Sachsen-die Schwertsöhne

Strupanice schrieb:
Du bringst da meine Aussagen durcheinander. Die "Kleinkönigreiche" haben nur bis um 500 existiert. Spätestens mit dem Konflikt Franken/Thüringen sind diese in den jeweiligen Konfliktparteien aufgegangen bzw. nach 531 unter fränkische Gewalt gelangt, die, wie die Quellen es berichten, erst durch Karl fest integriert werden konnten. Allerdings gab es ab dieser Zeit eben Herzöge, die, genau wie in Thüringen und Bayern versuchten, ihre eigenen Wege zu gehen und eine möglichst autonome Stellung zu erreichen. Diese "Kleinkönigreiche" gab es auch unter den Thüringern, bis es zu einer Konzentration der Macht im Zusammenhang des Thüringische/Gotischen Gegenpols gegen den fränkischen Expansionsdrang kam. So handelt es sich z.B. bei Hessi und Widukind usw. höchstwahrscheinlich um fränkische Herzöge, die natürlich ethnisch einem der Stämme des Gebietes des heutigen "Niedersachsen" entsprungen sein können.
Ich würde nicht soweit gehen, Widukind, Hessi und Brun als fränkische Herzöge, besser duces zu bezeichnen. Wir sind einer Meinung, daß die ehemaligen Gebiete des Thüringerreiches unter fränkische Herrschaft kamen. Inwieweit aber diese Gebiete nun direkt dem Merowingerreich unterstanden ist unbekannt. Nun kann man annehmen, daß die Franken nach 531 duces in den betreffenden Gebieten ernannten, vielleicht auch die ehemaligen "thüringischen" duces bestätigten, was aber nach dem de facto Verlust dieser Gebiete im 7. Jhd geschah, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Widukind und Co. sind meiner Meinung nach keine fränkischen duces, sondern selbständige sächsische duces oder reguli auf de iure fränkischem Gebiet.
Strupanice schrieb:
Wie verallgemeinert diese Aussage ist, zeigt sich ja daran, daß die Saale zu keiner Zeit die Thüringer von den Sorben trennte. Genau diese Parallelentwicklung, wie bei den Sachsen erfolgte bei den Sorben. Die ansich relativ unabhängigen slawischen Kleingaue, die ebenfalls von "Kleinkönigen"( oder wie man es auch immer benennen will in einer spätgentilen, frühfeudalen Gesellschaft) beherrscht wurden, sind im Zuge der Einverleibung ins Frankenreich zu einer Art "Nation" zusammengeschweißt worden, die dann allgemein als "Sorben" bezeichnet wurde. Je mehr das Frankenreich nach Osten griff, um so mehr wurden zuvor teilweise sogar sprachlich und ethnisch unterschiedliche Stämme in diesen Sammelbegriff "Sorben" integriert. Im Späten 9. Jh./Anfang 10. Jh. galten alle Stämme zwischen Harz/Thüringer Wald und Oder/Neiße als "Sorben", obwohl die wenigsten etwas miteinander gemein hatten. Diese gemeinsame Kultur entwickelte sich erst innerhalb des Fränkischen/Deutschen Reich.
Komisch, für die Ethnogenese der Sorben gilt genau das, was u.a. wir beide für die Sachsen annehmen. Und für die Alamannen gilt das, für die Franken meiner Meinung nach auch, für die Baiern etc. Nur für die Sachsen nicht!
 
Strupanice schrieb:
Die "Kleinkönigreiche" haben nur bis um 500 existiert.
Nenne mir doch einmal ein solches "Kleinkönigreich".
Strupanice schrieb:
Wie verallgemeinert diese Aussage ist, zeigt sich ja daran, daß die Saale zu keiner Zeit die Thüringer von den Sorben trennte.
Offenbar schon, auch widerlegt das Einhards Aussage nicht, wonach die Sachsen nicht von den Franken beherrscht wurden?
beorna schrieb:
Ja, und er prophezeit, daß ein König kommen wird, der die Sachsen unterwirft, wenn sie nicht Christen werden.
Wirkungsvoll bemühte Liafwin sich, ihnen die Gestalt des himmlischen Friedenskönigs nahezubringen, indem er, in seinem heiligen Eifer, die Herrschaft des Himmelskönigs geschickt der eines irdischen Königs gegenüberstellte und den Sachsen mit jenem mächtigen König drohte, der sich jenseits des Gebirges zum Kampf rüstete.
beorna schrieb:
Und weil die friesische Beteiligung so gering war, hat man die sogenannte anglo-friesische Sprache erschlossen?!
Auch im heutigen Westfälischen lässt sich ein anglofriesischer Einfluß nachweisen. vgl. http://home.wxs.nl/~obd/obo/platt/zshng.htm
beorna schrieb:
Wenn Sachsen einheitlich war, warum haben sie dann nicht die Volksversammlung einberufen und dort über Frieden verhandelt?
Das haben sie getan, und aus den Quellen geht das auch mittelbar hervor.
beorna schrieb:
Ja, sie sind geflohen. Was besagt das für die Einheit der Sachsen? Gar nichts. Widukind floh auch nach Dänemark. Sind die Dänen auch Sachsen?
In den Quellen wird nicht berichtet, Widukind und Abbi wären im Jahr 785 in das Sachsenland jenseits der Elbe geflohen, sondern sie hielten sich dort auf. Allerdings wird berichtet, Karl hätte die Gaue der Sachsen verwüstet und ihre Dörfer geplündert. Auf diese Weise suchte er fast alle Gegenden der Sachsen schwer heim.
beorna schrieb:
Da war jetzt nicht die gesamte Reichsbevölkerung aufgerufen nach Sachsen zu ziehen.
Von der gesamten Reichsbevölkerung habe ich nicht gesprochen, sondern von den Franken.
beorna schrieb:
Bei den Sachsen scheinen die nördlichen Gruppen aber anfangs gar nicht in den Konflikt eingebunden zu sein. Der Verdacht liegt nahe, daß sie sich nicht angegriffen fühlten, oder?
Die Ereignisse in den Jahren 782 und 785 zeigen ein anderes Bild, wenn man bedenkt, daß Karl selbst nach Verden und Bardowick gezogen ist. Die Sachsen brachten im Jahr 782, als dieser flüchten wollte, den Gottesdiener Atreban in Dittmarschen durch das Schwert ums Leben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Horst schrieb:
Nenne mir doch einmal ein solches "Kleinkönigreich".
In dem Gebiet sind doch durchaus vielfältige Namen in den ersten Jahrhunderten belegt, allein schon im Widerstand gegen die Römer. Nur das diese eben ethnisch nichts mit den eigentlichen Sachsen zu tun hatten, nur eben später unter diesen Sammelbegriff fielen.

Horst schrieb:
Offenbar schon, auch widerlegt das Einhards Aussage nicht, wonach die Sachsen nicht von den Franken beherrscht wurden?
Du machst dich lächerlich. Nachdem die Archäologie und Quellenkunde seit über 50 Jahren den Raum beiderseits von Saale und Elbe als Mischraum germanisch-slawischer Gruppen definiert haben, willst du jetzt auf einmal wieder eine Völkergrenze einführen. Damit fällst du zu den Ansichten des 19. Jh. zurück.

Horst schrieb:
Wirkungsvoll bemühte Liafwin sich, ihnen die Gestalt des himmlischen Friedenskönigs nahezubringen, indem er, in seinem heiligen Eifer, die Herrschaft des Himmelskönigs geschickt der eines irdischen Königs gegenüberstellte und den Sachsen mit jenem mächtigen König drohte, der sich jenseits des Gebirges zum Kampf rüstete.
Nun ist doch schon mehrfach belegt, das Liafwin in Form einer anderen Person und zwar des Hucbald von St. Armand, der weniger die chronikalischen Aspekte im Sinn hatte, sonder mehr die lyrischen, überliefert wurde. Im Übrigen ist diese Vita des Lebuin erst im Jahre 918 aufgeschrieben worden und Lebuin ist um 780 gestorben, also fast 140 vor der Hucbaldschen Niederschrift. Und in welchem Licht die historischen Vorgänge zu dieser Zeit betrachtet wurden, ist ja wohl bei dem etwas später schreibenden Widukind von Corvey allzudeutlich.
 
Strupanice schrieb:
Nun ist doch schon mehrfach belegt, das Liafwin in Form einer anderen Person und zwar des Hucbald von St. Armand, der weniger die chronikalischen Aspekte im Sinn hatte, sonder mehr die lyrischen, überliefert wurde. Im Übrigen ist diese Vita des Lebuin erst im Jahre 918 aufgeschrieben worden und Lebuin ist um 780 gestorben, also fast 140 vor der Hucbaldschen Niederschrift.
Liafwin´s Lebensgeschichte zeichnete im zehnten Jahrhundert, zwischen dem Jahr 917 und dem Jahr 930, der bekannte Mönch Hucbald von St. Amand auf, hauptsächlich auf Altfrid´s vita Liutgeri, entstanden um 820, gestützt, aber nicht ohne eigene neue Nachrichten hinzuzufügen. Uns stehen aber heute drei Viten zur Verfügung: 1. die Vita Lebuini antiqua, etwa Mitte des neunten Jahrhunderts von einem Unbekannten verfaßt, 2. die Lebensschilderung Hucbalds v. St. Amand († 930), eine literarische Überarbeitung der alten Lebensschilderung, und 3. eine Lebensschilderung aus dem fünfzehnten Jahrhundert, vermutlich von einem Windesheimer Kanoniker verfaßt. Die Frage, inwieweit diese Quellen ein verläßliches Bild über die tatsächlichen Verhältnisse des Sachsenstammes abliefern, ist bis heute in der Quellenbeurteilung sehr lebendig besprochen worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Horst schrieb:
Wirkungsvoll bemühte Liafwin sich, ihnen die Gestalt des himmlischen Friedenskönigs nahezubringen, indem er, in seinem heiligen Eifer, die Herrschaft des Himmelskönigs geschickt der eines irdischen Königs gegenüberstellte und den Sachsen mit jenem mächtigen König drohte, der sich jenseits des Gebirges zum Kampf rüstete.
Das kann er aber nur, weil er schon weiß wie die Geschichte ausgeht. Diese ganzen Heiligenviten sind nur bedingt historisch glaubhaft. Oder willst du auch die ganzen Wundergeschichten für wahr nehmen?
Horst schrieb:
Auch im heutigen Westfälischen lässt sich ein anglofriesischer Einfluß nachweisen.
Und was sagt uns das? - Das könnte doch darauf hinweisen, nur so als Beispiel, daß auch "Anglo-Friesen" an der sächsischen Ethnogenese mitwirkten. Für Britannien wärst du einer von wenigen, die friesischen Anteil an der Besiedlung Britanniens bestreiten oder gering bewerten.
Horst schrieb:
Das haben sie getan, und aus den Quellen geht das auch mittelbar hervor.
Und ein jeder folgte diesen Beschlüssen. Oder doch nicht? Mag sein ich stehe jetzt auf dem Schlauch, aber wo steht denn, daß in Marklo alle Sachsen zusammenkamen und dort über Frieden mit Karl debattierten, dann abstimmten und diesen Frieden hielten?
Horst schrieb:
In den Quellen wird nicht berichtet, Widukind und Abbi wären im Jahr 785 in das Sachsenland jenseits der Elbe geflohen, sondern sie hielten sich dort auf. Allerdings wird berichtet, Karl hätte die Gaue der Sachsen verwüstet und ihre Dörfer geplündert. Auf diese Weise suchte er fast alle Gegenden der Sachsen schwer heim.
Und, was machten sie dann dort? Was heißt die Gaue der Sachsen verwüstet? Alle, das heißt jeden einzelnen Gau, oder ist das vielleicht nicht nur ne Floskel?
Horst schrieb:
Von der gesamten Reichsbevölkerung habe ich nicht gesprochen, sondern von den Franken.
Aber auch von diesen mußten doch immer noch Reste in der Heimat bleiben, oder?
Horst schrieb:
Die Ereignisse in den Jahren 782 und 785 zeigen ein anderes Bild, wenn man bedenkt, daß Karl selbst nach Verden und Bardowick gezogen ist. Die Sachsen brachten im Jahr 782, als dieser flüchten wollte, den Gottesdiener Atreban in Dittmarschen durch das Schwert ums Leben.
Das zeigt, daß sich seit Beginn des Krieges dieser ausgeweitet hat. Sonst hätte er nicht erst in den 780ern den Norden verheert.

Du schreibst immer schön, was in den Quellen steht. Vielleicht wäre es jetzt mal Zeit sie zu hinterfragen! Du mußt ja nicht die gleiche Meinungen teilen wie ich, aber du erscheinst mir sehr unkritisch gegenüber Texten.
 
beorna schrieb:
Das kann er aber nur, weil er schon weiß wie die Geschichte ausgeht.
Nein, das kann er auch schon ohne zu wissen, wie die Geschichte ausgeht.
Diese ganzen Heiligenviten sind nur bedingt historisch glaubhaft.
Das stimmt, aber ich halte den Besuch Liafwins auf der Stammesversammlung der Sachsen für glaubhaft.
Oder willst du auch die ganzen Wundergeschichten für wahr nehmen?
Die Wundergeschichten müssen nicht erfunden sein. Selbst die darin geschilderten Wunder können einen wahren Kern enthalten. So wird über Willehad berichtet: Bei einer Gelegenheit schlug man den Knecht Gottes mit Knitteln, und er mußte viele Streiche leiden. Einer von ihnen drang sogar mit gezücktem Schwert auf ihn ein, und wollte ihm das Haupt abschlagen. Allein der fromme Mann hatte eine Kapsel mit Überresten von Heiligen am Hals hängen, und als nun der Streich des Schwertes auf seinen Hals fiel, so schnitt derselbe zwar den Riemen, woran die Kapsel hing, zum Teil durch, konnte aber ihn selbst durchaus nicht verletzen. Über dieses Wunder erschreckt, ließen die Heiden ihn und seine Gefährten unverletzt fort, und wagten sie nicht weiter zu belästigen.
Das könnte doch darauf hinweisen, nur so als Beispiel, daß auch "Anglo-Friesen" an der sächsischen Ethnogenese mitwirkten.
Nein, das soll heißen, das dieses sogenannte Anglo-Friesisch Gemeinsamkeiten mit dem Friesischen aufweist, aber eben keine nur von Friesen gesprochene Sprache war. Angeln, Sachsen und Jüten sprachen eine Sprache, die eng mit dem damaligen Niederländischen, Friesischen und Niederdeutschen verwandt war.
Für Britannien wärst du einer von wenigen, die friesischen Anteil an der Besiedlung Britanniens bestreiten oder gering bewerten.
Die Friesen waren in der Tat meines Wissens im wesentlichen lediglich als Händler im Norden unterwegs.
Und ein jeder folgte diesen Beschlüssen. Oder doch nicht? Mag sein ich stehe jetzt auf dem Schlauch, aber wo steht denn, daß in Marklo alle Sachsen zusammenkamen und dort über Frieden mit Karl debattierten, dann abstimmten und diesen Frieden hielten?
Wo steht denn, so hätte es ablaufen müssen. Alle Sachsen kamen eh nie in Marklo zusammen. Einhard berichtet: Der lange Krieg wurde erst endgültig beendet, als die Sachsen die Bedingungen des Königs annahmen.
Und, was machten sie dann dort? Was heißt die Gaue der Sachsen verwüstet? Alle, das heißt jeden einzelnen Gau, oder ist das vielleicht nicht nur ne Floskel?
Sie leisteten offenbar Widerstand, da Karl sie durch sächsische Gesandte auffordern ließ, ihren Widerstand aufzugeben. Es handelt sich also um keine Floskel, denn Karl suchte nach den Quellen fast alle Gegenden in Sachsen schwer heim.
Aber auch von diesen mußten doch immer noch Reste in der Heimat bleiben, oder?
Deshalb macht es aus meiner Sicht auch keinen Sinn, die Eigenschaft ein einheitliches Volk zu sein, am Widerstand oder am Kriegsgeschehen festzumachen. Weder sind alle Sachsen gegen die eingefallenen Franken gezogen, noch sind alle Franken im Jahr 778 an den Rhein gezogen, als die Sachsen dort alles verwüsteten.
Das zeigt, daß sich seit Beginn des Krieges dieser ausgeweitet hat. Sonst hätte er nicht erst in den 780ern den Norden verheert.
Offenbar leisteten die Sachsen über den gesamten Zeitraum erheblichen Widerstand; Karl mußte also erst einmal zur Elbe kommen. Der Krieg wurde nach den Quellen erst im Jahr 775 auf Westfalen und Ostfalen ausgeweitet, was aber nicht bedeutet, diese Gebiete wären nicht schon von den Ereignissen im Jahr 772 betroffen gewesen, da von Westfalen der Angriff auf Deventer ausgegangen war. Ansonsten hätte Karl eben nur einen Krieg gegen Engern oder auch nur gegen den Ittergau geführt, und dann wäre es das gewesen.
Du schreibst immer schön, was in den Quellen steht. Vielleicht wäre es jetzt mal Zeit sie zu hinterfragen! Du mußt ja nicht die gleichen Meinungen teilen wie ich, aber du erscheinst mir sehr unkritisch gegenüber Texten.
Wenn man Quellen hinterfragt, dann sollte man dies vorsichtig tun, und nicht die ganze Quelle ablehnen, weil sie teilweise zu hinterfragen ist; so ist dies hier beispielsweise geschehen, bei Widukind von Corvey und Rudolf von Fulda. Hucbald von St. Amand wird sogar abgelehnt, weil er auch Erzählungen verfaßte. Die Quellenbeurteilung durch Matthias Springer dagegen wird unkritisch hingenommen, obwohl dort manches auf Hörensagen oder das Fehlen von Quellen zurückgeht (vgl. u.a. Ptolemäus). Es gibt schon zu wenige Quellen für das frühe Mittelalter, Quellen ganz auszublenden, ist daher keine gute Art etwas zu hinterfragen. Eine Aussage von dir, halte ich beispielsweis für nicht nachweisbar:
Widukind und Co. sind meiner Meinung nach keine fränkischen duces, sondern selbständige sächsische duces oder reguli auf de iure fränkischem Gebiet.
 
Horst schrieb:
Die Wundergeschichten müssen nicht erfunden sein. Selbst die darin geschilderten Wunder können einen wahren Kern enthalten. So wird über Willehad berichtet: Bei einer Gelegenheit schlug man den Knecht Gottes mit Knitteln, und er mußte viele Streiche leiden. Einer von ihnen drang sogar mit gezücktem Schwert auf ihn ein, und wollte ihm das Haupt abschlagen. Allein der fromme Mann hatte eine Kapsel mit Überresten von Heiligen am Hals hängen, und als nun der Streich des Schwertes auf seinen Hals fiel, so schnitt derselbe zwar den Riemen, woran die Kapsel hing, zum Teil durch, konnte aber ihn selbst durchaus nicht verletzen. Über dieses Wunder erschreckt, ließen die Heiden ihn und seine Gefährten unverletzt fort, und wagten sie nicht weiter zu belästigen.
Sicherlich können einige Anekdötchen immer mal so vorgekommen sein. Bei der Anzahl und der Art der Wunder der Heiligen bin ich insgesamt schon skeptisch. Zudem muß ich offen gestehen, daß ich nicht an Wunder glaube.
Horst schrieb:
Nein, das soll heißen, das dieses sogenannte Anglo-Friesisch Gemeinsamkeiten mit dem Friesischen aufweist, aber eben keine nur von Friesen gesprochene Sprache war. Angeln, Sachsen und Jüten sprachen eine Sprache, die eng mit dem damaligen Niederländischen, Friesischen und Niederdeutschen verwandt war.Die Friesen waren in der Tat meines Wissens im wesentlichen lediglich als Händler im Norden unterwegs.
Aber Sachsen sprachen doch eher ein Altsächsisch und Jüten ein Altjütisch. Du hast Recht wenn du behauptest, daß diese Sprachen sich sehr nahestanden. Zudem halte ich die Sprachwissenschaft für nicht 100%ig, was ihre Folgerungen und Klassifizierungen betrifft. Das wäre vielleicht auch zu viel erwartet. Fakt ist aber, daß die Ethnogenese der Sachsen weit aus komplizierter war, als daß sich ein eroberndes Völkchen aus Westholstein über Reste in Norddeutschland geschoben hätte.
Horst schrieb:
Wo steht denn, so hätte es ablaufen müssen. Alle Sachsen kamen eh nie in Marklo zusammen. Einhard berichtet: Der lange Krieg wurde erst endgültig beendet, als die Sachsen die Bedingungen des Königs annahmen.
Wenn die Volksversammlung das höchste Gremium war, so waren Friedensschlüsse auch zwingend ihr vorzutragen oder sehe ich das falsch? Und was heißt:" waren eh nie alle Sachsen dort versammelt". Dort sollen die satrapae mit (jeweils) 12 Edlen, Freien und Laten erschienen sein. Von allen Sachsen ist sowieso nie die Rede gewesen. Aber es kamen, laut Quellen, alle Entscheidungsträger nach Marklo. Nun kann man behaupten, daß immer einige solche Versammlungen fern blieben. Dies lag dann meistens daran, daß sie die gefällten Entscheidungen nicht mittragen wollten. Doch es steht nirgends in den Quellen:" Die Sachsen kamen zusammen und schlossen auf der (einer) Volksversammlung Frieden. Frieden wurde immer mit einzelnen, zum Teil mehreren Personen geschlossen. Der lange Krieg mit Sachsen ist geradezu ein Beweis dafür, daß Sachsen ebend kein Zentralstaat war, sondern ein loser Bund von einzelnen regna.
Horst schrieb:
Deshalb macht es aus meiner Sicht auch keinen Sinn, die Eigenschaft ein einheitliches Volk zu sein, am Widerstand oder am Kriegsgeschehen festzumachen. Weder sind alle Sachsen gegen die eingefallenen Franken gezogen, noch sind alle Franken im Jahr 778 an den Rhein gezogen, als die Sachsen dort alles verwüsteten.
Es ist ein Unterschied, ob ich einen Angriffskrieg führe oder einen Verteidigungskrieg. Natürlich muß auch ein Verteidiger nicht alle Kräfte sofort und auf einmal einsetzen, doch im Gegensatz zum Angreifer muß er keine Truppen zum Schutz seines Territoriums zurücklassen
Horst schrieb:
Wenn man Quellen hinterfragt, dann sollte man dies vorsichtig tun, und nicht die ganze Quelle ablehnen, weil sie teilweise zu hinterfragen ist; so ist dies hier beispielsweise geschehen, bei Widukind von Corvey und Rudolf von Fulda. Hucbald von St. Amand wird sogar abgelehnt, weil er auch Erzählungen verfaßte. Die Quellenbeurteilung durch Matthias Springer dagegen wird unkritisch hingenommen, obwohl dort manches auf Hörensagen oder das Fehlen von Quellen zurückgeht (vgl. u.a. Ptolemäus). Es gibt schon zu wenige Quellen für das frühe Mittelalter, Quellen ganz auszublenden, ist daher keine gute Art etwas zu hinterfragen. Eine Aussage von dir, halte ich beispielsweis für nicht nachweisbar:
Im Fall von Springer muß ich dir in einigen Punkten Recht geben. So gilt in der Geschichtswissenschaft gerade die Überlieferung von Ptolemaios als die Beste, die den Namen der saxones enthält. Dieser Umstand wird von Springer nicht erwähnt. Ich erwähnte auch, daß ich Springer nicht in allem folge, so daß von einem unkritischen Hinnehmen nicht die Rede sein kann. Das Problem bildete für mich die Eroberung des Thüringerreiches. Spätere sächsische Quellen berichten davon, frühere fränkische nicht. Geht man von der Richtigkeit der sächsischen Quellen aus, dann mußten die Sachsen an der Unstrut nun Tribut leisten. Doch was war mit dem Weserraum und Westfalen? Das Fehlen von sächsischen Funden im Osten kann man durch eine archäologische Fundlücke gut erklären. Aber warum boten Sachsen an die Slawen zu bekämpfen, wenn ihnen nur der Tribut erlassen wurde? Springer schreibt hier richtig, daß gerade die an der Grenze lebenden Sachsen von sich aus ein Interesse gehabt hätten sich selbst zu verteidigen. Daher müssen es andere Sachsen gewesen sein. Aber wer? Wieso zahlten andere Sachsen Tribut wenn der Unstrutraum überlassen wurde? Wieso duldete der stolze Sachsenstamm, das Gebiete ihres Volkes den Franken Tribut zahlten, also unterthänig waren? Geht das überhaupt? Ich bin bei der Beantwortung dieser Fragen zu dem Schluß gekommen, daß eben nicht nur der Unstrutraum, sondern nahezu der ganze südsächsische Raum den Sachsen von den Franken überlassen wurde. Doch das Problem ob die sächsische Volksversammlung diesen Zustand gebilligt hätte bleibt. Nun kommt Springer auf Kahrstedts Pfaden daher und erklärt, die ptolemäischen Sachsen wären Avionen und einen sächsischen Staat hätte es bis zu den Sachsenkriegen nicht gegeben. Eine sächsische Beteiligung am Thüringerkrieg von 531 sei auch falsch. Gut, daß würde erklären, warum im Osten keine sächsischen Funde existieren. Das würde aber erst einmal nicht erklären, warum die südlichen Sachsen Tribute zahlten. Außer, die Gebiete wären ursprünglich thüringisch gewesen und nach 531 unter fränkische Herrschaft geraten und hätten sich im späten 6. oder 7. Jhd. wieder vom Frankenreich gelöst. Und so kommt man tatsächlich immer mehr dazu Probleme der Sachsenforschung zu lösen. Ich glaube Springer geht in dem einen oder anderen Punkt zu weit, trotzdem scheint seine Verneinung ptolemäischer Sachsen richtig zu sein.
Horst schrieb:
Eine Aussage von dir, halte ich beispielsweise für nicht nachweisbar: Widukind und Co. sind meiner Meinung nach keine fränkischen duces, sondern selbständige sächsische duces oder reguli auf de iure fränkischem Gebiet.
Was davon denn? Das es sich bei ihnen nicht um fränkische duces handelt, da sind wir uns doch einig? Und das die Franken Sachsen oder zumindest Teile davon als unterthänig betrachteten, das kann auch nicht bestritten werden. Das andere, daß läßt sich anhand der Quellen tatsächlich nicht direkt beweisen. Es erscheint mir aber zwangsläufig notwendig zu sein.
 
...alle Achtung, das Thema ist ja sehr umfangreich. Hab es gerade durchstöbert und bin auf den Begriff des Liten gestoßen. Soviel ich weiß war das nach den Edelingen und Frilingen der dritte Stand. Sozusagen Halbfreie.

Ich habe mal gelesen, dass diese Liten bzw. Laten zum größten Teil aus der Urbevölkerung der von den Sachsen eroberten Gebieten stammen.
Leider weiß ich die Quelle nicht mehr. Ist das richtig? Ist das historisch belegt?

Sind damit die evtl. die Wilzen und Abodriten gemeint? Welche Urbevölkerung könnte in den Stammländer West-, Ostfalen, Engern und Nordalbingen gemeint sein, die dann zu den Liten wurden? Die kleinen rhein-wesergermanischen Stämme?

Gruß Valao
 
Zuletzt bearbeitet:
Über die Liten oder Laten ist viel diskutiert worden. I.A. geht man davon aus, daß diese Hypothese stimmt. Die nobiles sollen die eigentlichen Sachsen sein, die Frilinge sollen Freie sein, zum Teil hält man sie für Hilfsvölker der Sachsen und die Liten sollen die unterworfene Bevölkerung darstellen. wenn du die Diskussion zwischen Horst, sowie Strupanice und mir verfolgt hast, kannst du vermuten, daß sich diese Deutung zumindest für mich nicht halten läßt, wobei sie immer schon merkwürdig war. Wenn die Sachsen des Ptolemaios nicht existieren gibt es auch keine einwandernden, erobernden Sachsen (ganz generell gesprochen, Eroberungen sind natürlich immer vorgekommen). Dann können also die Edlen keine "echten" Sachsen sein und die Liten keine unterworfene´Urbevölkerung. Es scheint so, als ob die Liten eine zumindest überwiegend schollengebundene Unterschicht sind, die sich aber von unfreien unterscheiden. Über ihnen bildet eine Schicht freier Grundbesitzer den zweiten Stand. Der Adel wäre dann eine Schicht von Großgrundbesitzern mit dem dazugehörigen Klientel und mit einer Anzahl von berühmten Vorfahren, vielleicht sogar göttlicher Abkunft (siehe Merowinger, gotische semideis etc.).
Damit ist es auch nicht zwingend notwendig, die sächsischen Zustände durch die Eroberungstheorie erklären zu müssen, es kann einfache wirtschaftlich-soziale Gründe geben. Eine Stütze der herkömmlichen Theorie soll der Umstand sein, daß nördlich der Elbe, also in der von den Anhängern der Ptolemaios-Sachsen favorisierten Sachsenheimat, keine oder nur wenige Liten gibt. Das ist ein nicht unwichtiger Einwand. Dennoch können andere sozial-ökonomische Ursachen hierfür der Grund sein. So kann, man bedenke, daß die südlichen Gebiete einst zum Thüringerreich gehörten, hier eine stärkere Differenzierung der Bevölkerung vorherrschen als noch im Norden. Somit ließe es sich genauso gut erklären. Ich denke von Horst wirst du auch eine Betrachtungsweise erhalten, die sich, wie ich vermute, von meiner unterscheidet. Du kannst dir dann ja ein eigenes Urteil bilden.
 
beorna schrieb:
Zudem muß ich offen gestehen, daß ich nicht an Wunder glaube.
Nein, ich glaube auch nicht daran, aber die Berichte über diese Wunder sind aufschlußreich, gerade im frühen Mittelalter.
beorna schrieb:
Doch es steht nirgends in den Quellen: Die Sachsen kamen zusammen und schlossen auf der (einer) Volksversammlung Frieden.
Hucbald von S. Amand berichtet im Leben des heiligen Liafwin (Lebuin): Auch wenn ein Krieg für seinen Ausgang Besorgnis erweckte, wenn die Freude des Friedens lächelte, beratschlagen sie über das, was sie zu unternehmen hätten. Exter und Seitz sind Orte, die mit solchen Versammlungen verbunden werden.
beorna schrieb:
Der lange Krieg mit Sachsen ist geradezu ein Beweis dafür, daß Sachsen ebend kein Zentralstaat war, sondern ein loser Bund von einzelnen regna.
Der lange Krieg kann einen Anhalt dafür liefern, die Sachsen seien wegen ihrer Verwaltung nicht durch einen Kriegszug zu besiegen gewesen; aber ein Beweis für einen losen Bund von einzelnen "regna" ist das nicht. Der Krieg kann ebenso gut wegen des erbitterten Widerstandes, den die Sachsen den Franken leisteten, über mehrere Geschlechterfolgen angehalten haben.
beorna schrieb:
Geht man von der Richtigkeit der sächsischen Quellen aus, dann mußten die Sachsen an der Unstrut nun Tribut leisten.
Die zeitliche Verknüpfung mit den Ereignissen des Jahres 531 ist aus meiner Erinnerung nicht zwingend; weshalb auch die Annahme, die Sachsen in diesem Raum seien unter thüringische Herrschaft gelangt und mit dem Fall des Thüringerreiches den Franken abgabepflichtig geworden, nicht zutrifft.
beorna schrieb:
Springer schreibt hier richtig, daß gerade die an der Grenze lebenden Sachsen von sich aus ein Interesse gehabt hätten sich selbst zu verteidigen.
Das stimmt nur, wenn es um das Gebiet der Sachsen ging, was aber offensichtlich nicht der Fall gewesen sein kann, denn die Sachsen erboten sich, den Krieg gegen die Wenden zu übernehmen und die Franken gegen sie zu schützen, wenn der König ihnen die Auflage jährlich fünfhundert Kühe zu übergeben, die sie seit Chlothar zu entrichten hatten, erlassen würde.
beorna schrieb:
Wieso duldete der stolze Sachsenstamm, das Gebiete ihres Volkes den Franken Tribut zahlten, also unterthänig waren?
Die Zahlung der Abgabe bedeutet nicht, hier sei ein Untertanenverhältnis entstanden.
beorna schrieb:
Gut, daß würde erklären, warum im Osten keine sächsischen Funde existieren.
Dort gibt es aber solche Funde; und wie du selbst festgestellt hast: Das Fehlen von (weiteren) sächsischen Funden im Osten kann man durch eine archäologische Fundlücke gut erklären.
beorna schrieb:
Ich meinte insbesondere die Worte "selbständige" und "de jure", worin ja der Kern deiner Aussage liegt. Weder war Widukind selbständig, denn er war der Herzog der Sachsen, noch gehörte Sachsen dem Recht nach den Franken. Die Selbständigkeit Widukinds würde zu einem "regna" Widukinds führen, was so nicht nachweisbar ist, und die rechtliche Oberherrschaft der Franken würde Widukind ins Unrecht setzen, was auch nicht wirklich auf Quellen gestützt werden kann, da dieser sich der Herrschaft durch die Franken stets entzogen hat.
Valao schrieb:
Sind damit evtl. die Wilzen und Abodriten gemeint?
Nein, die Liten (Hörige) waren Teil des sächsischen Stammes. Von den Hörigen sind die Knechte (Unfreie) zu unterscheiden, die rechtlich nicht zum Stamm der Sachsen gehörten.
beorna schrieb:
Ich denke von Horst wirst du auch eine Betrachtungsweise erhalten, die sich, wie ich vermute, von meiner unterscheidet.
Nicht wirklich, denn das hast du schon recht gut erklärt.
Valao schrieb:
Ich habe mal gelesen, dass diese Liten bzw. Laten zum größten Teil aus der Urbevölkerung, der von den Sachsen eroberten Gebiete, stammen.
Diese Deutung trifft im wesentlichen nur auf die Thüringer zu, denn die Hörigen in diesem Landesteil, sagt man, sind die alten Thüringer, denen die Eroberer die Äcker unter der Bedingung gelassen haben, daß sie dafür zu Abgaben in Getreide, Vieh, Kleidung und anderem verpflichtet wurden.
 
Horst schrieb:
Der lange Krieg kann einen Anhalt dafür liefern, die Sachsen seien wegen ihrer Verwaltung nicht durch einen Kriegszug zu besiegen gewesen; aber ein Beweis für einen losen Bund von einzelnen "regna" ist das nicht. Der Krieg kann ebenso gut wegen des erbitterten Widerstandes, den die Sachsen den Franken leisteten, über mehrere Geschlechterfolgen angehalten haben.
Gut, der Begriff "Anhalt" ist vielleicht besser gewählt als "Beweis". Ich würde mich aber dafür interessieren, wie du die sächsische "Verfassung" siehst. Wenn du von EINEM "Staat" ausgehst, mit dem höchsten Organ der Volksversammlung, wie siehst du dann die satrapae? Welche Macht hatten sie, was war ihre Machtbasis, wer setzte sie ein, wenn sie eingesetzt wurden? Was ist mit den (je) 12 Edlen, Freien und Laten, welche Funktion hatten sie?
Horst schrieb:
Die zeitliche Verknüpfung mit den Ereignissen des Jahres 531 ist aus meiner Erinnerung nicht zwingend; weshalb auch die Annahme, die Sachsen in diesem Raum seien unter thüringische Herrschaft gelangt und mit dem Fall des Thüringerreiches den Franken abgabepflichtig geworden, nicht zutrifft
Wann wurde (den) Sachsen den deiner Meinung nach der Tribut auferlegt?

Horst schrieb:
Das stimmt nur, wenn es um das Gebiet der Sachsen ging, was aber offensichtlich nicht der Fall gewesen sein kann, denn die Sachsen erboten sich, den Krieg gegen die Wenden zu übernehmen und die Franken gegen sie zu schützen, wenn der König ihnen die Auflage jährlich fünfhundert Kühe zu übergeben, die sie seit Chlothar zu entrichten hatten, erlassen würde.
Verstehe ich das richtig, du vermutest einen fränkischen Angriffskrieg gegen die Wenden im Gegensatz zum angenommenen Verteidigungsfall?
Horst schrieb:
Die Zahlung der Abgabe bedeutet nicht, hier sei ein Untertanenverhältnis entstanden.
Was bedeutet das denn? Diese Gesellschaften basierten auf dem Gefolgschaftsystem. Wer Tribut zahlt ist abhängig! Das bedeutet nicht eine direkte Herrschaft im heutigen Sinne, kann aber doch schwerlich bestritten werden. In diesem Fall ist es sowieso fraglich, ob die Geschichte mit dem erlassenen Tribut wegen des Wendenfeldzuges überhaupt stimmt.
Horst schrieb:
Dort gibt es aber solche Funde; und wie du selbst festgestellt hast: Das Fehlen von (weiteren) sächsischen Funden im Osten kann man durch eine archäologische Fundlücke gut erklären.
Das Problem mit Funden ist das gleiche wie mit Statistiken. Man kann alles daraus herauslesen. Es gibt ebenso eine Vielzahl "thüringischer" Funde im sogenannten Sachsenland. Daraus könnte man ebensogut eine Herrschaft der Thüringer über Sachsen, selbst nach 531, hineininterpretieren. Wir müssen also den Gesamtkomplex betrachten. Wer von uns diesen richtig bewertet wird sich dann hoffentlich irgendwann zeigen.
Horst schrieb:
Ich meinte insbesondere die Worte "selbständige" und "de jure", worin ja der Kern deiner Aussage liegt. Weder war Widukind selbständig, denn er war der Herzog der Sachsen, noch gehörte Sachsen dem Recht nach den Franken. Die Selbständigkeit Widukinds würde zu einem "regna" Widukinds führen, was so nicht nachweisbar ist, und die rechtliche Oberherrschaft der Franken würde Widukind ins Unrecht setzen, was auch nicht wirklich auf Quellen gestützt werden kann, da dieser sich der Herrschaft durch die Franken stets entzogen hat.
Nach der herrschenden Lehre hast du recht. Meine Interpretationen beruhen halt auf den Feststellung Kahrstedts, Springer und eben meinen. Wenn Springer die Volksversammlung verneint und ich sie als eine Art "Fürstentag" sehe, dann können die satrapae in beiden Fällen eben nicht von der Volksversammlung eingesetzt sein. Dann wären die satrapae selbständige principes, reguli oder ähnliches über ihre pagi. Wenn eine Beteiligung der Sachsen an den Thüringerkriegen nicht stattgefunden hat, dann können die südlichen Gebiete auch nicht von den Franken den Sachsen überlassen worden sein, sondern dann sind sie wie die nordhessischen und nordthüringischen pagi im 7. Jhd vom Frankenreich abgefallen. Dann wären sie nach fränkischer Auffassung de iure fränkisch. In den Quellen erscheinen die Sachsen daher auch von Beginn an als rebellantes.
Die These der regna hängt demzufolge an der Richtigkeit der von mir vorgebrachten Thesen. Das Problem ist, daß die Quellen nicht einwandfrei und nicht unparteiisch sind und zudem ihr Wert nur schwer einzuschätzen ist.
 
beorna schrieb:
Wie siehst du dann die satrapae?
Die alten Sachsen hatten keinen König, sondern ihre Gaue waren Häuptlingen unterstellt, die nach dem Gutdünken der Edlinge, Frilinge und Lassen oder auch nach klug von ihnen ersonnenen Geboten den einzelnen Gauen als Fürsten vorstanden. (vgl. auch Beda, Historia ecclessiastica gentis Anglorum V 10)
beorna schrieb:
Welche Macht hatten sie, was war ihre Machtbasis, wer setzte sie ein, wenn sie eingesetzt wurden?
Die Häuptlinge waren Sachsen, die vor allem durch ihre auf Grundbesitz beruhende Wirtschaftsmacht aufgestiegen waren. Sichtbarer Ausdruck ihrer Macht war ein bewaffnetes Gefolge. Die Häuptlinge (Älteste, Oberhäupter) waren Inhaber von Ämtern, also in gewählter oder berufener Stellung. Ihre Machtmittel waren jedoch gering und beschränkten sich weitgehend auf Überzeugung, Schlichtung, Vorbildhaftigkeit. Sie waren daher auf die Mitarbeit der angesehenen Teile des Stammes oder des Gaues oder der Sippe angewiesen.
beorna schrieb:
Was ist mit den (je) 12 Edlen, Freien und Laten, welche Funktion hatten sie?
Sie waren an der Erneuerung der Gesetze beteiligt, saßen über bedeutende Sachen zu Gericht und entschieden bei diesen gemeinsamen Versammlungen, was sie das Jahr über im Krieg und im Frieden unternehmen wollten.
beorna schrieb:
Wann wurde (den) Sachsen denn deiner Meinung nach der Tribut auferlegt?
Darüber läßt sich nicht viel sagen, aber schon bei der Verteilung der Beute aus dem letzten Kriegszug gegen die Thüringer hatte es Streit gegeben, denn die Sachsen wurden die Herren des Landes, denen Chlothar das eroberte Land zumeist überlassen mußte. Offenbar stammte die Abgabe aus der Zeit der Herrschaft von Chlothars Brüdern; also nicht vor dem Jahr 511, wahrscheinlich nicht nach dem Jahr 533, da König Theuderich in diesem Jahr verstarb. Im Jahr 554 finden wir die Sachsen von neuem im Kampf, aber diesmal mit den Franken, während die Thüringer jenen Hilfe leisteten. Doch scheinen die Sachsen schon früher den Franken sich zu jährlichen Leistungen verpflichtet zu haben, denn König Chlothar, heißt es, erfuhr auf einer Reise durch seine Länder, daß die Sachsen die Abgaben verweigerten, die sie zu entrichten gewohnt waren. Entschlossen, sie zu ihrer Pflicht zu zwingen, entbot er seine Heeresmacht. Die Sachsen aber sandten ihm Boten entgegen mit dem Anerbieten, ihm zu leisten, was sie seinen Brüdern und Neffen vor ihm gegeben hatten und noch mehr, nur möge er verhüten, daß es zwischen dem sächsischen Volk und dem fränkischen Heer zum Kampf komme.
beorna schrieb:
Verstehe ich das richtig, du vermutest einen fränkischen Angriffskrieg gegen die Wenden im Gegensatz zum angenommenen Verteidigungsfall?
Nein, offenbar brauchten die Franken im Krieg mit den Wenden Hilfe.
beorna schrieb:
Was bedeutet das denn?
Die Sachsen erkauften sich offenbar einen Frieden. Im Bündnis mit den Thüringern wollten die Sachsen sich bei einer Gelegenheit im Jahr 554, wohl nicht das letzte Mal, von der Abgabe befreien.
beorna schrieb:
In diesem Fall ist es sowieso fraglich, ob die Geschichte mit dem erlassenen Tribut wegen des Wendenfeldzuges überhaupt stimmt.
Da muß im Jahr 630 schon etwas dran gewesen sein, denn Vergeltungsfeldzüge gegen die Sachsen erzwangen erst wieder im Jahr 738 das Versprechen der Sachsen ihrer früheren Pflicht nachzukommen, jährlich vierhundert Rosse den Franken zu geben.
beorna schrieb:
Wir müssen also den Gesamtkomplex betrachten. Wer von uns diesen richtig bewertet, wird sich dann hoffentlich irgendwann zeigen.
Mit meinem Beitrag habe ich lediglich dem Ausschluß einer sächsischen Herrschaft wegen fehlender Funde widersprochen. Da es Funde gibt, ist der Ausschluß dieser Herrschaft über die Fundlage nicht möglich.
beorna schrieb:
Wenn Springer die Volksversammlung verneint und ich sie als eine Art "Fürstentag" sehe, dann können die satrapae in beiden Fällen eben nicht von der Volksversammlung eingesetzt sein.
Diese Befugnis hatte die Volksversammlung offensichtlich nicht, aber die Schlußfolgerung daraus bedeutet nicht eine Unabhängigkeit der einzelnen Gaue oder die Ablehnung einer Volksversammlung.
beorna schrieb:
Dann wären die satrapae selbständige principes, reguli oder ähnliches über ihre pagi.
Damit gehst du einen Schritt zu weit, denn dafür gibt es keinerlei Belege.
beorna schrieb:
Wenn eine Beteiligung der Sachsen an den Thüringerkriegen nicht stattgefunden hat, dann können die südlichen Gebiete auch nicht von den Franken den Sachsen überlassen worden sein, sondern dann sind sie wie die nordhessischen und nordthüringischen pagi im 7. Jhd vom Frankenreich abgefallen.
Wenn man dem folgt, dann stellt sich allerdings die Frage, wie die nordthüringischen Gebiete sächsisch wurden; und vor allem, warum es dann nicht wieder ein Thüringerreich gegeben hat.
beorna schrieb:
Dann wären sie nach fränkischer Auffassung de iure fränkisch.
Diese Schlußfolgerung ist richtig.
beorna schrieb:
In den Quellen erscheinen die Sachsen daher auch von Beginn an als rebellantes.
Hier übersiehst du deine Annahme, die davon ausging, die Sachsen wären nicht beteiligt gewesen.
beorna schrieb:
Die These der regna hängt demzufolge an der Richtigkeit der von mir vorgebrachten Thesen.
Du meinst vermutlich, deine Theorie hängt von deinen Thesen ab, aber die Beweise für deine Theorie sind halt etwas dürftig, oder?
beorna schrieb:
Das Problem ist, daß die Quellen nicht einwandfrei und nicht unparteiisch sind und zudem ihr Wert nur schwer einzuschätzen ist.
Ich denke, gerade dadurch sind zweifelhafte Ansichten, wie sie Kahrstedt und Springer offenbar vertreten, erst möglich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Horst schrieb:
Die alten Sachsen hatten keinen König, sondern ihre Gaue waren Häuptlingen unterstellt, die nach dem Gutdünken der Edlinge, Frilinge und Lassen oder auch nach klug von ihnen ersonnenen Geboten den einzelnen Gauen als Fürsten vorstanden. (vgl. auch Beda, Historia ecclessiastica gentis Anglorum V 10)
Beda nennt sie satrapae. Bei anderen werden sie als principes bezeichnet. Du nennst sie Häuptlinge, die nach Gutdünken der Edelinge etc den Gauen als Fürsten vorstanden. Wie darf ich mir das vorstellen? Eher nach mittelalterlichem Ritus, so eine Art Kur oder wie bei uns als Wahl zwischen Kandidaten?

Horst schrieb:
Die Häuptlinge waren Sachsen, die vor allem durch ihre auf Grundbesitz beruhende Wirtschaftsmacht aufgestiegen waren. Sichtbarer Ausdruck ihrer Macht war ein bewaffnetes Gefolge. Die Häuptlinge (Älteste, Oberhäupter) waren Inhaber von Ämtern, also in gewählter oder berufener Stellung. Ihre Machtmittel waren jedoch gering und beschränkten sich weitgehend auf Überzeugung, Schlichtung, Vorbildhaftigkeit. Sie waren daher auf die Mitarbeit der angesehenen Teile des Stammes oder des Gaues oder der Sippe angewiesen.
Dabei mußt du doch zugeben, daß über die Größe und Anzahl der Gaue in vorkarolingischer Zeit nichts bekannt ist. Genausowenig wie über die Machtmittel der Edelinge oder der satrapae. Ich stimme dir zu, daß sie ihre Macht aus ihrer Wirtschaftskraft schöpften und aus dem daraus resultierendem Gefolge. Das läßt aber ebenso darauf schließen, daß die satrapae nicht gleich waren, was Wirtschaftskraft und Gefolge betraf. Gerade die Regelung mit den je 12 Edelingen etc. zeigt doch, daß verhindert werden sollte, daß die Mehrheit der Waffen Entscheidungen erzwingen sollte. Wenn du dann noch weiter ausführst, ihre Macht beschränkte sich u.a. auf ihre Vorbildhaftigkeit, dann scheinst du mir hier die satrapae auf einen Sockel zu heben, den sie nicht verdienen. Das klingt fast nach romantischer Verklärtheit.

Horst schrieb:
Sie waren an der Erneuerung der Gesetze beteiligt, saßen über bedeutende Sachen zu Gericht und entschieden bei diesen gemeinsamen Versammlungen, was sie das Jahr über im Krieg und im Frieden unternehmen wollten.
So, so. Der Lite der wirtschaftlich vom Satrapen absolut abhängig war entschied mit. Das finde ich interessant. Das gibt der sächsischen "Verfassung" eine absolut einzigartige Sonderstellung. Und wie wurden diese "Abgeordneten" bestimmt?

Horst schrieb:
Darüber läßt sich nicht viel sagen, aber schon bei der Verteilung der Beute aus dem letzten Kriegszug gegen die Thüringer hatte es Streit gegeben, denn die Sachsen wurden die Herren des Landes, denen Chlothar das eroberte Land zumeist überlassen mußte. Offenbar stammte die Abgabe aus der Zeit der Herrschaft von Chlothars Brüdern; also nicht vor dem Jahr 511, wahrscheinlich nicht nach dem Jahr 533, da König Theuderich in diesem Jahr verstarb. Im Jahr 554 finden wir die Sachsen von neuem im Kampf, aber diesmal mit den Franken, während die Thüringer jenen Hilfe leisteten. Doch scheinen die Sachsen schon früher den Franken sich zu jährlichen Leistungen verpflichtet zu haben, denn König Chlothar, heißt es, erfuhr auf einer Reise durch seine Länder, daß die Sachsen die Abgaben verweigerten, die sie zu entrichten gewohnt waren. Entschlossen, sie zu ihrer Pflicht zu zwingen, entbot er seine Heeresmacht. Die Sachsen aber sandten ihm Boten entgegen mit dem Anerbieten, ihm zu leisten, was sie seinen Brüdern und Neffen vor ihm gegeben hatten und noch mehr, nur möge er verhüten, daß es zwischen dem sächsischen Volk und dem fränkischen Heer zum Kampf komme.
Die große Schwierigkeit ist doch, daß wir über die Situation in "Sachsen" um 531 überhaupt nicht informiert sind. Die Schlacht zwischen Franken und Thüringern fand angeblich bei Runibergun statt, einem Ort, dem man im Marstem-Gau ebendso gut lokalisiert wie an der Hainleite und anderswo. Sicher scheint doch nur, daß er auf thüringischem Gebiet stattfand. Was war mit Westfalen, was mit Engern, was war mit dem Norden jenseits der Mittelgebirge. Genauso wenig wissen wir, wer die im Thüringerkrieg angeblich zu Hilfe gerufenen Sachsen sein sollen. Du tust so, als ob du genau wüßtest, was Sachsen vor 531 ist. Das kann niemand.

Horst schrieb:
Nein, offenbar brauchten die Franken im Krieg mit den Wenden Hilfe.
Ja, das ist sicher. Da aber genau die Sachsen bedroht gewesen wären die Tribut zahlten (wegen der Überlassung der thüringischen Ländereien), war eine gelungene Abwehr der Wenden doch in ihrem eigenen Interesse. Also ich als Frankenkönig hätte gesagt: Gut dann kommen wir halt nicht. Viel Spaß alleine! (Wenn ich das mal so flapsig sagen durfte). Demzufolge scheint Springers Vermutung, daß eben andere als die östlichen "Sachsen" ebenfalls mit Tribut belegt waren.

Horst schrieb:
Da muß im Jahr 630 schon etwas dran gewesen sein, denn Vergeltungsfeldzüge gegen die Sachsen erzwangen erst wieder im Jahr 738 das Versprechen der Sachsen ihrer früheren Pflicht nachzukommen, jährlich vierhundert Rosse den Franken zu geben.
Etwas, vielleicht? Die Schwäche des Merowingerreiches kann genauso gut dazu geführt haben, daß die "Sachsen" ihre Zahlungen einstellten, ohne daß das Merowingerreich in der Lage gewesen wäre dagegen einzuschreiten.

Horst schrieb:
Mit meinem Beitrag habe ich lediglich dem Ausschluß einer sächsischen Herrschaft wegen fehlender Funde widersprochen. Da es Funde gibt, ist der Ausschluß dieser Herrschaft über die Fundlage nicht möglich.
Das ist sicher richtig. Doch das gilt auch umgekehrt. Ein Ausschluß eines Fehlens sächsischer Herrschaft kann nicht ausgeschlossen werden.

Horst schrieb:
Diese Befugnis hatte die Volksversammlung offensichtlich nicht, aber die Schlußfolgerung daraus bedeutet nicht eine Unabhängigkeit der einzelnen Gaue oder die Ablehnung einer Volksversammlung.
Wie begründest du den Umstand, daß die Volksversammlung diese Befugnis nicht hatte? Meiner Meinung nach sind die satrapae Herrscher ihrer pagi. Als solche ließen sie sich wohl ungern von der Volksversammlung einsetzen. Man kann somit die verwendeten Begriffe vorgesetz u.ä. als eine Art Bestätigung der Herrschaft durch diesen sächsischen "Fürstentag" betrachtet und nicht als Einsetzung.

Horst schrieb:
Damit gehst du einen Schritt zu weit, denn dafür gibt es keinerlei Belege.
Nein, direkte Belege gibt es dafür nicht. Es erscheint mir aber logisch. Die Belege die du aus den Quellen anführst sind so ungenau und unsicher und zum Teil fragwürdig, so daß es mir nicht wesentlich besser erscheint, sich auf sie zu berufen. Und du sortierst doch auch aus, oder? Wenn die in Hadeln landenden Sachsen die Thüringer vertreiben, dann müßtest du doch annehmen, daß bereits um 200 die Thüringer die Nordseeküste beherrschten oder aber du müßtest annehmen, daß um 530 herum sämtliche Sachsen aus Sachsen vertrieben worden waren oder nach Britannien ausgewandert. Oder nimmst du die Abstammung der Sachsen aus dem Heer Alexanders für bare Münze? Was berechtigt dich denn mehr als mich Quellen zu bestreiten?

Horst schrieb:
Wenn man dem folgt, dann stellt sich allerdings die Frage, wie die nordthüringischen Gebiete sächsisch wurden; und vor allem, warum es dann nicht wieder ein Thüringerreich gegeben hat.
Nun, ein Abfall thüringischer Gebiete/Teile vom Frankenreich zu Beginn des 8. Jahrhunderts wird in den Quellen erwähnt. Zudem gibt es auch seit der Mitte des 7. Jhds in der Tat verstärkt sächsisches Fundgut im nordthüringischen Gebiet. Der Umstand, daß Springer u.a. die Sachsen ebend nicht als Etnos sehen, sondern als Konglomerat verschiedener Herrschaften, machte es für Hessen und Thüringer leicht, sich diesem Bund anzuschließen.
Horst schrieb:
Diese Schlußfolgerung ist richtig.
Na wenigstens etwas.;)
Horst schrieb:
Hier übersiehst du deine Annahme, die davon ausging, die Sachsen wären nicht beteiligt gewesen.
Nein, die Bevölkerung Norddeutschlands wurde von den Franken als saxones bezeichnet, egal ob sie sich selbst so sahen oder nicht. Damit wurden dann wohl auch die Gruppen, die einst unter Thüringerherrschaft standen und ans Frankenreich fielen als saxones bezeichnet. Zumindest liegt dieser Verdacht nahe.

Horst schrieb:
Du meinst vermutlich, deine Theorie hängt von deinen Thesen ab, aber die Beweise für deine Theorie sind halt etwas dürftig, oder?
Ich bin mir bewußt, daß sich Kahrstedts und Springers Thesen und auch meine Schlußfolgerungen nicht leicht beweisen lassen. Doch ich hatte es schon mehrfach erwähnt, daß die herkömmliche Meinung über die Sachsen viele Punkte und Fragen offen läßt und auch gar nicht beantworten kann. Gerade im Thüringerkrieg von 531 ist völlig offen, ob eine sächsische Beteiligung stattfand oder nicht. Du kannst fränkischen Quellen glauben oder sächsischen oder auch beiden nicht! Meine Beweise mögen daher dürftig sein, aber keineswegs dürftiger als deine. Mir geht es aber auch nicht darum, wer hat recht und wr nicht, sondern mit welcher können wir die Probleme am Besten lösen, welche These bieten die besten Erklärungen.
Horst schrieb:
Ich denke, gerade dadurch sind zweifelhafte Ansichten, wie sie Kahrstedt und Springer offenbar vertreten, erst möglich.
Sicherlich lassen solche Ungereimtheiten Raum für Spinnereien. Ich habe auch deutlich gemacht, daß ich Kahrstedt und Springer nicht sofort gefolgt bin. Wir haben es hier aber nicht mit irgendwelchen Illigschen Thesen zu tun, sondern mit einem ernsthaften Lösungsvorschlag. Ich denke, daß Springer an Punkten seines Werkes den Bogen überspannt und sich von seinen Thesen über das Ziel hinaus tragen läßt. Doch davon auf einen generellen Fehler seiner Thesen zu schließen erscheint mir voreilig.
 
Strupanice schrieb:
In dem Gebiet sind doch durchaus vielfältige Namen in den ersten Jahrhunderten belegt, allein schon im Widerstand gegen die Römer. Nur das diese eben ethnisch nichts mit den eigentlichen Sachsen zu tun hatten, nur eben später unter diesen Sammelbegriff fielen.

Diese "Kleinkönigreiche" bezweifel ich aber ...... Der Widerstand gegen die Römer ging von Stämmen (z.B. Cherusker, Chatten, ...) aus. Ein Merkmal der germanischen Gesellschaft war es, daß sie keine Könige hatten. Wenn es einen König (z.B. bei den Cheruskern) gab, so gab es meist eine Spaltung im Stamm und Konflikte waren vorprogrammiert.
Ein germanischer Stamm bestand aus einer Adelsschicht, die mit ihren Angehörigen und Leibeigenen bestimmte Gebiete besiedelten. Es gab ein Gemeinschaftsgefühl, die den Stamm i.d.R. zu einem gemeinsamen Handeln (Beschluß durch den Thing) veranlaßte. Aber von "Kleinkönigreichen" kann überhaupt keine Rede sein.
Ein Beispiel aus späterer Zeit.
Im Jahre 693 missionierte Suibert (ein Gehilfe des Missionars Willibrod) erst die Friesen und kam dann zu den Brukterer zwischen Lippe und Ems. Diese Brukterer waren bis dahin von den Franken abhängig. In einem raschen Feldzug wurden die Brukterer durch die Sachsen unterworfen und ihrem Land angegliedert. Suibert wurde vertrieben. Somit ging der letzte "antike" germanische Stamm in diesem Gebiet in den Sachsen auf.

Auch hier geht nicht ein "Kleinkönigreich" über, sondern ein gesamter Stamm!
 
Ein germanischer Stamm bestand aus einer Adelsschicht, die mit ihren Angehörigen und Leibeigenen bestimmte Gebiete besiedelten. Es gab ein Gemeinschaftsgefühl, die den Stamm i.d.R. zu einem gemeinsamen Handeln (Beschluß durch den Thing) veranlaßte. Aber von "Kleinkönigreichen" kann überhaupt keine Rede sein.

Na ja; würde ich nicht so absolut sehen... Die Visigoten scheinen schon im 4. Jahrhundert eine Art Königsherrschaft gekannt zu haben. Für die Alemannen nennt Ammianus Marcellinus in der gleichen Zeit eine ganze Reihe von Kleinkönigen, die jeweils über die Teilstämme wie die Lentienser, Bukinobanten etc. herrschen.


Somit ging der letzte "antike" germanische Stamm in diesem Gebiet in den Sachsen auf.

Auch das ist durchaus diskutabel, denn die Bructuari/Borthari werden noch in späteren Quellen erwähnt (z.B. im Papstbrief von 738). Springer lehnt übrigens eine Verbindung zwischen den "Borthari" und den antiken Brukterern ab, wobei ich hier nicht ganz seiner Meinung bin. Abgesehen davon wissen wir nichts über deren innere Struktur im 7. Jhdt; Beda erwähnt lediglich, dass christliche Brukterer vertrieben wurden.


So, jetzt zu den Sachsen: warum manchen Forscher an "Kleinkönige" denken, hängt mit dem in den Quellen verwendeten Begriff "satrapae" zusammen. Letzlich lässt sich aber über die Herrschaftsstrukturen bei den Sachsen vor Karl dem Großen wenig sagen. Persönlich denke ich aber auch eher an dezentrale Herrschaftsstrukturen, auch deshalb, weil fränkische Heere jahrzehntelang ungehindert in die Saxonia eindringen konnten.
 
Satrape?

Weiß eigentlich jemand, welchen Ursprungs der Begriff "Satrape" ist und was seine etymologische Bedeutung ist?
 
Der Begriff ist persischer Herkunft. Ein "Satrap" war ein Provinzstatthalter im Perserreich. Laut Wikipedia bedeutet das altpersische Wort "Schützer der Herrschaft." Ich finde es auch merkwürdig, dass Beda Venerabilis diesen Begriff verwandte, der sich auf damals bereits etwa 1000 Jahre lang zurückliegende Strukturen bezog. Vielleicht wollte er dadurch die Sachsen von den Franken abgrenzen, deren Herrschaftsbegriffe ja aus dem römischen Reich entlehnt wurden.
 
Ashigaru schrieb:
Der Begriff ist persischer Herkunft. Ein "Satrap" war ein Provinzstatthalter im Perserreich. Laut Wikipedia bedeutet das altpersische Wort "Schützer der Herrschaft." Ich finde es auch merkwürdig, dass Beda Venerabilis diesen Begriff verwandte, der sich auf damals bereits etwa 1000 Jahre lang zurückliegende Strukturen bezog. Vielleicht wollte er dadurch die Sachsen von den Franken abgrenzen, deren Herrschaftsbegriffe ja aus dem römischen Reich entlehnt wurden.

Siehe da, man lernt eben nie aus!
Aber dann wäre es ja mal interessant zu wissen, ob sich die sächsischen Satrapae in ihrer eigenen Sprache auch so genannt haben? Gibt es da irgendwelche Belege, bzw. Hinweise? Denn wenn es auch eine sächsische Bezeichnung für diesen Stand gäbe, dann wäre vielleicht die Bedeutung der Satrapae erkennbarer.
 
Der Übergang von der Antike zum Mittelalter geht mit einer Verarmung des Lateins vor sich, was natürlich vor allem daran liegt, dass Latein i.d.R.nicht mehr die Muttersprache seiner Benutzer ist, sondern eine rituelle Sprache und eben die Schriftsprache. Deshalb muss man sich nicht wundern, wenn die mittelalterlichen Historiographen gerne Wendungen und Formulierungen älterer Texte benutzen, also sächsische Fürsten mit dem Begriff Satrapen belegen. Das sagt aber nicht besonders viel über die sächsische Verfassung aus, sondern nur über die skizzierte Begriffsarmut.
 
Aber dann wäre es ja mal interessant zu wissen, ob sich die sächsischen Satrapae in ihrer eigenen Sprache auch so genannt haben?

Das werden sie sicherlich nicht getan haben. In dieser Zeit schrieben Geistliche noch nahezu ausnahmslos in Lateinisch. Was immer diese Personen für eine Position hatten, Beda musste dafür einen Begriff finden, der in den antiken Texten existierte. Wir hatten hier im Forum schon mal ein ähnliches Problem, nämlich dass an einer Stelle fränkische Heere, die nach Sachsen zogen, als "Legionen" bezeichnet wurden - obgleich sie freilich mit den römischen Einheiten dieses Namens gar nichts mehr zu tun hatten.
 
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