Technologische Grundlagen der Hochseeflotte

Und in dieser, wie du sie nennst "Erhöhung der Perforationsreserve"* sehe ich einen Reflex auf die just in dieser Zeit aufkommenden hochbrisanzgeladenen HE-Geschosse und Schnellader!
Der Historiker würde nun für den Reflex eine Quelle fordern.

Die Empirie - jedenfalls in Großbritannien - setze ich so etwa 1905 mit dem Wolf-Experiment an (Theorie früher, so etwa 1880). Sollten die Deutschen da schneller gewesen sein?


*Stabilitätsreserve, auch die Längsstabilität ist etwas völlig anderes, basiert auf den metrischen Unterschied von Gewichts- und Verdrängungsschwerpunkt (siehe metazentrische Höhe) and hat mit der strukturellen Integrität nichts zu tun.
Sorry, meine freie Wortwahl "Stabilitätsreserve" bezog sich schon auf die Zugstabilität in der Längsachse, bzw. die longitudinal strength. Aus dem Beitrag ist ja wohl ersichtlich, dass ich nicht auf die Metazentrische Höhe und damit verbundene Stabilitätsfragen angespielt habe. :winke:
 
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Stabilitätsfrage!

Völlig richtig und nicht unwichtig, dass durch dieses versehen auch mal die Aufmerksamkeit auf die Frage der Stabilität gelenkt wird. Um 1890 gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder Küstenpanzerschiffe mit möglichst wenig Freibord aber dafür große Stabilität bauen oder hochbordige Schiffe mit etwas geringerer Stabilität.

Eine geringere Stabilität bedeutet aber auch eine ruhigere Geschützpaltform. Das Schiff krängt sich zwar mehr als ein gleiches mit mehr metazentrische Höhe, aber die Rollbewegung ist langsamer (d.h. ruhiger).
Hohe stabilität führt zum "wippen" des Schiffes, was nicht nur für die Crew unkomfortable sondern auch im sinne einer stabilen Geschützplatform unerwünscht ist.

Stark einziehende Bordwände (siehe Franzosen und davon abhängig manche russische Konstruktionen, aber auch BRANDENBURG-Klasse) haben in dieser Zeit den Vorteil, dass die schweren Gewichte von Seitentürmen mehr zur Mittschiffsachse rücken und größere Bestreichungswinkel der nun exponierten Seitentürme möglich sind. Der Nachteil liegt aber darin, dass bei Krängung des Schiffes weniger Wasser von der (zurückkragenden) Bordwand verdrängt wird, weswegen sich das Schiff zum Ausgleich nochmehr krängen muß.
Hat man dann noch eine niedrige metazentrische Stabilität wirds richtig kritisch, ein kontributiver Grund für die überraschend leichte Versenkung der russischen Linienschiffe im russ.-japanischen Krieg.

Um 1890 werden noch viele schiffbaulichen Fehler in der Stabilitätsfrage gemacht, aber diese Fehler sind natürlich auch in teilen von den Problemen der zeitgenössischen Schiffsartillerie evoziert worden:

[+] unbalanzierte Türme -das Schiff krängt sich in Feuerrichtung
[+] unstabilisierte Geschütze, weswegen schnelle Rollbewegungen beim Zielen und Abfeuern unerwünscht waren
[+] Maximierungsstreben von Bestreichungswinkel bei gleichzeitiger Minimisierung der Trefferfläche

Auch in diesem Zusammenhang gilt vorerst: Die Seeschlacht wird nicht durch effektive AP-Treffer in die panzergedeckten Vitalia des Schiffes (Magazine, Machienenräume, Steuerräume) gewonnen, sondern durch die sukzessive Degradierung des Feindes durch Treffer im Rumpf und den Aufbauten mit HE und allen Kalibern aus mittleren und großen Entfernungen*. Erst dann werden die zusammengeschossenen Schiffe aus kurzer Distanz mittels Torpedo oder wohlgezielter AP Treffer auf den Gürtelpanzer versenkt.

Das Auftreten von Schnelladern, Hochbrisanzsprengstoffen und dünnwandigen Hochexplosivgeschossen mit großer Ladung verstärkt sich selbst und ist wesentlich gefährlicher für die ungeschützte Struktur des Schiffes als die zuvor vertretenen langsamladenden Hinterlader mit AP-Vollgeschossen oder schwarzpulvergefüllten "Shell". Nur Amerika macht diese Entwicklung nicht mit.
Damit wird die Ausdehnung des Panzerschutzes auf möglichst weite Teile des Rumpfes und des Festigkeitsdecks unmittelbar wichtig. In der WITTELSBACH-Klasse sehen wir das. Der Gürtelpanzer wird auf 240mm ausgedünnt, erhät dafür aber eine zweite Lage mit 140mm KC und Kasemattpanzerung von ähnlicher Dicke. Das Panzerdeck besteht aus zwei Teilen, ein geschütztes Wetterdeck und das darunterliegende Hauptpanzerdeck.
Früher findet diese Entwicklung in England statt, die MAJESTIC-Klasse zeigt erstmals einen nur 9Zoll dicken, dafür aber in zwei Lagen verlegten, 16 Fuß hohen Gürtelpanzer uniformer Dicke. Mit der darauffolgenden CANOPUS Klasse geht man sogar auf nur 6 Zoll herunter, führt dafür aber KC-Panzerung ein (statt Harvey in der MAJESTIC). In der FORMIDABLE-Klasse wird dieser wieder auf 9 Zoll Dicke erhöht und nun werden auch die Schiffsenden von einem leichten Panzer geschützt. Dieser leichte, etwa 3 - 4 Zoll dicke KC-Panzer ist unfähig AP-Geschosse aufzuhalten, bietet jedoch einen völlig ausreichenden Schutz um selbst schwerkalibrige HE-Geschosse wirklungslos am Panzer detonieren zu lassen.

Nocheinmal zur Wirksamkeit der zeitgenössischen, neuen KC-Panzerung.
Eine direkte Pauschlisierung des Schutzeffektes vgl. mit älteren Panzern ist nur in Abhängigkeit zur untersuchten Plattendicke möglich. Dies liegt an der Produktion der Platten und der Aufnahme von Kohlenstoff in deren Oberfläche.
Gemessen an weichem Eisen ist der Schutzeffekt von KC bei

[+]Platten von 80 bis 120mm Dicke etwa um das 2,25-fache größer
[+]Platten von 140 bis 170mm Dicke etwa um das 2,67 bis 2,8-fache größer
[+]Platten von 220 bis 270mm Dicke etwa um das 2,5-fache größer
[+]Platten von 300mm Dicke und darüber etwa um das 2,33-fache größer

Daraus wird schnell ersichtlich warum die CANOPUS-Klasse von 9 Zoll Harvey auf 6Zoll KC zurückgeht. Britisch produziertes Harvey hatte einen Schutzfaktor von etwa 1,85-fach, unabhängig von der Plattengröße (die Tiefe der oberflächenhärtung ist bei Harvey immer gleich)
D.h. die 9 Zoll Gürtelpanzer der MAJESTIC-Klasse entsprachen etwa 423mm weichem Eisen in der Schutzwirkung, die 6Zoll KC der CANOPUS-Klasse dagegen 418mm-kein nennenswerter Unterschied.
Die 300mm KC der WÖRTH- und alten Kaiser-Klasse entsprachen dagegen fast 700mm weichem Eisen, eine völlig übertriebene Schutzforderung, daraus wird ersichtlich, dass man zu ihrer Konstruktionzeit noch von anderen Maßstäben ausgeht als später bei der Auslegung der WITTELSBACH-Klasse, deren 225mm dicker KC-Panzer immernoch 563mm weichem Eisen entspricht (140mm oberer Gürtel und Kasematten: 385mm weiches Eisen) und damit gut mit der zeitgleichen FORMIDABLE-Klasse korreliert, deren 9Zoll dicker KC-Panzer eine Schutzwirkung von 573mm weichem Eisen aufwies.


*im Sinne der zeitgenössischen Entfernungserwartung: 10 bis 30hm
 
Das ist eine gute Zusammenfassung des

- "Optimierungsproblems" bzgl. der Metazentrischen Höhe
- der Entwicklung des Panzerungsmaterials (mit Folgen)

Dazu eine Nachfrage: bei der M.H. scheint man sich in der Planung auch häufiger verschätzt zu haben. Mit welcher Genauigkeit war das konstruktiv zu ermitteln? Gab es da Faustformeln?
 
Müßte man mal nachsehen, was im Hadeler dazu drin steht. Gewiß ist, dass die Prinzipien der metazentrischen Höhe durchaus bekannt gewesen sind. Dennoch wurde die errechnete M.H. letztlich im Hafen auf empirischem Wege überprüft (Abnahmebestimmungen). Eine definierte Masse wurde Mittschiffs mit dem Schiff verwogen und nach deren Auslenkung zur Außenbordwand wurde das Schiff neu vermessen. Aus der Differenz konnte das für diesen Beladungszustand gültige Stabilitätsmaß korrekt ermittelt werden.
 
Ich dachte nicht an den Hadeler, sondern an die diversen Untersuchungen zu den britischen oder amerikanischen Schlachtschiffen.

NmE gab es da mehrere Fälle, bei denen zB eine M.H. von 1,50 M konstruiert/geplant war, hinterher - nach Fertigstellung, mittels der beschriebenen Technik "exakt" bestimmt - aber um 30 - 50% vom Planwert abwich, also zB nur 1 Meter realisiert worden ist.

Die Abweichungsursachen dürften bei den errechneten Masseschwerpunkten der Schiffe gelegen haben, während das Zentrum der Wasserverdrängung vermutlich (stelle ich mir jedenfalls so vor) im Planstadium jeweils leichter/genauer zu ermitteln war.

Spannend wäre mal, hier im Forum eine Tabelle mit den Schiffen verschiedener Nationen, Gewicht, Länge, Breite, Tiefgang, Freibord, M.H. zusammenzutragen. Das ist aber einiges an Arbeit.
 
Als Ergänzung hier noch eine interessante post-konstruktive Stabilitätsanalyse für britische Schlachtschiffe Mitte der 1890er (Metazentrische Höhe, Freibord, Höhe Geschütze üWL), verbunden mit ungeplanten, realisierten Mehr-Tonnagen sowie Gewichts-Verteilungsfragen mit schwankenden Metazentrischen Höhen.

White (Director of Naval Contruction): The Qualities and Performances of recent First-Class Battle-Ships, Erstpublikation 1894 für die Schlachtschiffbauten 1892ff.
 

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Sehr schöner Beitrag, Silesia. Die Quelle war mir unbekannt.

Generell werden durch nicht geplante zusätzliche Topgewichte im Laufe der Dienstdauer oder Modernisierungsmaßnahmen die ursprünglichen Werte für das gewünschte Stabilitätsmaß kompromittiert.
Mit allen daraus erwachsenen Konsequenzen.
Eine solche betrifft die Kohlenbevorratung dieser Schiffe. Volle Kohlenbunker verbessern die metazentrische Höhe, da Kohlen i.d.R. tief im Schiff gelagert werden, d.h. ein Teil dieser Gewichte unterhalb des Verdrängungsmittelpunktes anfallen (nicht jedoch Kohlenschutzbunker in den Böschungen hinter dem Gürtelpanzer). Bei kritischen Stabilitätsmaßen, etwa in Folge niedriger metazentrischer Höhe durch Umbauten oder Gefechtsschäden sind daher die Kommandanten gezwungen, diese Kohlen nicht lehrfahren zu können, was den tatsächlich verfügbaren Brennstoffvorrat um ein nicht unbedeutendes Maß gegenüber den nominellen Kohlenvorrat reduziert. Diese Kohlenbunker werden dann als "totes Gewicht" mitgeschleppt...
 
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Schade das nun in englischer Sprache weiter diskutiert wird.
Ich versuche dennoch zu folgen und delcyros, erkläre silesia mal genau, die Verwendung des Kohlebunkers im Wasserlinenbereich als gedachte Schutzfunktion hinter dem Gürtelpanzer bzw. später im Bereich der Böschung in der Verbindung zum vertikalen und horizontalen Panzer. Bei kleiner Farhzeugen wurde hier sogar mit einer Korkdämmung gearbeitet. Da habe ich schon vor geraumer Zeit auf ihn eingeredet ...:pfeif:

Aber das Kohlebunker im Bereich des Böschungspanzers nicht leergefahren werden dürfen, ist ineressant, denn zu dieser Zeit, waren die wasserdichten Abteilungen schon sehr ausgeprägt (jedenfalls bei der dt. Flotte), was im Schadensfall immer genutzt wurde, entsprechende Zonen zu fluten, als Gegengewicht zur Leckstelle, um die Stabilität zu halten.
Wie schwer es eigendlich war, ein Schiff über aus der Stabi-Grenze zu holen, konnte man sehen, als die Wittelsbach 1902 im Großen Belt festkam. Auch die Havarie der Kaiser Friedrich III ein Jahr zuvor, brachte sicherlich wichtige Erkenntnisse bei der Leckwehrbekämpfung, denn immerhin war der doppelte Boden Backbord von Spant 32 - 57 und Steuerbord von Spant 40 - 78 leckgeschlagen. Da liefen einige Abteilungen voll mit Wasser ...
 
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Spannend wäre mal, hier im Forum eine Tabelle mit den Schiffen verschiedener Nationen, Gewicht, Länge, Breite, Tiefgang, Freibord, M.H. zusammenzutragen. Das ist aber einiges an Arbeit.

Tipp, im Gröner werden unter den Schiffsbeschreibungen im Abschnitt d) ab der Sachsen-Klasse das Metazentrum querab und längs angegeben, sowie das Stabilitäts-Moment der Schiffe. Aber es sind halt nur deutsche Schiffe beschrieben.

Ansonsten, ja, eine Tabelle mit Daten vor allem zu ausländischen Kriegsschiffen wird eine Fleißarbeit, zumal die Angaben für eine Berechnung aus verschiedenen Quellen recht unterschiedlich sein dürften.
 
Generell werden durch nicht geplante zusätzliche Topgewichte im Laufe der Dienstdauer oder Modernisierungsmaßnahmen die ursprünglichen Werte für das gewünschte Stabilitätsmaß kompromittiert.
Mit allen daraus erwachsenen Konsequenzen.

Bei einer idealisierten Vorstellung vom Schiff als rechteckigem Kasten läge der Verdrängungsmittelpunkt des Wassers auf halbem Tiefgang.

Wegen der realen Formgebung wandert der Schwerpunkt nach oben, zB auf 3/4. Bei den damit verbundenen Schätz- und Verteilungsproblemen kann man vor den damaligen Konstrukteuren nur den Hut ziehen. Wobei ja auch einige Fehler vorkamen. Bei einigen amerikanischen Schlachtschiffen lag der Gürtelpanzer nahezu im Wasser, bei nicht einmal voller Zuladung.
 
Formeln und Begriffe

Forumsmitglied Harold vom Marineforum hat sich zur Berechnung von Unterwasserschiffskoeffizienten und Schiffsstabilität einige Gedanken gemacht. Alles sehr anschaulich!

Grundsätzlich kann metazentrische Stabilität durch Gefechtsschäden am Unterwasserschiff auch verbessert werden:

Beim vorgenannten Beispiel der Flutung von zuvor trockenen Zellen im Doppelboden durch Grundberührung erhält das Schiff zusätzliche Gewichte unterhalb des Gewichtsmittelpunktes, d.h. der Hebelarm zum Verdrängungsmittelpunkt wird vergrößert, der Wert der metazentrischen Höhe und damit das Stabilitätsmaß verbessert.

Grundsätzlich muß man aber immer bedenken, dass auch leichte Gewichte oberhalb des Panzerdecks die Stabilität immer sehr stark reduzieren. Alle Schadenskontrollblätter und -Anweisungen die ich bislang einsehen konnte notieren, dass bei Beschädigungen etwaige Flutungen oberhalb des Gewichtsmittelpunktes immer als erstes beseitigt werden müssen, noch vor Brandschäden, Schäden am Antrieb, der Steuerung oder unkontrollierter Flutung im Schiff.

Ich versuche dennoch zu folgen und delcyros, erkläre silesia mal genau, die Verwendung des Kohlebunkers im Wasserlinenbereich als gedachte Schutzfunktion hinter dem Gürtelpanzer bzw. später im Bereich der Böschung in der Verbindung zum vertikalen und horizontalen Panzer. Bei kleiner Farhzeugen wurde hier sogar mit einer Korkdämmung gearbeitet.
Kohlenschutzbunker gelten als integrale Bestandteile des Seitenschutzes. Sie erfüllen im wesentlichen zwei Funktionen:
Zum einen werden Geschoßtrümmer und Plattenfragmente von weniger als 1m Kohle komplett gestoppt. Auch die Druckwirkung erlöscht komplett durch die Verdrängung der kompressiblen Kohle. Dies ist ziemlich wichtig, solange es keine zündverzögerten Geschosse gibt, die eine Platte durchschlagen und mit noch verbleibender Zündzeit tiefer in das Schiff eindringen können. In Deutschland und ÖU werden zuverlässig zündverzögerte Geschosse 1911, in England bis 1918, in Japan bis 1928, in Amerika bis 1928/31 eingeführt.
Zum anderen bremst die Kohle ein intaktes Geschoß ab. In US Tests von 1909 konnte ein blindes APC für 10Zoll KC Panzer auch 250Zoll Sand, 660 Zoll bituminöser Kohle oder 1100 Zoll Holz durchschlagen.
d.h. verglichen zu wk1 Panzermaterial:
50" bis 66" Kohle (abhängig von der Dichte) = 1" KC
40 bis 50" Kohle (abhängig von der Dichte) = 1"homogener Panzerstahl

Da die Kohlenschutzbunker in einigen Schiffen über vier Meter tief sind und ein Geschoß mit Trajektion etwa 4,5 bis 5m durchmisst bis der Kohlenschutzbunker passiert wurde entspricht die effektive Schutzwirkung eines solchen Bunkers zusätzlich zum Gürtelpanzer etwa 80mm KC bzw. 90mm Qualität 420 Panzerstahl.
Wer sich also ob dem nur 12" mächtigen Gürtelpanzer der IRON DUKE Klasse wundert, der bedenke, dass sich dahinter ein 2,5m tiefer Kohlenschutzbunker befindet, so dass die eigentliche Schutzwirkung des Seitenschutzes 12" + 1,5" = 13,5"KC beträgt (für Geschosse mit echter Zündverzögerung wie das Krupp L3.1 PzSpGr) und somit sehr gut mit der Hauptarmierung harmonisiert (13,5"KC GP = 13,5" Hauptartillerie).
 
Zum einen werden Geschoßtrümmer und Plattenfragmente von weniger als 1m Kohle komplett gestoppt. Auch die Druckwirkung erlöscht komplett durch die Verdrängung der kompressiblen Kohle. Dies ist ziemlich wichtig, solange es keine zündverzögerten Geschosse gibt, die eine Platte durchschlagen und mit noch verbleibender Zündzeit tiefer in das Schiff eindringen können.

Ich vermute, dass zahlreiche Beschussversuche wie auch gemachte Erfahrungen (Treffer in Kohlenbunker) dazu führten, diesen kinetischen Schutz zu integrieren. Dazu eine Frage: spielten hier Erfahrungen aus der gleichzeitigen Festungstechnik (mehrere Meter dicke Erd- und Sandvorlagen vor dem feindseitig 3m dicken Stahlbeton des Werkkerns) mit hinein?
 
Dazu kann ich mangels belastbarer Unterlagen keine Aussage machen.
So ganz für sich wird man aber nicht gearbeitet haben. Das RMA war in dieser Zeit sehr innovativ.
 
Die Zeit um 1900 bis 1909...

Ich möchte an dieser Stelle in der Diskussion etwas weitergehen. D.h. den Stand der Projektil- und Panzertechnologie der darauffolgenden Dekade darlegen.

Nach zwei Klassen mit 24cm Hauptartillerie kehrt das W-Amt zur 28.3cmL40 zurück. Diesmal handelt es sich aber um ein verbessertes Geschütz mit horizontaler Ladevorrichtung. Eigentlich ein überdimensionaler Schnelllader. Dies wird durch die Lagerung der Treibsätze in eine Vor- und eine Hauptkartusche ermöglicht. Die Vorkartusche ist immernoch im Beutel, die Hauptkartusche jedoch in einer Messinghülse, die gleichsam den Verschluß gasdicht versiegelt. Dies erlaubt wesentlich schnellere Ladezeiten als mit herkömmlichen Hinterladern.
Die BRAUNSCHWEIG-Klasse erhält auch keine 15cm SL sondern solche mit 17cm Kaliber, die ein wesentlich größeres HE-Geschoß auf größere Entfernung verschießen können.
Krupp sah sich mehreren Herausforderungen gegenüber. Harvey CA war nicht so effektiv wie KC aber das Auftauchen unlizensierter KC Panzerung durch den amerikanischen Hersteller MIDVALE im europäischen Markt erzeugte eine Reihe von Patentrechtskämpfen, die Krupp im Endeffekt verlor. MIDVALE MNC besaß eine enorm tiefe Oberflächenhärtung, die es ermöglichte, alle Kappengeschosse dieser Periode zu zersplittern (bei rechten Einschlagwinkeln ist das ein Plus von 1/3 der effektiven Plattenstärke).
Dies wurde von Krupp jedoch nicht erkannt, da es seine Geschosse bei 20 Grad Einschlagwinkel testete, wo grundsätzlich keine weichen Kappen funktionierten. Außerhalb der Winkel wo weiche Kappen funktionieren gab es für 28.3cm AP Geschosse aber keinen Unterschied zwischen KC und MNC. Andere Nationen testeten dagegen bei nur 10 Grad Einschlagwinkel und hier war MNC gegen die damals in Gebrauch befindlichen weichen Kappengeschosse so überlegen, dass es eine Reihe von Verbesserungen bei der KC Produktion stimulierte (besonders in England).
Krupp hatte mit Firth ein Technologieaustuaschvertrag abgeschlossen und daher übernahm Krupp um 1908 die englischen Hadfield-Firth Kappen und ersetzte die eigenen, glockenförmigen Kappen. Dadurch bekamen Geschosse auch einen besseren ballistischen Formkoeffizienten. Englische APC Projektile im ersten Weltkrieg sehen ziemlich exakt so aus wie die damals gebräuchlichen Krupp APC.
D.h. eine relativ feine Nasenform (2.0 crh) und dünne, aber weiche Kappe mit einer kurzen Haube. Die Idee war dass ein Durchschlag bei 500m/s in 1,5 facher Plattenstärke bei rechten Winkeln und 0,5 facher Plattenstärke bei 20 Grad erfolgen müßte. Darin wird ersichtlich, wie schlecht eigentlich die Winkeleigenschat dieser Geschosse war.

Dies reflektiert das Panzerschema dieser Linienschiffe:

[FONT=Arial,Helvetica][/FONT]

Man ging immernoch von sehr kurzen Gefechtsentfernungen aus. Die Mittelartillerie sollte APC und HE Geschosse abfeuern, mit denen man erhoffte auf Entfernungen weniger als 50hm den dünneren oberen Zitadellpanzer zu durchdringen. es war auch klar, dass die Durchschlagskraft der neuartigen Kappengeschosse so enorm gesteigert war, dass ein ökonomisch dicker Gürtelpanzer auf den gewünschten Gefechtsentfernungen nicht mehr umsetzbar erschien. Daher die Platzierung von Kohlenschutzbunkern in den Böschungen dahinter, die auch mit insgesamt 80mm Mächtigkeit stark genug waren, um blinde Projektile (eine Zündverzögerung gab es immernoch nicht) nach Durchschlag von effektiv 270mm KC Gürtelpanzer (einschließlich Kohlenbunker) abzuweisen.
Die Winkelperformance dieser zeitgenössischen Geschosse war aufgrund ihrer sehr feinen Geschoßnase zu schwach um da durch zu kommen. Zwei dünne Panzerdecks (Wetterdeck und Hauptpanzerdeck) wurden eingezogen, um Splitterschutz zu gewähren.
Das Schema war optimiert um auf den kurzen angenommenen Gefechtsentfernungen effektiv zu bleiben. Deswegen erhielten die BRAUNSCHWEIG´s umlaufende Ladekammern, gepanzerte Böschungen und ein weites ausgedehntes Panzerschema. Treffer mit HE würden daran funktionslos bleiben, solche mit AP-Geschossen dagegen beim Aufschlag detonieren, ohne dass die Fragmente eine Chance gehabt hätten, tiefer in das Schiff einzudringen.
 
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Das Schema war optimiert um auf den kurzen angenommenen Gefechtsentfernungen effektiv zu bleiben. Deswegen erhielten die BRAUNSCHWEIG´s umlaufende Ladekammern, gepanzerte Böschungen und ein weites ausgedehntes Panzerschema. Treffer mit HE würden daran funktionslos bleiben, solche mit AP-Geschossen dagegen beim Aufschlag detonieren, ohne dass die Fragmente eine Chance gehabt hätten, tiefer in das Schiff einzudringen.

Werden die Panzerdeckböschungen (120-75-120mm) der Linienschiffe C-F nicht auch als gepanzerte Böschung angesehen. Gibt es hier neue Erkenntisse?

http://www.dreadnoughtproject.org/plans/SM_Linienschiff_C-G_1899//vordere_querschnitte_100dpi.jpg
 
Das ist völlig richtig. Die Idee der Panzerdecksböschung taucht das erste mal in der englischen MAJESTIC-Klasse auf und wird von den Konstrukeuren des RMA erstmals mit der WITTELSBACH- bzw. BRAUNSHWEIG-Klasse aufgegriffen. Auch die Linienschiffe der DEUTSCHLAND-Klasse und die ersten DREADNOUGHTs und Großen Kreuzer bis einschließlich VON DER TANN sind von dieser Überlegung geprägt. Dann ändert sich etwas aber dazu später mehr.

Soweit ich weiß, waren die Böschungen dieser Linienschiffe und frühen Dreadnoughts recht stark ausgebildet. Aber dem Gedanken des damaligen Schutzkonzeptes zufolge erwartete man entscheidende Kampfbegenung bei relativ kurzen Distanzen (6.000 bis 8.000 yard galten als große Entfernung), wobei der Gürtel allein nicht genügt, um die zerbrochene Geschoßteile, die noch mit sehr hoher Geschwindigkeit weitergehen von den Vitalia fernzuhalten. Mit intakten Durchschlägen rechnete zu dieser Zeit noch niemand. Panzerdecksböschung und Kohlenbunker hatten die Aufgabe die Trümmer und blinden Geschoßteile von den Vitalia abzuhalten. Dem kamen zwei Annahmen zugute:
Zum einen waren bei den angenommenen Geschwindigkeiten die Fallwinkel der Geschosse sehr gering, was den Durchschlag durch den Gürtel zwar begünstigt, den darauffolgenden Durchschlag durch die fast horizontale Panzerdecksneigung aber erschwert.
Zum anderen war die Nasenform der damaligen Geschosse sehr spitz (etwa 2 Durchmesser anstelle von 0.9 bis 1,5 in den Dreißigern), was zwar eine hervorragende Durchschlagsleistung bei rechtwinkligen einschlägen erzeugte, aber der Durchschlag im Winkelbeschuß war in deren Folge auch ausgesprochen schlecht.
Das Schutzschema ist darauf ausgelegt. Nur geringe SA-Rohrerhöhungen wurden eingeplant, eine hohe Feuergeschwindigkeit war dagegen angestrebt. Dies ist auch der Ursprung der dezentralisiserten Feuerkontrolle von SA und MA und der exzessiven Pumpeinrichtungen (für BAYERN ist z.B. eine Pumpenkapazität von 11.100ts/h im Goodall-Report verbürgt). Jede Form des horizontalen Panzerschutzes, der innerhalb der Zitadelle über Splitterschutz hinausging wurde zugunsten ausgedehnter Vertikalpanzerflächen vermieden. Die stark ausgebildeten Böschungen dienten dagegen zur Verstärkung des Seitenschutzes und waren im Lichte des Erwartungshorizontes "kurzer" Entfernungen* durchaus erwünscht. Die älteren Linienschiffe (und in gewisser Hinsicht auch Schlachtkreuzer) waren geschützt, um auf sehr kurze Entfernungen* den Kampf auszutragen.
Mit den sukzessiven Verbesserungen in Feuerleittechnik und Geschossen wuchsen die Kampfentfernungen enorm an. Diese Entwicklung war bereits 1912 nach den Ergebnissen von Krupp´s neuen L3.1 PzSpGr bei Meppen vom K-Amt antizipiert worden. Bei den dadurch gestiegenen Entfernungen wurde auch die immer geringer werdende Durchschlagskraft vom Gürtel überkompensiert. Bei der KÖNIG und KAISER-Klasse hatten die Böschungen daher keine echte ballistische Funktion mehr und waren -wie andere Horizontalflächen auch- auf Splitterschutz reduziert worden. Das freiwerdende Gewicht ging in den Vertikalpanzer.
Bei der MOLTKE-Klasse kann man diesen Prozess auch sehr gut bei Grießmer nachlesen.

Es sind im wesentlichen vier Entwicklungen die eine Veränderung der Wahrnehmung und auch des Schutzkonzeptes der Linienschiffe und Großen Kreuzer evozieren:

[1] Der russisch-japanische Krieg in welchem erstmals ein Seegefecht ausschließlich auf enorm große Distanzen geführt wurde (95hm)

[2] Die Einführung der Funkentelegraphie in den Schiffen seiner Majestät, was erstmals neue taktische Leitungsmöglichkeiten der Flotte erlaubt (anstelle von Flaggen- und Lichtsignalen)

[3] Die Ergebnisse der Sommermaneuverübungen 1907 bis 1910, indem Gefechte erstmals auf Distanzen über 100hm simuliert wurden (auch wenn Tirpitz zunächst nicht davon überzeugt ist, dass auf dieser Entfernung mit Wirkungsfeuer zu rechnen ist)

[4] Im deutschen Panzerwerk treten neue Firmen auf: Midvale, Dillinger, Skoda und Thyssen. Die Aussicht, dass Midvale KC Panzer für 400 Mark weniger pro Tonne liefert als Krupp erzeugte einige politische Diskussion seinerzeit über die Beschaffungsvorgänge des Marineamtes

In deren Folge sieht sich Krupp gezwungen, sein KC etwas zu verbessern. Die Stahlqualität wird zunehmend besser, was vorallem dazuführt, dass KC zunehmend weniger schockempfindlich wird. Ältere, weiche Kappen (glockenförmig) wie sie noch um 1902 neu eingeführt wurden, schiene keine Wirkung gegen den neuen KC Panzer zu haben. Allerdings traf das nicht auf die Hadfield-firth-Kappe zu, die deswegen übernommen un weiterverbessert wurde.

In der Folge war Krupp durhc den besseren KC Panzer auch gezwungen, die Projektile zu verbessern. Man tauschte Grf.88 aus und ersetzte es mit TNT in Blöcken. Die englischen weichen Kappen wurden speziell gehärtet und bei Tests funktionierten diese Kappen, unabhängig vom Einschlagwinkel immer. Deswegen ist KC auch unfähig die späten Weichkappengeschosse 1912-1928 zu zerbrechen, da Krupp auch davon ausgeht, dass andere Marinen die Hartkappengeschosse einführen werden. ein Irrtum.
Das Marinamt (W-Abteilung) setzt eine neue Spezifikation heraus: Alle künftigen Krupp Geschosse müssen in der Lage sein, 0.5 kaliberstarke KC Platten bei 30 Grad Einschlagwinkel und 500m/s Geschwindigkeit in intaktem, voll zündfähigem Zustand zu durchschlagen.
Damit ist der Marine eine entscheidender technologischer Durchbruch verschaftt worden: Nichts geringeres als das erste verzögerungsgezündete AP-Geschoß.
Übrigens bleibt die Nasenform zunächst bestehen. Was dazu führt, dass ein 30.5cm Psgr bei 500m/s und rechtem Winkel exakt 460mm KC Panzer durchschlägt aber nur 150mm bei 30 Grad in zündfähigem Zustand (knapp 200mm zerbrochen). Die Idee ist also einen intakten Durchschlag zu erzeugen, der dann den Kohlenbunker durchdringt und auf den Böschungen oder am Deckspanzer hochexplosiv detoniert. Damit hätte man die kleine HE-Ladung eines solchen Geschosses genau dorthin zur Detonation gebracht, wo es am wirksamsten ist: In den Vitalia des Feindschiffes statt an dessem Panzer. Die Splitterdecks sind allesamt nicht stark genug um solche Nahdetonationen zu neutralisieren.
Nun blicken wir nocheinmal zurück zu den Schutzschemata zurück. Von der BRAUNSCHWEIG bis zur KAISER Klasse ändert sich wenig. Erst mit MOLTKE sehen wir eine Abkehr von den starkgepanzerten Böschungen. Der Gürtelpanzer wird wieder verstärkt (von 250mm der VON DER TANN zu 270mm in MOLTKE und 300mm in SEYDLITZ). Das Hauptpanzerdeck wird erheblich angehoben und in der Neigung verstärkt (d.h. Schutz der Böschung wird verringert!). Die einzige Erklärung, die ich dafür hab ist dass in Verbindung mit dem leicht verbesserten KC Panzer und den angestiegenen Gefechtsentfernungen wieder Hoffnung in der Wirksamkeit des Seitenschutzes ausgedrückt wurde. 270mm KC + 4m Kohlenschutzbunker entsprechen in der Schutzwirkung ziemlich genau 13,2 Zoll KC. Das ist wahrscheinlich nicht nur zufällig sehr nahe am Kaliber neuer britischer Schlachtkreuzer und Linienschiffe! Aus den jüngsten, größeren Entfernungen kommt man nicht mehr durch bis auf die Böschungen, daher ist ihre Schutzwirkung zunehmend zu vernachlässigen. Wir sehen das nicht nur Bei MOLTKE, SEYDLITZ und DERFFLINGER- in allen Fällen sind die Böschungen nur etwa 50mm stark und daher kaum splittersicher, wir sehen das auch bei den Linienschiffen der KÖNIG- und BAYERN-Klasse, deren Seitenschutz mit Kohlebunker etwa 16,2 Zoll stark ist.

Das ansteigen der Gefechtentfernung ist auch der Grund für die Anstrengungen zur Integration der Feuerkontrolle, die Einführung größerer Entfernungsmesser, zentralisierter Beobachutungspositionen auf stabilem Dreibenmast (erstmal in SMS BLÜCHER), schließlich die nachträgliche Anpassung der Lade- und Richtmittel um immer größere Rohrerhöhungen zu erlauben (bereits 1915 begonnen).
Um diese Zeit wird auch die Sekundärartillerie nicht mehr mit APC Munition sondern ausschließlich mit HE-Munition ausgerüstet, da korrekterweise angenommen werden muß, dass auf den größeren Gefechtsentfernungen nicht mehr mit Durchschlägen auch des leichteren Panzers gerechnet werden kann.
Auch seltsame Entwicklungen fanden statt. So setzte man große Hoffnungen in die Entwicklung der Torpedowaffe. Sie wurde immer größer, von ursprünglich 45cm Projektilen mit einer Reichweite von 40hm, was noch um 1908 ausreichend war hin zu 50cm Projektilen mit einer Reichweite von bis zu 100hm kurz vor dem ersten Weltkrieg und weiter zu den enormen H8 Typ mit 60cm Durchmesser, der eine Entfernung von 150hm laufen sollte. Eine weitere Steigerung war mit dem mit 180hm Reichweite beifferten J9 geplant, der im Krieg jedoch nicht mehr eingesetzt wurde, genausowenig wie der Torpedorevolver, eine art Schnelladevorrichtung mit Trommelmagazin...
 
[...]
Es sind im wesentlichen vier Entwicklungen die eine Veränderung der Wahrnehmung und auch des Schutzkonzeptes der Linienschiffe und Großen Kreuzer evozieren:

[1] Der russisch-japanische Krieg in welchem erstmals ein Seegefecht ausschließlich auf enorm große Distanzen geführt wurde (95hm)
[...]

Was war mit den in Deutschland gebauten Panzerschiffen für China, der Ting Yuen und Chen Yuan? Interssant vor allem, weil das Seegefescht 1894 beim Yalu m.E. eines der ersten wichtigen Panzerschiffgefechte ist, seit der Schlacht bei Lissa 1866 ...

Immerhin haben wir hier wahre Ergebnisse bezüglich, Durchschlagskraft, Feuergeschwindigkeit und Beweglichkeit der Flotte bzw. Fahrgeschwindigkeit ...
 
Sehr gute Überblicksdarstellungen!

Allerdings fällt hier inzwischen das Diskutieren etwas schwer, ohne direkten Griff in die Fachliteratur.

Deshalb eine Nachfrage aus der Hand: die Idee der Böschungspanzerung ist vor den Linienschiffen bei den Kreuzern (geschützte- bzw. Panzerkreuzer) zu sehen.

Hier war der Grundgedanke, dass die Panzerung an der Wasserlinie oder knapp darüber durchschlagen werden kann. Die gleiche Diskussion (siehe die Fachartikel in Brasseys 1902) war vor der Jahrhundertwende nun selbst bei den am stärksten gepanzerten Schlachtschiffen akut, da man aufgrund der Geschütz-, Geschoss- und Treibmittelentwicklung in Kombination mit vermuteter Gefechtsentfernung trotz gestiegener Leistungsdaten der verwendeten Panzerplatten und den verwendeten Panzerstärken davon ausging, dass dieser Seitenpanzer letztlich durchschlagen werden würde.

Das Schlachtschiff wurde gewissermaßen im Wettlauf von Geschoss und Panzer zum "Kreuzer", der Vertikalschutz wurde quasi relativiert.

1. Von daher ist naheliegend, dass von den Kreuzern bekannte Schutzsystem zu übernehmen, und den Horizontalpanzer auf die Unterkante des starken Gürtelpanzers abzuknicken, da dieser keine hinreichende Sicherheit bot. Ist der Gedanke vertreten worden?

2. Kohlebunker haben die unangenehme Eigenschaft, leergeräumt bzw. "leergefahren" zu werden. Die Schutzeigenschaft verändert sich dabei sogar degressiv, bei ansteigendem Leerraum. Wir haben damit das Phänomen einer volatilen Panzerung, wäre die Addition Kohle/Stahlpanzerung in den Primärquellen nachzuweisen. Ist das der Fall? Oder liegt hier vielmehr Rezeptionsgeschichte späterer Jahrzehnte vor?
 
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[...]Deshalb eine Nachfrage aus der Hand: die Idee der Böschungspanzerung ist vor den Linienschiffen bei den Kreuzern (Geschütze bzw. Panzerkreuzer) zu sehen.[...]
1. Von daher ist naheliegend, dass von den Kreuzern bekannte Schutzsystem zu übernehmen, und den Horizointalpanzer auf die Unterkante des starken Gürtelpanzer abzuknicken. Ist der Gedanke vertreten worden?
[...]

Also ich war der Meinung, daß der Panzerschutz hinter dem Gürtelpanzer, auf den Schutz der Maschinenanlagen geschuldet ist. Bei einem Kreuzer, um den Zeitraum zurückzudrehen, der als Kreuzer bzw. Panzerkreuzer anzusehen ist, geht es bis zur russischen General Admiral zurück, doch hier sind wir weit von einer Panzerung mit Böschung entfernt.
Doch denke ich, hat der Gürtelpanzer seine eigene Geschichte als vertikaler Panzerschutz, der Böschungspanzerschutz gehört zur horizontalen Schutzebene.
Als Schlagwort sei hier der Zitatelpanzerschutz genannt, der nicht nur vertikale Schutzfunktion übernehmen sollte, sonder einen Rundumschutz bieten sollte.

Im Fall des Böschungspanzerschutzes spielt der Blick auf den Einfallwinkel der Geschoße eine wesentliche Rolle, so dachte ich bisher.
In der kaiserlichen Marine tauchen die Böschungen als Panzerschutz bei Linienschiffen wie großen Kreuzern etwas zeitversetzt auf, zuerst wie o.g. beim Linienschiff C - F, Amtsentwurf 1897-99 und beim großen Kreuzer B und Ersatz König Wilhelm, Amtsentwurf 1899 -00.

Bei welchen Schiff wurde denn bewusst eine Panzererung in Form eine abgewinkelten Böschung als Panzerschutz innerhalb des Rumpfaufbaus genutzt?
 
Sehr gute Überblicksdarstellungen!

2. Kohlebunker haben die unangenehme Eigenschaft, leergeräumt bzw. "leergefahren" zu werden. Die Schutzeigenschaft verändert sich dabei sogar degressiv, bei ansteigendem Leerraum. Wir haben damit das Phänomen einer volatilen Panzerung, wäre die Addition Kohle/Stahlpanzerung in den Primärquellen nachzuweisen. Ist das der Fall? Oder liegt hier vielmehr Rezeptionsgeschichte späterer Jahrzehnte vor?

Das ist in der Tat der Fall! Ich schaue nochmal in meinen Unterlagen nach, aber ich erinnere mich daran, dass in der Diskussion Tirpitz mit dem K-Amt zur Frage des Schiffsdiesels und der Umstellung auf reine Ölfeuerung diese Frage berührt wurde. BAMA Quelle folgt.

Die oben angeführten Umrechnungen sind ebenfalls einer zeitgenössischen US BuOrd Quelle entnommen und haben daher Primärquellencharakter.

Der Kohlenbunker wird übrigens nur im Notfall "leergefahren". Zwar werden die Kohlenbunker oberhalb der Böschungen beräumt, nicht jedoch die in den Böschungen verbliebenen Kohlen. Sie werden durch Verbrauch "getrimmt", d.h. zum Panzer gerichtet und umgeschichtet. Erst wenn der primäre Kohlenvorrat in den Flügelbunker aufgebraucht und auch der in den unteren Kohlenzellen leergefahren wurde durfte man Kohle auch aus den Böschungen entnehmen. Das gilt natürlich nicht für Schiffe mit Stabilitätsproblemen, sie mußten grundsätzlich *alle* oberen bunker zuerst aufbrauchen bevor die unteren zellen entleehrt werden durften. In vielen Fällen war die Entnahme von Brennstoffen aus den unteren Zellen nicht gestattet, aber das war kein Problem der RMA, die grundsätzlich einer sehr großen Stabilität immer den Vorrang gab.
Das ging soweit, dass man künstliche Schlingertanks einbaute, um trotz der hohen metazentrischen Stabilität nicht so heftig "herumzuwippen". Diese wurden im oberen Aufbaudeck eingesetzt und von der Fa. Frahm geliefert. In Amerika wollte man riesige, elektrische Gyroskope einbauen, um zusätzliche "Ruhe" in der Schiffsbewegung zu erzeugen. Funktioniert hat das aber in keinem der Fälle und die Prototypen sind nach kurzer Zeit wieder ausgebaut worden.
 
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