99 Jahre Skagerrakschlacht haben - wohl nachvollziehbar - keine besonderen Spuren hinterlassen. Wesentliche neue Publikationen werden wohl vermutlich 2016 erscheinen. Reichlich Fakten zum Ablauf, insbesondere die heftige britische Diskussion zum "Jutland-Skandal" und die politischen Auseinandersetzungen um Beatty und Jellicoe sind oben erwähnt. Ein kurzes Resümee zum Verlauf:
Aus der Betrachtung der Kräfteverhältnisse und der Flottenstärken hatte die größte "konventionelle" (meint hier artilleristisch: noch ohne Waffenwirkung der Flugzeuge) Schiffsschlacht der Geschichte kaum Folgen. Die britische Blockade blieb bestehen, die deutsche Hochseeflotte eingeschlossen und als "fleet in being" auf die Bewachung der Ostseeeingänge und der Ausfahrt der UBoote durch die Deutsche Bucht beschränkt. An sich sind das schon beachtliche Folgen (Gross, Epkenhans), wenn man an die weiter bestehende Abschnürung Russlands denkt.
Während Beatty trotz seiner unvorsichtigen Vorgehensweise und verlorenen Battlecruiser kaum kritisiert wurde, konzentrierte sich alles auf Jellicoe, der offenbar die Chance verpasst hatte, ein zweiter Nelson zu werden. Sein "Abdrehen" wegen der Torpedophobie und Scheers dritte "Gefechtskehrtwende" verhinderten einen durchschlagenden Erfolg.
Viele Betrachtungen der eingetretenen Verluste - sozusagen in theoretischer "Hochrechnung" auf ein längeres Gefecht der beiden Hauptschlachtflotten - verkennen, dass die Verluste unter Fishers Battlecruiser und ihre besonderen Bedingungen nicht auf die Hauptflotten übertragbar waren und hier ganz andere Kräfteverhältnisse und "Standfestigkeiten" herrschten.
Dass Jellicoe den Sieg anstrebte, zeigt seine anschließende Verfolgung nach dem Fehler des Abdrehmanövers. Viele Mosaikstücke sind inzwischen beigetragen: die fehlerhafte Verwertung der Room40-Nachrichten, das Unvermögen, derart große Verbände große Verbände geschlossen zu führen (eine Teilung der britischen dreadnought-Geschwader zur Zangenbildung wäre machbar gewesen, hatte aber doktrinäre Grenzen), das Problem der britischen AP-Munition (Frühzünder) etc. pp. Über die Schlacht sind anschließend Ströme von Tinte geflossen.
Scheers zweimalige Flucht mit drei Kehrtwenden zeigt aber, wie die Protagonisten die "Erfolgschancen" einschätzten: ein durchgeschlagenes Hauptgefecht hätte den Großteil der deutschen Hochseeflotte gekostet, mit sicher wesentlichen, aber relativ verkraftbaren britischen Verlusten. Folge wäre die Öffnung der Ostseeblockade und die enge Blockade der deutschen Bucht gewesen (hier wäre der UBootkrieg im bekannten Rahmen wegen der erheblich erschwerten "Ausschleusung" der Boote und den vermutlich engen und kaum mehr durchlässigen Minensperren jedenfalls kaum so erfolgt). Die Auswirkungen auf die deutschen Möglichkeiten, mittels der neutralen Niederländer und Skandinavier die britische Blockade spürbar zu unterlaufen, wären unübersehbar gewesen.
Churchills Zitat, Jellicoe hätte an einem Nachmittag als einziger Mensch den Krieg verlieren können, kann also umgedreht werden: er hätte ihn vielleicht doch wesentlich abkürzen können.
Phantasien über ein Kriegsende 1916/Anfang 1917 im weltgeschichtlichen Verlauf führen dann aber doch zu weit, obwohl der Gedanke über die Auswirkungen eines - theoretisch möglichen - deutlichen Sieges von Jellicoe sehr weit ausgreift. Unabhängig von den Phantasien wären die Auswirkungen einer deutlichen deutschen Niederlage wohl beachtlich gewesen, wie auch immer man "beachtlich" verstehen mag.
Weiter will ich aber zu diesem Effekt eines einzigen Nachmittags 1916 nicht phantasieren.