Die Abkühlphase ist beendet, der Thread wieder eröffnet. Viel Spaß bei der weiteren Diskussion.
...steht zu hoffen, dass kurze Einfrostung positive Folgen zeitigt...
ob die weitere Diskussion Spaß macht, kann ich nicht beurteilen - ja ich kann sogar nichts neues beitragen, sondern muss mich wiederholen: es ist nach wie vor inakzeptabel, die aremoricanischen Veneti (welche zu den Kelten zählen*)), die antiken Veneter des Adria-Alpenraums**) und die "Weichsel-Veneter"***) in einen Topf zu werfen; der einzige Topf, in den sie hineinpassen, ist der der zufälligen Namensgleichheit/ähnlichkeit in antiken lat. und griech. sowie in spätantiken lat./griech. Quellen.
Es gab zeitweilig,
geprägt von nationalistischen Interessen, die unkritische Gleichsetzung "Weichsel-Venedi = Wenden = Slawen" - es ist offensichtlich, dass dahinter slawophile Interessen stehen (a la
hurra, die Venedi an der Weichsel, zeitweilig mal von irgendwelchen Gotenkönigen besiegt, sind Wenden/Slawen und ergo sind die Gebiete, wo diese Wenden=Venedi hausten, urslawische Heimat) Aber davon hat sich dankenswerterweise ein Großteil der osteuropäischen Historiker und Sprachhistoriker verabschiedet. --- ich denke, dass wir diese Mottenkiste ad acta legen können. Man weiß schlichtweg nicht, ob der Name
Wenden (für slawische Bevölkerung/en im Frühmittelalter) von
(Weichsel)Venedi stammt - kann sein, muss nicht sein, bleibt offen. Was man aber weiß, wenn denn schon partout Slawen in die Veneterdiskussion eingebracht werden, ist folgendes:
dass einige Ethnonyme slaw. Gentes anfänglich nichtslawische Gruppen benannten: da wären die Protobulgaren, die Anten und die (Weichsel)Venedi zu nennen:Die Goten: von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts ... - Herwig Wolfram - Google Books Hier erläutert quellengestützt der Gotenpapst****) Wolfram
sehr gründlich, wie es um den Namen "Vinitarius" (Wendenbesieger) in der origo gotica bestellt ist. Um das abzukürzen (man kanns ja nachlesen) : die im 4./5. Jh. von den Goten besiegten Veneti (falls es so einen Sieg überhaupt gab) waren keine Slawen. Ermanarichs und Vinitarius mögen diverse Venedi und Anti besiegt haben, aber diese waren noch nicht slawisch. Erst um den aktuellen Zeithorizont*****) von Cassiodor und Iordanes herum tauchen erstmals Zusammenstellungen wie
Anten, Wenden, Sclavenen für slaw. Völker
als Novum (!!) auf. Vorher gibt es keine eindeutigen Quellen zu slaw. Gentes. Und damit stehen Sprachvergleiche zwischen keltischen, ostalpenindogermanischen, adriavenetischen und
mindestens 600 Jahre späteren proto-westlawischen Sprachen auf äußerst wackeligen Füßen. (Muss ich nochmals erwähnen, wie viele Jahrhunderte zwischen der antiken Erwähnung der Weichselvenedi und der slaw.Landnahme liegen?)
Das referiert auch Gvozdanovic kurz zu den Weichselvenetern (also die Quellenlage) und ihr Aufsatz
prüft eine Hypothese (ob es nachweisliche Verbindungen zw. diversen Venedi-Sprachen und protowestslawischen bzw. protoslaw. Sprache gibt) Die Crux dabei ist, dass weichselvenetische Sprachtrümmer gänzlich fehlen, dass auch für die Region keine frühmittelalterlichen oder gar antiken Orts- und Flurnamen******) vorliegen
...jetzt wage ich auch mal das spekulieren:
in der Antike scheint es an der Ostsee und Weichsel eine Bevölkerung gegeben zu haben, die
Venedi genannt wurde; diese Venedi scheinen weder germanische noch baltische Gentes gewesen zu sein. Im Zuge der slaw. Landnahme des 6.-7. Jhs. wurden diese slawisiert. Der Venedi-Name blieb als Fremdbezeichnung bzw. wurde kollektiv von den germanischen Nachbarn, die sich territorila und staatlich gefestigt hatten (Merowinger, Karolinger, Salinger), auf die unruhigen neuen Nachbarn übertragen. Aber dieser "Wenden"-Name für slaw. Nachbarn (eine Fremdbezeichnung! nachlebend in Orstnamen wie Windisch-Bohra und Deutschen-Bohra)
hat absolut nichts mit aremoricanischen und Adria-Venetern zu tun
...und um das spekulieren wieder zu verlassen: ich bin nicht davon zu überzeugen, dass mittelalterliche Ortsnamen im Alpenraum (die fürs Mittelalter interessant sind) uns - egal wie detailliert sie untersucht werden - Auskunft über aremoricanische, adriatische und "weichselige"
Vened/ti erteilen können.
__________
*) das schreibt auch Prof. Gvozdanovic, Heidelberg, in einem Aufsatz, der sich mit einer Hypothese befasst
**) von denen man immerhin Sprachzeugnisse hat, welche sie deutlich vom keltischen Sprachzweig trennen
***) in der Antike mehrmals ohne Zuordnung erwähnt - später (Spätantike, Frühmittelalter) tauchen erneut aber sporadisch osteuropäische Veneti in den Quellen auf, allerdings gut 500 Jahre nach Tacitus
****) das ist nicht abfällig gemeint: Wolfram ist für die historische Ethnpographie der Goten derzeit schlichtweg
die Instanz
*****) vgl. Wolfram, die Goten, zu Cassiodor & Iordanes
******) diskutiert werden die wenigen vorhandenen antiken
latinisierten/graecisierten Namen