Technologische Grundlagen der Hochseeflotte

Mr. Norman Firedman ist da ganz anderer Ansicht. Tatsächlich war die amerikanisch Geschützindustrie nicht dazu in der Lage ein gutes Schnellfeuergeschütz vor 1900 zu liefern,

Nein, da interpretierst Du zuviel hinein. Bei der Kearsage wurde den Boards (BuOrd) eine Entwicklung angeboten, was verworfen wurde. Das es dann keines gab, ist klar.
 
[...]Tatsächlich ist die Vergrößerung der Reichweite, Verbesserung der Geschosse und die damit einhehrgehende zwingende Verstärkung des horizontalen Panzerschutzes ein besonderes Phänomen der Zwichenkriegszeit und gehört damit nicht mehr in den Rahmen dieser Diskussion.

Ja, aber von welchen Zeitraum sprichst Du denn? :S
Mal ist die Rede von 1890, dann wieder von 1911 ...:fs:
Da liegen Welten dazwischen im Bezug auf die Kriegschiffsentwicklung mit allen technischen Einzelheiten.

Ich glaube schon, daß die Verstärkung des horizontalen Panzers mit der Erhöhung der Reichweite zusammenhängt und sich auch wechselseitig beeinflusste.
Natürlich spielte der Aufbau der Deckspanzerung und entsprechender Böschung auch eine Rolle zur Festigkeit des Rumpfes, doch ist es nur ein Teil des Rumpfes. Deutsche Schiffe waren mit mehr kleineren wasserdichten Zellen bzw. Raumabschnitten durchzogen, als das z.B. der Fall bei britischen Schiffen war, was hier natürlich enorm zur Festigkeit des Rumpfes beitrug.

Aber welchen Zeitraum bedenkst Du nun zu besprechen? Ich kann leider keine Eingrenzung erkennen.
Gleichzeitig von der Kaiser-Klasse (alt bzw. Kaiser Friedrich-Klasse) und dann wieder von Dreadnoghts zu sprechen sit wenig aussagekräftig.

Interessant finde ich die Panzerungsentwicklung von der Sachsen-Klasse zur Brandenburg-Klasse und hier spielte in der Tat eine Deckspanzerung weniger eine Rolle.
 
Zuletzt bearbeitet:
so kenn ichs auch - aber egal:
gab es unterschiede zwischen den Reichweiten der Marinegeschütze und den Festungsgeschützen?

Um die Diskussion noch mal auf die Entwicklung zu den Turmschiffen zu lenken:

Man war durch die Monitore im Amerikanischen Bürgerkrieg stark beeindruckt. Die Herausforderung lag aber nicht in irgendwelchen Details der Turmkonstruktionen, sondern in der Stabilität der Schiffe, "sea-going". Das betraf (a) die Seetüchtigkeit und (b) die ruhige Lage im Gefecht (da bei den Monitoren eine Verwendung in ruhiger, küstennaher See bzw. auf Flüssen beobachtet wurde, diese Verhältnisse aber nicht für "sea-going turret ships" übertragbar waren).

Von den hoch positionierten Türmen selbst und der dann möglichen Elevation versprach man sich größere Reichweite, zudem eine flexible Lösung bzgl. der Lagen im Gefecht. Zudem wurde Turmpanzerungen bei gleicher Dicke größere Schutzwirkung als Batteriepanzerungen zugeschrieben. Voraussetzung dafür ist: man bekam das Stabilitätsproblem wegen der Türme in den Griff.
 
Nein, da interpretierst Du zuviel hinein. Bei der Kearsage wurde den Boards (BuOrd) eine Entwicklung angeboten, was verworfen wurde. Das es dann keines gab, ist klar.

Da steht aber etwas anderes. Die ersten beiden Pre-Dreadnoughts USS MAINE und USS TEXAS (1895) hatten noch 6" BL mit einer Feuergeschwindigkeit von 1 Schuß alle 90 Sek. Es handelt sich also nicht um Schnelladegeschütze.
Die darauf folgenden INDIANA, IOWA, KEARSAGE und KENTUCKY-Klassen führten alle 8"BL mit einer Feuergeschwindigkeit von 1 Schuß in 120 Sek.
Friedman ist explizit wenn er die Adoption diskutiert und glaubt dass der Grund dafür in der geringeren Leistungsfähigkeit der US Geschütztechnik zu suchen sei, die noch nicht in der Lage war Schnelladegeschütze in diesem Kaliber herzustellen. Er hält auch nicht vor wenn er auf S. 26f. schreibt
"This was not a happy choice. Eight inch guns were heavy and cumbersome"
Keine dieser Schiffe feuerte HE-Munition, nur AP und Common wurde mitgeführt, wobei die Ladung der Geschosse noch aus Schwarzpulver bestand, was den ohnehin schon reduzierten Explosionseffekt kleiner Ladungen so weit reduzierte, dass z.B. eine englische 6" HE mit Lyddite nicht nur mehr Explosionswirkung hat sondern auch zehnmal schneller aus 6"QF verschossen wird.
Die eigentliche Funktion der schnelladenden Sekundärartillerie mit Hochbrisanz-HE Geschossen konnte von US Pre-Dreadnoughts gar nicht erfüllt werden. Wie effektiv das aber war zeigen beeindruckend die zeitgenössischen Versuche mit HMS BELLISLE.

BuOrd entschied sich 1896 in der neuen ILLINOUS- und 2. MAINE-Klasse 6"QF einzubauen, mit einer angenommenen Feuerrate (es gab noch keine Tests!) die viermal schneller war als das 8" Geschütz (=1 Schuß alle 30 Sek. noch immer kein Schnellader).
Aber während diese Schiffe im Bau waren kam es zur Seeschlacht von Santiago, welche das Ansehen des 8" wiederherstellte. Hier funktionierten weder die 13" noch die 6"BL gut (keines davon Schnellader) und auf den kurzen Entfernungen wurden viele Treffer mit 8" erzielt, weswegen die folgenden Klassen wieder mit langsam ladenden 8" ausgerüset wurden, BuOrd glaubte eine Rechtfertigung in der Tatsache zu sehen, dass mit den 8" leichte Panzerung mit AP durchschlagen werden konnte, was aber nur stimmte, wenn wie in SANTIAGO Compound- bzw. Nickelstahlpanzer verwendung fand, eine Panzerungstechnik, von der man sich in den späten 1890´er Jahren aber bereits gelöst hatte und diese durch Harvey oder Krupp KC ersetzte.
Noch immer wurde keine HE-Munition hergestellt...
 
delcyros, das Springen in den Beiträgen von Bewertung der Mittelartillerie aus der Vor-Dreadnought Zeit, hin zur Hauptartillerie zurück zu amerikanischen Mittelartillerie ist echt mühsam zu verfolgen.
Interessant in Zusammenhang einer starken Mittelartillerie ist doch die Tatsache, daß diese bis zum Ende der 1880iger Jahre nicht berücksichtigt wurde, oder als "Jagd"-Geschütze zur Abwehr kleinerer schneller Kriegsschiffe Verwendung finden sollte.

Gerade bei der kaiserlichen Marine verschwand die Mittelartillerie gänzlich, selbst bei der Brandenburg wurde keine verwendet, abgesehen von den 10,5ern.
Die taktische Ausrichtung mit vielen Schnellfeuergeschützen den Gegner zu durchsieben basiert noch nicht einmal auf den Konstruktionen des RMA, sondern war eine Forderung der Front.
Da eine Kaliberreduzierung der Hauptartillerie durchgeführt wurde, statt der 28iger nun 24iger, sollte dies mit einer massiven Mittelartillerie ausgeglichen werden, wie auf der Kaiser-Klasse mit 18 oder 20 15cm Schnellfeuergeschützen.
Doch dieser Trend war nur bei der kaiserlichen Marine zu beobachten und wurde spätestens 1904/05 als Fehleinschätzung der taktischen Ausrichtung der deutschen Linienschiffe festgestellt. Auch wenn nach der Wittelsbach-Klasse eine Kaliberhöhung stattfand (24auf28 sowie 15auf17).
Der neue taktische Weg lag im artilleristischen Sinn, bei der enormen Reichweitenerhöhung der Hauptartillerie bis weit über 10.000m, gepaart mit schnellfeuernden großkalibrigen Geschützen. Ab 1906 verschwand abermals die Mittelartillerie, außer bei den deutschen Schiffen, doch deren Nutzungswert war nicht richtig durchdacht und eine Reduzierung hätte bei der Konstruktion Gewicht und Kosten sparen können.

War denn die Mittelartillerie zum Einsatz in der Schlachtlinie vornehmlich auch gegen Linienschiffe bei anderen Marinen als taktischer Nutzen in Erwägung gezogen worden?
Oder war das RMA hier dem selben Irrtum erlegen, die Torpedowaffe im Übermaß auf den Linienschiffen und großen Kreuzern einzusetzen?
Dazu fällt mit immer wieder das tolle Torpedolinienschiff seiner Majestät ein ….
 
Bleiben wir doch zunächst bei der BRANDENBURG-Klasse:



Diese ersten hochseetauglichen Linienschiffe stellen gewissermaßen Innovationen und Anachronismen gelichzeitig dar. Bevor man sich mit den technischen Details vertraut macht muß man wissen was womit in dieser geschossen wird. Da ist zunächst einmal Braunpulver als Treibmittel, welches eine sehr schnelle energetische Entfaltung besitzt, aber nicht rückstandsfrei im Rohr verbrennt. Daher sind in den 1880´er und frühen 1890´er Jahren kürzere Rohre mit einer größeren V0 korrelliert und nicht längere Rohre (da brauchts dann rauchfreies Pulver, dass langsamer Druck aufbaut, so dass das Geschoss über die gesamte Rohrlänge beschleunigt wird)!
Ein weiterer Nachteil der Verbrennungsreste sind die Ablagerungen im Rohr, die nach zwei bis vier Schüssen ein Putzen des Seelenrohres erforderlich machen. Die Annahme von Hinterladern ist nur eine Dekade alt und mitlaufende Ladevorrichtungen sind immernoch etwas in der Zukunft. Kurz die Feuergeschwindigkeit der primären Artillerie ist erheblich herabgesetzt und kann in Minuten statt in Sekunden gemessen werden.
Die Ladevorrichtungen der BRANDENBURG´s erforderten dass das Rohr zum nachladen in Ladeerhöhung gesenkt UND in Laderichtung geschwenkt werden mußte. Das ist freilich in anderen Marinen nicht anders.
Was anders ist, dass sind die Details der Turmkonstruktion. Während noch die MAJESTIC-Klasse eine Barbette mit Turmschilden aufweist besitzt die BRANDEBURG-Klasse einen vollwertigen Panzerdrehturm, der mit Grusson-Stahl eine hemispherische Form aufweist. Hierbei handelt es sich bereits um einen sehr frühen, oberflächengehärteten Panzer, der alle zeitgenössischen Projektile zerstören bzw. abweisen konnte. Die beiden ersten Schiffe der Klasse bsaßen noch einen Sandwich-Gürtelpanzer, WÖRTH und WEIßENBURG dagegen erstmals einen in zwei horizontalen Lagen gelegten Krupp KC-Panzer von 300mm Dicke, der sich etwa gleichmäßig oberhalb und unterhalb der Konstruktionswasserlinie erstreckte. Im Anschluß darauf wurde ein Korkdamm errichtet, der Wassereinbrüche über dem Gürtel verhindern sollte, sich jedoch bald als Brandgefahr herausstellte. KC Panzerung von 300mm Dicke kann erstmals 1898 von den frühesten weichen Kappengeschossen durchschlagen werden und auch das nur aus kürzester Distanz ohne Winkel. Das in zwei Lagen laminierte Panzerdeck wurde einzeln aus hochfestem Nickelstahl (kein Nickel-panzerstahl!) verfertigt. Die aufgehende Schiffstruktur wurde aus Konstruktionsstahl verfertigt und wies keine Schutzwirkung auf.

In der Mitte der 90´er Jahre, wenn die Schiffe in Dienst kommen, gibt es noch keine praktische Feuerleitung. Gyroskopisch stabilisierte oder selbst nur teleskopische Visiereinrichtungen fehlen und der Turmkommandant feuert "auf der Welle". 5hm bis 25hm werden als effektive Kampfentfernung angesehen.

Als die Klasse konstruiert wurde begannen sich die Marinenationen langsam dafür durchzusetzen, den alten Sandwich-Panzer gegen Nickelstahlpanzer zu ersetzen. Nur in Amerika wurde dieser durch Harveyisierung oberflächengehärtet, was sich in einem Gewinnfaktor von 1,4 zu Compound-Panzer ausdrückte. KC Panzer war eine extreme Innovation in dieser Zeit und dem Compound-Panzer um den Faktor 1,67 bis 1,75 überlegen. Dies erlaubte Gewichte zu sparen, was zunächst dazu genutzt wurde einen Wasserlinienpanzer auszubilden, der das gesamte Schiff schützen sollte.
Compound-Panzer konnte noch Vollgeschosse zerbrechen, was die Projektilhersteller dazu brachte, Geschosse mit Spitenhärtung zu entwickeln, die Compound oder Nickelpanzer auf kurze Entfernung durchschlagen konnte. Harvey und Krupp KC konnten dagegen alle Projektile dieser Epoche, selbst die spitzengehärteten Holtzer-Geschosse zerstören, d.h. selbst mit großkalibrigen, Holtzer-AP-Geschossen (die jeweils nur in kleiner Stückzahl mitgeführt wurden) konnte man nicht mehr hoffen, als den Panzer einzudrücken oder eventuell ein unterkalibriges Loch darin zu schlagen, ohne dass ein Teil des Geschosses den Panzer passieren konnte.
KC war so überlegen, dass selbst der auf 150mm ausgedünnte Gürtelpanzer vor und hinter der Zitadelle von 28.3cm HOLTZER-Geschossen nur auf eine Entfernung unter 1000m durchschlagen werden konnte. Mittelkalibrige Waffen mit AP-Munition waren komplett wirkungslos.
Die besten AP-Geschosse konnten kaliberstarke Weicheisenplatten mit 1000fps Geschwindikeit durchdringen, bei KC-Panzerung mußte dies mit einem Faktor von 2,3 bis 2,67 versehen werden, so dass ein 12 Zoll starkes Holtzer Projektil für 300mm KC etwa 2500fps Geschwindigkeit und 0 Grad Winkel erforderte, so dass zur Zeit der Indienststellung der WÖRTH und WEIßENBURG selbst 12"/35 und 13"/35 den dicksten Teil des Gürtels auf Nahdistanz nicht durchschießen konnten, selbst die langen 12"/40 konnten das nur auf kürzeste Distanz.

Um das Schema zu untersuchen wurden von Krupp in Meppen im Frühling 1895 eine Reiehe von ballistischen Tests gegen ein 1 zu 1 Modell des Seitenschutzes versucht. Diese Tests wurden zuerst mit Holtzer Geschossen und dann mit modifizierten Holtzer-Geschossen durchgeführt. Alle ersteren zerbrachen am Panzer, während letztere auf Entfernungen unter 2000m durchschlugen:



Man hatte auf die Spitze der Geschosse eine Kappe aus weichem Eisen angebracht und bei den direkten Einschlagwinkeln half diese Kappe, die Nase des Projektils intakt zu halten, weswegen weniger Energie für den durchschlag konsumiert wurde. Zunächst wurden diese Geschosse jedoch geheim gehalten (auch bei den Engländern, Amerikanern und Russen experimentierte man mit diesen "magnetischen" Geschossen, wie sie aus geheimhaltungsgründen auch genannt wurden, zeitgleich herum).

Die 28,3cm Türme wurden mit zwei 240kg wiegenden Geschosstypen versehen: Hartguß- und AP. Das AP-Geschoß konnte 200mm Nickelstahlpanzer auf eine Entfernung von 6000m durchschlagen. Es gab zwar einen Schwarzpulverfüller in diesen Geschossen aber keine Zündverzögerung.

Es gab nur wenig Mittelartillerie in diesen Schiffen, 8,8cm und 10,5cm Schnelladegeschütze zur Torpedobootsabwehr. Die Aufstellung der SA in Doppeltürmen entlang der zentralachse des Schiffes war sehr günstig, erforderte aber eine reduzierte MA, um durch Rauchbeeinflussung die SA nicht zu behindern.

Auf den ersten Blick sieht das nach einem sehr modernen Kriegsscgiff aus: Drei geschlossene Doppeltürme aus obeerflächengehärteter Panzerung mit balanzierten Rückwänden, KC Panzerung mit einem einzelnen Panzerdeck im all-or-nothing-System.

Aber ausgerechnet hier erfolgt eine Progression in der Technologie, welche diese Schiffe praktisch veralten läßt bevor sie zur Flotte stoßen.
Die Adoption von Harvey CA in vielen Marinen reduzierte drastisch die Wahrscheinlichkeit, dass man mit herkömmlichen AP-Geschossen den Gürtel durchschlagen konnte. Die Einführung von Schnelladegeschützen in dieser Zeit (MAJESTIC-Klasse) eröffnete dagegen die Möglichkeit zu einem hohen output an mittelkalibrigen Geschossen. Anstelle des einen Schusses alle zwei Minuten konnten diese Geschütze mehrmals in der Minute feuern und mit der Einführung von rauchfreiem Pulver wurden die Intervalle noch weiter reduziert. Die meisten Marinen führten jetzt erstmals auch HE-Geschosse ein und besonders die Kombination von HE mit mittelkalibrigen Schnelladegeschossen konnte bei den inherenten, kurzen Distanzen dieser Zeit jedes Schiff in Brand setzen, ohne den Gürtelpanzer überhaupt zu durchschießen. Die großen, ungeschützten Flächen oberhalb des etwa 1,75m aus dem Wasser herausragenden Gürtelpnazers der BRANDENBURG und alten KAISER-Klasse wären der ideale Angriffspunkt für die Mittelartillerie etwa einer MAJESTIC-Klasse geworden und hätten die Schiffe im Ernstfall in kurzer Zeit zu rauchenden, aber schwimmenden Trümmerbergen gemacht.
Dieser Effekt wird noch verstärkt durch die just in dieser Zeit aufkommenden Hochbrisanzsprengstoffe, wie TNT oder Gr.f.88 als Füller anstelle des alten, schwachdetonativen Schwarzpulvers.

Innerhalb nur weniger Jahre zwischen 1890 und 1895 veränderte sich die Schiff gegen Schifftaktik von der Salvenweise verschossenen AP Munition der großen Geschütze hin zu in sehr hohen Takten verschossenen mittelkalibrigen Waffen mit HEGranaten, die mit lyddite oder Gr.f.88 gefüllt werden. Die Idee war die aufgehende, ungeschützte Struktur des Schiffes zu zerstören, die Schiffsführung zu verletzen, Brände zu erzeugen und dem Schiff die Möglichkeit der effektiven Gegenwehr zu rauben. Es wurde trainiert de Distanz auf etwa 10 bis 30hm fallen zu lassen, auf möglichst parallelen Kursen zu fahren und eine Mixtur aus schwer- und mittelkalibrigen Geshossen in der schnellstmöglichen Folge, ohne Berücksichtigung von Salvenzeiten im direkten Richten auf das Ziel zu lenken, es in Brand zu setzen und sichtbar zu beschädigen. Erst dann sollten mit ein paar wohlgezielten Holtzer Geschossen der Gürtel so weit geöffnet werden, dass einströmende Wasser in einer Seite das schiff zum Kentern bringt.
Diese Taktik kann verfolgt werden im sino-japanischen Krieg, im US-spanischen Krieg und im russisch-japanischen Krieg, auch wenn im letzten Konflikt bereits einige Versuche echte Distanzgefechte herbeizuführen attestiert werden müssen.

Daher bricht die folgende KAISER FRIEDRICH III Klasse auch. die 24cm Geschütze sind Schnellader (die größten, die mit dieser Technik bis dato gebaut wurden) und die große Sekundärbatterie mit 15cm Geschützen bekommt ein HE Geschoss, welches mit Gr.f.88 befüllt ist. Erst mit der WITTELSBACH-Klasse wird aber die Panzeranordnung soweit verändert, dass man eine Ausdünnung des Gürtelpanzers zugunsten größerer, mit KC gepanzerter Seitenflächen zulässt, um sich selbst gegen HE zu schützen.
 
Bleiben wir doch zunächst bei der BRANDENBURG-Klasse:
Okay, die Brandenburg war als Einstieg für die kaiserliche Marine in den "gehobenen" Panzerschiffbau innovativ.
Die Aufstellung mit mehr als nur 4 Geschützen der Hauptartillerie, war sicherlich französischen und russischen Einflüssen aus den 80iger Jahren geschuldet.

Allerdings habe ich andere Erkenntisse gerade zur Geschütztechnik dieses Schiffes.

Die Drehscheibenlafetten C90 bzw. C/92 war eine klassische Barbette. Der kuppelartige Panzerschutz über den Lafetten der Geschütze, war nur ein zusätzlicher Aufbau. Aber ich denke, über diese Bezeichnung kann man vortrefflich streiten.

Die größte Problematik bei den Geschützen, war die geringe Höhe der Rohrachsen über dem Deck, was vor allem dem mittleren Turm beim Schießen, zu Beschädigungen des Decks führte.

Noch weiter sollte auch die Verschiedenen Rohrlängen betrachtet werden, so war das für die ursprüngliche Planung vorgesehene Geschütz eine 28cm Mantelringkanone C/86/89 L35 auf alle Geschütztürme eingesetzt werden, doch konnte Krupp noch vor Fertigstellung es ersten Schiffes der Klasse, eine neue Rohrlänge verkaufen, die L40. Das RMA entschied sich damit eine „gemischte“ Hauptartillerie zu verwenden.

Ob das ein wirklicher Nachteil war, bei der Schußgeschwindigkeit bestimmt zu vernachlässigen, denn die Vo lag ca. 70 m/s auseinander, die max. Reichweite bei 3 hm Differenz. Oder spielten diese Unterschiede doch eine Rolle?


Ansonsten finde ich es Schade, daß meine Fragen keine Antworten bekommen.
 
Es geht um den Hinweis "vor 1900", #21. QF bzw. RF verstehe ich als Rezeptionsgeschichte, keine ex-post-Qualifizierungen. Die zeitlichen Abfolgen in den Vergleichen der Designs sollten exakt beachtet werden:
Da steht aber etwas anderes. Die ersten beiden Pre-Dreadnoughts USS MAINE und USS TEXAS (1895) hatten noch 6" BL mit einer Feuergeschwindigkeit von 1 Schuß alle 90 Sek. Es handelt sich also nicht um Schnelladegeschütze.
Jetzt springst Du ins Jahr 1890, und die Wahl zwischen 5" RF und 8" BL.
Siehe Friedman, US Battleships, S. 26. Hier ist die Aussage bereits problematisch, da mit der 5"/40 RF bereits ein Geschütz zur Verfügung stand.

Die Wahl fiel aus den bei Friedman genannten Gründen auf die 8" (ua umgerechnete Breitseitengewichte*Feuerrate sowie Durchschlagskraft gegen gegnerische Panzerungen der Sekundärbatterien). Die etwa zeitgleichen britischen Barfleur, Centurion und Renown besaßen die 4.7"/40 QF (Parkes, S. 366). Bei den Majestics ab 1894 ging man auf die britischen 6"/40 QF über.

Oben ging es mir aber - wie gesagt - "nur" um die Aussage "vor 1900", und dazu hatte ich mir die Kearsage herausgegriffen: hier eskalierte der Streit um die 8"/6" RF erneut, siehe Friedman, US Battleschips, S. 37: "Fortunately BuOrd had e new rapid-firing 6-inch to offer, it expected, would fire three to five times as often as an 8" in a turret." Die 8" wurde beibehalten, ua. als Durchschlagswaffe gegen die gepanzerten gegnerischen 6"-Kasematten (armor penetrator). Was dann bei Friedman folgt, entspricht späterer Beurteilung und ist für die seinerzeitige Entscheidung nicht relevant gewesen. Das ist grundsätzlich problematisch bei seinen Darstellungen, da er Historizität häufig mit heutiger oder jedenfalls nachträglichen Beurteilungen vermischt. Siehe hier:
Er hält auch nicht vor wenn er auf S. 26f. schreibt
"This was not a happy choice. Eight inch guns were heavy and cumbersome"

Das hat mit den Entscheidungskriterien der Zeit nichts zu tun, zumal bei Kearsage auf 6"RF hätte übergegangen werden können, wie es die Briten mit Majestic vorgemacht haben, und bei Canopus fortsetzten. Parkes, Battleships, konstatiert in den späten 1890ern das Ende der reinen 6"-RF-Sekundärbatterien, da die britischen Entwicklungen - beeindruckt ua. durch die schwereren amerikanischen 8" Sekundärbatterien - die bisherigen Aufstellungen überdachten.

Formidable-, London- und Duncan-Klasse aus dem 1898-Programm folgten noch dem alten Schema. 1900 wurden die britischen Schiffe heftigst als under-gunned - drei Jahre nach der Kearsage-Etatisierung - kritisiert (Parkes, S. 421), weswegen die 1901/02-Etatisierungen bereits die gemischte Bewaffnung 12"/9.2" vorsahen (letzter Anstoß: bekannt gewordene Details des USS New Jersey BB-13 und der Italienischen Benedetto Brin). Wie bei den US-Schiffen zuvor ging es um die höheren Durchschlagsleistungen, kalkuliert unverändert auf kurze Distanzen. Ausserdem doppelte man gegenüber ggü. dem USS-BB 13 die Feuerrate der "schweren" Sekundärbewaffnung, weswegen die Geschützzahl dann halbiert werden konnte.

Auch US-seitig war man (seit BB-10) auf die 6"/50 RF übergegangen, so dass sich folgendes darstellt:

1898: USS Maine - 4 12"/16 6"-RF
1900: USS Virginia (New Jersey) - 4 12"/8 8"/ 12 6" (auf die neu entwickelten 7" wurde verzichtet)
1901: HMS King Edward VII - 4 12"/4 9.2"/ 10 6".

Nur ergänzend:
1899: USS Pennsylvania - 4 8"/14 6"/50Mk8-RF
Musicant, US Armored Cruisers.
Wie man leicht erkennen kann, stellen sich hier die Entwicklungen gerade auf den Kopf.

Ausgangspunkt war das hier:
Mr. Norman Firedman ist da ganz anderer Ansicht. Tatsächlich war die amerikanisch Geschützindustrie nicht dazu in der Lage ein gutes Schnellfeuergeschütz vor 1900 zu liefern,...


Die ganze Diskussion dreht sich zwar um konzeptionelle Details, aber die sind gerade vor dem Kontext sehr interessant. Man darf hier nicht die politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen außer Acht lassen, und die erscheinen mir ebenso interessant wie die reine Technik- bzw. Design-Geschichte:

Die US-Marine befand sich in den 1890ern in einer gewaltigen Rüstungsanstrengung, wobei die Forcierung des Tempos Priorität hatte. Dass man da auf die 8" zurückgriff, die ausreichend in Stückzahl und schnell genug produziert werden konnte, kann nicht überraschen. Bei der Powder-Entwicklung ist insbesondere die schnelle Entwicklung der US-Chemieindustrie bemerkenswert, da für die Navy zwar reichlich Experimente liefen (siehe Annual Reports), aber zunächst Fabriken für die ausreichende Flottenversorgung gebaut werden sollte. Dazu sind die ARs des Secretary sehr interessant: die koppeln diese Entwicklungen, und lassen die Trends und die Schwierigkeiten gut sichtbar werden.

Dieser rüstungsindustrielle Komplex und sein Aufbau sind von der Frage zu trennen, wann und ob überhaupt die USA "in der Lage" zu diesen Entwicklungen waren.

Nur darum ging es mir oben, es stellt den reinen "rüstungstechnischen Output", die technischen Fragen in einen industrielles Umfeld.
 
Zuletzt bearbeitet:
Silesia und new delcyros, wo ist der Bezug zu suchen zur Grundtechnologie der kaiserlichen Marine ....*hüstel* ...Hochseeflotte?

Die Amikanten waren nie wirklich geprüft, weder vor der 06er Zeit noch danach?

Wenn ihr einen fach-spezifischen Dialog führen wollt, dann Bitte, aber nicht unter diesen Thementitel! Ansonsten bin ich ganz Ohr, lerne gern dazu ....
 
Silesia und new delcyros, wo ist der Bezug zu suchen zur Grundtechnologie der kaiserlichen Marine ....*hüstel* ...Hochseeflotte?

Mir ging es dazu um das globale Umfeld der Entwicklungen, ausgehend von den Eingangsposts von delcyros auf Seite 1. Ein Aspekt waren die RF/QF/SF-Konzeptionen, die auch die Kaiserliche Marine beeinflussten.

Du hast natürlich recht, die Diskussion oben hat sich - zunächst isoliert - auf den brit./amerikanischen Vergleich bezogen. Wir können gerne wieder auf die deutsche Seite schwenken.
 
Silesia und new delcyros, wo ist der Bezug zu suchen zur Grundtechnologie der kaiserlichen Marine ....*hüstel* ...Hochseeflotte?

Zeil des Thema´s ist den technologischen Rahmen abzustecken und wir konzentrieren uns derzeit auf Geschütz- und Projektiltechnologie und sind (noch) in den 90´er Jahren verfangen. Es wird aber nötig sein, die Perspektive bis 1914 zu erweitern, da ich glaube, dass die Schiffe der HSF in vielen Dingen schlicht unverstanden sind, wenn die technologischen Grundlagen unverstanden bleiben, aber bitte hab noch etwas Geduld, man kann nicht alles in einem post schreiben.
 
Allerdings habe ich andere Erkenntisse gerade zur Geschütztechnik dieses Schiffes.

Die Drehscheibenlafetten C90 bzw. C/92 war eine klassische Barbette. Der kuppelartige Panzerschutz über den Lafetten der Geschütze, war nur ein zusätzlicher Aufbau. Aber ich denke, über diese Bezeichnung kann man vortrefflich streiten.

Die größte Problematik bei den Geschützen, war die geringe Höhe der Rohrachsen über dem Deck, was vor allem dem mittleren Turm beim Schießen, zu Beschädigungen des Decks führte.

Noch weiter sollte auch die Verschiedenen Rohrlängen betrachtet werden, so war das für die ursprüngliche Planung vorgesehene Geschütz eine 28cm Mantelringkanone C/86/89 L35 auf alle Geschütztürme eingesetzt werden, doch konnte Krupp noch vor Fertigstellung es ersten Schiffes der Klasse, eine neue Rohrlänge verkaufen, die L40. Das RMA entschied sich damit eine „gemischte“ Hauptartillerie zu verwenden.

Ob das ein wirklicher Nachteil war, bei der Schußgeschwindigkeit bestimmt zu vernachlässigen, denn die Vo lag ca. 70 m/s auseinander, die max. Reichweite bei 3 hm Differenz. Oder spielten diese Unterschiede doch eine Rolle?

Dies deckt sich mit meinen Informationen. Der Unterschied in der Kaliberlänge der 28.3cm Hinterladergeschütze ist in den 1890´er Jahren zu vernachlässigen, da noch keine zentralen Feuerleiteinrichtungen zur Verfügung stehen und das legen und abfeuern der Turmsalven noch vollständig in den Aufgabenbereich des Turmkommandanten fallen.
Ein Vorteil der Turmkonstruktion war der gewichtsbalanzierte Aufbau, d.h. der Turmüberstand auf der Rückseite des Turms, deren Gewichte halfen dem Moment entgegenzuwirken, das entsteht, wenn die Rohre zu einer Seite geschwenkt werden. In anderen zeitgenössischen Konstruktionen führt das zur Krängung des Schiffes in Schußrichtung bei Breitseitfeuer. Diese Krängung ist gefährlich, da der Gürtelpanzer auf der dem Ziel zugewandten Seite tiefer eintaucht und eventuell vorhandene Punktierungen desselben damit zu stärkeren Wassereinbruch führen.
 
Silesia,

vielen Dank für die Darlegung deiner Perspektive. Wir haben vielleicht tatsächlich aneinander vorbeidiskutiert. Entscheidend ist aber dennoch, dass die US Marine die Kombination der rechtzeitigen Entwicklung von leistungsfähigen Schnelladegeschützen mit HE-Geschossen verschlafen hat. Das 5"RF ist nur der Terminologie nach ein Schnelllader, nicht der Feuerrate nach. Das Fehlen eines hochdetonativen Sprengstoffes hat das Problem verstärkt. Um das mal in Zahlen zu fassen:
Schwarzpulver hat eine Detonationsgeschwindigkeit von unter 200m/s
(es explodiert nicht, Unterschallausbreitung)
Lyddite : 7,430 m/s
TNT: 6,900m/s
expl. D: 6,600m/s

In der deutschen Marine haben wir das 15cm HE-Kz. Geschoß mit 4,1kg Gr.f.88 Ladung (15cm Common / HE-Bdz.= 3,9kg TNT oder Gr.f.88).
In der US-Marine haben wir das 20,3cm Common Geschoß mit 7,1kg Schwarzpulver und das 20,3cm AP mit ca. 2,75kg Schwarzpulver. Schwarzpulver wird erst 1911 in der USN durch Explosive D ersetzt.
Britische schwerkalibrige CPC-Geschosse haben immernoch Schwarzpulverladungen 1916.

Die Detomationswirkung ist daher auch unterschiedlich, Schwarzpulver zerlegt eigentlich nur das Geschoß in eine geringe Anzahl schwerer Fragmente, die mit sehr geringer Geschwindigkeit weiterfliegen bis sie von Strukturen gestoppt oder durch die Erdanziehung ihre Energie aufgebraucht haben. Hochfester Stahl bietet schon Schutz vor allen außer den größten Fragmenten. Die Flugrichtung entspricht im wesentlichen der Geschoßrichtung.

hochdetonative Sprengstoffe wie TNT u.a. zerlegen das Geschoß in wenige, schwere Nasenstücke die weiter in Geschossrichtung fliegen und tausende, sehr kleine laterale Fragmente, mit enorm hoher Geschwindigkeit, zu den Seiten sich bewegend, weiterschießen. sie sind in der Lage selbst dünne Panzerung zu durchschlagen, Konstruktionsstahl bietet nur in sehr starken Dicken einen Schutz. Getroffene Räume werden regelrecht "pulverisiert" und die Fragmente können noch Schaden in den umgebenen Nachbarräumen anrichten bevor die enorme Energie durch TNT o.a. hochbrisanten Ladungen ufgebraucht ist.

Eine WITTELSBACH ist aus diesem Grund, in der Zeit um 1900 bis 1909 wesentlich gefährlicher als eine KEARSAGE.

In diesem Zusammenhang will ich kurz auch darlegen warum. Schiffsbautechnisch haben wir in diesem Zeitraum ein Festhalten an der Längsspant und Querspantbauweise. D.h. die Festigkeit des Rumpfes wird von den tragenden Verbänden aufgenommen. Da Schiffe immer länger als breit sind, ist die kritische Statik immer in der Längsfestigkeit zu suchen. Diese wird vertikal über den durchgehenden Verbänden am Kiel un am Festigkeitsdeck aufgenommen.
Der Kiel kann als Beschußsicher gelten, aber was ist eigentlich das Festigkeitsdeck? Dieses ist nicht gleichzusetzen mit dem recht tief gelegenen Panzerdeck sondern mit dem Hauptdeck (auch Wetterdeck genannt), bei Schiffen mit Sprung im Hauptdeckplan ist es immer das tiefergelegene, wenn dieser Sprung im oder vorlich des Mittschiffs erfolgt und das höhergelegene, wenn dieser Sprung im Achterdeck erfolgt.

Im Anhang hochgeladen habe ich Schnitte des Linienschiffes SMS KARL DER GROßE, alte Kaiser-Klasse. Vom Panzerschema sieht dieses Schiff einer BRANDEBURG sehr ähnlich. Auch hier ist das für die Festigkeit des Schiffes sensible Hauptdeck ungepanzert. Was passiert also, wenn die vom Panzer geschützten Einrichtungen hinter dem Gürtelpanzerund und unter dem Panzerdeck intakt bleiben aber zahllose HE-Geschosse das Festigkeitsdeck zerstören?

Darin liegt die Gefährlichkeit der um 1890 aufkommenden Schnelladegeschütze. Die HMS BELLISLE Versuche (dokumentiert bei DK Brown und in den Brassey Nav. Ann.) zeigen sehr deutlich wie die Projektiltechnologie um 1900 aussieht. BELLISLE ist vollständig zerstört worden und gesunken, ohne dass der recht dicke Panzer durchschlagen wurde weil das Festigkeitsdeck ungeschützt war und von 6" regelrecht "zerlegt" wurde.
 

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Das 5"RF ist nur der Terminologie nach ein Schnelllader, nicht der Feuerrate nach. Das Fehlen eines hochdetonativen Sprengstoffes hat das Problem verstärkt. Um das mal in Zahlen zu fassen:
Schwarzpulver hat eine Detonationsgeschwindigkeit von unter 200m/s
(es explodiert nicht, Unterschallausbreitung)
Lyddite : 7,430 m/s
TNT: 6,900m/s
expl. D: 6,600m/s

Bei der Beurteilung sollten wir in der zeitgenössischen Terminologie bleiben, und die 5"/RF und 6"/RF nicht mittels späterer (berechtigter!) kritischer Beurteilung umbenennen.

Korrigere mich bitte, wenn ich da etwas falsch iE habe:
Dunnite (Explosive D) ist 1906 der Nachfolger des Maximite (1901), dieses wiederum des Emmensite (1888), jeweils mit gesteigerter Leistung. Die Entwicklung lief seit 1888 (zunächst Entwicklung von Emmens), und mit Tests (Emmensite) in den 1890ern. Die Industrie war durchaus in der Lage zu liefern, indes war man in der Navy von dem Einsatz der HE und dem "handling" nicht überzeugt. Das änderte sich nach dem britischen Einsatz von Lydite.

Die abweichend genannten Daten (1911 Einsatz, 1906 Entwicklung) - so auch auf Wiki zu finden - sind vermutlich falsch, da schon das Ordnance/Gunnery Textbook 1905 zu Dunnite - Vermerk: Komposition geheim - ausführt. Ergo: das Zeug war da, für Emmensite wurde Mitte der 1890er eine eigene Produktionsstätte gebaut. Die Briten waren schneller.

Zum "Festigkeitsdeck" muss ich nachschlagen - hat das Panzerdeck Deiner Meinung nach keine Funktion für die Längsfestigkeit?
 
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Das Panzerdeck ist nicht das "strength deck" in struktureller Hinsicht und trägt nur in sehr geringem Ausmaß zur Längsfestigkeit bei.
Vgl.
Benford, H., Naval Architecture for Non-Naval Architects (1991)
Lewis (Hg.), Principles of Naval Architecture: Volume I - Stability and Strength (1989)
Tupper, E., Introduction to Naval Architecture (1991)
Gerade ersteres ist lesenswert, wenn man -wie ich- den notwendigen ingeneurstechnischen Hintergrund nicht hat.

Das wäre auch unsinnig, da die Stärke abhängig ist von der Geometrie und deswegen bei gewünschter hoher Längfestigkeit vertikal möglichst weit von den Kielverbänden entfernt liegend verlaufen soll. Das ist auch der Grund warum mit der WITTELSBACH Klasse beginnend das Wetterdeck stärker ausgeführt und teilweise sogar, wo es hinter dem oberen Zitadellpanzer oder an den SA-Türmen liegt, gepanzert wird.
In dieser Hinsicht sieht die BRANDENBURG- und alter KAISER-Klasse gar nicht gut aus.

Zwar gab es, da hast du Recht, auch in den USA Experimente mit Maximite und anderen hochbrisanten Sprengstoffen, aber für BuOrd bedeuteten diese Experimente vorerst keine Alternative zum Schwarzpulver. Das Hauptproblem ist tatsächlich die Lagerungsfähigkeit und Beständigkeit von hochbrisanten Sprengstoffen. Und da war BuOrd völlig richtig in seiner Zurückhaltung. Bis 1910 gab es keine Alternative zu Schwarzpulver und feuchter Schießbaumwolle. zwar hätte die Industrie hochbrisante Sprengstoffe zur Verfügung stellen können, aber keine von denen wies im Labor oder unter Schocktests die notwendige Insensibilität zur spontaner Selbstdetonation auf, die ihren militärisch-technischen Einsatz in den Augen des BuOrd zulassen könnten. Erst mit Dunnite war ein solcher Sprengstoff gefunden, der sogar noch etwas weniger sensibel war als TNT.

Nathan Okun schreibt dazu:

"In 1911, Krupp did a very progressive thing: They eliminated Lyddite ("Gr.f.88" to them) from their anti-ship projectiles as substituted block TNT
(...).

Krupp and the U.S. Navy, which simultaneously introduced it´s even more insensitive filler Explosive "D" ("Dunnite" or chemically ammonium picrate) in 1911 into almost all projectiles, replacing the previous black powder fillers(...)"

D.h. Während Krupp bereits Lyddite (Gr.f.88) durch TNT austauscht werden in den USN hochbrisante Sprengstoffladungen eingeführt die erstmals Schwarzpulver mit Ausnahme einiger Typen als Gefechtsladung ersetzten.
Krupp experimentiert bereits 1885 mit "Weiss" genannten hochbrisanten Sprengstoffen, zu einer Einführung kommt es jedoch erst in den 1890´er Jahren.

Häufig machen Autoren den Fehler, Schiffe nur nach ihren Papierdaten zu analysieren. In den 1890´s bis Mitte 1905´er Jahren war der Einsatz von AP auch in der Hauptartillerie eigentlich anachronistisch. Diese Geschosse konnten schwere Panzerung nicht durchschlagen, ihr explosiver Effekt war also meistenteils außerhalb des Panzers (weswegen auch Schwarzpulver als Gefechtsladung in den größten und spitzengehärteten AP Geschossen vorerst nicht ersetzt wurde, da low-explosives wenigstens keine Richtungsstreuung haben und so der Hoffnung Vorschub geleistet wurde, das einige wenige Trümmerteile tiefer in das Schiff eindringen statt komplett außerhalb ohne Wirkung zu bleiben).

AP wurde auf Kurzdistanz mit dem Ziel den Gürtelpanzer zu beschädigen verschossen. Der eigentliche Kampf wurde mit HE auf mittleren oder großen Entfernungen ausgetragen.

Edit: Im Anhang sieht man nocheinmal grafisch die unterschiedliche Wirkungsweise von Schwarzpulver- und Hochbrisanzladungen. Daraus resultierte ein neues Schutzschema, welches wir erstmals in den BRAUNSCHWEIG´s voll durchentwickelt erkennen. Ziel ist es den dicken Gürtel etwas auszudünnen um dafür mehr Fläche zu schützen (KC ist effektiv!). Um jedoch zu verhindern, dass Durchschläge durch den dünneren Gürtelpanzer (ab 1898 gibts auch die ersten Kappengeschosse) katastrophale Folgen haben, sollen leichten Böschungen und den darauf liegenden Kohlebunkern Geschoß- und Plattentrümmerteile auffangen. Erstmals wird nun auch das Wetterdeck etwas fester gemacht, damit lokale Treffer auch lokale Ereignisse bleiben und die strukturelle Integrität nicht in Frage stellen.
 

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Das Panzerdeck ist nicht das "strength deck" in struktureller Hinsicht und trägt nur in sehr geringem Ausmaß zur Längsfestigkeit bei. ...
Das wäre auch unsinnig, da die Stärke abhängig ist von der Geometrie und deswegen bei gewünschter hoher Längfestigkeit vertikal möglichst weit von den Kielverbänden entfernt liegend verlaufen soll.

Nur kurz vorab:

Ich habe das Panzerdeck nicht als strength deck bezeichnet, sondern eine "Funktion" für die Längssteifigkeit gesprochen.

Grundlage der "Funktion" war folgender Hinweis:

Jedes längsversteifende Deck unter dem strength deck vermindert den Zugstress bzw. die Zugbelastung für das Festigkeitsdeck, abhängig von Material, Stärke und Befestigung. Aus zeitgenössischen Quellen wird diese 2. Ebene mit erheblichen Abschlag für die zu tragende Belastung/zu kompensierenden Zugstress des Festigkeitsdecks in der Schiffsbewegung angenommen, bekannt sind mir da 30-40% (bei mindestens gleicher Zugfestigkeit wie für das den hull abschließende Deck). Danach wurde zeitgenössisch wohl konstruiert (Hinweis zB auf NA 1882, 1901)
 
Das ist nicht falsch. Die entscheidende Frage ist aber, ob die strukturelle Integrität des Schiffsrumpfes noch gewahrt belibtm, wenn das Wetterdeck von 6"HE oder schwerkalibrigen HE mit Kopfzünder "defunktionalisiert" wurde?

In Deutschland hat man zunehmend die Quer- und Längsbinderbauweise zugunsten eines gewichtseffizienteren Aufbaus der Längsverbände, besonders bei den später zu diskutierenden Großen Kreuzern verändert.

Der wichtige Hinweis an dieser Stelle betraf aber einen Mangel im Schutzschema der BRANDENBURG und KAISER FRIEDRICH III-Klasse, welche durch eine Veränderung der Geschütz- und Projektiltechnologie das Festigkeitsdeck schutzlos einer möglichen Zerstörung preisgab, mit potenziell katastrophalen Folgen für den Rest des Schiffes.
 
Das ist nicht falsch. Die entscheidende Frage ist aber, ob die strukturelle Integrität des Schiffsrumpfes noch gewahrt belibtm, wenn das Wetterdeck von 6"HE oder schwerkalibrigen HE mit Kopfzünder "defunktionalisiert" wurde?

Du sprichst damit eine Zerstörungs- bzw. "Perforationsreserve" des strength deck an (die durch die Decksdicke, aber auch durch die weitere Binnenstruktur des Schiffes geschaffen wird). Decks-Durchbrüche für Leitungswege, Aufgänge etc. schaffen ohnehin Diskontinuitäten in der Längsfestigkeit des Schiffes, was sich wiederum auf die benachbarten Flächen bzgl. ihrer dann erhöhten Zugbelastung auswirkt. Die Zugbelastung ist also nicht überall identisch, sondern hängt ua. von der Entfernung des Gleichgewichts, von der umgebenden (ggf. dann eben zerstörten) Struktur ab.

Die Frage ist dann: welcher Perforationsgrad schwächt derartig, dass - in letzter Konsequenz - das Schiff durchbricht. Das wird - meine Einschätzung - kaum gerechnet worden sein, sondern basierte eher auf empirischen Erfahrungen mit Sicherheitszuschlag.

Wenn also die Verstärkung des strength deck vorgenommen wurde, würde ich das eher so interpretieren, dass die "gefühlte" Stabilitätsreserve erhöht wurde.
 
Und in dieser, wie du sie nennst "Erhöhung der Perforationsreserve"* sehe ich einen Reflex auf die just in dieser Zeit aufkommenden hochbrisanzgeladenen HE-Geschosse und Schnellader!


*Stabilitätsreserve, auch die Längsstabilität ist etwas völlig anderes, basiert auf den metrischen Unterschied von Gewichts- und Verdrängungsschwerpunkt (siehe metazentrische Höhe) and hat mit der strukturellen Integrität nichts zu tun.
 
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