Grundsätzlich kann man wohl sagen dass Bücher, die eine breite Quellenbasis haben, länger haltbar sind. (Ausnahmen bestätig wie immer bekanntlich die Regel.
) Also vor allem sind Werke betroffen, wo der Bearbeiter entweder fast Übermenschliches geleistet hat oder wo eben nur ein sehr begrenzter Raum (lokal oder thematisch) zur Verfügung seht. Vor allem in der Landesgeschichte ist es so, dass Standardwerke kaum einem Verfallsdatum unterliegen. Auf die Bayerische Landesgeschichte bezogen: Ich arbeite noch immer gerne mit dem "Riezler" (Bd.1 seiner "Geschichte Bayerns" ist von 1878 erschienen), weil er schlichtweg so detailliert und aufzählend arbeitet. Seinen Hang zum Pathos kann man ja gerne überlesen bzw. ihn als seiner Zeit geschuldet sehen. Beschäftigt man sich dann noch mit der politischen Richtung des jeweiligen Autors kann man bei aufgestellten Theorien auch noch schön herausfiltern, in welche Richtung er wohl ein oder zwei Augen zugedrückt haben mag, was eine objektivere Betrachtung des modernen Lesers ermöglicht.
In Bereichen wie europäisches Spätmittelalter oder Früher Neuzeit - nur exemplarisch genannt - ist es dagegen so, dass man aufgrund der Vielzahl von Quellen erst eine Auswahl treffen muss - man kann nicht alles erschöpfend berücksichtigen und in die Argumentation einbauen. Schon bei der Entscheidung, womit man sich besonders beschäftigen möchte, ist ein gewisses Verzerrungspotential gegeben, ebenso spielt hier oftmals der Zufall mit rein - was nicht heißen soll, dass es sich um unfähige Wissenschaftler handelt, die die Kunst der Selektion nicht beherrschen!
Noch ein Beispiel aus dem Nähkästchen:
Ich arbeite im Moment an meiner ersten Publikation, in der ich den Planctus Ecclesiae in Germaniam des Konrad von Megenberg unter einem bestimmten Aspekt untersuche - mehr möchte ich im Moment dazu nicht sagen. In den letzten gut hundert Jahren ist etliches an Literatur dazu erschienen und der Aufsatz, der meiner Interpretation und meiner Theorie am nächsten kommt, ist der älteste, nämlich derjenige, der um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert erschienen ist. Warum das so ist? Hier kann ich lediglich Mutmaßungen anstellen, aber ich versuche es: Damals wurde unverblümt an die Sache herangegangen, man legte das dar, was aus dem Text herauszulesen war - Messlatte der gesunde Menschenverstand. Danach tat sich einiges in der Mediävistik und es wurde in vielen Dingen ein Konsens gefunden, an den man sich hielt. Und siehe da: Plötzlich erhält der Planctus eine gänzlich andere Bedeutung, die in in meinen Augen die Dinge verkennt. Eben weil man sich an das hält, was Up-to-date in der Forschung ist.