Stolz und Vorurteil 1995/2005

1.
Jane Fairfax meint hier nicht die Gouvernanten an sich, sie spricht also nicht über Mrs. Weston, aber sie geht z.B., wenn ich mich recht erinnere auch im Buch, z.B. von sexuellen Übergriffen der Herrschaft aus. Dann war die Gouvernante (wie das meinste Dienstpersonal im Haus) rund um die Uhr für die Herrschaft da, also fast ein 24-h-Job, wenn man so will. Das ist es, was Jane Fairfax als ihr Schicksal ansieht, wenn ihr Churchill nicht endlich die Hand reicht, bzw. ihre Beziehung offen macht und sie heiratet.

2.
Aber es war nicht überall gleich schlimm. Mrs. Weston hatte es als Gouvernante so getroffen, wie man es wünschen würde.

3.
Man weiß von Jane Austen, daß sie als Gouvernante eher von der Lebenssituation im Hause Woodhouse ausging, denn sie äusserte recht häufig, sie würde lieber als Gouvernante ihr Dasein fristen, als einen Mann zu heiraten, den sie nicht lieben könne.

4.
Oder sie fand eine lieblose Ehe noch schlimmer als Gouvernantentum, was natürlich ein sehr schlechtes Bild auf die englischen Ehen werfen würde. Aber Lady Montagu prangerte ja nun z.B. auch die Gewalt gegen Frauen an.
...
1.
Sie spricht nicht direkt in der Szene über Mrs. Weston, das ist klar. Aber sie muss sie doch irgendwie berührt haben, finde ich. Ich meine, irgendwann stand Mrs. Weston vor einer ähnlichen Situation und der Entscheidung für die Laufbahn als Gouvernante.

Egal ob es Mrs. Weston dann besser traf, musste sie sich doch daran erinnert fühlen, dass es anders hätte kommen müssen. Und das insgesamt wirkt doch, als würde Jane Fairfax, wahrscheinlich eher unbewusst gegenüber Mrs. Weston, den Gouvernantenstand ein bisschen degradieren.

2.
Wie unten ausgeführt, eine schöne Gegenüberstellung von Befürchtungen und einem aufgezeigten Gegenbeispiel.

3.
Das macht natürlich die weite Stärke von Jane Austen gegenüber Autoren Historischer Romane von heute oder aus dem 20.Jh. aus. Sie kannte die Gesellschaft von Innen und beschrieb sozusagen weitesgehend die Welt in welcher sie lebte, während heute die Romanautoren über diese Zeit schreiben und trotz aller Recherchen doch auf eine ihnen im Grunde fremde Welt aus zeitlicher und auch mentalitätsbezogener Ferne schauen.

4.
Das wirft meines Erachtens kein Bild auf schlechte englische Ehen. Es wirft nur Licht darauf, wie sie es sah.
Wie so oft zeigt Jane Austen ja eben das Nebeneinander von Verhältnissen, in welchen die Menschen miteinander leben. Bei den Bennets, den Eltern, ist die Liebe vielleicht erkaltet. Aber man behandelt sich zumindest weitesgehend dennoch mit dem Respekt, an welchem es auch beispielsweise Mr. Collins, trotz der eher als Vernunftsehe zu bezeichnenden Verbindung, gegenüber seiner Charlotte nicht mangeln lässt.
Ganz misen Ehen bin ich in den Verfilmungen, glaube ich, noch nicht begegnet. Dabei mag aber auch eine Rolle spielen, dass vorzugsweise die besseren Kreise der Gesellschaft, oder zumindest deren Teil davon, vorgestellt werden, wo auch die Herren Anstand und Bildung besitzen und sich, trotz aller Unterschiede im Charakter ihrer Ehen, gegenüber ihren Gemahlinnen zu benehmen verstehen.


*Nachtrag*
Das gefällt mir an Jane Austen's Büchern ja besonders. Ihre Art milder Sozial-und Gesellschaftskritik, nicht agressiv, nicht lamentierend, aber in jedem Roman legt sie den Finger auf gesellschaftliche Wunden. Man muß nur die Ohren haben, die feinen Zwischentöne zu hören ...

Und dann die erfrischenden Dialoge!

Ich würde sagen, Jane Austen zeigt immer wieder beide Seiten der Medaille und stellt diese nebeneinander gleichberechtigt dar. Außerdem lässt sie ganz verschiedene Meinungen über die Ehe, aber auch über andere gesellschaftliche Aspekte sogar verhältnismäßig wertfrei zur Sprache kommen.
Dadurch ist sie sogar meiner Ansicht nach vielen ihren zeitgenössischen Autoren wie Moritz, Goethe oder auch Schiller mit deren langweiliger Parteilichkeit haushoch überlegen!:)

Interessant dabei übrigens die Bezeichnungen für Gouvernanten. Man exportierte deutsche bzw. preussische Frauen ins Ausland, fand hier aber nicht genügend Gouvernanten um den Markt zu bedienen und musste französische Gouvernanten/Hofmeisterinnen importieren, weshalb man die Gouvernante anfangs als "Französin" bezeichnete, woraus später die "Mamsell", als ältliches französisches Fräulein wurde, was sich auch hielt, wenn es sich um eine deutsche oder englische Gouvernante handelte.

In England und im englisch-sprachigen Raum prägte sich die Bezeichnung des "Froleins" für die preussischen (deutschen) Gouvernanten ein.
Ich glaube, man fand schon genug, aber eben nicht genügend qualifizierte. Die Sprache war ein ganz wichtiger Teil der Ausbildung der jungen Damen. Überall, auch bei den Männern, bemängelte man immer wieder, dass deren Französisch eigentlich grausam schlecht von Deutschen ausgesprochen würde. Man hoffte also mit französischen Gouvernanten, die den ständigen Umgang mit ihren Zöglingen haben würden, dass die Kinder dadurch ein wirklich gutes Französisch lernen würden, was nahe an der tatsächlichen Sprache wäre, welche in Frankreich gesprochen wurde.

Leider stand dem beispielsweise an den deutschen Höfen im Wege, dass dort solche Posten wie der einer Gouvernante als einträgliche Positionen an niederadelige Damen vergeben wurden, was diese und deren Familien natürlich als großes Glück empfanden. Der Nachteil war zum einen, dass diese Niederadeligen, ja selbst so mancher Hofmeister, selber nur mangelhaft das Französische sprach und selbst das Französisch was sie sprachen war eben die deutsche "Version" mit einer teilweise vor allem schlechten Grammatik.

Ein Teil der francophonen Schweiz war im 18.Jh. schon für eine recht saubere französische Aussprache berühmt, so dass speziell Frauen von dort gern als Gouvernanten Verwendung fanden. Leider habe ich das nur einmal von einer Schweizerin so gehört.:red:

Im Prinzip war das Verhalten eine Jane Fairfax als Gouvernante zu verwenden also wahrscheinlich auf das Erlernen des Französischen bezogen wahrscheinlich sogar ein Fehler. Man hoffte aber grundsätzlich, dass eine Verwendung solcher Töchter aus halbwegs guten Familien zumindest nicht gänzlich ungenutzt deren gute bis sehr gute Ausbildung vergeuden ließ. So würde ich das zumindest interpretieren. Und Jane Fairfax scheint zumindest mit ihren musikalischen Talenten sich für die Gouvernantentätigkeit ja gerade zu empfehlen.
In dem Film singt sie ja ein deutsches Lied, was ich auch recht interessant finde. In P&P (1995) wird ja auch einmal von Mr. Bingley ausdrücklich erwähnt, dass auch Deutsch von den jungen gebildeten Damen erlernt würde.
Kann man das im Zuge der Begeisterung für Goethe mit seinem "Werther" und andere deutsche, große Schriftsteller dieser Zeit erklären?
 
Die von Darcy erwähnten modernen Sprachen, die er von einer Dame der Gesellschaft erwartete waren natürlich auch im JA-Board ein Thema leben wie JA? • Jane Austen Board

Deutsch auch deshalb, weil natürlich ein englischer Gentleman während seiner Grandtour auch Aufenthalte in Deutschland(Preussen, Bayern, Rheinland) einplante. Das Land der "Dichter und Weisen" war gerade en vogue, während Frankreich sein Licht verlor ... :D
 
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1.
Die von Darcy erwähnten modernen Sprachen, die er von einer Dame der Gesellschaft erwartete waren natürlich auch im JA-Board ein Thema leben wie JA? • Jane Austen Board

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Deutsch auch deshalb, weil natürlich ein englischer Gentleman während seiner Grandtour auch Aufenthalte in Deutschland(Preussen, Bayern, Rheinland) einplante. Das Land der "Dichter und Weisen" war gerade in vogue, während Frankreich sein Licht verlor ...
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Oh Gott, bei dem Link guckt mich ja immer dieser Darcy-Darsteller aus der unsäglichen Verfilmung von P&P an. :nono::S Das ist zuviel für die Mittagszeit!

2.
Und sprach man dann Deutsch mit den dienstbaren Geistern und Wirten, welche anders als die Personen von Bildung kein Französisch beherrschten?

Das ist aber grundsätzlich recht interessant.:)
 
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Oh Gott, bei dem Link guckt mich ja immer dieser Darcy-Darsteller aus der unsäglichen Verfilmung von P&P an. :nono::S Das ist zuviel für die Mittagszeit!
Du meinst Tinas Avatar. Ja, sie ist MM infiziert, hochradig und unheilbar! Wenn ich ihr GÖGA wäre (nicht mein Ausdruck!) würde ich mir Gedanken machen ... :pfeif:;):D=)

*Nachtrag*
Vor allem ist Jane Austen nie in der Hinsicht moralisierend, dass sie vorgibt die einzige Wahrheit zu kennen. Sie überlasst den Frauen die Wahl sich für Vernunft- oder Liebesehe zu entscheiden. Und sie zeigt dennoch, dass die Wahl der Liebe nicht immer eine glückliche ist, auch wenn sie persönlich sie favorisiert. Eine pragmatische Frau wie Charlotte Lucas weiß eine Vernunftehe, die ihr dennoch gewisse Freiheiten gibt (eben weil sie Collins zu händeln weiß) zu schätzen und eine Lydia Bennet wird sich egal ob Liebe, Triebe oder Vernunft (sollte da ein irgendwo ein Tröpfchen dergleichen schimmern) immer falsch entscheiden.

Eine Jane Fairfax lässt sich von ihrem Churchill mies behandeln und für dumm verkaufen und befüchtet eben schon (heimliche Verlobung hin oder her) am Ende doch den Kürzeren zu ziehen und Gouvernante zu werden. Bleibt für mich dennoch die Frage, ob eine Ehe mit Churchill nicht sogar schlimmer ist. Also wieder die Prioritäten, die Jane Austen, wie du sagtest, völlig wertfrei jede Frau für sich entscheiden lässt, solange sie sich nicht wie Lydia den Lieben-Trieben hingibt.
 
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Eine Jane Fairfax lässt sich von ihrem Churchill mies behandeln und für dumm verkaufen und befüchtet eben schon (heimliche Verlobung hin oder her) am Ende doch den Kürzeren zu ziehen und Gouvernante zu werden. Bleibt für mich dennoch die Frage, ob eine Ehe mit Churchill nicht sogar schlimmer ist. Also wieder die Prioritäten, die Jane Austen, wie du sagtest, völlig wertfrei jede Frau für sich entscheiden lässt, solange sie sich nicht wie Lydia den Liebe-Trieben hingibt.
Das finde ich auch ganz interessant. Triebe werden, jetzt in dem Sinne sexuellen Verlangens, bei Jane Austen sehr klein gehalten. Damit setzt sich Jane Austen von den Zeitgenossen wie Couvret ab. Auch wenn Couvret zeitweise liebäugelnd mit den Freuden der sexuellen Triebe dann, ähnlich wie Schnabel seinen Kavalier, den Faublas als Helden der Geschichte als gebrochenen Mann dastehen lässt, der keine Freuden mehr empfinden kann.
Lydia als gewisse Ausnahme, die einfach ihren Mr. Wickham zum Anbeißen findet, wird ja dann auch als ausgesprochen dumm dargestellt. Gut, sie ist auch sehr jung und wir wissen nicht wie Jane und Eliza mit 15 in ihrem Verhalten waren.

Es wäre die Frage in wie weit Triebe einfach Jane Austens Erfahrungswelt fern lagen und wo sie diese nur von außen sozusagen beobachten konnte, war es dann an anderen, welche sich leichter verurteilen lassen als sich selbst.

Für mich wäre auch interessant ob es Romane wie "Meine Bekehrung" von Mirabeau auch von Frauenhand damals gab? Widersprach eine solche Sicht der Dinge einfach dem Horizont oder vielmehr der moralischen Ausrichtung der Frauen von Bildung?
 
Schwierige Frage. Inwieweit Jane Austen da als Pfarrerstochter spricht oder Anschauungsobjekte zurate zieht, vermag ich nicht zu beurteilen.

Auffallend ist jedoch die Häufigkeit der Mädchen, die ihrer Lust den Vorzug geben, ohne nachzudenken und die dabei zwangsläufig scheitern oder aber zumindest ihren Ruf und den Leumund der gesamten Familie in Gefahr ziehen. Da wäre Lydia Bennet zu nennen, Maria Bertram (Mansfield Park, die tatsächlich von ihrem Vater nach seiner Rückkehr aus Antigua verbannt wird, weil sie ihren Gatten betrügt und sogar mit dem Geliebten, den sie ja eigentlich schon immer wollte aber nicht kriegen konnte, letztlich durchbrennt) und Marianne Dashwood (die mit Willoughby allein mit der Kutsche nach Allenham fährt, als die Tante außer Haus ist, was merkwürdigerweise nicht einmal zu einem Skandal führt, aber wohl eher weil die Gesellschaft allgemein bereits von einer Verlobung ausgeht), wobei nur Maria Bertram (klar, die war ja auch verheiratet) öffentlich abgestraft wird.

Alles in allem erhält man den Eindruck, dass die Wahl der Triebe nicht wirklich Glück bringt, egal ob sie gesellschaftliche Konsequenzen nach sich zieht oder nicht.

Jane Austen sagt also, entscheide dich für oder gegen die Liebe, aber tue es mit Vernunft und im Vollbesitz deiner geistigen Kräfte; in jedem Fall aber nach bestem Wissen und Gewissen.

Was Sexualität in Romanen bzw Literatur angeht, war diese wohl nicht wirklich Thema, oder fiel gleich in ein anderes, also eher schlüpfriges Genre. Es gab solche Geschichten, sie waren aber ausschliesslich der Herren-Literatur zuzuordnen. Frauen lasen sie, wenn überhaupt, nur heimlich.
 
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Schwierige Frage. Inwieweit Jane Austen da als Pfarrerstochter spricht oder Anschauungsobjekte zurate zieht, vermag ich nicht zu beurteilen.

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Auffallend ist jedoch die Häufigkeit der Mädchen, die ihrer Lust den Vorzug geben, ohne nachzudenken und die dabei zwangsläufig scheitern oder aber zumindest ihren Ruf und den Leumund der gesamten Familie in Gefahr ziehen. Da wäre Lydia Bennet zu nennen, Maria Bertram (Mansfield Park, die tatsächlich von ihrem Vater nach seiner Rückkehr aus Antigua verbannt wird, weil sie ihren Gatten betrügt und sogar mit dem Geliebten, den sie ja eigentlich schon immer wollte aber nicht kriegen konnte, letztlich durchbrennt) und Marianne Dashwood (die mit Willoughby allein mit der Kutsche nach Allenham fährt, als die Tante außer Haus ist, was merkwürdigerweise nicht einmal zu einem Skandal führt, aber wohl eher weil die Gesellschaft allgemein bereits von einer Verlobung ausgeht), wobei nur Maria Bertram (klar, die war ja auch verheiratet) öffentlich abgestraft wird.

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Alles in allem erhält man den Eindruck, dass die Wahl der Triebe nicht wirklich Glück bringt, egal ob sie gesellschaftliche Konsequenzen nach sich zieht oder nicht.

Jane Austen sagt also, entscheide dich für oder gegen die Liebe, aber tue es mit Vernunft und im Vollbesitz deiner geistigen Kräfte; in jedem fall aber nach bestem Wissen und Gewissen.

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Was Sexualität in Romanen bzw Literatur angeht, war diese wohl nicht wirklich Thema, oder fiel gleich in ein anderes, also schlüpfriges Genre. Es gab solche Geschichten, sie waren aber wohl eher der Männer-Literatur zuzuordnen. Frauen lasen sie, wenn überhaupt, nur heimlich.
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Danke aber dennoch, dass Du Dich der Frage annimmst. Als Mann stelle ich mir vielleicht prinzipiell manchmal andere Fragen, als sich Frauen über den Romanen stellen.
Möglicherweise vermisst man an den Romanen als Mann etwas, was eben nur ein männlicher Autor, mit männlichen Autoren ist man nunmal vertrauter, einfließen lassen kann.

2.
Danke für die Hinweise.:) Manche Romane oder deren Verfilmungen kenne ich noch nicht oder vermag mich nicht so genau wie Du daran zu entsinnen. Deswegen frage ich ja.
Grundsätzlich werden aber immerhin in den besseren BBC-Versionen auch solche historischen Themen wie das mit den Gouvernanten NEBEN der Haupthandlung, also der Liebesbeziehung der Protagonisten, zumindest thematisiert, was ich als Mann und historisch interessierter Mensch als sehr angenehm und erfrischend empfinde.

3.
So sehe ich das auch. Das will Jane Austen aussagen. Vielleicht ist sie damit auch ein Kind der sehr der Vernunft unterworfenen Aufklärung.

4.
Allerdings lassen zumindest die einschlägigen Romanciers solche Bücher ganz gern ihre "Heldinnen" lesen und das auch in der Tat sehr im Geheimen, immer in der Befürchtung von Eltern oder Erziehern usw. dabei ertappt zu werden.
Leider sind mir noch keine geheimen Quellen untergekommen, welche eine solche Konsumierung von diesem Genre durch Frauen untermauert wird. Die Marquise de Merteuil scheint mir nach meinen Erfahrungen als Romanfigur nicht ganz aus der Luft gegriffen und durchaus realen Vorbildern zu folgen. Wenn es solche Damen gab, könnte ich mir bei diesen am ehesten eine Leserschaft der schlüpfrigen Romane dieser Zeit vorstellen. Es müssen Frauen gewesen sein, die sich ihrer Sexualität bewusst waren und diese auch durchaus als wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit begriffen. Dass man als wohlsituierte Dame mit einer entsprechenden Lebensweise, welche durchaus eine gewisse Abgeschiedenheit vom Ehepartner einschloss, an solche Bücher rankam, ist mehr als wahrscheinlich.

Mir ist jedenfalls auch kein Roman aus der Zeit (ca.1730-1815) bis jetzt vorgekommen, welcher Erotik und Liebesgeschichten und also ernsthaftere Elemente in realistischem Verhältnis wiedergab. Entweder war es Literatur, die "sauber" war oder erotische Romane, die maximal in das Philosophische hin und wieder abwichen.
 
Zu 1. Ach, ich liebe doch diesen Austausch! :winke:

Zu 2. Und mich macht es nahezu rasend wenn Jane Austens Romane als reine Liebesfilme produziert werden, was nur dadurch getoppt wird, daß selbst eingefleischte JA-Fans (oder sollte ich sagen MM-Fans? Nein, ich nenne jetzt keine Namen!) fixiert auf die sogenannten "Liebesgeschichten" sind. Dabei ist bei Jane Austen die erfüllte oder erfüllbare Liebe stets nur Belohnung (und damit Nebeneffekt) für die Arbeit an sich selbst, also für die eigene Charakterschulung, die im Zentrum des Plots liegt.

Zu 4. Das mag daran liegen, dass dieses Genre von Männern betrieben wurde, sprich der Mann in dem Traum und Wunsch schwelgte, eine Frau rasend zu machen und jeglicher geistigen Kontrolle zu entziehen. Der Mann als unwiderstehlicher Casanova, oder doch eher Don Juan?

Gerade dies widersprach der gewünschten Moral und Selbstkontrolle. Wir haben im JA-Board gerade was diesen Bereich angeht im Groupread zu Sense&Sensibility diskutiert. Hier war frappierend dass gerade das Verhältnis Mariannes zu Willoughy in der Familie nicht wirklich angesprochen wurde.
Elinor bat die Mutter zu fragen, aber doch fiel das wohl in einen derart privaten und kritischen Bereich, dass sie selbst die kleine Schwester nicht fragte, als Muttern sich weigerte. Ob Mrs. Dashwood den beiden wirklich derart vertraute, oder die ehrliche Antwort fürchtete mag dahingestellt bleiben. Ich plädierte jedenfalls für letzteres und stand damit im Board ziemlich allein. Nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf! Klar, es hätte ja zwangsläufig zu einem Skandal führen müssen ...

Das heisst körperliches wurde sicher gelebt, aber heimlich und im verschwiegenen. Die Hoch-Zeit der Romantik und der entsprechenden Romane, eben auch die Liebesheirat waren ja erst langsam im Kommen.
 
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I.
Zu 2. Und mich macht es nahezu rasend wenn Jane Austens Romane als reine Liebsfilme prsouziert werden, was nur dadurch getoppt wird, daß selbst JA-Fans fixiert auf die sogenannten "Liebesgeschichten" sind. Dabei ist bei Jane Austen die erfüllte oder erfüllbare Liebe stets nur Belohnung für die Arbeit an sich selbst, also für die eigene Charakterschulung.

II.
Zu 4. Das mag daran liegen, dass dieses Genre von Männern betrieben wurde, sprich der Mann in dem Traum und Wunsch schwelgte, eine Frau rasend zu machen und jeglicher geistigen Kontrolle zu entziehen. Der Mann als unwiderstehlicher Casanova, oder doch eher Don Juan?


III.
Das heisst körperliches wurde sicher gelebt, aber heimlich und im verschwiegenen. Die Hochzeit der Romantik und der entsprechenden Romane, eben auch die Liebesheirat waren ja erst langsam im Kommen.
I.
Ja, siehe P&P von 2005: Frei nach dem Motto Hirn aus und durch! Das heißt natürlich Jane Austen völlig misszuverstehen, spricht aber außerhalb von UK vielleicht eher das MTV-Publikum an.

II.
Das ist eigentlich ganz arg selten der Fall. Es gibt natürlich ganz unterschiedliche Typen von Romanen. Aber oft sind sogar die Frauen darin diejenigen, welche das Sagen haben wie in "Meine Bekehrung", wo der Held sogar eine Art männliche Prostituierte ist. In Schnabels Werk ist der Kavalier "der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde", ja ein reiner Spielball von Frauengelüsten ausgesprochen selbstbewusster Frauen verschiedenen Standes. Dann gibt es Romane über Frauen, welche anfangs triebgesteuert zusehends ihre Triebe in den Griff kriegen und dann sogar mit Vernunft einsetzen können, man denke an "Liebesfrühling".
Ja das Genre ist ganz facettenreich.

Den Typ, dem die Frauen nur verfallen, gibt es zwar. Das heißt aber selten, dass dadurch die Frauen ganz willenlose Geschöpfe werden. Das kennt man doch eher von solchen wirren Historienkitschromanen mit Liebe und Herzschmerz des 20.Jh. wie "Angélique"...

III.
Ich dachte die Liebesheirat war schon im späten 18.Jh. das zunehmende Leitbild. Sollte ich da was Falsches gelesen haben?:grübel:
Das mit dem heimlich und verschwiegen, ja das würde ich eher dem 19.Jh. als eine Ausgeburt aus Aufklärung und Romantik zugleich zurechnen.
 
III.
Ich dachte die Liebesheirat war schon im späten 18.Jh. das zunehmende Leitbild. Sollte ich da was Falsches gelesen haben?:grübel:
Das mit dem heimlich und verschwiegen, ja das würde ich eher dem 19.Jh. als eine Ausgeburt aus Aufklärung und Romantik zugleich zurechnen.
Mag sein, dass die Liebesheirat in Romanen thematisiert wurde, wie ja auch Jane Austens Protagonistinnen letztlich ihren Herzensbuben kriegen, aber in der Aristokratie und auch im höheren Bürgertum war es noch nicht Usus. Da entschieden meist die Eltern, respektive Väter, und das nach finanziellen und gesellschaftlichen Erwägungen, wie wir beide ja schon festgestellt haben.
Was allerdings häufiger wurde, war eines gewisse Auswahl, die man den Mädchen gab. Sie wählten dann gewissermassen für sich das kleinere Übel. Nur ein sehr gütiger und verständiger Vater (Mr. Bennet, allerdings vielleicht aus leidvoller Erfahrung) gestand den Töchtern die Erste und eigene Auswahl zu.

Selbst ich kenne das bei Großbauern so, dass quasi von Geburt an festgelegt wird, Wer Wen heiratet.
Lady Catherine de Bourgh berichtet in P&P auch, dass die Hochzeit zwischen Darcy und Anne seit deren Geburt beschlossene Sache ist.
Das sind also die alten Zöpfe, die es jedoch bis ins 20. Jahrhundert noch gab ...
 
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Mag sein, dass die Liebesheirat in Romanen thematisiert wurde, wie ja auch Jane Austens Protagonistinnen letztlich ihren Herzensbuben kriegen, aber in der Aristokratie und auch im höheren Bürgertum war es noch nicht Usus. ...
Ich meinte auch weniger die Realität als ein Ideal, welchem sozusagen nach Außen hin das Wort geredet wurde.

Die arrangierte Ehe selbst war ja einer der Punkte der höfischen, aristokratischen Welt, welcher am deutlichsten als unnatürlich empunden wurde.

Die Ehe aus Neigung war zwar nicht durchweg Praxis, aber wurde zunehmend verbeiteter. Ein schönes Beispiel ist ja der Briefwechsel zwischen Luise Mejer und Christian Boie.:fs:
 
Ich meinte auch weniger die Realität als ein Ideal, welchem sozusagen nach Außen hin das Wort geredet wurde.
Nun ja, aber die wahre, große und einzige Liebe fand sich in der Literatur ja schon länger. Und was wäre das Theater ohne Liebestragik und Schmerz! Fand nicht das Drama zu der Zeit seine Hochblüte und damit die Schauspielerinnen, die durchaus bereits Berühmtheit erlangten?
 
Nun ja, aber die wahre, große und einzige Liebe fand sich in der Literatur ja schon länger. Und was wäre das Theater ohne Liebestragik und Schmerz! Fand nicht das Drama zu der Zeit seine Hochblüte und damit die Schauspielerinnen, die durchaus bereits Berühmtheit erlangten?
Ich weiß leider nicht wie das in England war.:red:

In Deutschland war vor allem das Lustspiel in einer großen Blüte, wobei natürlich auch Liebesgeschichten (die der Ehrlichen und Guten) hinein gewoben waren.
Das Drama wie das Bürgerliche Trauerspiel (ich denke mal, auf sowas willst Du hinaus) mochte zwar große Vertreter gehabt haben, erreichte aber scheinbar nicht die selbe Masse des Publikums.
 
Lustspiel und Trauerspiel wechselseitig, denke ich. Wobei ich sogar von einer Art übergreifendem Genre gehört habe, das man schlicht das "Unterhaltungsstück"nennt, aus dem sich dann das "Volksstück" entwickelte. Hier begann dann die komplette, wohl vor allem bürgerliche Familie ins Theater zu gehen. Sonntags oder an besonderen Feiertagen kam aber auch die Unterschicht in den Genuss. :winke:
 
Lustspiel und Trauerspiel wechselseitig, denke ich. Wobei ich sogar von einer Art übergreifendem Genre gehört habe, das man schlicht das "Unterhaltungsstück"nennt, aus dem sich dann das "Volksstück" entwickelte. Hier begann dann die komplette, wohl vor allem bürgerliche Familie ins Theater zu gehen. Sonntags oder an besonderen Feiertagen kam aber auch die Unterschicht in den Genuss.
Auch das "Lustspiel" ist nicht unbedingt mit einer Komödie zu verwechseln. Manche Lustspiele waren Komödien in modernem Sinne, damals nannte man das gern "Posse", andere aber konnten auch moralisch sein. "Die zwei zärtlichen Schwestern" von Gellert wäre so ein Beispiel für Letzteres.
 
Aber war die Posse nicht noch mehr eine freche Übertreibung, die das bestimmende Thema sozusagen auf die Spitze trieb, also mehr ironisches oder satirisches Theater?

Mit der Posse konnte man z.B. die Politik oder bestimmte Persönlichkeiten auf die Schippe nehmen, ohne dass man direkt von Beleidigung sprechen konnte.
 
Aber war die Posse nicht noch mehr eine freche Übertreibung, die das bestimmende Thema sozusagen auf die Spitze trieb, also mehr ironisches oder satirisches Theater?

Mit der Posse konnte man z.B. die Politik oder bestimmte Persönlichkeiten auf die Schippe nehmen, ohne dass man direkt von Beleidigung sprechen konnte.

Possen liefen aber dennoch unter der Bezeichnung "Lustspiel". Mir ging es ja darum, welche Bandbreite Lustspiele einnahmen.


In was für Theaterstücke will denn Anne in "Persuasion" gehen? Sagt da der Roman was Konkretes?
Ich würde jetzt mal auf einen höchst moralischen Stoff tippen.;)
 
Possen liefen aber dennoch unter der Bezeichnung "Lustspiel". Mir ging es ja darum, welche Bandbreite Lustspiele einnahmen.


In was für Theaterstücke will denn Anne in "Persuasion" gehen? Sagt da der Roman was Konkretes?
Ich würde jetzt mal auf einen höchst moralischen Stoff tippen.;)
Es fällt mir auf Anhieb keine Namensnennung ein. Ich weiß nur, daß Charles sich vor seiner Mutter damit brüstet, dass er einen Theaterabend eingeplant ist und fragt, ob er nicht ein guter Junge ist. :D

Und er sagt in etwa, es würde Anne schon Spass machen ... Die arme Anne!
 
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Aber zu einer anderen Überlegung, oder vielmehr deiner vorherigen bezüglich der um sich greifenden Liebesheiraten:

Auffällig scheint mir wirklich die massive Einmischung der Familie, die auch Jane Austen erleben mußte, als Tom Lefroy von seiner Tante, die Janes Freundin war, nach London geschickt wird, weil bereits befürchtet wurde, zwischen beiden entwickle sich (von der Familie unerwünscht) mehr.

Interessant hierbei, dass Jane Austen hier für ihre männlichen Protagonisten den einfachen Weg wählt, als die Eltern nicht mehr Leben, sie also freie Bahn haben. Bestes Beispiel ist hier Colonel Brandon, der ja seine erste Liebe nicht heiraten darf. Auch bei Darcy darf man sich fragen, wie es ausgegangen wäre, wären Mutter und/oder Vater noch am Leben.

Ich denke es ging Jane hier weniger um einen einfachen Plot, auch wenn man auf diesen Gedanken kommen könnte, sondern um Realität und Wahrscheinlichkeit.
Ihre Protagonisten haben mit sich selbst genug zu kämpfen und die Liebesehe soll ja die Belohnung dafür sein. Man darf davon ausgehen, dass die Familien eben nicht still zugesehen hätten.

Auffällig auch, dass eher die Frauen sich gegen die Familie durchsetzen müssen als umgekehrt. So wie Anne Elliot, die sozusagen beschwatzt wird, von Wentworth abzulassen und ihm ewig hinterhertrauert.

Hinreisend und erfrischend auch die Szene in P&P als Mrs. Bennet von ihrem Gatten verlangt Lizzy zur Räson und damit zur Heirat mit Collins zu bringen, wie es auch von der Gesellschaft erwartet würde, und der das Gegenteil tut! Dann sagt er zu Lizzy, wenn sie DEN nicht will, kann sie ja Wickham nehmen.

Dabei erschreckt mich immer der Wert, den man fashionablen, umgänglichen und sorglosen Männern wie Willoughby und Wickham beimaß, und wie sehr sie im Zentrum des allgemeinen Wohlwollens standen, sodaß sie sozusagen Vorschußlorbeeren besaßen ud frei agieren konnten.
 
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@ Caro1

Vielleicht haben es Männer, also Herren der Gesellschaft, auch schlicht einfacher gehabt. Durch ihre Verdienste und ihre leichter erkennbaren Leistungen, man nehme jetzt mal den Aufstieg in einer Beamtenlaufbahn, verschafften sie sich Respekt. Mit dem selben konnten sie sicherlich eher bei ihrer Familie punkten und gewisse Freiheiten für sich gewinnen. Die Kehrseite der Medaille war aber, dass die Herren dadurch eher später heirateten, erst wenn sie eine Karriere bereits gemacht hatten und ihr Ruf gefestigt war und eine künftige Familie auch finanziell auf sicheren Beinen stand.
Manchmal kam Unabhänigkeit von der Familie, das selbst beim Adel, einfach durch die Ferne von derselben. Man lebte sich daher auseinander und der Einfluss der anderen Familienmitglieder wurde geringer. Ein deutsches Beispiel wäre der Graf Lehndorff, immerhin Kammerherr der Königin, der zwar wohlhabend aber nach unten geheiratet hat. Die Familie schien da aber schon keine Rolle mehr zu spielen. Zum einen, da, wenn ich mich recht entsinne, die Eltern (wie bei Deinem Beispiel) schon tot waren und zum anderen der Umgang mit den Geschwistern eher selten und die Beziehung zu ihnen scheinbar sehr locker war.

Sehr gut skizziert jedenfalls Frau Prof. Dr. Stollberg-Rilinger diese west- und mitteleuropäische Tendenz hin zu der bürgerlichen Liebesheirat in "Europa im Jahrhundert der Aufklärung".
 
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