"Sense and Sensibility" 2008
So, nun habe ich endlich "Sense and Sensibility" (BBC 2008) ganz gesehen.
Drehbuch: Andrew Davies
Regie:
Handlung
Die gesamte Handlung wieder zu geben, halte ich für müßig. Daher will ich nur kurz auf die wesentlichen Unterschiede zur Fassung von 1995 nach dem Drehbuch von Emma Thompson.
Es gibt eine Eingangssequenz, welche unter Austen-Fans für viel Trubel sorgte, weil sie untypisch sexy für die Romane sei und obendrein das Geheimnis von Willoughby andeutete. Nun gut Andrew Davies (bekannt v.a. durch das Drehbuch von "Pride and Prejudice" 95) fand das wohl gut so.
In der Sterbeszene von Mr. Dashwood (meines Erachtens spielte den Wilkinson deutlich besser) sind diesmal auch seine Gattin etc. anwesend, was durchscheinen lässt, dass die Hinterbliebenen ganz genau das Versprechen von John Dashwood an seinen sterbenden Vater kennen.
Die Annäherung von Elinor (Hattie Morahan) und Edward Ferrars (Dan Stevens) ist eher angerissen und z.B. die Szene mit dem Vorlesen aus dem Buch durch Edward ganz weggelassen. So verschiebt sich der Schwerpunkt der ersten Folge des Dreiteilers noch stärker auf den Konflikt der Seite von Mrs. Dashwood (Janet MacTeer) und ihren Töchtern gegenüber Fanny Dashwood und ihrem Gemahl, der noch extremer unter dem Pantoffel seiner Frau zu stehen scheint, aber auch Anzeichen einer Melancholie zeigt.
Das neue Heim der Dashwoods ist noch deutlich kärglicher. Dafür ist sogleich eine positive Stimmung zwischen Marianne (Charity Wakefield) und Colonel Brandon (David Morrissey) trotz aller Dinge, die sie trennen, erkennbar. Die Seite des Sir John Middleton (Mark Williams) ist nun weit weniger komödienhaft, was sowohl für ihn als auch seine Mutter zutrifft, die natürlich dennoch den Dashwoods mit ihren Heiratsplänen und -spekulationen gehörig zusetzen - nur eben weniger witzig als nervig-penetrant.
Die Szene in welcher Willoughby (Dominic Cooper - vielleicht bekannt aus "The Duchess") nun Marianne "rettet" ist ein bisschen weniger dramatisch, wenngleich sie diesmal vor dem Hintergrund des Meeres ein Stückchen tiefer stürzt. Statt Shakespeares "Sonnets" geht es diesmal um Byron, den Marianne aber noch nicht kennt.
Neben einigen weniger bedeutsamen Unterschieden, wobei vor allem der deutlicher noch erkennbare Widerstreit zwischen Colonel Brandon und Willoughby heraussticht - samt einer etwas seltsamen Aussprache - , fällt die Einfügung eines Besuches durch Edward Ferrars im Cottage der Dashwoods auf. Hier wird schon anhand eines Rings die Verbindung zu einer anderen Frau angedeutet.
In dem Londoner Aufenthalt in der Verfilmung kommen nun auch ganz andere Akzente dazu. Zum Beispiel wird die Mutter von Edward, Robert und Fanny gezeigt, welche eine erregbare, aber auch abwechselnd wieder unterkühlte Regentin ihrer Familie zu sein scheint.
Statt dass sich Lucy Steele selbst verplappert, tut dies hier ihre weit geschwätzigere Schwester.
Ganz enorm auffällig und provokant scheint die Duellszene zwischen Willoughby und Colonel Brandon, die aber später in der weiteren Handlung nicht wiederum erwähnt wird. Vielleicht sollte sie auch nur Tempo machen oder des Colonels Vorstellung von Ehre veranschaulichen.
Während des Aufenthalts bei den Palmers wird nun beim Weglaufen von Marianne garnicht mehr von ihr das Haus von Willoughby angestrebt, sondern sie scheint einfach allein im Regen mit den Ereignissen fertig werden zu wollen.
Willoughby tritt auf.
Ganz anders gestaltet sich das Ende bezogen auf Marianne. Denn die Marianne in dieser Verfilmung erkennt tatsächlich, dass Elinor stets richtiger gehandelt hat. Fast die selben Textpassagen, welche in der Thompson-Verfilmung bei dem Trotz auf der Seite von Marianne bleiben, werden hier im Gegenteil dazu verwendet, dass sie einsichtig wird und erkennt, dass die Liebe ihrer Schwester und auch die von Brandon zu seiner verstorbenen Geliebten höher als die Liebe durch Worte zu veranschlagen sei.
Obendrein wird das Zusammenkommen von Marianne und Brandon weiter ausgearbeitet, was in der Thompson-Verfilmung nur ganz schwach angedeutet ist.
Figuren
Grundsätzlich sind die
Dashwoods völlig anders als in der Verfilmung aus den 90ern. Sowohl die Mutter als auch die Töchter (ausgenommen Margaret natürlich) werden von jüngeren Darstellern verkörpert, was v.a. bei dem Unterschied von Emma Thompson zu Hattie Morahan auffällig ist, die zwar zur Zeit des Drehs schon um die 30 war, der man aber auch um die 20 noch abnehmen konnte. Sinnvoll ist das vor allem, da Mrs. Dashwood ja einmal behauptet, sich nicht alt zu fühlen, während sie ja erst 40 ist.
Von daher sind auch die Charaktere weitaus einleuchtender, denn das geringere Alter wird auch gespielt. So erklären sich manche naive Bemerkungen genauso gut wie bspw. Mariannes Unkenntnis über Byron, da sie ihn schlicht noch nicht gelesen hat, auch wenn sie grundsätzlich Romantikern zugetan ist.
John Dashwood ähnelt ein wenig dem Vorgängerfilm, hat aber eine plastischer wirkende Familie zur Seite bekommen, wozu sogar ein dicker Sohn gehört, dem Fanny das Erbe unbedingt ungeschmälert sichern möchte. Fanny scheint mir hier fast noch überzeichneter und ihre Mimik ist bisweilen nervig übertrieben.
Mit dem
Colonel Brandon hier konnte ich kaum was anfangen. Er ist zweifellos eine wichtige Figur. Aber er weist nicht das deutlich erkennbare Schmachten und die Melancholie der Verkörperung durch Alain Rickman auf. Seine musikalische Seite kommt nur durch seine Bemerkungen über Mariannes Spiel zur Geltung. Ansonsten wirkt dieser Brandon eher grob, eher nach einem Mann dem die Jagd mit Greifvögeln oder Flinte über alles geht. Die edle Haltung Brandons gegenüber Edward erscheint hier eher aus heiterem Himmel zu kommen.
Edward Ferrars ähnelt der Figur aus dem Kinofilm vor allem durch die gleiche Frisur. Ansonsten ist er aber weniger weichlich. Er hackt auch mal Holz oder kann energisch wirken und geht nicht immer so Hugh-Grant-geduckt.
Obwohl der Dreiteiler nicht so weitaus länger ist und auch ruhige Passagen ohne Sprechen vorkommen, treten viele weitere
Nebenfiguren auf, welche in der Version von Emma Thompson fehlen: Mrs. Ferrars, Mrs. Middleton, die allerdings nichts (?) sagt, samt Familie, Miss Steele, das Mündel von Brandon. Dafür wurde Mr. Palmer hier extrem zurückgestutzt, so dass er eigentlich garkeine Bedeutung hat (Hugh Laurie spielte ja in der 95er Fassung eher den entnervten Politiker).
Ausstattung, Kostüme etc.
Zu nennen wären v.a. ein paar Faux Pas am Anfang. Z.B. eine Familienliste in der Bibliothek in Norland, welche stilistisch aus dem späten 19.Jh. zu kommen scheint. Dann fragte ich mich noch, wie korrekt diese Dose mit den Bleistiften ist.
Ein bisschen schwierig ist die Einschätzung der Kostüme, weil keine konkrete Datierung aufscheint. Manche getragene Kleider sehen nach späten 1790ern aus, gerade bei den Herren wirkt aber auch vieles, gerade durch das M-Notch in sehr ausgeprägter Form, nach nach 1805.
Zu den Damensachen kann ich nicht viel sagen. Mir laufen insgesamt die Damen zu häufig auch außerhalb des Hauses ohne Kopfbedeckung rum, was man auf zeitgenössischen Abbildungen nicht so sieht.
Die Herrensachen sind gut bis sehr gut gemacht. Schön finde ich vor allem die Kleider von Mr. Willoughby, der mit seiner roten Unterweste wirklich nach einem Dandy seiner Zeit ausschaut.
Selbst bei den größeren Szenen in London werden fast durchweg tolle Hüte z.B. getragen. (Gerade bei den Massenszenen auf dem Ball in London hatte die 95er Version ja ihre Schwächen.)
Schade finde ich die teilweise unnötig blöd aussehenden Frisuren. An der von Colonel Brandon kann ich wenig Regencystyle erkennen. Die Perrücke von Sir John hat einen albernen Zopf. Das wäre nicht nötig gewesen.
Die Drehorte werden noch präsenter. Ein hübsches Schlösschen am anderen. Norland ist ein großer Palast, womit der Gegensatz zu Barton Cottage noch extremer deutlich wird.
Umgangsformen etc.
Zu der Art der Umgangsformen muss ich es noch mal schauen. Mir scheinen die Figuren etwas grobschlächtiger. Verneigungen gibt es kaum.
Dafür wird aber z.B. der moralische Zeigefinger von Elinor und Mrs. Dashwood deutlicher erhoben, als sich Marianne und Willoughby zu sehr miteinander einlassen.
Die Kussszene in dem verlassenen Haus der Verwandten von Willoughby ist ziemlich unüblich für Verfilmungen von Austen-Romanen. Man hat durch die Romane den Eindruck, dass man damals, wenn man soweit ging, auch sogleich die Konsequenz der Verlobung zog. Küsse waren also auf einer anderen Ebene - mein Eindruck.
Seltsam wirkt, dass sowohl Brandon, als auch Willoughby und Edward Ferrars hemdsärmelig in dazu völlig unpassenden Situationen zu sehen sind. Z.B. sitzt Edward einmal ohne Rock im Cottage mit den Dashwoods.:S
Man sollte auf jeden Fall den Dreiteiler NUR auf Englisch anschauen. Ich hatte mal die deutsche Synchronfassung im Fernsehen gesehen. Das war unerträglich, weil dann die Sprache noch plumper und unverschämter wirkt.
Leider sieht man außer der Jagdszenen, wovon ich die mit dem Greifvogel am Ende und Colonel Brandon nur im Hemd sehr dämlich finde, kaum ein bisschen mehr Zeitgeist. Ein bisschen wird auf dem Piano Forte gespielt (das aber eher wie ein morderner Flügel klingt :cry
. Aber man sieht keine Gesellschaftsspiele oder sonst nette Szenen, welche Zeitkolorit verstrahlen könnten.
Am nennenswertesten wäre der Damencercle von Mrs. Ferrars. Das fand ich eine schöne Idee.
Fazit:
Ganz nett gemacht. Schwächen und Stärken gleichen sich gegenüber der Kinofassung von Thompson/Lee aus.
Auffällig ist, dass die Dramatisierung ganz anders geschieht. (Weniger extreme Heulszenen.)