Da hier und beim "Scheitern der Kreuzzüge" die Schlacht von Manzikert mehrfach erwähnt wurde:
Gibt es dazu weiterführende Literatur, zu Hintergründen, Logistik, Zusammensetzung des byzantinischen Heeres, Details zum Ablauf?
Als ein Grund wird auch das byzantinische Engagement auf dem Balkan genannt. Welche Rolle spielte das im Kontext von Manzikert?
Einen Zusammenhang mit dem Engagement am Balkan kann ich nicht erkennen. Die Schlacht ging jedenfalls nicht verloren, weil die Byzantiner am östlichen Kriegsschauplatz zu wenig Truppen gehabt hätten. Ich will zu den tieferen Hintergründen einmal etwas weiter ausholen, vielleicht werden dann die komplexen Ursachen verständlicher:
Nach dem Tod des fähigen und tatkräftigen Kaisers Basileios II. 1025 geriet das Reich in eine mehrfache Krise: Zunächst folgte ihm sein passiver Bruder Konstantin VIII., der schon lange sein gleichberechtigter Mitkaiser gewesen war, sich aber aus der Politik herausgehalten hatte und das jetzt auch nicht änderte. Auf ihn folgten vier Kaiser, die ihre Macht Konstantins Tochter Zoe verdankten, einer Frau, die im vorgerückten Alter plötzlich lebenslustig wurde und ihren Ehemann Romanos III. durch ihren Liebhaber (und späteren Ehemann) Michael IV. ersetzte, auf den ihr Adoptivsohn Michael V. folgte, ehe sie die Macht vorübergehend offiziell selbst übernahm, dann kam ihr dritter Ehemann Konstantin IX. Die vier Kaiser zeichneten sich alle nicht durch große Befähigung aus, allerdings gab es noch tiefergehende Probleme, die allmählich und dann nach dem Ende der Ära Zoe voll zum Tragen kamen: den Konflikt zwischen Militär und Beamtenschaft und den Aufstieg mächtiger Adelsgeschlechter.
Seit dem Tod von Basileios II. schwelte ein permanenter Machtkampf zwischen der hohen zivilen Beamtenschaft und dem Militär. Die hohen Beamten wollten einen der ihren als primus inter pares auf dem Thron sehen, während man beim Militär der Meinung war, nur eine Art Militärdiktatur könne das Reich retten. Dieser Konflikt steckte hinter mehreren Umstürzen und Putschversuchen des 11. Jhdts. Er hatte aber noch weitere Folgen: Der zivilen Beamtenschaft fehlte es nicht nur an Verständnis für die Bedürfnisse des Militärs, sondern sie hatte naturgemäß auch gar kein Interesse an einem zu starken Militär. Da kamen ihr Kaiser, die beim Militär sparten und das Geld lieber für Sakralbauten oder gar den eigenen Luxus ausgaben, gerade recht. Die hohen Beamten langten natürlich auch kräftig zu. Die Folge war eine Schwächung des Militärs, für die es aber noch eine zweite Ursache gab, die mit dem zweiten großen Problem zusammenhing, dem Aufstieg des Adels.
Einflussreiche Adelsgeschlechter hatte es immer schon gegeben, aber sie waren von früheren Kaisern im Zaum gehalten worden. Ab Konstantin VIII. aber konnten sie sich voll entfalten, was auch zu einer Krise im Themensystem führte. Großgrundbesitzer haben immer die Tendenz, ihren Landbesitz auf Kosten benachbarter Kleinbauern ausdehnen zu wollen oder diese zumindest in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen, aber frühere Kaiser hatten diese Entwicklung immer wieder gestoppt und umgekehrt, aber seit dem Tod von Basileios II. hatten die adligen Großgrundbesitzer freie Hand und konnten das Reich allmählich feudalisieren. Die Folge war der Niedergang des freien Wehrbauerntums, das neben den stehenden kaiserlichen Tagmata das Rückgrat der Armee gebildet hatte. Zum Ausgleich mussten die Kaiser bei ihren Feldzügen wieder verstärkt auf Söldner zurückgreifen, außerdem waren sie auf Verbände angewiesen, die unter der Kontrolle mächtiger Adelsgeschlechter standen.
Damit kommen wir auch schon zur Schlacht von Mantzikert: Kaiser Romanos IV., ein Vertreter der Militärs, kam auf den Thon, indem er die Witwe von Konstantin X. zur Ehe nötigte. Nur war er leider nicht allein, sondern hatte die mächtige Dukas-Familie gegen sich. Konstantin X. (1059-1067), ein führender und typischer Vertreter des Beamtenadels, hatte als erster Angehöriger dieser Adelsfamilie den Thron bestiegen und alles falsch gemacht, was damals im Reich ohnehin falsch lief: Er verkleinerte das Heer und begünstigte die Großgrundbesitzer, erhöhte die ohnehin hohen Steuern noch mehr, verkaufte Ämter und verhielt sich den Bedrohungen von außen gegenüber untätig.
Nun regierte also Romanos IV. (1068-1072), aber die Dukai betrachteten ihn als Usurpator, der ihnen den Thron weggenommen hatte. Er hatte obendrein drei Mitkaiser, nämlich zwei Söhne Konstantins X., Michael VII. und Konstantios, und Andronikos, einen Neffen von Konstantin X. Im Feldzug gegen die Seldschuken begleitete Andronikos Romanos IV. und sah seine Chance, den Rivalen loszuwerden und so die Macht für seine Familie zurückzugewinnen.
Und so kam es zur Katastrophe: Die angeheuerten Söldner meuterten vor der Schlacht oder liefen gar über, und Andronikos ließ den Kaiser im Stich, indem er mit der von ihm befehligten Reserve nicht eingriff. Romanos IV. geriet in seldschukische Gefangenschaft, konnte aber einen maßvollen Vertrag schließen. Doch einstweilen wurde er von den Dukai und den Beamten, die ohnehin auf der Seite der Dukai standen, gestürzt, sodass sich die Seldschuken an den Vertrag nicht mehr für gebunden erachteten und im Reich das Chaos ausbrach.