Vegetarismus im 18.Jh.

Ich hätte jetzt darauf getippt, dass man z.T. in den Texten einfach so schrieb wie man sprach. D.h. dass sich Mundart auch durchaus in solchen Texten niederschlagen konnte. ("Dienstbotten" statt "Dienstboten", "scharpfen" statt "scharfen", "Purschen" statt "Burschen", "verbottenem" statt "verbotenem", "Verzeichnus" statt "Verzeichnis" usw.)
 
Ja, ich hatte inzwischen auch noch etwas recherchiert und war bereits zu dem gleichen Ergebnis gelangt, nämlich das u = Ü sein sollte. Ich hatte es nur nicht hier herein posten wollen, weil es eigentlich abseits des Themas lag. :)

Apropos:

Hat man im 18. Jahrhundert eigentlich schon Paprika, Schlangengurke und Auberginen in Nordeuropa gegessen? Von Tomaten weiß man ja, dass sie sich etwa um diese Zeit zu etablieren begannen...
 
Hat man im 18. Jahrhundert eigentlich schon Paprika, Schlangengurke und Auberginen in Nordeuropa gegessen? Von Tomaten weiß man ja, dass sie sich etwa um diese Zeit zu etablieren begannen...

Tomaten waren wohl noch recht exotisch. Allerdings habe ich schonmal ein Rezept für eine Tomatensauce gefunden (ich bin mir aber nicht mehr sicher von wann exakt, irgendwann im 18.Jh. jedenfalls). Die Tomaten wurden als "Pomo d'amore" bezeichnet und das Rezept bestand eigentlich nur darin sie durch ein Sieb zu passieren, aufzukochen und kräftig zu würzen.
 
Ein Großteil der Bevölkerung im 18. Jahrhundert in den deutschen Ländern ernährte sich zum großen Teil vegetarisch, Fleisch oder Fisch kam nur selten auf den Tisch.

Wobei ich zaudere, ist, eine aus Not und Armut herausgegangene Küchenkultur vegetarisch zu nennen. Bei der überwiegenden Mehrheit handelte es sich ja nicht um eine bewusste Ernährungsweise, sondern die Ernährung war viel mehr diktiert von Angebot und Nachfrage, von Brot- und Getreidepreisen, von der Intensität des Kartoffelanbaus, von Jagd und Fischereirechten, von der Möglichkeit der Proteinbeschaffung etwa durch Vogelfang.

Ortsnamen wie Dohnensteig, Vogelherd, Entenfang und ähnliche erinnern daran, dass Singvögel gegessen und gefangen wurden. Das Volkslied Alouette handelt von den Vorbereitungen, eine Lerche küchenfertig zu machen und zu rupfen.
 
Ein Großteil der Bevölkerung im 18. Jahrhundert in den deutschen Ländern ernährte sich zum großen Teil vegetarisch, Fleisch oder Fisch kam nur selten auf den Tisch.

Welchen Quellen entnimmst Du das? Ich hatte vor Jahren etliche Baurechnungen des 18. Jahrhunderts in den Fingern; sofern da Nahrungsmittel verrechnet sind, kann ich mich an ordentliche Fleischportionen auch für die Gesellen und Handlanger erinnern.
Im Zeitalter der Industrialisierung dürfte allerdings der Fleischverzehr signifikant gesunken sein.

In Deutschland werden derzeit ca. 55 kg Fleisch pro Kopf und Jahr verzehrt.

Hier mal Zahlen aus Wien (da hat man wohl vergleichsweise tüchtig zugeschlagen):

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden etwa 70 kg Fleisch, Geflügel und Fisch pro Kopf und Jahr verzehrt, um 1784 sogar 86 kg. Der im 18. Jahrhundert allmählich sinkende traditionell hohe Weinkonsum wurde durch den steigenden Bierkonsum annähernd wettgemacht. Während um 1730 pro Kopf jährlich etwa 225 Liter Wein und Bier getrunken wurden, waren es um 1780 bereits 267 Liter. Welche vielfältige Speisenfolge eine Mahlzeit im frühneuzeitlichen Wien aufweisen konnte, lässt sich anhand erhaltener Speisekarten von Gasthäusern zumindest für jenen Teil der Bevölkerung, der sich solche Menüs auch leisten konnte, annähernd umreißen. Dieser Teil kann nicht ganz unbedeutend gewesen sein, denn Speisen mit »vier Schüsseln« waren noch in josephinischen Zeiten um 6 kr zu haben, sechs Speisen erhielt man vor 1740 schon um etwa 10 kr. Das war etwa für Gesellen im Baugewerbe zumindest das eine oder andere Mal in der Woche nicht unerschwinglich, bekamen sie doch im Sommer 24-27 kr Taglohn. Im Jahr 1745 umfasste ein 7-Kreuzer-Menü eine Suppe, Rindfleisch mit Kren und Gurken, eine Portion Gemüse und eine Portion eingemachtes oder gebratenes Fleisch. An Fasttagen ersetzten Fisch und Mehlspeise die Fleischgänge.

https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.7767/boehlau.9783205127734.133
 
Ins frühe 18. Jh. fällt eine Beschwerde der Bediensteten am sächsischen Hof von August dem Starken: die Beschwerde teilte mit, dass man sozusagen schäbigerweise vier oder fünfmal je Woche Lachs statt besserer Lebensmittel bekäme. Lachs soll eine Art Billigessen oder Armeleuteessen gewesen sein und man erwartete als Arbeitskraft am Hof des Kurfürsten anständigere Speisen als Teil der Entlohnung.
(leider kann ich keine Quelle dazu mitteilen, ich erinnere mich nur, das im Spiegel (?) in einem Artikel über die Entwicklung der Fischbestände in der Elbe gelesen zu haben und war erstaunt)
 
Ein Großteil der Bevölkerung im 18. Jahrhundert in den deutschen Ländern ernährte sich zum großen Teil vegetarisch, Fleisch oder Fisch kam nur selten auf den Tisch.
Da schließen ich mich den Zweifeln von @dekumatland und @Sepiola an. Man wird weniger wählerisch in der Fleischauswahl gewesen sein, so fern man es sich leisten konnte. Man versuchte buchstäblich alles vom Tier zu verwursten. Dabei sind allerdings oft schmackhafte neue Kreationen herausgekommen. Es gibt z.B. in der traditionellen Nordhessischen Küche einige fleischhaltige "Arme-Leute-Gerichte", die höchstwahrscheinlich nicht erst im 19. Jahrhundert aufkamen:
- Kasseläner Sulperknochen: gekochte Schweinefüße und -schnauze
- Weckewerk: Hackfleisch, Innereien, Blut, Schwarten durch den Fleischwolf gejagt und mit Paniermehl von alten Brot/Brötchen (Wecke) gestreckt.
- Griebenschmalz: Beim Ausbraten der Fett- und Lederhaut des Schweines entsteht der Schmalz. Die Grieben (süddt. Grammeln) sind die Reste, die bei diesem Ausbraten übrig bleiben.
- Schwälmer Kartoffelwurst: Bei der man das Fleisch für die traditionelle Ahle Worscht mit Kartoffelbrei streckte und dann verwurstete (gut, diese Wurst wurde bestenfalls ab Ende des 18.Jahrhunderts hergestellt. Kartoffeln als Massennahrungsmittel kamen ja erst ab dem 18.Jh auf)
 
Welchen Quellen entnimmst Du das? Ich hatte vor Jahren etliche Baurechnungen des 18. Jahrhunderts in den Fingern; sofern da Nahrungsmittel verrechnet sind, kann ich mich an ordentliche Fleischportionen auch für die Gesellen und Handlanger erinnern.
Im Zeitalter der Industrialisierung dürfte allerdings der Fleischverzehr signifikant gesunken sein.

In Deutschland werden derzeit ca. 55 kg Fleisch pro Kopf und Jahr verzehrt.

Hier mal Zahlen aus Wien (da hat man wohl vergleichsweise tüchtig zugeschlagen):

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden etwa 70 kg Fleisch, Geflügel und Fisch pro Kopf und Jahr verzehrt, um 1784 sogar 86 kg. Der im 18. Jahrhundert allmählich sinkende traditionell hohe Weinkonsum wurde durch den steigenden Bierkonsum annähernd wettgemacht. Während um 1730 pro Kopf jährlich etwa 225 Liter Wein und Bier getrunken wurden, waren es um 1780 bereits 267 Liter. Welche vielfältige Speisenfolge eine Mahlzeit im frühneuzeitlichen Wien aufweisen konnte, lässt sich anhand erhaltener Speisekarten von Gasthäusern zumindest für jenen Teil der Bevölkerung, der sich solche Menüs auch leisten konnte, annähernd umreißen. Dieser Teil kann nicht ganz unbedeutend gewesen sein, denn Speisen mit »vier Schüsseln« waren noch in josephinischen Zeiten um 6 kr zu haben, sechs Speisen erhielt man vor 1740 schon um etwa 10 kr. Das war etwa für Gesellen im Baugewerbe zumindest das eine oder andere Mal in der Woche nicht unerschwinglich, bekamen sie doch im Sommer 24-27 kr Taglohn. Im Jahr 1745 umfasste ein 7-Kreuzer-Menü eine Suppe, Rindfleisch mit Kren und Gurken, eine Portion Gemüse und eine Portion eingemachtes oder gebratenes Fleisch. An Fasttagen ersetzten Fisch und Mehlspeise die Fleischgänge.

https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.7767/boehlau.9783205127734.133

Etwa Quellen aus Franken, Ernst Schubert Arme Leute, Bettler und Gauner in Franken im 18. Jahrhundert. Das Buch habe ich om Moment verliehen, aber die Ernährung in Teilen Hessens im frühen 19. Jahrhundert war eine sehr karge, bestehend fast ausschließlich aus Kartoffeln und Milchprodukten. Die Kartoffel war auch im 18. Jahrhundert schon weit verbreitet, schon vor der Hungerkatastrophe von 1770/71 war sie in vielen deutschen Ländern schon weit verbreitet. Im 16. . Jahrhundert war zeitweise der Fleischkonsum noch höher, es gab die berühmten Ochsentrecks, tatsächlich wurde in gewissen Kreisen viel Fleisch verzehrt. Das Einkommensgefälle im 18. Jahrhundert war aber ein sehr großes, und die Tafel sehr ungleich gedeckt. Eine sehr weit in die Mitte der Gesellschaft reichende Massenarmut war charakteristisch. Auf dem Land wo Viehhaltung geübt wurde, waren auf manchen Höfen die Kalorien die Tagelöhnern ausgegeben wurden beachtlich, auch an tierischen Proteinen. Kalorisch reichhaltig und mit Fleischrationen waren teils auch Rationen für Soldaten. Das waren in manchen Fürstentümern mehr als 10 % der Bevölkerung, dennoch sind in vielen Mittelgebirgsregionen wie in der Eifel, Hunsrück, Rhön, Vogelsberg, Knüll, Westerwald, Voigtland äußerst karge Ernährungsgewohnheiten überliefert. Schubert schreibt, in mehreren Regionen Frankens seien Bauern und Tagelöhner, die sich am Sonntag Sauerkraut mit etwas Speck leisten konnten, schon als wohlhabend betrachtet worden. Er schreibt, dass die Armut unter Tagelöhnerinnen, die im Weinbau beschäftigt waren, sehr groß war, das sie fast schon sprichwörtlich war. "Arm wie ein Häckerweib" hieß es. In fruchtbareren Regionen Nordhessens, war der

Viele Gewässer waren tatsächlich sehr fischreich, die Fischereirechte waren aber recht exklusiv, ich habe auch schon davon gelesen, über die Beschwerde wegen des Lachs, die Mehrzahl der Untertanen konnte sich Fleisch nicht oft leisten.
 
die Ernährung in Teilen Hessens im frühen 19. Jahrhundert war eine sehr karge
Mir ging es eigentlich ums 18. Jahrhundert.
Im frühen 19. Jahrhundert gab es auch sehr harte Zeiten. Zu den Folgen der Napoleonischen Kriege gesellte sich zu allem Unglück noch das durch einen Vulkanausbruch verursachte katastrophale "Jahr ohne Sommer".


Kalorisch reichhaltig und mit Fleischrationen waren teils auch Rationen für Soldaten.

Siehe z. B. hier:

"A. Einquartierung und Verköstigung
1793 wurde eine Verrechnungsordnung erlassen. Es wurde verrechnet:
1. Für die Verköstigung eines Mannes mit 2 Pfund Brot, 1 Pfund Rindfleisch und 1 Maß Bier
der aktuelle Preis"

https://www.heimatverein-gutmadingen.de/app/download/5816575861/Militär+und+Kriegssachen.pdf
 
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