Verbreitung des Christentums

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Das Thema "Entstehung der christlichen Großkirche?" gibt es bereits. Wäre es nicht übersichtlicher, die Diskussion über die korrekte Verwendung des Begriffs HIER fortzuführen?
Danke für die Übersicht. Wie gesagt, hätte ich auch den Namen "katholisch" akzeptiert.
Das erste post von Chan umfasste einen Haufen Punkte, von denen ein Großteil in andere Foren passen würde. Überschneidungen sind Legion. Ich schlage vor, wir verzweigen das nicht. Schließlich reagiere ich auf Aufforderungen aus diesem thread.
 
imein Tipp hierzu ist: von Peter Brown das schmale Bändchen "die letzten Heiden" lesen
Danke für den Tip aber wie wäre es, wenn Du mir einfach die wichtigsten Thesen referierst?
Chan hatte in seinen Thesen, um die es ja in diesem thread geht, die soziale Komponente, als Reaktion auf die Unterdrückung der Menschen im Römischen Reich durch die Obrigkeit, genannt. Ich sehe das zwar in einem anderen Zusammenhang, unterstütze die These aber:
Das frühe Christentum könnte eine Art anarchistisches Projekt gewesen sein:
Kein wirkliches Eigentum, keine Gewalt und als einzige Strafe der Ausschluss aus der Gemeinschaft, wenn man sich nicht an die gemeinsamen Regeln hielt. Die Gemeinde in Korinth wird von Paulus ähnlich beschrieben und die Apostelgeschichte stellt die Urgemeinde von Jerusalem so da. Das könnte auch den großen Erfolg unter armen Menschen erklären (Stichwort "die besten Müller, die schlechtesten Philosophen"). Für mich ist das plausibler als die religiösen Jenseitsvorstellungen, höre mir aber gern die Gegenargumente an, wenn sie denn so überzeugend sind.
 
das finde ich auch erstaunlich, da ansonsten erst im Verlauf des 2. Jhs. und dann im 3. Jh. die Rede von Gnostikern ist.
Und ab dieser Zeit ist "Gnosis" ein abfälliger Begriff für Menschen, die abstrusen religiösen Vorstellungen nachgehen bis zu den absonderlichen Aufzählungen des Epiphanius.
Aber das war nicht immer so. Noch um 200 AD benutzt Clemens von Alexandria den Begriff "Gnosis" durchweg positiv.
Apokryphe Schriften (wie auch das Thomasevangelium) scheinen auf den Zeitraum des 1. und 2. Jhs. und damit auf die sukzessive Ausbreitung der christl. Regligion keine Wirkung gehabt zu haben, was wohl daran liegt, dass es sie (so wie wir sie kennen) zu dieser Zeit noch nicht gab.
Was sind dann aber das Ägypterevangelium und das Hebräerevangelium für Schriften? Sie werden m.W. sogar in den späteren Listen der apokryphen Evangelien geführt. Clemens, Origenes und andere zitieren daraus. Man könnte annehmen, dass das Papias-Zitat bei Eusebius sich auf das Hebräerevangelium bezieht. Andere Kandidaten des dort zitierten Spruchevangeliums (von meinem Postulat abgesehen) haben wir doch nicht. Dann sind wir schon im 1. Jhdt angekommen.
Die "Wirkungslosigkeit" wird uns meiner Meinung nach vorgegaukelt. Man darf den Filtereffekt ab dem 4. Jhdt nicht unterschätzen. Er hat mit Sicherheit viele Spuren verwischt.
 
Die "Wirkungslosigkeit" wird uns meiner Meinung nach vorgegaukelt. Man darf den Filtereffekt ab dem 4. Jhdt nicht unterschätzen. Er hat mit Sicherheit viele Spuren verwischt.
Worauf stützt sich deine Meinung über die angeblich vorgegaukelte Wikungslosigkeit frühchristlicher Splittergruppen? Gibt es irgendeine Quelle aus dem 1.-2. Jh., welche uns verläßlich mitteilt "diese kleine Splittergruppe ist voll total krass relevant (und genau so wollte der gute alte Jesus das haben), aber die bösen Kirchenväter unterdrücken sie und wundersamerweise hören die meisten Leute lieber auf die bösen vorgaukelnden herrschsüchtigen Kirchenväter"? ;)

...verwischte Spuren haben die ärgerliche Eigenschaft, kaum oder gar nicht erkennbarzu sein... Mit verwischten Spuren als Argument beginnt die pure Spekulation.

Bzgl. des Filtereffekts: willst du damit andeuten, dass das Christentum quasi eine Erfindung gelehrter Leute des 4. Jhs. ist? (weil es vorher angeblich ganz anders war, aber leider die Spuren verwischt sind?) Dagegen spricht doch die wissenschaftliche Datierung der Evangelien etc.
 
Gibt es irgendeine Quelle aus dem 1.-2. Jh., welche uns verläßlich mitteilt "diese kleine Splittergruppe ist voll total krass relevant.
Habe ich, glaube ich, benannt: EvÄgypt, EvHebr, EvEbion, EvNaass, EvMatth ... und die Papiasnotiz sowie die Nennung von Simon in der Apg und bei Irenäus.
Ich glaube auch nicht an die "kleinen Splittergruppen". Dafür haben sie für zu viel Wirbel bei den Kirchenvätern geführt. Die Großkirche musste sich von Beginn an bis in das Mittelalter mit einer offensichtlich mächtigen gnostischen Gegenströmung auseinandersetzen.
Bloße Häme und Defätismus kann doch nicht ausreichen angesichts der Ungereimtheiten des frühen Christentums.
Ich teile niemanden in gut und böse ein. Jede Quelle hat das Recht, erst einmal ernst genommen zu werden. Auch Epiphanius, den viele hier als "bösen Kirchenvater" ansehen. Ich bin bestrebt, die Daten in ein System einzugliedern, das in sich so logisch wie möglich ist.
 
Was sind dann aber das Ägypterevangelium und das Hebräerevangelium für Schriften?

Dazu P. Vielhauer und G. Strecker:
Das Hebräerevangelium, … gehörte zur Zeit Eusebs noch zu den Antilegomena; seine wichtigsten Zeugen sind Clemens Alexandrinus und Origenes. Die wenigen erhaltenen Bruchstücke verraten keine besondere Verwandtschaft mit einem der kanonischen Evangelien,…
Eine Einordnung … in die Geschichte und Theologiegeschichte des Judenchristentums ist beim heutigen Stande der Forschung noch nicht möglich.

Zum Ägypterevangelium (nicht zu verwechseln mit dem fallweise auch "Ägyptisches Evangelium" bezeichneten Nag-Hammadi-Text, der überwiegend unter dem Titel "Das heilige Buch des großen unsichtbaren Geistes" genannt wird) meint W. Schneemelcher:

Es bleibt nur zu fragen, ob das Ägev., von dem wir nur die kümmerlichen Reste bei Clemens von Alexandrien haben, ein Evangelium im Stil der kanonischen Evangelien war oder ob es zu der Gattung der 'Dialoge des Erlösers’ gehört hat. Die erhaltenen Fragmente stammen offensichtlich alle aus dem Dialog Jesu mit Salome, entsprechen also der Gattung 'Dialoge', die wir auch sonst als gnostische 'Evangelien' kennen. Aber diese Frage kann nicht beantwortet werden.
 
Danke, Epicharm, doch das habe ich schon gewusst. Die Unterstreichungen scheinen mir überflüssig. Ich frage nicht danach, was gängige Meinung beim Großteil der Historiker ist, sondern ich suche nach Antworten auf offene Fragen. Will denn jemand sagen, die Geschichte des frühen Christentums weise keine Rätsel auf?
 
Ich glaube auch nicht an die "kleinen Splittergruppen". Dafür haben sie für zu viel Wirbel bei den Kirchenvätern geführt. Die Großkirche musste sich von Beginn an bis in das Mittelalter mit einer offensichtlich mächtigen gnostischen Gegenströmung auseinandersetzen.
... Ich bin bestrebt, die Daten in ein System einzugliedern, das in sich so logisch wie möglich ist.

Wenn wir mal die "verwischten Spuren" und die in einem Forum nicht operationale Frage weglassen, was einem "glaubhaft" oder "offensichtlich" erscheint, ist das Resümee aus dem zitierten "From Jupiter to Christ" interessant.

Der Einfachheit halber die Zitate, der recht rigoroser Schluss (unterstrichen) sowie komprimierte Hinweise:

"The city of Rome, as the most important centre of an Empire embracing the entire Mediterranean region, was of course an exceptional case. Metaphors for the enormous scale of cult imports included the view of Rome as a ‘blend of the known world’, and the notion of the Syrian Orontes flowing into the (Italian) Tiber (Juvenal, Satire 3.62). And the heir to this Antiquity was Christianity, the dominance of a monotheism developed from Jewish roots, expressed eventually, in Late Antiquity, in the legal codices enforcing orthodoxy and outlawing apostasy.

This astonishing historical development is not a new theme. Possibly no other theme in the religious history of Antiquity has been so frequently discussed as the reasons for the ‘triumph of Christianity’, or, more romantically, and looking more benevolently on the losing side, the ‘downfall of paganism’.

But the reasons found — the need for redemption, growing individuality, the spiritual sterility of the traditional cults, the organizational superiority of the Christian Church, the inspirational influence of martyrs — are not merely controversial: they are uninteresting. The entire quest for reasons is uninteresting.

What is interesting in the historical relationship between polytheism and pluralism is not who triumphed and why, but why the contest happened in the first place and at what level was it fought?

...what is ancient polytheism and what characterizes it? Firstly, it is not a ‘religion’, in the sense that we speak of Judaism, Islam, and Christianity as religions. Rather, ancient polytheism is the sum of cult acts performed in individual cities. Of course, each of these cities had a hinterland: the question of the polytheism of non-urbanized tribes remains an unanswered one;
I wish only to indicate the problem. What distinguishes the polytheism of the first and second centuries CE? For the sake of brevity, and at the same time to establish a canvas for the developments that followed, I shall confine myself to a few key points and begin by indicating the following striking lacunae:

[komprimiert als "headline": soziologische Ansätze:]

- The absence of geographical hierarchies
- The absence of hierarchies in respect of time
- The absence of a hierarchized world view
- The absence of communicative hierarchies

- PLURALISM AND PLURALITY: ...
It is, however, clear from this very example of the establishment of new cults that in such an open system religious competence was widely distributed. Any attempt to interpret the definitions of new deities on the part of victorious commanders in Republican Rome encounters circumstantial plausibilities, not rules. Controls were in place only in questions of finance and land law (both points already mentioned), and in respect of formalities. The property of new gods had to be clearly attributable, in both architectural and temporal terms. Nobody was unduly concerned if a temple was built for the new gods of ‘Virtue’ and ‘Honour’ instead of for a new Venus or Jupiter...

The system was still largely functioning at the end of the second century; 100 years later it had changed enormously; 200 years later, another system had taken its place. The rise of Christianity, imperial conversion, the administrative suppression of ancient cults already consumed from within: this is an old narrative, long the subject of academic criticism, and even already located historically...

Aristocratic societies are societies based on competition. Such systems profit from the successes of those of their members who wish to distinguish themselves from the rest; they draw their stability from their capacity to arbitrate the differences between those same individuals, and reduce those differences to a minimum...

[weiter komprimiert die folgenden Aspekte:]

- The disintegration of spatial structures
- Time is disassociated, but at the same time hierarchized
- The demise of the philosophical basis of polytheism
- The privatization of religious communication
- Power requires new forms of legitimation

As regards the legal context of pluralism and religious change, however, three further aspects must be noted:

1. the connection between the legitimation of power and the truth criteria for religions,

2. the political character of the concept of religion itself, and

3. a particular connection between monotheism and pluralism: in the development of a competitive pluralism, such as may be observed in Late Antiquity, it is the monotheism of world views that is key, not the number of gods possessed by the particular elements, that is to say whether particular religions have monotheistic or polytheistic structures. But the process by which such a system develops cannot be analysed within a narrowly conceived religious-historical context.

[s.o., S. 170-183]
 
Die frühen Christen waren doch wohl ziemlich harmlose Menschen und doch wurden sie schon bald als Bedrohung angesehen. Was waren die Gründe? Wir hatten:
1) Wirtschaftlicher Schaden im und um den Kult.
2) Aktive Mission
3) Intoleranz gegen "Ungläubige" aus christlicher Sicht (inklusive Staatskult)
4) Rasche Ausbreitung
Du hast die Weigerung der Christen vergessen, Kaiser als Gott anzuerkennen und ihm zu huldigen. Das war Staatskult, und wer sich dem verweigerte, verweigerte sich dem Staat. Das Verhalten der Christen war also staatsfeindlich und für Staatsfeinde gab es nur eine Strafe: „damnatio ad bestias“. Das war überhaupt die Bedrohung, deshalb wundert es mich, dass Du gerade das nicht aufführst. Ich schlage vor, dies als 5. Punkt aufzunehmen.


Mich hat immer Punkt 4) erstaunt. Warum konnte sich der Glauben so ernorm ausbreiten trotz der massiven Widerstände und trotz des Kulturschocks? Die Aussicht darauf, sich mit dem Gegebenen hier zu arrangieren und auf das Heil dort im nächsten Leben zu warten, kommt mir nicht sehr attraktiv vor.
Erstens hat Monotheismus eindeutige Vorteile zu Polytheismus – es gibt nur einen Verantwortlichen für das Weltgeschehen. Und der christliche Gott war kein strafender Gott mehr wie bei den Juden, sondern ein liebender.

Zweitens ist die Frage nach dem Jenseits eine zentrale Frage beinahe aller Religionen, und das Christentum hat dazu eine schöne Perspektive anzubieten: Wenn du dich in diesem Leben gut verhältst, dann wird es dir nach dem Tod auch gut gehen; jedenfalls wird es dir an nichts fehlen. Das ist ein Versprechen, das für arme Menschen, d.h. für schätzungsweise 90% der römischen Bevölkerung, geradezu paradiesisch anmutet.

Drittens wurde die Nächstenliebe tatsächlich praktiziert: Sich um die Armen, Kranken und Waisen zu kümmern, war eine bis dahin nie dagewesene und wirkungsvolle Werbebotschaft. Damals wie heute.

Und viertens forderte der Mut der Christen, notfalls für ihren Glauben zu sterben, nicht nur Respekt ab, sondern sagte auch etwas über ihren Glauben aus: Es muss an diesem Glauben etwas Wahres dran sein, sonst würden diese Menschen nicht ohne Widerstand in den Tod gehen. Dieser Glaube versetzt nicht nur Berge, er überwindet anscheinend auch den Tod.

Das waren u.a die Hauptgründe für die schnelle Ausbreitung des Christentums in den ersten Jahrhunderten. Danach hatte man es als einzig zugelassene Religion im Reich zwar leichter, aber aufgrund der Macht, die ihr als Staatreligion zugewachsen ist bzw. wofür ihr führendes Personal mit allen Bandagen gekämpft hatte, wurde sie auch anfällig für Korruption (Macht korrumpiert eben): Die Lehre Christi (liebe deinen Nächsten) wurde weniger wichtig als Machterhalt. Beispiel für die pervertierte Lehre: compelle intrare – nötige sie, hereinzukommen – als Rechtfertigungsgrund für die Anwendung von Gewalt zur Ausbreitung des Glaubens.

Will denn jemand sagen, die Geschichte des frühen Christentums weise keine Rätsel auf?
Ja, ich. Die Geschichte des frühen Christentums ist erklärbar - siehe oben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Intermezzo zu Plinius:

8. Diese Gerüchte waren unwahr, wie zum Beispiel Plinius an Traian schreibt (um eine nichtchristliche Quelle zu nehmen), jedoch ist dies dem Caesaren nicht wichtig und befürwortet die Verurteilungen.

Ob der Brief von Plinius an den Kaiser, die Christen betreffend, tatsächlich eine "nichtchristliche Quelle" ist, darf in Frage gestellt werden. Erste Zweifel äußerte der Theologe Johann Salomo Semler schon 1788.

Ich nenne, aber ohne Bezug auf Semlers Argumente, die ich im einzelnen nicht kenne, einige heikle Punkte (um Überlänge zu vermeiden aber längst nicht alle):

1)

Kein christlicher Autor des 2. Jh. außer Tertullian erwähnt die Christenbriefe von Plinius und Trajan.

2)

Keiner der späteren Kirchenväter bis zu Hieronymus, die sich auf diese Briefe beziehen, scheint über eine eigene Ausgabe der Briefe verfügt zu haben, denn sie alle, auch Hieronymus, schöpfen, wenn sie darauf Bezug nehmen, aus Tertullians Werk, d.h. aus den von ihm gelieferten Briefwechsel-´Zitaten´.

3)

Tertullian selbst kann nicht als zuverlässiger Zeuge gelten, außer jemand gilt als zuverlässig, der, wie Tertullian, behauptet, Pontius Pilatus sei ein "innerlicher" Christ gewesen, der die Himmelfahrt des Jesus bezeugt habe; auch habe Pilatus auf die Registrierung des Jesus durch die Volkszählung verwiesen, was seine irdische Geburt belege. Es stellt sich - eingedenk der schon genannten sowie nachfolgend aufgeführten Ungereimtheiten - daher die Frage, ob Tertullian nicht nur diese Pilatus betreffenden Details, sondern auch den Briefwechsel zwischen Plinius und Trajan erfunden hat.

4)

Vergleicht man den Wortlaut der Tertullian-´Briefzitate´ mit dem Wortlaut, soweit Hieronymus die Briefe (ausdrücklich anhand der Tertullian-´Zitate´) zitiert, gibt es interessante Unterschiede. Bei Hieronymus werden innerhalb der ´Zitate´ zwei (angebliche) Delikte der Christen erwähnt (Diebstahl und Raub), die sich in den ´Zitaten´ des Tertullian nicht finden. Hieronymus hat sie also den von Tertullian übernommen ´Zitaten´ hinzugefügt. Das Merkwürdige ist nun, dass sich diese Änderungen auch in den Plinius-Briefen wiederfinden, soweit diese heute als original gelten. Wie das? Hieronymus kannte doch gar keine ´Pliniusbriefe´, sondern nur die Tertullian-´Zitate´, in welchen die genannten Delikte aber nicht erscheinen.

Dafür ist eine Erklärung denkbar: Die Plinius-Trajan-Briefe, die Christen betreffend, wurden erst nach Hieronymus geschrieben, statt zu Beginn des 2. Jahrhunderts. Dabei wurden sowohl die von Tertullian angeführten ´Zitate´ als auch die von Hieronymus hinzugefügten Änderungen übernommen.

5)

Auffällig sind auch die Ungereimtheiten in der Darstellung der Kommunikation zwischen Plinius und dem Kaiser. Z.B. bittet Plinius Trajan, ihm Anweisungen zu erteilen, wie er mit den Christen zu verfahren habe. Das erscheint angesichts des Umstandes, dass Plinius ein hochkarätiger Jurist war, der eine Zeitlang sogar dem Kabinett des Kaisers angehörte, sehr seltsam. Warum musste er sich beim Kaiser danach erkundigen, was für eine Anklage gegen die Christen zu erheben sei, sowie nach der Art und Höhe der dafür angemessenen Strafen? Plinius behauptet in ep 120 doch, selbst oft als Richter fungiert zu haben. An einer anderen Stelle des Briefwechsels (ep 75) bittet Plinius den Kaiser, darüber zu entscheiden, wie mit einer Erbschaft zu verfahren sei, unterlässt es aber, die Höhe dieser Erbschaft zu nennen. In ep 76, seltsam genug, antwortet Trajan darauf, ohne seinerseits nach der Erbschaftshöhe zu fragen. Aus ep 10,6 geht hervor, dass Plinius, ein ehemals dem kaiserlichen Kabinett angehöriger Jurist, nicht weiß, dass ein Ägypter, bevor man ihm das volle römische Bürgerrecht verleiht, erst einmal das alexandrinische Bürgerrecht besitzen muss. All das weist auf die Möglichkeit hin, dass auch diese Briefe nicht echt sind.

Ich will das aber nicht durchdiskutieren, es genügt mir, auf die Problematik hingewiesen zu haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und der christliche Gott war kein strafender Gott mehr wie bei den Juden, sondern ein liebender.

Zweitens ist die Frage nach dem Jenseits eine zentrale Frage beinahe aller Religionen, und das Christentum hat dazu eine schöne Perspektive anzubieten: Wenn du dich in diesem Leben gut verhältst, dann wird es dir nach dem Tod auch gut gehen; jedenfalls wird es dir an nichts fehlen. Das ist ein Versprechen, das für arme Menschen, d.h. für schätzungsweise 90% der römischen Bevölkerung, geradezu paradiesisch anmutet.

(usw.)

Interessant, dass diese eindeutig christlich-parteilichen und ausschließlich theologisch-christologischen ´Argumente´ in diesem Forum nicht als "weltanschaulich" gelten, obwohl sie es doch sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber immerhin, Tertullian nennt sie ;)

Wie viele Autoren des 2. Jahrhunderts nennen denn die Briefe des jüngeren Plinius überhaupt? Denn nur, wenn man das weiß, und weiß, wie intensiv diese Briefe von antiken Autoren überhaupt diskutiert wurden, hat man überhaupt einen Anhaltspunkt, was man denn an Nennung erwarten dürfte. Sonst ist das ein Scheinargument.
 
[off topic:]

Interessant, dass diese eindeutig christlich-parteilichen und ausschließlich theologisch-christologischen ´Argumente´ in diesem Forum nicht als "weltanschaulich" gelten, obwohl sie es doch sind.

Über den ersten zitierten Satz mag man streiten, ob er theologisch-weltanschaulich oder gemeint sein könnte oder zeitgenössische Wahrnehmung behaupten soll.

1. Den zweiten Absatz als weltanschaulich-religiös und christlich-parteilich zu werten, der schlicht christliche "Versprechungen" und "Perspektiven" als vermutlichen Grund für eine Attraktivität der Religion im Römischen Reich sieht, ohne sich zum theologischen Gehalt der "Versprechungen" zu äußern, belegt allerdings eher Deine weltanschauliche Herangehensweise. Das führt hier dazu, Beiträge gegen den Strich zu lesen und Weltanschaulichkeiten zu konstruieren.

Ich nenne ... einige heikle Punkte (um Überlänge zu vermeiden aber längst nicht alle): [#192]
2. Beitrag #192 ist recht dreist einschließlich Numerierung 1.-4. von dem theologischen Radikalkritiker Hermann Detering abgeschrieben, was auch einige "Umformulierungen" Deinerseits nicht verdecken.

Völlig unabhängig von der Sachdiskussion ist das eine Täuschung der Leser hier, die den religiös-weltanschaulichen Hintergrund nicht kennen. Ich betrachte das in Zusammenhang mit der Eingangs"beschwerde" als Unverschämtheit. Wenn Du schon mal Literatur verwendest (abgesehen von den sonstigen esoterischen links oder ein paar Einsichtnahmen in verlinkte Textschnipsel), wäre eine entsprechende Kennzeichnung nicht nur sinnvoll, sondern schlicht gehörig.

Gegen das "Abschreiben" ist ansonsten - vorbehaltlich der Forenregeln, dass hier Religiös-Weltanschauliches außen vor bleibt - nicht einzuwenden, ordentliche Zitate vorausgesetzt.


[OT ist damit beendet - falls Diskussionsbedarf besteht: über PN]
 
But the reasons found — the need for redemption, growing individuality, the spiritual sterility of the traditional cults, the organizational superiority of the Christian Church, the inspirational influence of martyrs — are not merely controversial: they are uninteresting. The entire quest for reasons is uninteresting.

What is interesting in the historical relationship between polytheism and pluralism is not who triumphed and why, but why the contest happened in the first place and at what level was it fought?
Erstaunlich, wie Du in rascher Folge lange Zitate lieferst. Hast Du die in elektronischer Form vorliegen?

Leider verstehe ich den "point" diesr Zitate diesmal nicht. Bezieht sich das "they are uninteresting" auf Dich? Was wen interessiert überlassen wir doch 'mal jedem selbst.
why the contest happened in the first place and at what level was it fought
Musst Du mir vielleicht näher erläutern.
Wäre es möglich, Deine persönliche Sicht in zwei Sätzen zu formulieren? Dann müsste ich nicht zwischen den Zitatzeilen danach suchen. Besonders die "komprimierten Überschriften" lassen mich völlig im Regen stehen.
 
Erstaunlich, wie Du in rascher Folge lange Zitate lieferst. Hast Du die in elektronischer Form vorliegen?

Ja, als Ebook. Für das Abtippen hätte ich keine Zeit.

Leider verstehe ich den "point" diesr Zitate diesmal nicht. Bezieht sich das "they are uninteresting" auf Dich? Was wen interessiert überlassen wir doch 'mal jedem selbst.
Das ist Zitat des Autors (hat mit mir nichts zu tun) und seine Sichtweise der Entwicklung, bei der ein soziokultureller Blick auf die Expansion des Christentums erfolgt. Das kann man teilen oder auch nicht, je nach Herangehensweise. Theologische Diskurse wie hier zuweilen im Thema, welche "Verformungen" hinsichtlich theologischer Aussagen oder Inhalte erfolgten, spielen dabei keine Rolle.

Musst Du mir vielleicht näher erläutern.
.... Besonders die "komprimierten Überschriften" lassen mich völlig im Regen stehen.
Die Komprimierung dient dazu, die machtpolitischen Aspekte aufzuzählen (so die Betrachtung von Hierarchien), die als relevant für die Ausbreitung des Christentums im Kontext einer religionsgeschichtlichen Skizze des Römischen Reiches angesehen werden.

Theologische Aspekte interessieren mich in keiner Weise. Vielleicht ist es sinnvoll, Du greifst auf die Literatur zu, dazu dient das Zitat. Wenn Dich ein einzelner Aspekt interessiert, kann ich aber gern zusammenfassen oder Vollzitat einstellen.
 
Plinius' Briefe als Fälschung zu sehen, geht sicher zu weit. Ich finde, wie gesagt, dass man immer damit rechnen muss, dass die Gruppe, die die Macht besitzt, gegenteilige Meinungen zu unterdrücken versucht. So etwas soll es sogar in Foren wie unserem geben. Die Suche nach Motiven gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben.
Jede Quelle ist aber vorerst gültig.
Doch stelle ich mir eine Fälschung eher so vor wie die bekannten: Ich erwähnte schon das testimonium flavianum. Hier besteht die Tendenz alles Störende auszumerzen. Vermutlich hatte Josephus auch nichts Negatives über Jesus geschrieben.
Plinius minor sagt aber, dass das Christentum ein ungeheurer Aberglauben sei. Würde das ein Fälscher stehen lassen?
Unsere Quellenlage ist so schütter und bei den unabhängigen Resssourcen sieht es noch schlechter aus. Hier müssen gewichtigere Gründe her, um Plinius' Briefe aus der Diskussion zu nehmen

Du hast die Weigerung der Christen vergessen, Kaiser als Gott anzuerkennen und ihm zu huldigen. Das war Staatskult, und wer sich dem verweigerte, verweigerte sich dem Staat.
Vielleicht habe ich meine Sicht darauf nicht klar genug ausgedrückt. Lass uns das mit Plinius erklären:
Er benutzt das Opfern vor Göttern und dem numen des Kaisers sowie das Abschwören vom Christentum, um festzustellen, ob die Beklagten einsichtig sind. Die Widersetzlichkeit aber bestraft er (wohl mit dem Tod).
Die Delinquenten sind (auch anonym) angezeigt worden, doch offensichtlich, weil sie Christen waren. Nirgendwo wird gesagt, sie wären wegen Verweigerung des Kaisekults beschuldigt worden und ich schließe aus Plinius' Worten, dass es ihm auch gereicht hätte, wenn sie nur Christus abgeschworen hätten.
Das heißt: Der Kaiserkult war eine Probe, nicht die Ursache. Das war später sicher anders. Ich glaube, Decius hat das Kaiseropfer für jeden zu Pflicht gemacht, aber auch nicht ganz: Juden brauchten das weiterhin nicht. Aus diesem Grund steht das nicht in meiner Liste.
 
Dafür ist eine Erklärung denkbar: Die Plinius-Trajan-Briefe, die Christen betreffend, wurden erst nach Hieronymus geschrieben, statt zu Beginn des 2. Jahrhunderts. Dabei wurden sowohl die von Tertullian angeführten ´Zitate´ als auch die von Hieronymus hinzugefügten Änderungen übernommen.

Kannst Du Persönlichkeiten des einschlägigen Wissenschaftsbetriebs nennen, die diese Sicht teilen?
 
...das habe ich schon gewusst. Die Unterstreichungen scheinen mir überflüssig. Ich frage nicht danach, was gängige Meinung beim Großteil der Historiker ist, sondern ich suche nach Antworten auf offene Fragen.

Welchen Sinn hat es, Antworten auf Fragen zu suchen, die derzeit auch die beruflich damit befassten Fachgelehrten nach eigenem Eingeständnis nicht geben können?
 
Drittens wurde die Nächstenliebe tatsächlich praktiziert: Sich um die Armen, Kranken und Waisen zu kümmern, war eine bis dahin nie dagewesene und wirkungsvolle Werbebotschaft. Damals wie heute.
Nun 'mal langsam, das ist MEIN Argument :motz:!
Wir sind hier völlig einer Meinung. Ich nenne das Anarchie. Es wird geführt, aber nicht geherrscht, es wird erschaffen aber nicht besessen, es wird etwas erreicht aber ohne Ruhm (frei nach dem Dao De Jing).

Ich kann mich nicht über die "Vorteile des Mono- gegenüber dem Polytheismus" unterhalten, das führt zu weit und muss subjektiv bleiben. Ich sage nur, dass es mich als Nicht-Christen wundert, wie man dieses so widersprüchliche Religionskonstrukt annehmen kann. Und ich stelle mir vor, dass gebildete Römer das ähnlich sahen. Hier ging es ja nicht darum, viele Götter gegen einen auszutauschen. Die Elite bestand doch wohl überwiegend aus Stoikern (ich halte Trajan und Plinius dafür). Deren Vorstellung von der höchsten Macht ist eigentlich gar kein "Gott".

Einfache Menschen (und später auch gebildete) begeistert man aber mit dem sozialen Modell.
Ein sehr schönes Beispiel sind die späten Gnostiker. Die Wahren Christen ("Katharer") hatten einen enormen Zulauf. Ihr "Gott" ist aber nach meinem Verständnis sehr nah an der Gottesvorstellung der Stoa. Entscheidend war das soziale Modell, die Sicherheit und Liebe, vielleicht noch die relative Freiheit. Auch heute sind das die Hauptgründe für den Erfolg von Sekten.
 
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