Welche Völker besiedelten NRW?

Horst schrieb:
Hallo Hyokkose,

mit Verlaub, wenn jemand auf einem Bauernhof sitzt und die Verwandten nicht weiter als dreißig Kilometer entfernt wohnen, dann kann daraus wohl kaum eine Entfernung von 120 Kilometern werden, zumal solche Entfernungen schon durch natürliche Hindernisse eingeschränkt werden.

Hallo Strupanice,

wenn deine Ahnen aus Mainfranken stammen und du nun in der Nähe von Dänemark sitzt, dann müssen deine Vorfahren schon einen erheblichen Weg zurückgelegt haben. So etwas geschieht nicht durch Heirat von Hof zu Hof, weil man dabei auch nicht ausschließen kann, daß ein Kreisverkehr entsteht.
Hallo Horst, ich meine das so. Eine Mann hat in Schweinfurt eine Frau 30 km nördlich davon geheiratet, der Vater der genannten Frau kam aus einem ca. 20 km weiter nördlich gelegenen Dorf (schon im Thüringischen) um dort die Mutter der o.g. Frau zu heiraten. Dessen Vater wiederum kam wiederum aus einem Ort weiter nordwestlich usw. Da kommt man über 20 Generationen durchaus von Dänemark nach Mainfranken, ohne daß große Entfernungen zurückgelegt wurden. Das ist doch einleuchtend, oder ? Und so gibt es eine ganze Menge von Studien über die "soziale Mobilität" in den Dörfern. Ich habe für mehrere Dörfer die Beobachtungen gemacht, daß innerhalb von 100 Jahren kein einziger Familienname mehr vorhanden ist, von all denen die noch am Anfang dieser 100 Jahre vorhanden waren.
 
Hallo Aragorn, du schmeißt hier Äpfel mit Birnen durcheinander. Die Endungen aha, lar, mar usw. stammen aus einer ganz anderen Zeit als -dorf, -feld, -bach usw. Sowie bei den Franken, als auch bei Sachsen und in Thüringen tauchen die alten Endungen (aha) auf, wie auch die neueren (bach). Die frühe Besiedlung durch die Germanen erfolgte ausschließlich in den hochwassergeschützten Bereichen der Flußtäler. Erst später wurden höhere Lagen besiedelt. Die Gebirge wurden erst im Hochmittelalter besiedelt. Die Hessische Landschaft ist durch ihre Unwegsamkeit im Frühmittelalter nur dünn besiedelt worden und bildete das Grenzgebiet zwischen Frankenreich und Thüringer Reich. Bei der Herausbildung der Stammesverbände gehörten die dort lebenden Stämme wechselnd mal zu den Franken, mal zu den Thüringern.
 
Aragorn schrieb:
Hallo Perseus,

die Gebiete von Westerwald und Siegerland waren um Christi geburt von Tenkterern besiedelt. Die Sugambrer haben weiter nördlich der Tenkterer gesiedelt, zwischen Sieg und Ruhr.Sie sind vielleicht keltischer Herkunft, ihre Identität ist bis heute unbekannt. Chlodwig, König der Franken, wurde bei seiner Taufe mit dem Beinamen "Sigamber" angesprochen, deswegen ist deine Vermutung, dass die Sugambrer in den Stammesverband der Franken aufgenommen wurden,wahrscheinlich richtig.

Gruß

Aragorn
Clodwig war ein Merowinger, benannt nach dem "Stammvater" Merowech, dessen Großvater mütterlicherseits der König der Thüringer Marwich war.
 
Hallo Strupanice,

deshalb sind wir heute alle schwarz? Du erkennst die Endlichkeit deiner Annahme? Die Bevölkerungsentwicklungen haben erst in späteren Zeiten (also bei deinen Beobachtungen in den letzten 100 Jahren) zu den vermuteten Bewegungen geführt, z.B. Wanderungsbewegungen, Kriege, Vertreibungen, Aussiedlungen, gesellschaftlicher und verkehrstechnischer Fortschritt. Im Mittelalter sind derartige Erscheinungen nicht üblich gewesen, man verheiratete sich im Dorf, in der Stadt, auf dem Land. Nun vergleich einmal die Karte Deutschlands nach dem Westfälischen Frieden, da entstehen erhebliche Widerstände, zumal es zu dieser Zeit kein besitzloses Bürgertum gab. Damit will ich deine und Hyokkoses Annahme nicht einmal ausschließen, aber üblich war so etwas nicht.
 
Horst schrieb:
Hallo Strupanice,

deshalb sind wir heute alle schwarz? Du erkennst die Endlichkeit deiner Annahme? Die Bevölkerungsentwicklungen haben erst in späteren Zeiten (also bei deinen Beobachtungen in den letzten 100 Jahren) zu den vermuteten Bewegungen geführt, z.B. Wanderungsbewegungen, Kriege, Vertreibungen, Aussiedlungen, gesellschaftlicher und verkehrstechnischer Fortschritt. Im Mittelalter sind derartige Erscheinungen nicht üblich gewesen, man verheiratete sich im Dorf, in der Stadt, auf dem Land. Nun vergleich einmal die Karte Deutschlands nach dem Westfälischen Frieden, da entstehen erhebliche Widerstände, zumal es zu dieser Zeit kein besitzloses Bürgertum gab. Damit will ich deine und Hyokkoses Annahme nicht einmal ausschließen, aber üblich war so etwas nicht.

Ich verstehe nicht, was das mit "schwarz" zu tun hat, aber jedenfalls gab es auch im Mittelalter Kriege, Epidemien, Siedlungsbewegungen.
Vor allem aber habe ich noch nie gehört, daß im Mittelalter strikte Inzucht geherrscht hat und Heiraten von Dorf zu Dorf nur in seltenen Ausnahmefällen "üblich" waren. Also konnte die Mutter aus dem nächsten Dorf, die Großmutter aus dem übernächsten Dorf, die Urgroßmutter seligen Angedenkens aus dem überübernächsten Dorf stammen und so weiter.
Das ist ein ganz einfaches Rechenexempel.
 
Horst schrieb:
Hallo Strupanice,

deshalb sind wir heute alle schwarz? Du erkennst die Endlichkeit deiner Annahme? Die Bevölkerungsentwicklungen haben erst in späteren Zeiten (also bei deinen Beobachtungen in den letzten 100 Jahren) zu den vermuteten Bewegungen geführt, z.B. Wanderungsbewegungen, Kriege, Vertreibungen, Aussiedlungen, gesellschaftlicher und verkehrstechnischer Fortschritt. Im Mittelalter sind derartige Erscheinungen nicht üblich gewesen, man verheiratete sich im Dorf, in der Stadt, auf dem Land. Nun vergleich einmal die Karte Deutschlands nach dem Westfälischen Frieden, da entstehen erhebliche Widerstände, zumal es zu dieser Zeit kein besitzloses Bürgertum gab. Damit will ich deine und Hyokkoses Annahme nicht einmal ausschließen, aber üblich war so etwas nicht.
Hallo Horst, ich habe diese Untersuchung der sozialen Mobilität für das 14.-18. Jh. in mehr als 500 Orten nachgewiesen. Der Einzugsbereich einer Stadt mittlerer Größe im 14. und 15. Jh. war gestaffelt. 60 % kam aus einem Umkreis von 20-30 km, weitere 30 % aus einem Umkreis von 100 km, weitere 10 % aus einem Umkreis von 1000 km.
Woher hast Du übrigens Dein Wissen über diese Vorgänge ?
 
Hallo Enginger,
warst du in Westpreußen in den Heimatgemeinden deiner Vorfahren u. hast du dich vergewissert, das die Kirchenbücher nicht mehr vorhanden sind? Natürlich kann es Brände u. Verwüstung gegeben haben. Da die dort mehrheitlich immer ansässige Bevölkerung ein Interesse an der Erhaltung der Belegung ihrer Vergangenheit hat, ist die Chance aber groß, das solche Bücher u. Urkunden gerettet wurden! Vielleicht auch Heimatmuseen mit Urkunden u. Heimatgeschichte.
 
Hallo Strupanice,

kann Deine Zahlen zumindest für das Fst. S-L nicht validieren.
Eine Heirat außerhalb des Fst./Gft. war zumindest völlig unüblich, und nur bei Landesinteressen geduldet. Im Allgemeinen heirateten in den Orten nur die Personen aus der Hausnummer 1 Personen aus Nr. 1; von Nr. 2 aus Nr. 2 usw.
Abweichende Regelungen waren - bis auf Witwen und Witwer - die absolute Ausnahme.
 
Enginger schrieb:
Hallo Strupanice,

kann Deine Zahlen zumindest für das Fst. S-L nicht validieren.
Eine Heirat außerhalb des Fst./Gft. war zumindest völlig unüblich, und nur bei Landesinteressen geduldet. Im Allgemeinen heirateten in den Orten nur die Personen aus der Hausnummer 1 Personen aus Nr. 1; von Nr. 2 aus Nr. 2 usw.
Abweichende Regelungen waren - bis auf Witwen und Witwer - die absolute Ausnahme.
Hallo Enginger,
das mit den Hausnummern, da komme ich jetzt nicht mit. Wie meinst Du das.


Schaumburg-Lippe ging 1647 aus der alten Grafschaft Schaumburg hervor. Die Grafschaft Schaumburg wurde nach dem Aussterben des letzten Grafen in drei Teile aufgeteilt: die Ämter Bokeloh und Lauenau wurden als heimgefallene Lehen vom Herzogtum Braunschweig-Lüneburg übernommen, der Rest fiel zu etwa gleichen Teilen an die Landgrafschaft Hessen-Kassel und an eine Nebenlinie der Grafen zu Lippe, die mit diesem Teil des Landes von Hessen-Kassel belehnt wurden. Der Teilungsrezeß war Bestandteil des Westfälischen Friedens. Der mit der lippischen Nebenlinie belehnte Landesteil wurde zur Unterscheidung von dem hessischen Landesteil als Schaumburg-Bückeburg oder Lippe-Bückeburg oder eben als Schaumburg-Lippe bezeichnet.
Bei der ständigen Teilung und Grenzverschiebung soll es keine Heiraten nach außerhalb gegeben haben. Das kommt mir sehr unlogisch vor.
 
Man traf sich doch auch schon früher auf dem Markt in der nächsten Stadt. Die Bauern wollten doch dort etwas verkaufen. Da treffen sich die Bauern von 10 km westlich der Stadt mit denen 15 km östlich der Stadt und natürlich gehen die Bauern nicht allein dahin, sie nehmen selbstverständlich ihre jugendlichen Kinder mit einerseits zur Hilfe aber natürlich auch um sie zu verheiraten. So ein Jahrmarkt ist automatisch auch ein Heiratsmarkt gewesen. Ganz schnell war die Tochter so 25 km weit weg verheiratet.

Mir leuchtet Strupanices Erklärung ein.
 
„Die frühmittelalterliche Sozialstruktur wurde von einer arbeitsteilig noch wenig differenzierten Agrargesellschaft geprägt, die weitgehend von der Naturalwirtschaft lebte. Der auf dieser Grundlage entstehende mittelalterliche Staat erscheint seinem Wesen nach als eine Summierung von Personenverbänden (Stämme, Sippen, Gefolgschaften, Lehenshöfe, Haus- und Schwurgenossenschaften). ... etwa gegen Mitte des 11. Jh., da um diese Zeit fast im gesamten Abendland ein tiefgreifender Wandlungsprozeß einsetzte, der nahezu alle Lebensbereiche erfaßte und einen allgemeinen Aufbruch der mittelalterlichen Gesellschaft zu neuen Lebens- und Bewußtseinsformen auslöste. Initiiert wurde dieser Prozeß durch ein stetiges Bevölkerungswachstum, das sich im 12. und 13. Jahrhundert dramatisch beschleunigte und bis ins 14. Jahrhundert hinein anhielt. ... Die hierdurch ausgelöste wirtschaftliche Dynamik erfaßte neben dem Agrarbereich auch Handwerk, Gewerbe und Handel, was wiederum zum Aufschwung der Geldwirtschaft wie auch zur Entstehung eines dichten Netzes von Märkten und Städten führte. Motor dieses Wandlungsprozesses war eine beeindruckende horizontale und vertikale Mobilität der bisher unfreien Landbevölkerung, der es gelang, im Rahmen der Neusiedlungsbewegung, durch Abwanderung in die entstehenden Städte oder durch sozialen Aufstieg im Herrendienst die archaischen Formen bodengebundener Abhängigkeit von unmittelbarer Herrengewalt zu sprengen.“ (Brockhaus Enzyklopädie, Mittelalter).
 
Horst schrieb:
etwa gegen Mitte des 11. Jh., da um diese Zeit fast im gesamten Abendland ein tiefgreifender Wandlungsprozeß einsetzte, der nahezu alle Lebensbereiche erfaßte und einen allgemeinen Aufbruch der mittelalterlichen Gesellschaft zu neuen Lebens- und Bewußtseinsformen auslöste.
[...]
Motor dieses Wandlungsprozesses war eine beeindruckende horizontale und vertikale Mobilität der bisher unfreien Landbevölkerung
Vielen Dank, lieber Horst.

Da haben wir doch genau das, was Strupanice und ich die ganze Zeit sagen: Die Mobilität der Landbevölkerung in den letzten (knapp) 1000 Jahren war weitaus höher, als man sich das im allgemeinen so vorzustellen pflegt.
 
Hallo Hyokkose,

aber diese Wanderungsbewegungen entstehen, bedingt durch den Bevölkerungsanstieg, im Rahmen der Neusiedlungsbewegung, durch Abwanderung in die entstehenden Städte oder durch sozialen Aufstieg. In vorindustrieller Zeit war Mobilität vor allem unter heilsgeschichtlichen Aspekten (Pilgerreise, Kreuzzüge) vorstellbar; erst mit der Industrialisierung tritt Mobilität als Selbstbestimmungsmöglichkeit des Menschen in Erscheinung. Noch in der zweiten Hälfte des 18. Hahrhunderts lebten in Deutschland etwa 10 v.H. der Bevölkerung in Städten oder stadtartigen Siedlungen. An die 80 v.H. der Menschen waren unmittelbar landwirtschaftlich tätig. Die übrigen widmeten sich vor allem in der Stadt handwerklichen, kaufmännischen, militärischen oder amtlichen Tätigkeiten. Erst im 19. Jahrhundert löste sich die agrarisch-ständische Gesellschaft Schritt für Schritt auf. (vgl. Informationen zur politischen Bildung, Nr. 164).
 
Aber lieber Horst,
es ist doch unerheblich, aus welchen Gründen Mobilität stattfindet. Es geht darum, daß sie stattfand.

Horst schrieb:
In vorindustrieller Zeit war Mobilität vor allem unter heilsgeschichtlichen Aspekten (Pilgerreise, Kreuzzüge) vorstellbar
Du meinst vermutlich religiöse Aspekte, Heilsgeschichte ist etwas anderes. Aber auch so stimmt der Satz nicht. In zahlreichen Berufen war es in vorindustriellen Zeiten nicht nur vorstellbar, sondern geradezu üblich, auf Wanderschaft zu gehen. Nur wer Grundbesitz erbte, blieb in der Regel am gleichen Fleck.
 
Hallo Hyokkose,

das mit den Hausnummern, da komme ich jetzt nicht mit. Wie meinst Du das.

=> In Schaumburg-Lippe; der Gft. Schaumburg usw. heirateten fast immer die Söhne aus einem Dorf mit der Hausnummer 1 die Töchter aus einem anderen Dorf mit der Nummer 1 usw.
Weitere Kinder wurden entweder Soldat mit anschließendem Recht auf Neusiedlung oder Knechte. Auswanderung war prinzipiell bis nach Aufhebung der Lehensherrschaft 1868 (zwangsweise: Norddeutscher Bund) illegal. In den Städten wurde bis zum industriellen Beginn des Bergbaus (17Jhdrt.) ähnlich entlang der Zünfte verfahren.

Schaumburg-Lippe ging 1647 aus der alten Grafschaft Schaumburg hervor. Die Grafschaft Schaumburg wurde nach dem Aussterben des letzten Grafen in drei Teile aufgeteilt: die Ämter Bokeloh und Lauenau wurden als heimgefallene Lehen vom Herzogtum Braunschweig-Lüneburg übernommen, der Rest fiel zu etwa gleichen Teilen an die Landgrafschaft Hessen-Kassel und an eine Nebenlinie der Grafen zu Lippe, die mit diesem Teil des Landes von Hessen-Kassel belehnt wurden. Der Teilungsrezeß war Bestandteil des Westfälischen Friedens. Der mit der lippischen Nebenlinie belehnte Landesteil wurde zur Unterscheidung von dem hessischen Landesteil als Schaumburg-Bückeburg oder Lippe-Bückeburg oder eben als Schaumburg-Lippe bezeichnet.
Bei der ständigen Teilung und Grenzverschiebung soll es keine Heiraten nach außerhalb gegeben haben. Das kommt mir sehr unlogisch vor.

=> Es gab nach 1647 bis 1928 keine Grenzänderungen mehr.
Ausnahmen für Heiraten außerhalb des Staatsgebiets wurden nur bei "alten" verwandtschaftlichen Verbindungen gestattet und waren meist kostspielig (Einverständnis der Verwaltung Hessen-Kassels und Schaumburg-Lippes).
Dieses Verhalten führte insbesondere in Wiedensahl (auch Amt Lachem) und dem Amt Lauenau, welche an Braunschweig fielen - aufgrund des eher feindschaftlichen Verhältnisses - zu Inzuchtfolgeschäden. Dies war der Grund für die Einführung von Heiratsmärkten in diesen Gegenden.
Bei 2. bzw. 3. Heirat usw. war die Auswahl (übrigens bei beiden Geschlechtern!) nicht mehr eingeschränkt.

Grüße,
Enginger
 
Zuletzt bearbeitet:
hyokkose schrieb:
Du meinst vermutlich religiöse Aspekte, Heilsgeschichte ist etwas anderes. Aber auch so stimmt der Satz nicht. In zahlreichen Berufen war es in vorindustriellen Zeiten nicht nur vorstellbar, sondern geradezu üblich, auf Wanderschaft zu gehen. Nur wer Grundbesitz erbte, blieb in der Regel am gleichen Fleck.
Hallo Hyokkose,

heilsgeschichtliche Aspekte ist richtig. Ich habe es noch einmal nachgeschlagen. Die Mobilität der zahlreichen Berufe beschränkte sich auf höchstens 10 v.H. der mittelalterlichen Gesellschaft. Die Entwicklung der Zünfte ist eng mit der Entwicklung der Städte im Mittelalter verbunden, da erst die Entstehung von rechts- und friedenssichernden Freiräumen innerhalb der mittelalterlichen Stadt die Bildung von Zünften ermöglichte. Die Walz wurde erst im 14. Jh. allmählich üblich, und erst im 16. Jh. setzte sich die Wanderungspflicht durch. Daneben gab es aber auch Wanderverbote. Wer keinen Grundbesitz erbte, geriet im Mittelalter üblicherweise in Unfreiheit.
 
Horst schrieb:
Hallo Hyokkose,

heilsgeschichtliche Aspekte ist richtig. Ich habe es noch einmal nachgeschlagen.

Lieber Horst, natürlich gibt es "heilsgeschichtliche Aspekte", aber in dem Zusammenhang ist der Begriff fehl am Platz.
Glaub mir, wenn Du verstanden werden willst, mußt Du die Begriffe so verwenden, wie sie auch allgemein verstanden werden.



Horst schrieb:
Die Mobilität der zahlreichen Berufe beschränkte sich auf höchstens 10 v.H. der mittelalterlichen Gesellschaft.
Ich weiß nicht, ob Du diese Zahl aus verläßlichen Quellen schöpfst oder sie einfach mal erfunden hast, aber 10% Bevölkerungsaustausch pro Generation reichen (mal rein additiv), um innerhalb von zwei- bis dreihundert Jahren theoretisch die Bevölkerung eines ganzen Gebiets komplett "auszutauschen".

Dabei verstehen wir unter "Mobilität" ja nur das Hinausgehen über den 30-Kilometer-Radius innerhalb einer Generation.

Auch bei 0% Mobilität bliebe es im Endergebnis dabei, daß Deine Ahnen der letzten 1000 Jahre statistisch aus einem Radius von ca. 1000 Kilometern stammen müssen.

(Zwischenzeitliche Sonderregelungen in einzelnen absolutistischen Fürstenstaaten würden das Ergebnis nur unwesentlich nach unten korrigieren.)
 
hyokkose schrieb:
Natürlich gibt es "heilsgeschichtliche Aspekte", aber in dem Zusammenhang ist der Begriff fehl am Platz.
Glaub mir, wenn Du verstanden werden willst, mußt Du die Begriffe so verwenden, wie sie auch allgemein verstanden werden..)
Hallo Hyokkose,

wie du dem Quellenhinweis entnehmen konntest, stammt der Begriff „heilsgeschichtliche Aspekte“ nicht von mir, sondern aus einer Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung. Dennoch habe ich deinen Hinweis ernst genommen und in der Brockhaus-Enzyklopädie zum Stichwort Heilsgeschichte nachgeschlagen. Dort steht unter anderem: „Für den katholischen Christen findet der Inhalt der Heilsgeschichte seinen elementaren Ausdruck im Apostolischen Glaubensbekenntnis und in der Liturgie, in denen sich der Gläubige zu den Heilstaten Gottes bekennt.“ Der Begriff „heilsgeschichtliche Aspekte“ ist damit im Zusammenhang wohl nicht nur nach meinem Verständnis richtig verwandt worden. „Religiöse Aspekte“ wäre zu allgemein, und könnte zum Beispiel auch das Heidentum oder das Judentum betreffen. Kritik um der Kritik willen? Der Unterschied ist für unsere Auseinandersetzung doch offensichtlich nebensächlich.






hyokkose schrieb:
Ich weiß nicht, ob Du diese Zahl aus verläßlichen Quellen schöpfst oder sie einfach mal erfunden hast, aber 10% Bevölkerungsaustausch pro Generation reichen (mal rein additiv), um innerhalb von zwei- bis dreihundert Jahren theoretisch die Bevölkerung eines ganzen Gebiets komplett "auszutauschen".

Dabei verstehen wir unter "Mobilität" ja nur das Hinausgehen über den 30-Kilometer-Radius innerhalb einer Generation.

Auch bei 0% Mobilität bliebe es im Endergebnis dabei, daß Deine Ahnen der letzten 1000 Jahre statistisch aus einem Radius von ca. 1000 Kilometern stammen müssen.

(Zwischenzeitliche Sonderregelungen in einzelnen absolutistischen Fürstenstaaten würden das Ergebnis nur unwesentlich nach unten korrigieren.)
Dies halte ich an den Erfahrungen der Menschen abgreifbar für nicht nachvollziehbar, und stützt sich gewiß nicht auf Quellen. Deine statistischen Modellrechnungen kann ich zwar nachvollziehen, aber sie haben mit der Wirklichkeit des Mittelalters vermutlich wenig zu tun. Wie sollten sich Menschen ernähren, die die ständische Ordnung verlassen wollten? Tagelöhner entstanden aus dem Frondienst, und wurden erst mit den Manufakturen eigenständig. Solche Menschen waren Freiwild und konnten jederzeit in die Unfreiheit gezwungen werden. Hiergegen richtete sich unter anderem die französische Revolution. Auch die Aufnahme in einer Stadt hatte grundsätzliche Widerstände, die an das Heimatrecht anknüpften (vgl. hierzu den Grundsatz: Stadtluft macht frei). Studenten und wandernde Gesellen waren aus der mittelalterlichen Gesellschaft zeitweise grundsätzlich ausgeschlossen, und nur die Zunft schützte die Gesellen. In Kriegen waren die Menschen in Heeresabteilungen zusammengefaßt, die nicht ohne weiteres wieder verlassen werden konnten (vgl hierzu die Herlitze). Ärzte waren wegen ihrer handwerklichen Erfolge in der Gesellschaft angesehen, aber nur als einzelne Menschen, nicht als Berufsstand (vgl hierzu Paracelsius). Heiler hatten das Ansehen von Gauklern, Räubern und herumziehendem Volk. Händler schlossen sich zu Gilden zusammen (vgl. die Hanse) und nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Bauern reichten allenfalls zum nächsten Hof, zum nächsten Dorf oder zur nächsten Stadt, und eben nicht mehr zum übernächsten Ort, wenn dieser in einem anderen Herrschaftsgebiet lag. Mit solchen Orten war man teilweise verfeindet. Teilweise begründen sich hierdurch auch unterschiedliche Mundarten. Nicht zielgerichtete generationsübergreifende Wanderungsbewegungen von Ort zu Ort, wie du sie dir vorstellst, sind allenfalls über den Zeitraum des Mittelalters hinaus denkbar. Aber auch das halte ich grundsätzlich für wenig wahrscheinlich, weil hiergegen schon natürliche Hindernisse und andere Wanderungsbewegungen und auch das entstehende standesbewußte Bürgertum sprechen. Wenn du anderer Ansicht bist, solltest du dies einmal belegen. Denn noch heute sind die Wanderungsgründe im wesentlichen beruflicher oder einkommensabhäniger Art, wenn man von Sport- und Urlaubsbekanntschaften absieht, die es im Mittelalter nicht gab. Aber unabhängig davon haben generationsübergreifende Wanderungsbewegungen wohl keinen oder nur geringen Einfluß auf die Mundarten in Nordrhein-Westfalen gehabt.
 
Horst schrieb:
„Für den katholischen Christen findet der Inhalt der Heilsgeschichte seinen elementaren Ausdruck im Apostolischen Glaubensbekenntnis und in der Liturgie, in denen sich der Gläubige zu den Heilstaten Gottes bekennt.“ Der Begriff „heilsgeschichtliche Aspekte“ ist damit im Zusammenhang wohl nicht nur nach meinem Verständnis richtig verwandt worden. „Religiöse Aspekte“ wäre zu allgemein, und könnte zum Beispiel auch das Heidentum oder das Judentum betreffen. Kritik um der Kritik willen?

Nein, Kritik um des Verständnisses willen, wie ich ja schon schrieb. Was hat das Apostolische Glaubensbekenntnis und die Liturgie mit der Bevölkerungsmobilität zu tun? Nichts.

Warum zitierst Du nicht einfach die Stelle aus den "Informationen zur politischen Bildung"? Dann wäre das Verständigungsproblem sofort gelöst.



Horst schrieb:
Dies halte ich an den Erfahrungen der Menschen abgreifbar für nicht nachvollziehbar, und stützt sich gewiß nicht auf Quellen.

Eine hervorragend schön formulierte Antwort auf die Frage: "Ich weiß nicht, ob Du diese Zahl aus verläßlichen Quellen schöpfst oder sie einfach mal erfunden hast"...



Horst schrieb:
Deine statistischen Modellrechnungen kann ich zwar nachvollziehen, aber sie haben mit der Wirklichkeit des Mittelalters vermutlich wenig zu tun.

Warum denn? War im Mittelalter 1 + 1 noch nicht 2 und 30 + 30 noch nicht 60?

Bei Null Mobilität können Deine Vorfahren vor 1000 Jahren sehr wohl aus einem Radius von 1000 Kilometern stammen.
Und eine gewisse Mobilität gab es immer, schon ein einziger geographischer "Ausrutscher" unter Deinen Tausenden von Ahnen kann diesen Radius um Hunderte von Kilometern erweitern.


Horst schrieb:
Wie sollten sich Menschen ernähren, die die ständische Ordnung verlassen wollten?
Niemand spricht vom Verlassen der ständischen Ordnung.


Horst schrieb:
Auch die Aufnahme in einer Stadt hatte grundsätzliche Widerstände, die an das Heimatrecht anknüpften (vgl. hierzu den Grundsatz: Stadtluft macht frei).
Stimmt schon, aber besser als Herumphantasieren ist es, sich einmal in ein reichsstädtisches Stadtarchiv zu begeben und sich ein Jahrhunderte altes Bürgerbuch zeigen zu lassen: Generation für Generation zogen neue Familien zu, von nah und fern.
 
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