Zur Tacitus-Gläubigkeit: Tacitus schrieb, die Mattiaker seien mit Herz und Gesinnung auf römischer Seite, siedelten jedoch auch germanischer Seite.
Hierbei handelt es sich keineswegs um eine ethnische Zuordnung. Von germanischer, keltischer oder gar chattischer Abstammung ist da nicht die Rede.
Dass die Tacitus die Mattiaker für Germanen hielt, wie alle Ureinwohner Germaniens, ist zweifellos richtig. Deshalb schreibt er ja auch Triboker, Nemeter Ubier und Wangionen seien "unzweifelhaft" Germanen. Bei den Treverer ist er sich nicht ganz sicher.
Tacitus Germanenbegriff ist fern heutiger archäologischer und sprachwissenschaftlicher Kategorien.
Ich gehe davon aus, dass die rechtsrheinischen keltischen Heiligtümer im 1. Jh. n. Chr. verfielen und nicht mehr benutzt wurden, da sie in Gebieten lagen, die germanische Gruppen und Stämme erobert hatten.
Das Gegenteil ist der Fall.
Die keltischen Gottheiten in Wiesbaden sind durch römische Inschriften aus der Kaiserzeit belegt. Die keltischen Heiligtümer sind in römisch-mattiakischer Zeit gar nicht verfallen, im Gegenteil war es die Zeit sakraler Neubauten.
Ausgerechnet zur "Diana mattiaca" als Quellgottheit finden sich etliche Gegenstücke im tiefsten Gallien.
Und niemand wird behaupten dass im Raum Hessen im 1./2. Jh. n. Chr. noch Kelten lebten.
Nicht niemand, sondern Tacitus behauptete eben dieses in Kapitel 29 der
Germania, gleich nach der Mattiaker-Beschreibung!
Nicht zu Germaniens Völkern zähle ich, obgleich jenseits des Rheins und der Donau gesiedelt, Jene, so die Zehntlande bauen. Allerleichteste der Gallier und durch Noth verwegen haben diesen Boden zweifelhaften Besitzes eingenommen. Seit dann der Grenzwall gezogen ward und die Schutzwerke vorgeschoben, gelten sie als ein Vorland des Reichs und als Provinztheil.
Das vom Limes geschützte Dekumatenland, östlich des Rheins, wurde in römischer Zeit mit Galliern aus Gallien aufgesiedelt. (Bei dieser Sorte Kelten handelte es sich nicht wie bei Nemeter und Tribokern um Ureinwohner Germaniens, sondern eben um Gallier, da aus Gallien stammend.)
Ob die keltischen Götter aus Wiesbaden von diesen eingewanderten Galliern mitgebracht wurden oder bereits vorher von den Mattiaker verehrt, ist unbekannt - wenn diese Mattiaker überhaupt vor den Römern bereits anwesend waren und nicht ebenfalls durch römische Siedlungspolitik dort angesiedelt wurden.
Auffällig ist wie gesagt das Fehlen der niedergermanischen Götterwelt. Die Bataver, denen Tacitus ja tatsächlich eine chattische Abstammung nachsagt, verehrten
Nehalennia und
Hercules Magusanus. Beide fehlen in Obergermanien und daher im Mattiakergebiet. Bataver und Mattiaker waren eben nicht gleich in Kultur, Religion usw. wie die Sekundärlieratur meist vermutet, sondern verschieden.
Der in Mainz und Wiesbaden nachgewiesene Matronenname "Ollogabiabus" soll, so die
Sprachwissenschaft gar eine Keltisierung eines ursprünglich germanischen Matronennamens sein, als hätte eine Keltisierung stattgefunden. Das macht die Verwirrung perfekt.