Verbreitung des Christentums

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Theologische Aspekte interessieren mich in keiner Weise. Vielleicht ist es sinnvoll, Du greifst auf die Literatur zu, dazu dient das Zitat. Wenn Dich ein einzelner Aspekt interessiert, kann ich aber gern zusammenfassen oder Vollzitat einstellen.
Theologische Aspekte interessieren mich geschichtlich, wenn sie der Grund für Abgrenzungen sind. Aber ich meine das auch aus Deinem Zitat erkannt zu haben.
Der sozioökonomische Ansatz interessiert mich aber mehr. Was glaubst Du, welchen Einfluss das Christentum als "sichere Kommune" für die Mission gespielt hat?
 
Die Stoa war eher pantheistisch (Gott steckt in allem) wohingegen die Katharer streng dualistisch dachten.
Ich gebe zu, das war sehr über den groben Kamm geschoren. Ich meinte, wie weiter oben erklärt, dass Gott keine willkürliche Macht darstellt, sondern dass man durch sein Verhalten und seine Einstellung zum Göttlichen gelangt, sozusagen aus eigener Kraft und nicht durch unverdiente Gnade. Das sehe ich als Verbindung zwischen Gnosis und Stoa.
 
@ Chan:
Verstehe ich das richtig: Du (bzw. Deine Vorlage) gehst davon aus, dass der komplette Briefwechsel zwischen Plinius und Traian (immerhin 121 Briefe) von Christen gefälscht wurde, damit es nicht so auffällt, wenn sie zwei Briefe mit Bezug aufs Christentum fälschen? Sie sollen sich all diese Anfragen zu mehr oder weniger banalem Verwaltungskram ausgedacht haben? Warum haben sie sich nicht z. B. mit bloß 30 Briefen begnügt, da wäre der Aufwand viel geringer gewesen?
Wo soll denn da überhaupt der Sinn sein, einen Briefwechsel zwischen Statthalter und Kaiser über Christen zu fälschen?

Tertullian selbst kann nicht als zuverlässiger Zeuge gelten, außer jemand gilt als zuverlässig, der, wie Tertullian, behauptet, Pontius Pilatus sei ein "innerlicher" Christ gewesen, der die Himmelfahrt des Jesus bezeugt habe; auch habe Pilatus auf die Registrierung des Jesus durch die Volkszählung verwiesen, was seine irdische Geburt belege. Es stellt sich - eingedenk der schon genannten sowie nachfolgend aufgeführten Ungereimtheiten - daher die Frage, ob Tertullian nicht nur diese Pilatus betreffenden Details, sondern auch den Briefwechsel zwischen Plinius und Trajan erfunden hat.
Es macht doch wohl einen Unterschied, ob Tertullian auf eine Quelle verweist oder ob er seine persönliche Interpretation von Pilatus' Denken und Handeln bekundet.

Vergleicht man den Wortlaut der Tertullian-´Briefzitate´ mit dem Wortlaut, soweit Hieronymus die Briefe (ausdrücklich anhand der Tertullian-´Zitate´) zitiert, gibt es interessante Unterschiede. Bei Hieronymus werden innerhalb der ´Zitate´ zwei (angebliche) Delikte der Christen erwähnt (Diebstahl und Raub), die sich in den ´Zitaten´ des Tertullian nicht finden. Hieronymus hat sie also den von Tertullian übernommen ´Zitaten´ hinzugefügt. Das Merkwürdige ist nun, dass sich diese Änderungen auch in den Plinius-Briefen wiederfinden, soweit diese heute als original gelten. Wie das? Hieronymus kannte doch gar keine ´Pliniusbriefe´, sondern nur die Tertullian-´Zitate´, in welchen die genannten Delikte aber nicht erscheinen.

Dafür ist eine Erklärung denkbar: Die Plinius-Trajan-Briefe, die Christen betreffend, wurden erst nach Hieronymus geschrieben, statt zu Beginn des 2. Jahrhunderts. Dabei wurden sowohl die von Tertullian angeführten ´Zitate´ als auch die von Hieronymus hinzugefügten Änderungen übernommen.
Diese Analyse ist schon sehr selektiv:
Bei Plinius werden als Delikte, von denen die Christen behaupten, sie nicht zu begehen, genannt: "ne furta ne latrocinia ne adulteria committerent, ne fidem fallerent, ne depositum appellati abnegarent", also: Diebstahl, Raub, Ehebruch, Treuebruch, Veruntreuung.
Bei Tertullian werden genannt: "homicidium adulterium fraudem perfidiam et cetera scelera", also: Mord, Ehebruch, Betrug, Treulosigkeit und übrige Verbrechen.
Bei Hieronymus werden genannt: "homicidia, furta, adulteria, latrocinia et his similia", also: Mord, Diebstahl, Ehebruch, Raub und diesen ähnliches.

Die Liste der aufgezählten Delikte schwankt also in der Weise, dass auch Hieronymus ein Delikt nennt, das bei Plinius nicht vorkommt, nämlich homicidia (Mord). Wenn man jetzt davon ausgehen wollte, dass der Plinius-Brief erst nach Hieronymus geschrieben wurde und zwar unter Berücksichtigung der von Hieronymus vorgenommenen Änderungen, warum fehlt dann bei Plinius homicidium (Mord)?
Weiters nennt Hieronymus zwar zwei Delilkte, die Tertullian nicht nennt, nämlich furta und latrocinia, aber zwei Delikte nicht, die Tertullian schon nennt, nämlich fraus und perfidia. Er übernahm Tertullian also keineswegs vollständig und fügte nur etwas hinzu, sondern wich deutlicher ab und ließ auch etwas weg.

Die Lösung erscheint mir viel einfacher: Tertullian zitierte Plinius nicht wörtlich, und Hieronymus zitierte weder Plinius noch Tertullian wörtlich. Die Aufzählung der Delikte ist bei beiden nur beispielhaft. Vermutlich hatte Tertullian, als er das schrieb, den Brief nicht vor sich liegen. Das könnte z. B. daher rühren, dass er keine private Plinius-Sammlung besaß, sondern dessen Briefe in einer öffentlichen Bibliothek las, sich Notizen machte und dann zuhause seinen Text schrieb, sodass er das Original nicht mehr genau im Kopf hatte. Mit Hieronymus könnte es sich ähnlich verhalten haben.

Übrigens gleicht zwar Hieronymus' Wiedergabe von Traians Antwort weitgehend der bei Tertullian, allerdings weichen beide deutlich vom Originalwortlaut von Traians Antwort in der Plinius-Sammlung ab. Warum, wenn der Traian-Brief anhand von Hieronymus gefälscht wurde? Auch hier erscheint mir viel plausibler, dass Tertullian Traian nur sinngemäß wiedergab.

Auffällig sind auch die Ungereimtheiten in der Darstellung der Kommunikation zwischen Plinius und dem Kaiser. Z.B. bittet Plinius Trajan, ihm Anweisungen zu erteilen, wie er mit den Christen zu verfahren habe. Das erscheint angesichts des Umstandes, dass Plinius ein hochkarätiger Jurist war, der eine Zeitlang sogar dem Kabinett des Kaisers angehörte, sehr seltsam. Warum musste er sich beim Kaiser danach erkundigen, was für eine Anklage gegen die Christen zu erheben sei, sowie nach der Art und Höhe der dafür angemessenen Strafen? Plinius behauptet in ep 120 doch, selbst oft als Richter fungiert zu haben. An einer anderen Stelle des Briefwechsels (ep 75) bittet Plinius den Kaiser, darüber zu entscheiden, wie mit einer Erbschaft zu verfahren sei, unterlässt es aber, die Höhe dieser Erbschaft zu nennen. In ep 76, seltsam genug, antwortet Trajan darauf, ohne seinerseits nach der Erbschaftshöhe zu fragen. Aus ep 10,6 geht hervor, dass Plinius, ein ehemals dem kaiserlichen Kabinett angehöriger Jurist, nicht weiß, dass ein Ägypter, bevor man ihm das volle römische Bürgerrecht verleiht, erst einmal das alexandrinische Bürgerrecht besitzen muss. All das weist auf die Möglichkeit hin, dass auch diese Briefe nicht echt sind.
In Brief 75 geht es darum, dass ein gewisser Iulius Largus Plinius als seinen Testamentsvollstrecker einsetzte, ihm 50.000 Sesterzen vermachte und ihn anwies, die restliche Erbschaft zwei Städten zukommen zu lassen und dort entweder zu Ehren des Kaisers Gebäude zu errichten oder Spiele zu stiften, und Plinius will jetzt wissen, was er tun soll. Wozu sollte er da die Höhe der Erbschaft nennen? Offenbar war sie zum gedachten Zweck ausreichend. Vermutlich kannte er die Höhe der Erbschaft auch noch gar nicht; es wird schließlich gedauert haben, bis der genaue Wert aller Vermögenswerte des offenkundig recht wohlhabenden Largus erfasst wurde.
Zu Brief 6: Du scheinst eine sehr vage Vorstellung von der Juristerei zu haben. "Juristen" in dem Sinn gab es in Rom nicht, weil es keine Universität gab, an der man Jus studierte. Obendrein gibt es heutzutage jede Menge Kommentare, Entscheidungssammlungen und sonstige Fachliteratur zum Nachschlagen; damit konnte man in Rom auch nicht mithalten. Aber auch heute bedeutet Jurist sein nicht, dass man das komplette Recht in allen seinen Feinheiten im Kopf hat. Auch Richter kennen nicht das gesamte Recht; sonst bräuchten wir keine Instanzenzüge, weil bereits die erstinstanzlichen Urteile unfehlbar wären. Dabei haben aber die heutigen Richter nicht nur ein abgeschlossenes Studium, sondern zusätzlich noch eine mehrjährige spezielle Richterausbildung durchlaufen und verfügen über viel Praxiserfahrung, weil sie hauptberuflich als Richter tätig sind. Nichts davon galt für Plinius; er war nur mehr oder weniger rechtskundiger Laie. Man kann ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass er in Rom und Bithynien nicht wusste, wie das mit der Bürgerrechtsverleihung in Ägypten läuft. Darum nahm ein Statthalter in seine Provinz auch immer ein Gefolge aus rechtskundigen Personen mit, die ihn berieten. Auch Plinius selbst schreibt, dass er von "Kundigeren" belehrt wurde

Eigentlich sprechen diese Beispiele doch dagegen, dass die Plinius-Briefe eine spätere Fälschung sind: Ausgerechnet christliche Fälscher des 4. oder 5. Jhdts. sollen absolute Rechtsexperten gewesen sein? Welchen Grund sollten sie eigentlich gehabt haben, einen Brief zu fälschen, in dem Plinius zugibt, die Rechtslage nicht gekannt zu haben, aber dann über sie belehrt worden zu sein? Das ergibt doch nicht den geringsten Sinn.
 
Die Komprimierung dient dazu, die machtpolitischen Aspekte aufzuzählen (so die Betrachtung von Hierarchien), die als relevant für die Ausbreitung des Christentums im Kontext einer religionsgeschichtlichen Skizze des Römischen Reiches angesehen werden.

Theologische Aspekte interessieren mich in keiner Weise.
Da auch mich v.a. die machtpolitischen (plus sozio-ökonomischen) Aspekte interessieren: Könntest Du gelegentlich die entsprechende Sichtweise des Autors etwas ausführlicher refererieren?

Ein verwandtes Thema, dass mir in den referierten Kapitelüberschriften ebenfalls anzuklingen scheint, ist die durch das römische Reich hervorgebrachte überregionale wirtschaftliche Integration (nennen wir es plakativ "antike Globalisierung", auch wenn es de facto nur "Mediterraneisierung" war). McGowan streift in seiner frühen Arbeit den fremdenfeindlichen Aspekt der Kannibalismusvorwürfe, z.B. FN 65 "The prosography of the martyrs of Vienne and Lyons suggests a strongly Greek and Asian element, see Frend, Martyrdom and Persecution in the Early Church, 2-5". Kann diese "Globalisierung" sowohl Triebfeder der Christianisierung (Konstitution einer überregionalen Identität, losgelöst von regionalen Kulten), als auch Ursache der "Dämonisierung" der Christen in Teilen der lokalen Bevölkerung und Eliten während des 2.Jhd. gewesen sein?
 
Welchen Sinn hat es, Antworten auf Fragen zu suchen, die derzeit auch die beruflich damit befassten Fachgelehrten nach eigenem Eingeständnis nicht geben können?
Das Zauberwort heißt: "Wissenschaft"
Ptahhotep sagt, dass man die Weisheit auch bei den Wäschern am Fluss und den Sklavinnen am Mühlstein findet (freies Zitat).
Wenn wir ganz großes Glück haben, besitzen wir beide sie auch.
 
Ein verwandtes Thema, dass mir in den referierten Kapitelüberschriften ebenfalls anzuklingen scheint, ist die durch das römische Reich hervorgebrachte überregionale wirtschaftliche Integration (nennen wir es plakativ "antike Globalisierung", auch wenn es de facto nur "Mediterraneisierung" war).

Das ist ein Aspekt, "antike Globalisierung", sozusagen als Katalysator (wird so von McGowan nach dem früheren "Streifen" ausgewalzt).

Theologische Aspekte interessieren mich geschichtlich, wenn sie der Grund für Abgrenzungen sind. Aber ich meine das auch aus Deinem Zitat erkannt zu haben.
Der sozioökonomische Ansatz interessiert mich aber mehr. Was glaubst Du, welchen Einfluss das Christentum als "sichere Kommune" für die Mission gespielt hat?
Nicht sozioökonomisch, sondern soziokulturell bzw. soziologisch.

Das neue Modell zu beurteilen, Lebenswege zu teilen ("sichere Kommune"), steht für dem Problem, dass es andererseits in den Phasen der Duldung oder Verfolgung (gerade deswegen?) bei einem geschlossenen und diskreten "System" blieb. Für die Verbreitung kann man das als Widerspruch sehen, weshalb sich die Frage nach der Attraktivität stellt.

Wenn man das Motiv einer "sicheren Kommune" verwenden will, stellt sich zB die Frage nach den Kontakten (Interaktion und Abgrenzung) mit den jüdischen Gemeinden. Die Attraktivität für "Abtrünnige" wird durch die Rebellionen 70 und 135 geprägt sein.

Folgt man christlichen Selbsteinschätzungen (Tryphon-Dialog), fühlte man sich offenbar auch griechischer Philosophie überlegen. Offenbar ein weiterer Aspekt der Attraktivität (sonst würde er wohl nicht betont), wenn man hier die Abgrenzung sucht.
Dem Aspekt der "Sicherheit" setzte man weiter offenbar die Kritik der Traditionslosigkeit (und der Rebellion gegen das Judentum) entgegen, was offensichtlich ebenfalls nicht verfangen hat:
"Celsus condemned Christianity for not conforming to any of the established or recognised nomoi: Christians could not lay claim to any ‘ancestral traditions’ (patrioi nomoi) like those of the Egyptians, Persians or even the Jews. In fact, by rebelling against the Jews, the Christians had created a social novelty and in so doing had abandoned time-honoured customs. Christianity therefore had no historical basis for occupying a place within the Roman empire."
[CHoCh, Vol. I.]

Unorganisierte, nicht-hierarchische, geographisch zersplittert-regionalisierte, in gewisser Weise unverbindliche, weniger dogmatische/schriftfixierte, weniger kommunikative, in der Beliebigkeit und Vielfältigkeit unübersichtliche Kulte boten offenbar weniger Anziehungskraft, was nun die Ausbreitung belegt. Das traf auf die Veränderungen und (militärischem ökonomischen, sozialen) Krisen im Römischen Reich (ohne nun letztlich "Wellen"bewegungen zuordnen oder quantifizieren zu können, aber ich stelle mir hier durchaus Unterschiede in 200 Jahren als plausibel vor - somit auch unter dem Aspekt der Sicherheit).

Diese Wertungen werden sicher auch lokale Eliten vorgenommen haben. Ich stelle mir vor, dass es hier auch Wandlungen im "öffentlichen Raum" gegeben hat, Reaktionen auf äußere Bedrohungen des Römischen Reiches, die Geschlossenheit nach innen verlangen. Wenn hier eine "kritische Masse" erreicht worden ist, reagieren darauf diese Eliten (selbst wenn hier vorher ein Bild "innerer Feinde" vorgeherrscht haben sollte).

Morgen mehr.
 
Erstens hat Monotheismus eindeutige Vorteile zu Polytheismus – es gibt nur einen Verantwortlichen für das Weltgeschehen. Und der christliche Gott war kein strafender Gott mehr wie bei den Juden, sondern ein liebender.
Interessant, dass diese eindeutig christlich-parteilichen und ausschließlich theologisch-christologischen ´Argumente´ in diesem Forum nicht als "weltanschaulich" gelten, obwohl sie es doch sind.
Interessant, dass Du meine Argumente als „christlich-parteilich“ betrachtest – um das zu können, musst Du meine früheren Aussagen in diesem Thread ignoriert haben.


Du hast die Weigerung der Christen vergessen, Kaiser als Gott anzuerkennen und ihm zu huldigen. Das war Staatskult, und wer sich dem verweigerte, verweigerte sich dem Staat. Das Verhalten der Christen war also staatsfeindlich und für Staatsfeinde gab es nur eine Strafe: „damnatio ad bestias“. Das war überhaupt die Bedrohung, deshalb wundert es mich, dass Du gerade das nicht aufführst. Ich schlage vor, dies als 5. Punkt aufzunehmen.
Vielleicht habe ich meine Sicht darauf nicht klar genug ausgedrückt. Lass uns das mit Plinius erklären:
Er benutzt das Opfern vor Göttern und dem numen des Kaisers sowie das Abschwören vom Christentum, um festzustellen, ob die Beklagten einsichtig sind. Die Widersetzlichkeit aber bestraft er (wohl mit dem Tod).
Die Delinquenten sind (auch anonym) angezeigt worden, doch offensichtlich, weil sie Christen waren. Nirgendwo wird gesagt, sie wären wegen Verweigerung des Kaisekults beschuldigt worden und ich schließe aus Plinius' Worten, dass es ihm auch gereicht hätte, wenn sie nur Christus abgeschworen hätten.
Das heißt: Der Kaiserkult war eine Probe, nicht die Ursache. Das war später sicher anders. Ich glaube, Decius hat das Kaiseropfer für jeden zu Pflicht gemacht, aber auch nicht ganz: Juden brauchten das weiterhin nicht. Aus diesem Grund steht das nicht in meiner Liste.
Ja, Juden haben nicht geopfert. Aber auch nicht missioniert, daher war auch keine Gefahr da, dass sich das ausbreiten würde. Bei den Christen war das anders: Sie wurden aufgrund der Missionierung zu einer (wachsender!) Gefahr für den Staat: Wenn so viele Menschen den Kaiser nicht mehr als die oberste Instanz ansehen und damit man sie gewähren ließe, könnten sich auch andere sich darauf berufen – und die Autorität der Kaiser wäre beim Teufel (was nach 380 auch eintrat – siehe dazu diesen Artikel in Wikipedia).

Abgesehen davon: Allein die Tatsache, dass man Christen zur „damnatio ad bestias“ verurteilte, beweist, dass man sie als Staatsfeinde betrachtete – egal wer sie weshalb zuvor bei den Verfolgungsbehörden denunzierte.

Warum konnte sich der Glauben so ernorm ausbreiten trotz der massiven Widerstände und trotz des Kulturschocks? Die Aussicht darauf, sich mit dem Gegebenen hier zu arrangieren und auf das Heil dort im nächsten Leben zu warten, kommt mir nicht sehr attraktiv vor.

Gibt es darüber etwas zu diskutieren?
Drittens wurde die Nächstenliebe tatsächlich praktiziert: Sich um die Armen, Kranken und Waisen zu kümmern, war eine bis dahin nie dagewesene und wirkungsvolle Werbebotschaft. Damals wie heute.
Nun 'mal langsam, das ist MEIN Argument :motz: !
Du kannst uns hier nicht auffordern, unsere Sicht über die überraschend schnelle Ausbreitung des Christentums darzustellen, um dann hinterher darüber zu motzen. :D

[FONT=&quot]Darüber hinaus war das nur ein Argument von vieren. [/FONT]
 
Das Zauberwort heißt: "Wissenschaft"
Ptahhotep sagt, dass man die Weisheit auch bei den Wäschern am Fluss und den Sklavinnen am Mühlstein findet (freies Zitat).
Wenn wir ganz großes Glück haben, besitzen wir beide sie auch.

Für die wissenschaftliche Arbeit ist Sorgfalt das Zauberwort!

Zu brauchbaren Ergebnissen kommt man weniger durch Glück und mehr durch sorgfältige Arbeit, so wie sie in der Regel an Universitäten betrieben wird.
 
WieIch sehe die Zentren in Alexandria, Rom und Konstantinopel als Teil einer Einheit. Die konkurrierende Gnosis scheint keine vergleichbare Organisation und dementsprechend keine Zentren besessen zu haben. Ich vermute sie im Osten (Syrien, Teile von Asia, dem Zweistromland) und Ägypten bis Lybien.
Gibt es darüber wirklich nichts zu diskutieren?

Das ist nicht richtig, die gnostisch inspirierte Reformkirche des Marcion zeichnete sich im Gegensatz zu anderen gnostischen Bewegungen gerade durch ihre straffe Organisation aus. Marcions Lehre verbreitete sich bis nach Ägypten und Persien, und die von ihm gegründete Reformkirche, die mancherorts mehr Anhänger hatte, existierte noch bis zum Beginn des 6. Jahrhunderts, obwohl sie bereits zu konstantinischen Zeiten energisch bekämpft wurde. Aus der Auseinandersetzung mit der Theologie Marcions, der das Alte Testament ablehnte und den Gegensatz betonte zwischen dem "guten Gott" des NT und dem "bösen" und rächenden Gott des Alten Testaments, ging indirekt der erste Kanon der Alten Kirche hervor, als man sich darauf einigte, welche heiligen Schriften verbindlich sein sollten.

http://wikipedia.org/wiki/Marcion/
 
Zuletzt bearbeitet:
Folgt man christlichen Selbsteinschätzungen (Tryphon-Dialog), fühlte man sich offenbar auch griechischer Philosophie überlegen. Offenbar ein weiterer Aspekt der Attraktivität (sonst würde er wohl nicht betont), wenn man hier die Abgrenzung sucht.
Die Abgrenzung gegen die griechische Theologie ist so alt wie die Abgrenzung gegen die Gnosis, könnte gar identisch sein. bereits Paulus von Tarsus sagt :
"Ich will die Weisheit der Weisen zugrunde richten und die Intelligenz der Intelligenten will ich beseitigen." (1 Kor 1,19)
und
"[FONT=&quot]Wir sind Toren um Christi Willen, ihr aber seid verständig in Christus "[/FONT][FONT=&quot](1 Kor 4,10)[/FONT]
hier sehe ich einen deutlichen Verweis auf Gnostiker.
und er warnt vor der griechischen Philosophie (Kol 2,8)
Ich erkenne darin aber keine Überlegenheit, sondern Trotz. Er verteidigt seinen im Grunde jüdischen Glauben, der auf Dogmen beruht.

Dem Aspekt der "Sicherheit" setzte man weiter offenbar die Kritik der Traditionslosigkeit (und der Rebellion gegen das Judentum) entgegen.
Die Abgrenzung gegen das Judentum geht in Ordnung, Traditionslosigkeit verstehe ich eigentlich nicht. Paulus übernimmt den Tanach und andere Apologeten (Barnabasbrief) berufen sich auf das Alte Testament, stellen das Christentum also als eine uralte Religion dar.
 
Juden haben ... nicht missioniert,...

In diesem Zusammenhang ist eine Anmerkung Ben-Sassons (in: Geschichte des jüdischen Volkes, Verl. Beck, S. 354) von Interesse:

Mit dem Anwachsen der jüdischen Bevölkerung in Rom verstärkten die Juden ihre Bekehrungsversuche. Die Aktivität der jüdischen Missionare in der römischen Gesellschaft veranlasste Tiberius, sie 19 n.Chr. aus der Stadt zu vertreiben,…
 
Ja, das steht bei Cassius Dio im 57. Buch.
Ausführlicher schreibt über die Verbannung Flavius Iosephus in seinen "Jüdischen Altertümern" (18. Buch, 3. Kap.). Bei ihm wird zwar auch die Missionierung erwähnt, aber als eigentlicher Anlass geschildert, dass Missionare eine Spende einer römischen Konvertitin an den Tempel in Jerusalem veruntreuten, woraufhin ihr Ehemann den Kaiser verständigte. Tiberius verbannte 4000 Juden aus Rom nach Sardinien.
Ähnlich erwähnt wird der Vorfall ohne die näheren Hintergründe auch bei Tacitus, Annales 2,85, wo steht, dass per Senatsedikt 4000 Anhänger des ägyptischen und jüdischen Glaubens nach Sardinien verbannt wurden, in der Hoffnung, sie würden am dortigen Klima zugrundegehen. Die anderen mussten Italien verlassen, falls sie nicht vom Glauben abfielen.
Andeutungsweise schreibt auch Sueton in seiner Tiberius-Biographie (36. Kap.) darüber.

Konsequent umgesetzt wurde die Maßnahme aber offenbar nicht, denn zumindest unter Claudius gab es in Rom wieder eine jüdische Gemeinde.
 
Das ist nicht richtig, die gnostisch inspirierte Reformkirche des Marcion zeichnete sich im Gegensatz zu anderen gnostischen Bewegungen gerade durch ihre straffe Organisation aus.http://wikipedia.org/wiki/Marcion/
Auch die Anhänger des Mani, die man dazurechnen könnte, wenn man Marcion dazuzählt, hatten eine Organisation. Noch die "Katharer" hatten eine Art Bischöffe. Alle werden irgendwie organisiert gewesen sein, aber offensichtlich in keiner Weise konkurrenzfähig zur Großkirche (immer noch kein besseres Wort...)
 
Nun 'mal langsam, das ist MEIN Argument :motz:!
Jetzt bin ich aber baff!
Du verfügst über ein Copyright für irgendein Argument? :D:D:D

Die Wahren Christen ("Katharer") hatten einen enormen Zulauf.
Das mag zeitweilig schön für die mittelalterlichen Katharer gewesen sein - aber was haben die Katharer mit der Entwicklung des Christentums im 1.-3. Jh. zu tun????

_________________
...so allmählich habe ich den Eindruck, dass es hier mehr um pseudogelehrsame Spiegelfechtereien geht (ausgelebt in Ausflüchten und Digressionen zu allerlei Seitenthemen) als um die Fragestellung selber...

***

Welche angebliche "sozialrevolutionäre"*) Splittergruppe im 1. Jh. soll denn der "wahre und echte Kern" der christlichen Religion sein, welcher dann von diversen Kirchenvätern/Kanonikern unterdrückt wurde? Da gab es mal, sogar mit SPIEGEL-Artikel ein großes Blabla über die Essener: dass Jesus einer von denen gewesen sei, dort allerlei 68er-Werte realisiert habe usw blabla - großes Kino kurzfristig, aber die Quellen wollten das nicht bestätigen... wie peinlich... nüscht war´s mit den erhofften Sensationen aus Qumram-Schriftrollen etc.

Alle diese Spekulationen, welche suggerieren wollen, dass die ursprüngliche Lehre des Herrn Messias ganz anders gewesen sei als es im Neuen Testament steht, kranken an einer ganz elementaren Angelegenheit: sie haben keine Quellen, d.h. sie können NICHTS beweisen. Da hilft auch kein weitschweifiges Schwadronieren über Gnosis, Manichäer, diverse Apokryphen und sonstiges.

Und mal spaßeshalber angenommen, der gute alte Jesus hätte ganz andere Inhalte gepredigt als im Neuen Testament überliefert: was würde das am realen Verlauf der Geschichte ändern? Richtig: nichts.

Wenn es keine Quellen über eine "andere ursprüngliche Lehre" des Herrn Messias gibt, dann sind Spekulationen zu einer solchen schlichtweg obsolet. Und das umso mehr, als die Geschichte deutlich zeigt, dass die damaligen Leute (3.-6. Jh. u.a.) sich über die historisch belegten Diskussionen aufregten (z.B. Homöousie, Arianismus, Pelagianismus etc.) und sich nirgendwo über eine fiktive (!) "andere Lehre" echauffierten.

so einfach ist das :)

______________
*) schon die implizite Wertung ist streng genommen ahistorisch...
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt bin ich aber baff!
Du verfügst über ein Copyright für irgendein Argument? :D:D:D
Also ich fand das lustig. Aber ich glaube, Spaß ist nicht Dein Ding.

...aber was haben die Katharer mit der Entwicklung des Christentums im 1.-3. Jh. zu tun????
Ich arbeite mit Modellvorstellungen, die ich anhand von besser beurteilbaren Beobachtungen erstelle. Ich habe mich sogar auf moderne Sekten bezogen.Die Vorstellung dabei ist, dass sich der Mensch in den letzten 2000 Jahren im Grunde nicht geändert hat. Ich sehe die "Katharer" nur in dem sozialen Aspekt als modellfähig an.

...so allmählich habe ich den Eindruck, dass es hier mehr um pseudogelehrsame Spiegelfechtereien geht (ausgelebt in Ausflüchten und Digressionen zu allerlei Seitenthemen) als um die Fragestellung selber...
Hat dieser Satz denn einen Inhalt?

Welche angebliche "sozialrevolutionäre"*) Splittergruppe im 1. Jh. soll denn der "wahre und echte Kern" der christlichen Religion sein, welcher dann von diversen Kirchenvätern/Kanonikern unterdrückt wurde?
Keine, denke ich, und das spielt auch keine Rolle. Ich möchte nur ausdrücken, dass die Tatsache, dass es von Anfang an zwei sehr gegensätzliche Strömungen in der Nachfolge Jesus' gab, eines zeigt: Man kann daraus schließen, dass vermutlich beide Teilaspekte seiner Lehre übernommen haben. Das finde ich sehr spannend.

Alle diese Spekulationen, welche suggerieren wollen, dass die ursprüngliche Lehre des Herrn Messias ganz anders gewesen sei als es im Neuen Testament steht, kranken an einer ganz elementaren Angelegenheit: sie haben keine Quellen, d.h. sie können NICHTS beweisen. Da hilft auch kein weitschweifiges Schwadronieren über Gnosis, Manichäer, diverse Apokryphen und sonstiges.
Die Quellen haben wir, es geht um die Interpretation. Ich zwinge niemanden, darüber mit mir zu diskutieren, freue mich aber über jeden, der das tut, besonders über Dich.

Und mal spaßeshalber angenommen, der gute alte Jesus hätte ganz andere Inhalte gepredigt als im Neuen Testament überliefert: was würde das am realen Verlauf der Geschichte ändern? Richtig: nichts.
Es ist das Wesen der Geschichte, dass sie sich nicht mehr ändert, aber unsere Erklärungen des Geschehenen ändern sich und deshalb diskutieren wir doch hier.

...und sich nirgendwo über eine fiktive (!) "andere Lehre" echauffierten.
Ich empfehle Dir, einmal antike Kirchenväter zu lesen. Ein guter Einstieg ist Irenäus von Lyon, Contra haereses; dann Origenes, Contra Celsum und als Abschluss das Panarion von Epiphanius von Salamis. Und dann können wir uns nochmal darüber unterhalten, wie gleichgültig die Großkirche gegenüber "fiktiven andere Lehren" war.

so einfach ist das :)
 
In diesem Zusammenhang ist eine Anmerkung Ben-Sassons (in: Geschichte des jüdischen Volkes, Verl. Beck, S. 354) von Interesse:

Mit dem Anwachsen der jüdischen Bevölkerung in Rom verstärkten die Juden ihre Bekehrungsversuche. Die Aktivität der jüdischen Missionare in der römischen Gesellschaft veranlasste Tiberius, sie 19 n.Chr. aus der Stadt zu vertreiben,…
"[FONT=Verdana,arial]Der jedem christlichen oder islamischen Gläubigen mit dem Verständnis der eigenen Religion als Weltreligion unauflöslich verbundene Begriff der Mission ist dem Judentum fremd." (Judentum verstehen)
Stammt von einer apologetischen jüdischen Seite und stellt die heutige Sicht dar. Da mir das Judentum extrem konservativ vorkommt, vermute ich, dass diese Einstellung auch für das Altertum galt mit Ausnahme von Palästina (Makkabäer).
Sicher gab es in der direkten Umgebung von Juden den Wunsch, die Freunde und Bekannten vom eigenen Glauben zu überzeugen, aber mehr halte ich für unwahrscheinlich.
(PS: Weiß jemand, wo in der Bibel der Missionsvorwurf gegen Juden steht? Das wäre hier noch interessant)
[/FONT]
 
Mt 23,15 wird zuweilen als Hinweis auf jüdische (pharisäische) Missionstätigkeit angesehen.
Danke schön!
"Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr Land und Wasser umziehet, daß ihr einen Judengenossen macht; und wenn er's geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hölle, zwiefältig mehr denn ihr seid!"
Besser als als Beweis für die Mission der Juden ist dieser Spruch allerdings dafür zu gebrauchen, um zu zeigen, dass Juden und Christen nach dem EvMt nie eine Gemeinschaft waren.
 
Ich arbeite mit Modellvorstellungen, die ich anhand von besser beurteilbaren Beobachtungen erstelle. Ich habe mich sogar auf moderne Sekten bezogen.Die Vorstellung dabei ist, dass sich der Mensch in den letzten 2000 Jahren im Grunde nicht geändert hat. Ich sehe die "Katharer" nur in dem sozialen Aspekt als modellfähig an.

Das geht so nicht.

Die Fragwürdigkeit ergibt sich zB nach dem Quantitativen Effektgesetz (quantitative law of efffect), das Verhaltensmuster oder -prinzipien grundsätzlich an die herrschenden Umweltzustände bindet.

Das ist Basis jeder sozialen Interaktion bzw. des sozialen Austausches von bewerteten Aktivitäten, bzw. der Bewertung von "operants" (umweltkonditionierte Bewertung von Effekten/"outcomes"/Konsequenzen).

Ohne hinreichende Beschreibung der Umweltzustände nebst Beleg ihrer "Vergleichbarkeit" ist somit auch die Übertragung von heute beobachtbaren (empirisch nachweisbaren) Reaktionen resp. Umwelt-Verhaltens-Beziehungen nicht auf andere Zeiträume möglich.

Auch die These, dass biologische Konditionierung (wenn man sich der These anschließen würde, dass "sich der Mensch nicht geändert hat") prinzipielle Grenzen für solche Verhaltensreaktionen setzen könnte, hilft da nicht wirklich weiter.

Solche thesenartigen "Übertragungen" wären daher sorgfältig anhand der Übertragbarkeit von Umweltzuständen zu begründen. Ansonsten haben Reaktionen auf Sekten heute in bestimmten Umweltzuständen (Wertesyteme, tradierte Normen, Hierarchien, physische Umweltzustände usw. usf.) nichts mit Reaktionen auf "Sekten" vor 2000 Jahren zu tun.

Weiteres siehe zB hier: EoSoc I, S. 208.

Zur Vorstellung von "Missionierung::
Andrew B. McGowan: Ancient Christian worship - early church practices in social, historical, and theological perspective:

The confusion arises in part because Christians have continued to “preach to the choir.” In recent times, texts and speeches that formally argue the claims of the Christian gospel have actually served the needs of the already convinced. In the early church, too, discourse phrased as though for mission may actually have been intended for maintenance. While the “good news” or its “proclamation” was fundamental to the existence of the church, its public performance to the outsider is not likely to have been as influential or central to conversions as might appear; rather, as in more recent times, most “preaching” may have been to those already connected to the community, the real basis of whose conviction and initiation was more complex and relational than imaginative pictures of primitive street preaching or ancient altar calls can sustain.

Mit dem Zitat:
Rodney Stark, The Rise of Christianity: A Sociologist Reconsiders History, sowie Keith Hopkins, “Christian Number and Its Implications,” Journal of Early Christian Studies 6, no. 2 (1998): 185–226
 
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