Warum Zweibund mit ÖU?

@Turgot:

Delcassè hätte sich leichter mit Deutschland zusammenfinden können und Großbritannien unter Druck setzen können.

Wie das? Delcassè wäre nicht imstande gewesen endgültig auf Elsass und Lothringen zu verzichten. Auf der anderen Seite stand niemals ernsthaft zur Diskussion die beide Provinzen an Frankreich zurückzugeben. Das wären innenpolitisch gar nicht durchsetzbar gewesen. Einer engen Zusammenarbeit, vielleicht sogar ein Bündnis, standen die Provinzen im Wege und dieses große Problem, war keiner der beiden Großmächte bereit aus der Welt zu schaffen.

Wieso hat Joseph Chamberlain seine Bündnissondierungen mit Deutschland so diletantisch aufgezogen? Er war kein gelernter Außenpolitiker und sein Gerede der germanischen Allianz musste alle misstrauisch machen. So zieht man doch keine Bündnisverhandlungen auf.

England war um die Jahrhundertwende an die Grenzen seiner Splendid Isolation angekommen. In Afrika, genauer im Sudan, die schwere Krise mit Frankreich, in Asien das Ausgreifen Russlands, Stichwort die Nordwestgrenze Indiens, legten es der englischen Außenpolitik nahe, nach Lösungen zu suchen. Weshalb Chamberlain diesen Weg wählte, weiß ich nicht, aber ich könnte mir vorstellen, das der Adressat weniger Berlin und mehr Paris und Petersburg gewesen waren. Und Bülow war nicht der Mann, die Chance dieses Angebotes zu begreifen.

Was war bitte Grey für eine zweitklassige Persönlichkeit? So rumzueiern vor dem ersten Weltkrieg und den Deutschen immer das Gefühl zu geben, egal was sie tun, GB wäre gegen sie. Kein Wunder, dass Deutschland sich eingekreist gefühlt haben muss. Bei Bertie wusste man immer woran man ist. Das war eine ganz andere Hausnummer als Grey.

Was genau meinst du mit "rumzueiern"? Und auf welchen Zeitraum bezieht sich das "rumzueiern"? Woran machst du fest, das Grey eine "zweitklassige Persönlichkeit" gewesen sein soll?

Genauso Sasonow, mit was für einem arroganten Großmachtsdenken ging der bitte vor?? Auch der Zar mit seinen Allmachtsphantasien, man könnte mal eben die Mandschurei und ganz Korea im Handstreich nehmen etc etc..

Ich bin bestimmt kein Anhänger Sasonows, aber meinst du nicht, das sein Verhalten und "Großmachtdenken" doch im Zeitalter des Imperialismus nicht so etwas Ungewöhnliches waren? Wilhelm II. schwadronierte doch auch von "deutscher Weltpolitik."
 
Das ist alles richtig, nur sollte man nicht die Deutschen wegen derartiger Überlegungen verurteilen und gleichzeitig andere dafür "freisprechen".
 
Zu Grey:
Grey ist in Großbritannien stark umstritten. Er gilt als Mann, der durch seine Politik das Empire ruiniert hätte.
Übersetzt:
Matthew Parris hat ihn „einen verdammt schrecklichen Außenminister“ genannt, Andrew Adonis hält ihn für „den wohl inkompetentesten Außenminister aller Zeiten“, Bendor Grosvenor nannte ihn „den schlechtesten Abgeordneten der Geschichte“, obendrein Max Hastings, Niall Ferguson und John Charmley haben ihn alle gegeißelt, die letzten beiden als „Totengräber“ des britischen Empire. Wenn Blackadder Goes Forth eher die diplomatische als die militärische Seite des Krieges behandelt hätte, wäre Grey als ein Dummkopf der Oberschicht dargestellt worden, der in eine Katastrophe gestolpert wäre.

Original:
Matthew Parris has called him “a bloody awful foreign secretary”, Andrew Adonis thinks him “arguably the most incompetent foreign secretary of all time”, Bendor Grosvenor called him “the worst MP in history”, on top of which Max Hastings, Niall Ferguson and John Charmley have all castigated him, the last two as the “gravedigger” of the British Empire. If Blackadder Goes Forth had covered the diplomatic rather than the military side of the war, Grey would have been presented as an upper class twit who blundered into catastrophe.
Quelle: A lighter shade of grey | Andrew Roberts | The Critic Magazine
 
Zu Grey:
Grey ist in Großbritannien stark umstritten. Er gilt als Mann, der durch seine Politik das Empire ruiniert hätte.
Übersetzt:
Matthew Parris hat ihn „einen verdammt schrecklichen Außenminister“ genannt, Andrew Adonis hält ihn für „den wohl inkompetentesten Außenminister aller Zeiten“, Bendor Grosvenor nannte ihn „den schlechtesten Abgeordneten der Geschichte“, obendrein Max Hastings, Niall Ferguson und John Charmley haben ihn alle gegeißelt, die letzten beiden als „Totengräber“ des britischen Empire. Wenn Blackadder Goes Forth eher die diplomatische als die militärische Seite des Krieges behandelt hätte, wäre Grey als ein Dummkopf der Oberschicht dargestellt worden, der in eine Katastrophe gestolpert wäre.

Original:
Matthew Parris has called him “a bloody awful foreign secretary”, Andrew Adonis thinks him “arguably the most incompetent foreign secretary of all time”, Bendor Grosvenor called him “the worst MP in history”, on top of which Max Hastings, Niall Ferguson and John Charmley have all castigated him, the last two as the “gravedigger” of the British Empire. If Blackadder Goes Forth had covered the diplomatic rather than the military side of the war, Grey would have been presented as an upper class twit who blundered into catastrophe.
Quelle: A lighter shade of grey | Andrew Roberts | The Critic Magazine

Hmmh, meine Fragen hast du eigentlich nicht beantwortet.

Das ich mal für Grey argumentiere :D, hätte ich auch nicht gedacht, aber die o.g. Urteile erscheinen mit doch ein wenig arg.

Hast du das Urteil von Professor Otte, eines ausgewiesenen Fachmanns, gelesen?

Grey wird gerade für sein Agieren in der Julikrise stark kritisiert, da er nicht zeitig genug klipp und klar Farbe bekannt hat.

Nun, Berlin hätte es eigentlich besser wissen können, ja müssen. Nehmen wir beispielsweise den 04.Dezember 1912. Grey hatte Lichnowsky mehr oder weniger deutlich erklärt, dass im Falle eines Balkankrieges England wohl auf Seiten seiner Freunde zu finden sei. Lichnowsky hatte dies natürlich nach Berlin berichtet. Das diese Politik von Grey nicht sonderlich klug gewesen war, hatte er möglicherweise selbst erkannt, denn so würde er Russland den Auslösemechanismus zum großen Krieg überlassen. Diesen Fehler wiederholte Grey eben in der Julikrise 14 nicht.

Aber er schätzte die Chancen einer Lokalisierung des Krieges am 24.07. gegenüber Lichnowsky pessimistisch ein. Am 26.07. warnte Lichnowsky eindringlich davor nicht der Illusion einer Lokalisierung des Krieges aufzusitzen. Am 27.07.berichtet Lichnowsky, das mit englischen Sympathien und Unterstützung nicht mehr zu rechnen sei. Also Berlin war eigentlich hinlänglich durch seinen Botschafter gewarnt.

Und er wollte Frankreich und Russland eben nicht voreilige die überaus wichtige englische Unterstützung zusichern, damit diese das Pulverfass in Brand setzen konnten.

Aber wie hätte Grey anders agieren können im Juli 1914? Wenn England seinen Freunden die Unterstützung nicht gewährt hätte, dann wäre auf Sicht das Empire wohl nicht mehr zu halten gewesen. Und genau darum ging es Sir Edward Grey: Den Schutz und Erhalt des Empires. Das ganz am Ende der Verlust der Weltmachtstellung und des Empires stehen würde, das konnte Grey nicht wissen.

Es kann und darf auch bezweifelt werden, ob die Abmachungen mit dem Zarenreich überhaupt verlängert worden wären. Der Stress in Persien, den die Engländer dort immer wieder mit den Russen hatten, war sicher keine vertrauensbildene Maßnahme der Russen. Man hätte in Berlin vielleicht einfach zuwarten sollen und sehen, was sich da künftig an Chancen und Möglichkeiten offenbaren würden.

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Meine Ausführungen bedeuten nicht, das ich der Auffassung bin, der Hauptschuldige des Weltkrieges ist Berlin.:D
 
@Turgot
Herzlichen Dank für Deine Beiträge.
Ich stimme deinen Beiträgen eigentlich fast immer zu. Meine Beiträge sind eher als Ergänzung gedacht, nicht als Relativierung.
Das Problem ist einfach, zu einfachen ganz klaren Antworten kommt man nur, wenn man sehr oberflächlich arbeitet.
Hier handelt es sich aber um eine schwieriges komplexes Themengebiet. Fast jede Aussage kann erweitert werden, bitte bedenken sie dies oder das. Diese "Einordnungen" machen gerade geschichtliche Abhandlungen komplex und erhöhen die Seitenzahl erheblich. Bei den Naturwissenschaftlern gibt es ja manchmal wichtige Arbeiten die nur 15 Seiten haben, aber ein Vorstudium von 10 Jahren brauchen. Die Gefahr bei Geisteswissenschaftlichen Arbeiten ist ja immer, dass alles mit allem zusammenhängt und man kein Ende findet.
Beste Grüße
A
 
Eine Analyse welche Konstellation was für GB bedeutet hätte, findet sich bei Jörg Friedrich im vorderen Teil.
Friedrich ist sowieso ein guter Mann, aber er setzt einiges voraus. Ich finde, Friedrich durchdenkt Probleme einfach sehr gut und stellt wichtige und interessante Fragen und Thesen auf. Bei anderen Historikern gibt es ja immer die Angst, sich zu viel herauszuwagen. Nur ist es so, dass die 10te Zusammenfassung bekannter Thesen wenig Mehrwert hat. Ich finde zB. Annika Mombauer immer ein bisschen bieder (vgl. man könnte ja den Schliefen-Plan in Moltke-Plan umbennen etc. daraus erwächst ja keine Konsequenz).

In letzter Zeit hatte ich wieder einiges gelesen, es ist ja einiges in Bewegung geraten.
Rainer F. Schmidt hat ja die These, dass Poincarre Deutschland im Bismarckschen Sinne, ausmanövriert hat. An Walter Post hatte ich mich doch recht missmutig herangewagt, ich hatte ein tendenziöses Werk erwartet, ich war halt durch Wiki etwas vorbelastet, stattdessen hat Post ein gut lesbares Werk geschrieben. Schräge Thesen oder Übertreibungen hat er nicht.
Gerd Krumeich hatte die Dolchstoßlegende wieder auferlebt, Holger Afflerbach hat sich etwas an der selbstgefälligen britischen Geschichtsschreibung abgearbeitet, die allzu gerne den ersten WK in einen Zusammenhang mit dem zweiten WK stellt, und beide als notwendige und gerechte Kriege darstellt. Nur eins haben wir ja wohl alle gelernt, einfache Antworten gibt es nie.
 
Hindenburg hatte doch im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Dolchstoßlegende in die Welt gesetzt. Da wurde gelogen, das die Balken sich biegen. Wie drückte es Ludendorff unmissverständlich aus. Sollen doch jetzt die Leute die Suppe auslöffeln, die uns die Suppe eingebrockt haben. Eine krasse, unverschämte Lüge, die unermesslichen Schaden angerichtet hatte.
 
riedrich ist sowieso ein guter Mann, aber er setzt einiges voraus. Ich finde, Friedrich durchdenkt Probleme einfach sehr gut und stellt wichtige und interessante Fragen und Thesen auf. Bei anderen Historikern gibt es ja immer die Angst, sich zu viel herauszuwagen. Nur ist es so, dass die 10te Zusammenfassung bekannter Thesen wenig Mehrwert hat. Ich finde zB. Annika Mombauer immer ein bisschen bieder (vgl. man könnte ja den Schliefen-Plan in Moltke-Plan umbennen etc. daraus erwächst ja keine Konsequenz).

Bei Jörg Friedrich ist aber auch ergänzend darauf hinzuweisen, das er sich auch umfänglich auf ältere Nachkriegsliteratur stützt.

Und Afflerbach hat beispielsweise explizit und zutreffend darauf hingewiesen, das sich die Alliierten sämtlichen Bemühungen um einen Frieden verweigerten. Man wollte die bedingungslose Kapitulation, die man letzten Endes auch erreichte.
 
Man kann das Spiel locker fortsetzen, warum hat sich Frankreich nicht einfach mit dem Verlust von Elsass-Lothringen abgefunden. Der Verlust einer Region von 92% Deutschen Muttersprachlern kann kein Grund sein, sich für Jahrzehnte in die Dauerschmollecke zu verziehen. Delcassè hätte sich leichter mit Deutschland zusammenfinden können und Großbritannien unter Druck setzen können.

Es geht ja nicht nur um Bevölkerungen, sondern auch um Sicherheitspolitik.
Der Verlust der Rheingrenze im Elsass und der Festung Metz musste aus militärstrategischen Gründen enorm schmerzen, die neue Grenze war deutlich ungünstiger zu verteidigen.
Hinzu kam das Faktum des Dreibundes, das auf Frankreich wie eine dauerhafte Drohkulisse wirken musste und in dieser Form nicht notwendig gewesen wäre.

Ein anderer Punkt ist natürlich, man kann das Verhältnis von Deutschland und Österreich nicht so völlig losgelöst betrachten. Es ist nicht so, dass Deutschland sich so einfach von Österreich und umgekehrt hätte lösen können aufgrund der vielen gemeinsamen Punkte.

Das sehe ich ein wenig anders und das sahen offensichtlich auch die Zeitgenossen ein wenig anders. Wenn man aber einmal annimmt, dass dem so gewesen wäre und es für beide nicht möglich gewesen wäre, sich von einander loszusagen, hätte es sich für Deutschland verboten Österreichs hochriskannte Balkanpolitik mitzumachen.

Das tat man ja letztendlich nur, weil man Angst hatte, dass sich Österreich-Ungarn eben doch aus dieser Zusammenarbeit verabschieden könnte.
 
Der Dreibund wurde doch erst ein Jahrzehnt nach der Niederlage Frankreichs begründet. Und Frankreich hat es auch erfolgreich und zügig geschafft, dieses Bündnis zu unterminieren.

Aber das war genau beispielsweise Aehrenthals Kalkül. Und Bülow ist im Zuge der Annexionskrise aus diesem Grunde dem Verbündeten beigesprungen, da man ma eben Sorge hatte, Wien könnte sich auch nach London oder Paris wenden; denn mit den Mächten hatte Wien keine Interessengegensätze.
 
Der Dreibund wurde doch erst ein Jahrzehnt nach der Niederlage Frankreichs begründet. Und Frankreich hat es auch erfolgreich und zügig geschafft, dieses Bündnis zu unterminieren.

Schon, aber allein die Existenz dieses Bünsnisses musste natürlich innenpolitisch Wasser auf die Mühlen der revanchistischen Kräfte in Frankreich sein.
Ungeachtet dessen, dass es niemals dazu gedacht war, Frankreich zu bedrohen, konnte es ja genau dahin umgedeutet werden.
 
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Wobei doch viele Zeitgenossen zu der Zeit Bismarcks ihm vorwarfen, er würde sich zu sehr um Frankreich bemühen (vgl. Kongo-Konferenz) und Frankreich würde es ihm nicht danken.
 
Bismarcks Bemühen galt es Frankreich isoliert zu halten, da ihm aufgrund der Annektion der beiden Provinzen Elsass und Lothringen eine Zusammenarbeit nicht möglich erschien.
Deshalb hatte Bismarck auch nichts dagegen einzuwenden, das 1871 in Frankreich die Republik als Staatsform gewählt wurde und nicht die Monarchie. Bismarck war der Meinung, das Frankreich so als Bündnispartner an Attraktivität einbüßen würde; vor allem in den Augen Russlands. 1875 wurde ausgetestet wie weit man gegenüber Frankreich gehen könnte, die Signale der Großmächte waren eindeutig.

Die Kooperation mit Jules Ferry war nur von kurzer Dauer, da Ferry schon 1885 seinen Sessel wieder räumen musste.
 
Es ist für das Verständnis für Bismarcks Entscheidung zugunsten eines Zweibundes mit Österreich-Ungarn wichtig, die außenpolitische Entwicklung der Jahre seit 1871 sich kurz anzusehen.

Dabei sticht ein Aspekt ganz besonders hervor. Der verantwortliche russische Außenminister Gortschakow war per se nicht willens und bereit Berlin auf Augenhöhe gegenüberzutreten. Gortschakow verlangte nichts Geringers als Gefolgschaft.

Gleich nach Kriegsende hatte die russische Regierung zu verstehen gegeben, das si nun mit deutschen Gegenleistungen wenn nicht gleich mit der deutschen Gefolgschaft rechne. Die Unterstützung hinsichtlich der Pontusklauseln und andere Gefälligkeiten in der Vergangenheit zählten offenkundig nicht.
Aller ding hatte es Wilhelm I. seinen Neffen, den russischen Zaren, mit seinen überschwänglichen Dankestelegramm im Frühjahr 1871vauch sehr leicht gemacht, so eine Anspruchshaltung zu entwickeln. Der deutschen Diplomatie und Bismarck hatte er damit einen Bärendienst erwiesen.
Gortschakow ließ fortan keine Gelegenheit aus, an dieses Dankestelegramm zu erinnern.
Das Dreikaisertreffen Anfang 1872, es sollte eigentlich ein Zweikaisertreffen zwischen Wilhelm I. und Franz-Joseph sein, Alexander hatte sich selbst eingeladen, war im Prinzip eine Pleite. Es war nicht gelungen, für Deutschland eine Entlastung, Stichwort Garantie deutscher Grenze einschließlich Elsaß-Lothringen, zu erreichen. Andrassy und Gortschkow dachten nicht daran, die deutschen politischen Kriegsschulden mitzutragen. Andrassy ging es mittelfristig darum, einen Keil zwischen Berlin und Petersburg zu treiben und dann mit London und Berlin ein Bündnis abzuschließen. Dafür war aber notwendig, auf eine Revanche für Königgrätz dauerhaft zu verzichten. Andrassy wollte bis dahin quasi der unentbehrliche Mittler zwischen Berlin und Petersburg sein.
Gortschakow ging es darum, zu verhindern, das Bismarck die Führungsrolle übernimmt und hierzu war er gegenüber Andrassy überraschend liebenswürdig und entgegenkommend. Rainer Schmidt formulierte bei Gelegenheit treffen, das Bismarck beim Billardspiel über die bände getroffen werden sollte und schließlich auch wurde.

Schon im Verlauf des Jahres1873 wurde klar, das Paris seine Reparationen früher abzahlen würde, als erwartet wurde. Das bedeutete, das Deutschland seine Truppen aus Frankreich würde abziehen müssen. Damit würde Frankreich wieder seine Bündnisfähigkeit zurückgewinnen, so die Befürchtung des Reichskanzler. Anfang Mai reist Bismarck gemeinsam mit Moltke nach Petersburg, um dort eine eine Militärkonvention abzuschließen. Bei Angriff auf einer der beiden Mächte, sollte die andere mit mindestens 200.000 Soldaten zur Hilfe eilen.

Daraus wurde nicht. Gortschkow aber auch Andrassy winkten ab.

Es wurde lediglich eine ziemlich unverbindliche gehaltene Vereinbarung abgeschlossen, die lediglich dazu verpflichtete, den Frieden zu bewahren und sich im Kriegsfalle zu beraten. Dieses magere Ergebnis war alles, was seinerzeit für die deutsche Diplomatie zu erreichen war.

Sowohl Österreich-Ungarn als auch Russland war ein Deutschland mit einem revanchehungrigen Frankreich im Rücken als ohne. Mit der Gegenseiten Solidarität war es also nicht weit her.

Der nächste Schritt Bismarcks war die sogenannte Mission Radowitz. Es ist nicht mit letzter Sicherheit zu kläre, ob es Bismarck dabei darum ging, die russische Neutralität für den Fall eines Krieges mit Frankreich sicherzustellen. Angeboten wurde, Deutschland hält sich im Orient heraus und Russland würde im Falle eines Krieges zwischen Frankreich und Deutschland neutral bleiben.

Daraus wird ebenfalls nichts.

Dann kam die sogenannte Krieg-in Sicht-Krise des Jahres 1875. Hier ist nicht der Raum, diese Krise darzustellen. Jedenfalls hatte Gortschakow am Ende den deutschen Kanzler gründlich blamiert, in der er unzutreffend behauptete, das er und der Zar den Frieden gerettet hätten. Dies tat er in Form eines Zirkulartelegramms an die europäischen Mächte. Andrassy, der Bismarck gut kannte, jubilierte, denn ihm war sofort klar, das Bismarck diesen Theater-Coup niemals vergeben würde. Andrassy war auch der einzige Außenminister der Großmächte, der auf Bismarck in der Krise keinen Druck ausgeübt hatte. Die Gefahr einer deutsch-russischen Allianz zum Schaden Wiens war damit aus der Welt geschafft.

1876, einigermaßen überraschend, erdreistete sich Gortschakow die Doktorfrage zu stellen. Berlin solle endlich den offenen Wechsel einlösen. Er wollte wissen, wie Berlin sich in einem Krieg zwischen Russland und Österreich-Ungarn verhalten würde. Es war klar, das London sich auf die Seite Wiens stellen würde. Eine heikle Frage für den Kanzler, den ein Nein könnte sofort ein Bündnis Russland mit Frankreich bedeuten.

Was steckte hinter der russischen Anfrage. Bismarck lavierte und es gelang ihm sein Spagat zwischen Wien und Petersburg durchzuhalten. In Reichstadt wurde ein Abkommen zwischen Russland und Österreich-Ungarn geschlossen. Serbien und Montenegro sollten im ihren Kriege gegen das Osmanische Reich erhalten bleiben. Erwartet wurde aber der Sieg der Serben. Es kam aber ganz anders. Österreich-Ungarn sollte, Achtung jetzt kommt es, Bosnien und die Herzegowina, erhalten. Also bereits 1876 wurde das erste Mal diese Zusage gemacht.

Russland sollte Bessarabien und die Donaumündung bekommen. Wohl gemerkt, für den Fall eines serbischen Sieges.

Allerdings siegten die Osmanen ziemlich überzeugend. Russland war nur sehr mäßig amüsiert und erwog sehr ernsthaft gegen Konstantinopel militärisch vorzugehen. Das war der Hintergrund der Anfrage Gortschakows.

Bismarck überlegt kurzzeitig intern, ob gegen Erhalt einer Garantieerklärung Russlands, Stichwort Elsaß-Lothringen bei Gegenkonzessionen sehr weit gehen könnte. Aber Bismarck rechnete wohl durchaus zu Recht mit einer russischen Absage, denn dort wurde Gefolgschaft verlangt. Allein die Vorgehensweise Gortschakows, an allen diplomatischen Kanälen vorbei über den deutschen Militärbevollmächtigten von Werder, wurde diese Anfrage geschickt.

Später mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach Bismarcks Absage, in verklausulierter, sehr höflicher verpackt, schafften es Wien und Petersburg sich nochmals zu einigen. Am 15.01.1877 wurde in Budapest abermals eine Konvention geschlossen.

Für den Fall, das Russland nun gegen das Osmanische Reich vorgeht, sollte Bessarabien russisch werden. Rumänien sollte die Dobrudscha bekommen und Österreich-Ungarn Bosnien und die Herzegowina. Die Bildung eines großen slawischen Staates sollte aber in jedem Falle ausgeschlossen sein.

Nachdem Konstantinopel mal wieder ein Reformprogramm der Mächte abgelehnt hatte, war für Russland der Zeitpunkt gekommen, gegen das Osmanische Reich in dem Krieg zu ziehen. Dieser Krieg wurde gewonnen und Russland diktierte in San Stefano einen harten Frieden, der über die Abmachungen von Budapest hinausging. Wien meldete sich ebenso wie London lautstark zu Worte. Zwischen London und Wien wurde auch über ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen Russland gesprochen. Andrassy war bemüht Bismarck auf die Seite Großbritanniens und Österreich-Ungarn zu ziehen.

Am Ende stand der Berliner Kongress, auf dem Bismarck als Makler auftrat und letztlich den Frieden erhalten konnte. Der Natur der Sache nach ging diese zu Lasten Russlands.

Bismarck war auf dem Zenit seiner Laufbahn. Überall in ganz Europa, sogar in Paris, wurde seine diplomatische Vermittlung gelobt und gewürdigt. Nur in Petersburg nicht. Gortschakow hatte es auf dem Kongress verstanden, wenn "kitzelige Entscheidungen" anstanden, sich "krank zu melden" und seinem Vertreter Peter Schuwalow die Suppe auslöffeln lassen. Schuwalow berichtete auch in Petersburg, das ohne Bismarck, die Ergebnisse des Kongresses für Russland um einiges schlimmer ausgefallen wären. Schuwalow bezahlte seine diplomatischen
Bemühungen mit seinem Job.

In der russischen Presse, vom Zaren und der Regierung wurden Deutschland und vor allem Bismarck für den "schlechten" Ausgang des Kongresses verantwortlich gemacht.
Schuwalow einer der es wissen muss, meinte, das der Frieden von San Stefano eine der größten Dummheiten der russischen Diplomatie war.
Alexander und Gortschakow focht das alles nicht an. Am 15.August 1879 wurde der in der Geschichte eingegangen Ohrfeigenbrief an Wilhelm I. geschrieben.
Bismarcks Reaktionblieb nicht aus. Er wies die deutschen diplomatischen Vertreter in den internationalen Kommissionen bezüglich der Umsetzung der Entscheidungen des Berliner Vertrages an, Russland nicht mehr zu unterstützen.

Das Verhältnis zwischen Petersburg und Berlin war beschädigt, vor allem nach der im Ohrfeigenbrief enthaltenen Drohung Alexanders.

An ein Bündnis war da erst einmal nicht mehr zu denken, eher daran, sich vor Russland zu schützen.
 
Dann kam die sogenannte Krieg-in Sicht-Krise des Jahres 1875. Hier ist nicht der Raum, diese Krise darzustellen. Jedenfalls hatte Gortschakow am Ende den deutschen Kanzler gründlich blamiert, in der er unzutreffend behauptete, das er und der Zar den Frieden gerettet hätten. Dies tat er in Form eines Zirkulartelegramms an die europäischen Mächte. Andrassy, der Bismarck gut kannte, jubilierte, denn ihm war sofort klar, das Bismarck diesen Theater-Coup niemals vergeben würde. Andrassy war auch der einzige Außenminister der Großmächte, der auf Bismarck in der Krise keinen Druck ausgeübt hatte. Die Gefahr einer deutsch-russischen Allianz zum Schaden Wiens war damit aus der Welt geschafft.

Hier noch ein paar Ergänzungen aus den Erinnerungen Saburows und den Erinnerungen von Odo Russel.

"Frankreich wandte sich an uns mit der Bitte um Schutz gegen die kriegerischen Absichten der deutschen Militärpartei. Der Kaiser erörterte den Gegenstand mit Kaiser Wilhelm, der ihn über diese Frage vollständig beruhigte und ihm sagte, dass, so lange er lebe, Deutschland keinen Krieg mehr führen werde.

Was mich (Gortschkow) anlangt, so hatte ich ein freundschaftliches, aber festes Gespräch mit Bismarck. er beschwerte, dass man an seinem Wunsche, den Frieden zu erhalten, zweifelte, während er in schlaflosen Nächten daran arbeite, den Frieden zu sichern. Ich antwortete ihm: Es sind die schlaflosen Nächte, die uns stören. Sie tragen die Last Ihres Ruhmes; wenn Sie an Schlaflosigkeit leiden, so kann Europa nicht schlafen; wenn Sie Kopfschmerzen haben, so hat Europa hohe Temeratur.

Gortschakow führte dieses Gespräch mit Bismarck in Gegenwart des britischen Botschafters Odo Russell.

Gemäß Saburow begnügte sich Russel damit, in diesem Wortturnier, die Hiebe der beiden Kanzler zu zählen.

Russel berichtet uns in seinen Erinnerungen, das seine Bewunderung Gortschakow gehörte.


Bismarck hat Gortschakow dieses Gespräch und dann noch das Zirkular von Gortschakow nie verziehen. Er selbst spricht von einer Zirkusvorstellung in seinen Gedanken und Erinnerungen.
 
Rumänien sollte die Dobrudscha bekommen
Rumänien war 1877 ein dem OR tributpflichtiges Fürstentum.
Es schloss sich zunächst zögerlich Russland an, indem es zunächst Durchmarsch gewährte.
Doch schließlich kämpfte es gegen den Lehensherren OR mit der Aussicht auf eine "nationale" Souveränität, die dem Zeitgeist entsprach.

P.S.
Ich hab nach Büchern gesucht über den Russisch-Osmanischen Krieg 1877-1878.
Das Beste was ich fand ist von 1891 von dem K-u-K Militär Anton Springer:
(Der Link geht grade nicht. Werde das nachreichen.)
 
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