Kurz zusammengefasst sind völkische Zwecke für mich der Missbrauch von Archäologie (in diesem Fall Germanen) um eine Überlegenheit des Deutschen, Rassismus und Antisemitismus herbeizukonstruieren und auf eine vermeintlich uralte Kontinuität zu stützen. So geschehen im 19. Jhd., im Dritten Reich und auch heute leider immer noch.
Über Rassismus und Antisemitismus im Zuge der Germanenforschung lässt sich vortrefflich streiten, aber die Konstruktion einer germanisch-deutschen Kontinuität hat damit wohl herzlich wenig zu tun, auch wenn der Durchschnittsdeutsche es in seinem kleinen Köpfchen nicht verkraften kann, dass die heutige Weltanschauung nicht das Nonplusultra ist und nicht alles, was 500 Jahre lang vertreten wurde, antisemitisch oder rassistisch angehaucht ist.
Ich denke kaum, dass der gute Ulrich von Hutten, der selbstverständlich eine Kontinuität der Germanen zu den Deutschen sah, eine Überlegenheit der Germanen vertrat. Eher wurde eine Gleichrangigkeit vertreten, die es davor nicht gegeben hatte, weil die Romanen es waren, die sich als überlegen bezeichneten. Das Aufkommen der Germanenforschung stellte das deutsche Volk endlich in eine Reihe mit den anderen und beendete eben dadurch das rassistische Verhalten der Romanen, uns als widerliche Barbaren darzustellen, die kaum als Menschen zu bezeichnen seien.
Selbst der jüdische Politiker Walther Rathenau und der Sozialist Friedrich Engels haben selbstverständlich die Germanen als erste Deutsche bezeichnet. Engels schrieb beispielsweise 1884: "Die Deutschen waren, besonders damals, ein hochbegabter arischer Stamm in voller lebendiger Entwicklung begriffen." (Quelle: Die Staatsbildung der Deutschen)
Wer findet darin Rassismus und Antisemitismus? Gut, das folgende Zitat Walther Rathenaus ist durchaus rassistisch, aber ihm als Juden kann man kaum vorwerfen, antisemitisch gewesen zu sein: Es sei die "Pflicht der echten okzidentalen Rassen", so Rathenau, "die Kontrolle und Herrschaft des Erdballs zu gewinnen und die der Verwaltung unfähigen Rassen zu enterben". (Quelle: Dieter Heimböckel, Walther Rathenau und die Literatur seiner Zeit)
Im Dritten Reich wurde zwar der Germanenkult gepflegt (und das war nur eine Weiterführung einer 500-jährigen Tradition), aber Hitler selbst war den Germanen eher weniger zugetan, wenn er sagt: "Nicht genug, dass die Römer schon große Bauten errichteten, als unsere Vorfahren noch in Lehmhütten hausten, fängt Himmler nun an, diese Lehmdörfer auszugraben, und gerät in Begeisterung über jeden Tonscherben und jede Streitaxt, die er findet. Wir beweisen damit nur, dass wir noch mit Steinbeilen warfen und um offene Feuerstellen hockten, als sich Griechenland und Rom schon auf höchster Kulturstufe befanden."
Was daran verwerflich sein soll, einen Kult um seine Ahnen zu betreiben, ohne die es einen nicht gäbe, weiß ich beim besten Willen nicht. Ich selbst bin niemand, der sich groß um Germanen kümmert, schon alleine deshalb, weil meine Vorfahren vor mehreren Jahrhunderten wohl eher Slawen und Kelten waren.
Aber ich betrachte die Germanen selbstverständlich als Vorfahren meines Volkes, und deshalb sind sie für mich etwas Besonderes. Und ob mich jemand als Nationalsozialist, Sozialist (wie Engels einer war), Jude (wie Rathenau einer war), Christ, Heide, Muslim, Analphabet oder Brasilianer bezeichnet, wenn ich mich für die Ahnherren meines Volkes interessiere und/oder einen Kult um sie betreibe, ist mir herzlich egal.