probleme erzeugte, die man mittels dieses Bündnisses zu bekämpfen gedachte.
Aber darüber hatte ich mich ja anderswo schon ausgelassen.

Dieser Mechanismus wurde den Beteiligten klar, und die Zwangslage, in die Deutschland kommen würde, auch.

In die Zwangslage geriet Deutschland, weil seine Politiker und Militärs in der Zeit zwischen 1912 und 1914 so handelten, wie sie eben handelten.
Sie waren nicht gezwungen so zu handeln und das sind wir wieder bei den Schwächen des Buches.

Das Referieren von Denkmustern bestimmter Personen ist sicherlich wichig und verdienstvoll, um ihre Handlungsweisen zu erklären.
Es verstellt aber den Blick darauf, dass das durchaus nicht determiniert war und an dieser Stelle überzeichnet die Darstellung.

Poincaré konnte sich denken dass die Maßnahmen, die man bezüglich Russlands und Serbiens traf Deutschland wegen der Ost-Bedrohung den Schlieffenplan sehr erschweren musste.
Das man im Reichskreigsministerium aber Heeresvermehrungen zwecks Gegenrüstungen blockieren und die Wilhelmstraße andere politische Schritte unterlassen würde um die Probleme auszugleichen, dass konnte Poincaré nicht vorhersehen und deswegen die Handlungszwänge in die sich Deutschland durch diese Schritte erst begab, auch nicht vorwegnehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hast du das Werk von Schmidt eigentlich gelesen?

Ich hatte bereits geschrieben, dass ich es auszugsweise gelesen haben und daher hatte ich meine Kritik daran auch ausdrücklich auf das von Kapitel zu Poincaré beschränkt, dass ich gelesen und aus dem ich zitiert habe.


Bücher, wie das von Clark und Schmidt haben es schon traditionell in Deutschland schwerer, da sie nicht liebgewonnene Positionen vertreten und diese abweichenden dann auch mit Belegen untermauern.

Ich bitte mir die spitzfindige Bemerkung zu entschuldigen, allerings, die Verkaufszahlen von Clarks Buch, legen nicht so unbedingt nahe, dass gerade dieses Werk es in der deutschen Öffentlichkeit so besonders schwer hätte.

Ich habe auch nirgendwo festgestellt, dass Clark seit seinem Buch in den historischen Fachkreisen in irgendeiner Form zum Schmuddelkind gestempelt worden wäre oder dass seine Ansichten ihm sonst in der Öffentlichkeit irgendwie geschadet hätten.

Da konstruierst du nun wirklich einen Popanz.

Und was Schmidt angeht, ich meine ausdrücklich bezeichnet zu haben, wo ich die Schwächen im benannten Kapitel sehe und wesegen ich das für eine Fehldeutung halte.
Das hat nun wirklich nichts mit "abweichenden Ansichten" zu tun.

Das war aber nicht irgendein Zeitgenosse und er war per se sehr freundlich gegenüber der Entente eingestellt.
Und weder das Eine, noch das Andere ist Beleg für die Richtigkeit seiner Mutmaßungen.




@Shingami

Erkläre bitte einmal, weshalb der französische Präsident Poincaré den Bündnisfall mit dem Zarenreich auch auf dem Balkan ausdehnte? Und das ohne jede Not. Alle Amtsvorgänger Poincarés haben dies sorgfältig vermieden und wollten sich nicht in die Balkanwirren hineinziehen lassen.

Poincarés Amtsvorgänger hatten es auch mit einer Situation zu tun, in der entweder das Bündnis mit Russland überhaupt noch nicht bestand, oder aber sich der Balkan in einem relativ statischen Zustand Befand und Russlands Einfluss sich weitgehend auf den östlichen Balkan und Griechenland beschränkte, wo ein Zusammenstoß mit den Zentralmächten ohnehin nicht zu erwarten war.

Das ändert sich erst kurz vor Poincarés Amtsübernahme als Präsident der Republik und in Teilen auch erst während seiner Amtszeit.

Vor der bosnischen Annexionskrise und den Balkankriegen gab es doch kaum einen Anlass der Russland und Österreich tatsächlich über Zwischenfälle auf dem Balkan in einen Krieg hätte stürzen können, so lange nicht eine von beiden Parteien versuchte selbst massive Territorialgewinne auf Kosten des Osmanischen Reiches zu erzielen.

Das man sich angesichts der französischen Positionen am Mittelmeer nicht darin einlassen wollte Russland für eine solche Politik Deckung zu verschaffen, nimmt nicht Wunder und da es abgesehen davon dort vor 1911/1912 keine Fragen gab, die wirklich akute Kriegsgefahr bedeuteten benötigte Russland hierfür auch keine Zusafgen.

Das ist aber ab 1912/1913 anders, nachdem sich Serbien sehr eng an Russland angenähert hatte und zu einer Mittelmacht geworden war, die den Konflikt mit dem Habsburgerreich durchaus wagen konnte.

Die Ausdehung des Bündnissfalls trägt der veränderten Lage auf den Balkan Rechnung.

Denn ansonsten wäre es für die Zentralmächte ein leichtes gewesen die neuerlich aufgeworfenen Fragen aus dem Balkan zu nutzen um den russisch-französischen Zetibund zu spalten.
Alles was sie dafür hätten tun müssen wäre gewesen den Konflikt mit Serbien bis zum Krieg zu eskalieren.

Wie hätte man sich dazu in St. Petersbrug verhalten sollen?
Ohne französische Garantie würde man dann, sofern Berlin Wiens Vorgehen deckte vor der Frage stehen ob man Serbien fallen lässt und sich auf den Balkan blamiert oder sich möglicherweise in einen Krieg gegen Deutschland und Österreich verstricken lässt, den man verliert.

Und insofern tat gerade für die russische Position unter den veränderten Umständen diese Ausdehnung durchaus Not, weil ohne dem der Wert des Bündnisses für Russland verfallen wäre.
 
Gut möglich, dass seine Arbeit/der Abschnitt über Poincaré und Schlieffenplan Anfänger und Einsteiger überzeugt bzw. beeindruckt.

Sein Artikel „Revanche pour Sedan“ – Frankreich und der Schlieffenplan. Militärische und bündnispolitische Vorbereitung des Ersten Weltkriegs, als Text in Historische Zeitschrift, Band 303 (2016), Heft 2, S. 393-425, erschienen, macht es einfacher, mal gezielt nur diesen Bereich gründlich durchzuschauen...
ja nun....gut konstruiert, besonders um diverse und mögliche Lücken und Fehlstellen.

Hübsch ist beispielsweise der mittlere, große Abschnitt S. 407 - Umgebungs-Thema kommender, absehbarer (1.) Balkankrieg mit möglichen militärischen Eingriffen ÖUs gegenüber einem expansiven Serbien, dem natürlich dann sofort die russ. Administration militärisch beistehen würde, dem folgt natürlich Berlin, worauf Frankreich gegen das Dt. Reich militärisch vorgeht - wirkt garantiert auf Anfänger und Einsteiger...;)
Da verkauft Schmidt Raimond Poincaré ein bisschen als zweifelhaftes, strategisches Superhirn, der (gegenüber Iswolski) genau jene Krise ins Auge gefasst habe, die zwei Jahre später zum Weltkrieg führen solle. Der damit, das scheint mir der Abschnitt zwischen den Zeilen signalisieren zu wollen, allein und vor allen anderen und insgeheim den Auslösemechanismus erkannt habe, mit dem man jederzeit das dt. Kaiserreich in einen großen Krieg verwickeln könne.

Ein solchen Allgemeinplatz des Sommers, Spätsommers und Herbst 1912 als Geheimsache oder einzigartige Leistung Poincarés zu verkaufen....gut verkauft.
Iswolski brauchte jedenfalls 1912 nicht Poincarés Nachhilfe, und wie man sieht, KWII. damals ebenfalls nicht. Wem war das damals denn nicht klar?
 
Da verkauft Schmidt Raimond Poincaré ein bisschen als zweifelhaftes, strategisches Superhirn, der (gegenüber Iswolski) genau jene Krise ins Auge gefasst habe, die zwei Jahre später zum Weltkrieg führen solle. Der damit, das scheint mir der Abschnitt zwischen den Zeilen signalisieren zu wollen, allein und vor allen anderen und insgeheim den Auslösemechanismus erkannt habe, mit dem man jederzeit das dt. Kaiserreich in einen großen Krieg verwickeln könne.


Ich danke für diese pointierte Beschreibung, sie trifft auch einen Teil meiner Probleme mit der Darstellung Schmidts ganz gut.

Sowohl, was die überzeichnende Darstellung Poincarés, als auch das Verkaufen von Allgemeinplätzchen als Spezialwissen angeht:

Zu letzterem hätte ich noch ein anschauliches Beispiel:

So schreibt Schmidt bereits im ersten Kapitel:

"Die französischen Militärs um Generalstabschef Joseph Joffre und dessen Stellvertreter Noel de Castelnau lüfteten Wilson gegenüber sogar ihr bestgehütetes militärisches Geheimnis: Sie besaßen eine Abschrift des deutschen Feldzugplans für den Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland mitsamt den handschriftlichen Notizen, die der deutsche Generalstabschef von Moltke darauf angebracht hatte.
Das war die Trumpfkarte, die Wilson gegenüber den Londoner Politikern ausspielte um Premierminister Asquith, den "Trunkenbold", wie er ihn mit Verachtung nannte, und sein "dreckiges Kabinett" auf Linie zu bringen."



War der Schlieffenplan für London tatsächlich ein so großes Geheimnis?

Brauchte man in London anno 1911 die Hilfe das französischen Generalstabs, um zu erkennen, dass bei den ganzen Befestigungen im deutsch-französischen Grenzgebiet ein deutscher Angriff auf Frankreich effektiv nur über Belgien und Luxemburg erfolgen konnte?
Und Brauchte man in London anno 1911 die Hilfe des französischen Generalstabs um sich denken zu können, dass durch den russisch-japanischen Krieg und die daraus resultierende Schwächung Russlands die Tendenz des deutschen Generalstabs in den vergangenen Jahren dahin gegangen sein musste vor allem mit einem Krieg gegen Frankreich zu planen, da Russland überhaupt nur eingeschränkt handlungsfähig war?
Und hatte man in GB das Theater um die die Konzeptionen von Joffres Vorgänger Michel und dessen Reibereien mit Kriegsminister Messimy in London und die Ursachen dafür ebenfalls verschlafen?

Da wird die Rolle der französischen Seite doch etwas überhöht, was Moltke anno 1910/1911 so plante konnte man sich jedenfalls in groben Zügen in London durchaus auch ohne französisches "Geheimwissen" zusammenreimen.

Vielleicht nicht die Stärke und genaue Dislozierung der deutschen Formationen, allerdings musste mit Fortschreiten der Zeit ja ohnehin von Änderungen ausgegangen werden und dass Informationen über Details durchaus schon veraltet sein konnten.
Denn so genau, wie Schmidt das hier wollte, war man sich in Frankreich über das deutsche Vorhaben dann ja auch nicht im Klaren, wie die Michel-Affäre unzweifelhaft beweist.



Ähliches Vorgehensmuster, wie von @andreassolar beschrieben.




 
Ich bitte mir die spitzfindige Bemerkung zu entschuldigen, allerings, die Verkaufszahlen von Clarks Buch, legen nicht so unbedingt nahe, dass gerade dieses Werk es in der deutschen Öffentlichkeit so besonders schwer hätte.

Entschuldigung. Ich präzisiere. Ich meinte eigentlich das fachlich versierte Publikum, also in erster Linie die deutsch Historiker.
 
Poincarés Amtsvorgänger hatten es auch mit einer Situation zu tun, in der entweder das Bündnis mit Russland überhaupt noch nicht bestand, oder aber sich der Balkan in einem relativ statischen Zustand Befand und Russlands Einfluss sich weitgehend auf den östlichen Balkan und Griechenland beschränkte, wo ein Zusammenstoß mit den Zentralmächten ohnehin nicht zu erwarten war.

Das Bündnis bestand seit 1894. Was ist mit der schweren Krise von 1908/09?
 
Die Ausdehung des Bündnissfalls trägt der veränderten Lage auf den Balkan Rechnung.

Im Gegenteil Du schreibst selbst, das Serbien, durch das brutale Ausnutzen der Situation, gemeint ist der Räuberfeldzug Italiens, durch die Balkankriege erhebliche territoriale Gewinne gemacht hatte und dadurch zu einer Mittelmacht geworden war. Serbien konnte sich "entspannt" an das Zarenreich anlehnen, welches schützend seine Hand über Belgrad halten würde. Die Ausdehnung des Bündnisfalles durch Poincaré ist, als ob man mit einer Fackel in einer Räumlichkeit voller Schießpulver gegangen wäre. Es war klar, Russland würde nie dulden, das Serbien, warum auch immer, siehe Juli 1914, durch ÖU militärisch zur Rechenschaft gezogen würde. Das wußte Poincaré, weshalb hat der denn sonst Serbien aufgerüstet?, und das russische Angreifen aktivierte den Bündnisfall für Berlin und außerdem stünde Paris Petersburg zur Seite. Die Zusage war eine einzige Katastrophe, genauso wie jene im Juli 1914 von Wilhelm II. .Meiner Meinung nach liegt Schmidt hier richtig.

Hübsch ist beispielsweise der mittlere, große Abschnitt S. 407 - Umgebungs-Thema kommender, absehbarer (1.) Balkankrieg mit möglichen militärischen Eingriffen ÖUs gegenüber einem expansiven Serbien, dem natürlich dann sofort die russ. Administration militärisch beistehen würde, dem folgt natürlich Berlin, worauf Frankreich gegen das Dt. Reich militärisch vorgeht - wirkt garantiert auf Anfänger und Einsteiger...;)

Hübsch?, merkwürdiges Adjektiv für eine historische Diskussion.

Aber jetzt kommen schon die Reflexe, das eben eine abweichende Meinung von Mainstream der , vornehmlich deutschen, historischen Wissenschaft, nämlich Deutschland ist und bleibt der Alleinschuldige und Hauptschuldige absolut nicht gewünscht ist und entsprechend gegenübergetreten wird. "Anfänger, "Einsteiger", auf so einem Diskussionsstil, in dem der Gesprächspartner herabgesetzt wird, lasse ich mich nicht ein.
 
nämlich Deutschland ist und bleibt der Alleinschuldige und Hauptschuldige absolut nicht gewünscht ist und entsprechend gegenübergetreten wird
Ist bekanntlich/nachweisbar nicht meine Position. Vielleicht ein Blick in den Liman-Sander-Faden oder andere, u.a. Dis. zu Fritzle Fischer oder Immanuel Geiss Quellensammlung usw. usw.? Schade, Turgot.

"Anfänger, "Einsteiger", auf so einem Diskussionsstil, in dem der Gesprächspartner herabgesetzt wird, lasse ich mich nicht ein.
Hatte ich DICH angesprochen?

Und natürlich ist der Aufsatz in der Historische Zeitschrift beeindruckend, auf den ersten Blick und wohl vor allem für Einsteiger. Auf konkrete inhaltliche Aussagen meinerseits gehst Du noch ein?
Brauchte man in London anno 1911 die Hilfe das französischen Generalstabs, um zu erkennen, dass bei den ganzen Befestigungen im deutsch-französischen Grenzgebiet ein deutscher Angriff auf Frankreich effektiv nur über Belgien und Luxemburg erfolgen konnte?

Natürlich nicht. Schon bei der 1. Marokkokrise gingen diverse hohe und höhere und eben auch britische Militärs angesichts einer vermuteten möglichen militärischen Auseinandersetzung Dt. Reich und Frankreich u.a. vom Weg über Belgien nach Frankreich aus.
Siehe die englisch-belgischen Militärbesprechungen Januar-April 1906, Q: BD, Band III (dt. Ausgabe, 1929), Kapitel XX.
 
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