Ich habe mal auf meiner alten Festplatte gestöbert, und dort etliche halbfertige Postings gefunden.
Wie ihr wisst, schreibe ich hier ja nicht immer aus der "hohlen Hand", sondern muss ggf. recht viel vor meiner Antwort recherchieren. Daher verfasse ich gelegentlich Postings erstmal offline. Manchmal komme ich auch in meinem Perfektionismus nie dazu, diese mal abzusenden.
Hier nun also noch einen halbfertigen Post bezogen auf Seite 3:
Der Iran wurde gerade nicht arabisiert, sondern behielt im Gegensatz zu den Völkern Vorderasiens, Ägyptens und anderen nordafrikanischen Völkern sowohl seine (persische) Sprache als auch seine von der arabischen abweichende Kultur. Dass Persien eine geraume Zeit zum arabischen Kalifat zählte, bleibt davon unberührt.
Diese Tatsachen zeigen, dass sich die persische Sprache und Kultur aufgrund ihrer hohen Dominanz und Vitalität durchaus gegenüber den Arabern behaupten konnte.
Die türkische Seldschukenherrschaft wurde in Persien von einer dünnen Erobererschicht getragen, die bereits im 12. Jh. zerfiel. Gleiches gilt für das Reich der Ilchane und der Timuriden. Es handelte sich jeweils nur um eine kleine Herrenschicht, von der die große Masse des persischen Volks ethnisch nur wenig berührt wurde.
...
Wir sind ausserdem gar nicht so weit auseinander. Man muss halt ein wenig differenzieren, will man die Entwicklung aufzeigen, und kann es sich nicht so einfach machen wie heutige nationalistische Iraner. Nur so, wie du vereinfachend obiges erwähntest, kann man es nicht sagen, es ist z.T. auch schlicht falsch:
Iran wurde (sprachlich) nicht "
nicht arabisiert", sondern zum Teil arabisiert, wovon der Wortschatz von 50% (bis in bestimmten Gattungen bis 80%) noch heute ein beredtes Zeugnis ablegen.
Ethnisch wurden die Iraner nicht, oder nur kaum arabisiert, da haste Recht. Bezeichnenderweise begann auch die sprachliche Renaissance des Neupersisischen in Zentralasien (Samaniden), weit weg vom Kalifensitz, wo es kaum Araber gab ausser einige Händler. Wollte man sich dort untereinander verständlich machen, musste man das persische nutzen.
Die seldschukischen Eroberer wurden sehr wohl von einer breiten türkischen/turkmenischen Schicht getragen, die mit ihnen völkerwanderungsgleich in den Westen zogen. Die Entwicklung habe ich oben ausgeführt. Diese Völkerwanderungswellen sind so stark gewesen, dass sogar noch heute im Iran, trotz massenhafter Landflucht und damit einhergehender Iranisierung in den Städten, ca. 26 % Türken übrig geblieben sind. Da kann man nun wirklich nicht von dünner Erobererschicht sprechen, wie z.b. bei Alexander dem Großen.
Die große Masse der iranischen Vorbevölkerung wurde also ethnisch durchaus nicht nur "wenig berührt".
Was meinste mit "
wesentlich in den Bahnen der sasanidischen Tradition."? Traditionen wurden fortgeführt, richtig, aber sie wurden auch umgeformt; islamisch umgedeutet, der nun mal von den Arabern in die Welt gesetzt wurde.
Du sprichst von
Identitäten, von
nationaler Eigenständigkeit.
Sicher hat der Osten des islamischen Kulturraumes eine andere Entwicklung genommen, als das Zentrum.
Aber du machst hier den Fehler, wie öfters bei dir feststellbar, dass du eine veraltete historiographische Sichtweise Anfang des 20. Jahrhunderts dir zu eigen machst, dass du Identitäten in nationalen Kategorien versuchst festzuschreiben. Schaue am besten in diesen Themen nicht in die veraltete Propyläen Weltgeschichte oder ähnliche Werke.
Monika Gronke schreibt in Geschichte Irans. München 2003:
"Der fortschreitende Prozeß der
Schiitisierung
des [safawidischen] Landes hat [im 16. Jh.], gemeinsam mit der geopolitischen Lage
Irans zwischen den sunnitischen Blöcken des Osmanischen Reiches,
des Usbekenchanats und des indischen Mogulreiches, auf
die Dauer zur Herausbildung eines neuen
Zusammengehörigkeitsgefühls
des größten Teils der
heterogenen Bevölkerung
Irans auf der Grundlage der
Zwölferschia beigetragen. Allerdings
sollte die Vereinigung umfangreicher persischsprachiger
Gebiete des islamischen Ostens unter safawidischer Herrschaft
nicht, wie gelegentlich geschehen, als der Anfang eines künftigen
iranischen Nationalstaates und als
Durchbruch iranischen
Nationalbewußtseins interpretiert werden. Bis ins zo. Jahrhundert
beruhte das
Selbstverständnis sowohl der Iraner als auch
der auf iranischem Boden lebenden Türken auf ihrem
gemeinsamen
schiitischen Bekenntnis, das für sie den wahren Islam darstellte."
Wenn du keine Lust hast, die in oben angeführtem Link angegebene Vorlesung zu lauschen, werde ich hier mal die wichtigsten Aussagen zitieren (hieraus, 6. Stunde:
http://www.geschichtsforum.de/372256-post18.html ):
- pers. Samaniden Statthalter der abbasidischen Kalifen in Zentralasien, faktisch unabhängig. Zentrum Bukhara. 9.-10. Jh.
- forderten nie für sich das Kalifat, im Gegensatz zu den Fatimiden oder den Umayyaden von Cordoba
- Wir haben hier nun drei Elemente:
1. Etablierung eines eigenen persischsprachigen Machtzentrums in Zentralasien
2. Die Unterstützung der Produktion persischer Poesie, auch vorislamische Geschichte betreffend. Wichtig für die Literatur, weil sich in ihrer Zeit das Neupersische herausbildete, zentral wurde das Schahname (Buch der Könige) von Firdousi. DAS persische Versepos schlechthin. Beschreibt die altiranischen Könige vor dem Islam. Es wurde oft mündlich überliefert.
3. ihre genealogische Legitimation nicht auf Gestalt des Frühislam zurückgeführt, sondern auf eine Gestalt der vorislamischen Sasanidenzeit. Später wurde es in Zentralasien und anderswo auch üblich, sich seine Legitimation auf fiktive Stammbäume zu stützen, auch ausserhald des Islam, z.B. auch auf Alexander, oder Trojaner (Mehmed II. der Eroberer), Justinian, Dschingiskhan, usw.
- vor diesem Hintergrund, wurde es früher oft als eine Gegenbewegung zu einer arabisch-islamischen Eroberung gesehen, man habe also in dieser Zeit ein Geschichtsbewusstsein unterstützt, dass dezidiert nichtislamisch war, und sich auf unerschiedlichen Ebenen von den Arabern und den Islam habe abgrenzen wollen. Mit dem Aufstieg des Neupersischen wurde früher in der Forschung öfters mal ein persischer Sonderweg assoziiert.
-
Dabei ist es hingegen immer wieder notwendig davor zu warnen, für vormoderne Epochen einen Konnex zwischen Sprache und Gruppenbewusstsein herzustellen, oder auch im Sinne eines modernen Nationalbewusstseins anzunehmen.
- Die bewusste Förderung des Neupersischen wurde früher als ein bewusstes Statement angesehen, dass die Samaniden sich eben bewusst als nichtislamisch, oder "anderislamisch" ansahen. Eine solche Sichtweise müsste man aber erst einmal belegen können. Man kann nicht einfach hingehen und sie als gegeben vorraussetzen, wie es früher geschah.
- Dagegen stehen mehrere Fakten: im 10. Jh. entstand auch arabisch-islamische Literatur auf persisch, Koran-Übersetzungen auf persisch, persisch also als Koranwürdig angesehen, arab. Geschichtswerke wurden übersetzt, inkl. der darin enthalten islamischen und arabischen Geschichtskapitel. Regionale Dynastien die im Westen und Osten entstanden, genealogische Legitimationen werden als ein größeres Regionalbewusstsein interpretiert, das nicht antiislamisch sein muss. Aufstieg der Samaniden zwar ein Indiz des schleichendes Machtverlustes der Abbasiden, aber kein Indiz für ein Auseinanderbrechen in eine islam-arabische Welt und eine nicht so islamische persische Hälfte zu verstehen. Vielmehr werden in dieser Zeit Bukhara und Bagdad zu zwei Brennpunkten einer Achse/Elipse gesehen. Der Grundrahmen Islam wurde dabei nie in Frage gestellt, das war der Referenzrahmen unter dem man in dieser Achse kommunizieren konnte. Dieser gemeinsame Grundrahmen verbreitete sich dann über das persische bis nach China und Indien, nicht über die arabische Sprache. Der Islam wurde also dort als ein persischsprachiges Phänomen, nicht als ein arabisches wahrgenommen. Auf diese Weise bekam Persisch einen eigenen Sprachraum, als Verkehrs- und Bildungssprache, als Weltsprache. Es wurde also zur ersten islamisierten Sprache. Warum nun das persische bestehenblieb, im Gegensatz z.B. zum Syrischem, Koptischem, usw. liegt einerseits an den iranischen Verwaltungsbeamten der frühislamischen Geschichte, anderseits an der persischen Struktur, die es besonders leicht machte, neue Wörter einzubetten und damit leicht zu kommunizieren.
- Die Samaniden sind ein Ausdruck des Beginns einer regionalisierten Identität innerhalb des arab.-islamischen Kulturkreises anzusehen, nicht als eine Abwendung.
- Die Seldschuken sind bedeutend, auch wegen einer neuen Herrschaftslegitimation
.....
So, ich denke nicht, dass ich hier noch weiter darüber diskutieren werde, aber die Dinge im Posting sind vielleicht trotzdem für den einen oder anderen interessant genug, dass ich ihn nicht auf meiner Festplatte versauern lasse.