Wenn die Varusschlacht anders ausgegangen wäre...

Zunächst mal haben sich keinesweg die meisten rechtsrheinischen Stämme kooperativ verhalten. Rom musste sie alle unterwerfen.
Das ist klar.

Einige Wissenschaftler (Wolters und Dreyer z.B.) gehen deshalb davon aus, dass die Römer durch ihre Anwesenheit überhaupt erst den Anstoß zur Bildung von Großstämmen gegeben haben.
Ohne die genannten Herren gelesen zu haben, bin ich skeptisch: Die Großstämme bildeten sich ja keineswegs nur in der Nachbarschaft der Römer. Bei den Alemannen z. B. ist ungeklärt, wie sie genau entstanden. Möglicherweise bildeten sie sich im Inneren Germaniens und zogen erst dann an den Limes. Auch die Sachsen entstanden etwas fernab.

Caesar hat Gallien auch deshalb erobert, weil er das Land zu einem "Puffer" zwischen dem römischen Kernreich und den Barbaren des Nordens ausbauen wollte.
Diese Ansicht ist mir neu, das behauptet er nicht einmal selbst. Und ein Puffer wogegen? Mit den Germanen kamen die Römer, abgesehen von den Zügen der Kimbern und Teutonen, erst durch die Unterwerfung Galliens in engeren Kontakt. Wäre es Caesar wirklich um einen Puffer gegangen, hätte er vor allem den Alpenraum erobern und die Grenze zur Donau vorschieben müssen, was erst unter Augustus geschah. Das wäre nicht einmal so sehr als Schutz gegen die Barbaren des Nordens nötig gewesen, sondern weil es auch zu Caesars Zeiten immer noch immer wieder zu Einfällen von Alpenstämmen nach Norditalien kam.

Diese Funktion hat Gallien fast 400 Jahre lang erfolgreich erfüllt. Zweifelhaft wurde diese Rolle Galliens erst, als die benachbarten Germanen zunehmend erfolgreich an der Provinz knabberten. Stellen wir uns jetzt mal vor, die Germanen wären frühzeitig (also zu Tiberius´ Zeiten) ebenfalls romanisiert worden und hätten einen zweiten Puffer zwischen Gallien und den Barbaren östlich der Elbe gebildet... Dann hätten die eindringenden Großstämme aus dem Osten erstmal Germanien zermürben müssen, ehe sie auf ein ungeschwächtes Gallien getroffen wären.
Irgendwie bin ich mit Deiner Formulierung "geschwächt" nicht ganz glücklich. Klar litt Gallien unter den Einfällen (noch mehr allerdings wohl unter den Bagauden), aber das Reich wurde doch nicht von einem gallischen Volksaufgebot verteidigt, sondern von einer stehenden Armee. Unter den Einfällen litt aber in erster Linie die Zivilbevölkerung (und in zweiter Linie der Fiskus), die Armee war nur betroffen, wenn es zu Kämpfen kam.

Dann hätten die eindringenden Großstämme aus dem Osten erstmal Germanien zermürben müssen, ehe sie auf ein ungeschwächtes Gallien getroffen wären. Fraglich ist sogar, ob diese Großstämme sich überhaupt gebildet hätten.
Das ist jetzt irgendwie unlogisch: Oben hast Du gemeint, die Franken etc. hätten sich erst durch die Nachbarschaft zum Reich gebildet, und jetzt meinst Du, die Goten etc. hätten sich wegen der Nachbarschaft nicht gebildet?
 
Die Bedrohung entstand erst an der Donau, nicht am Rhein

Genaugenommen waren es die ständigen Übergriffe der Völkerschaften aus dieser Region, die Rom überhaupt bewogen haben, den Rhein zu überschreiten und Versuche zur Unterwerfung der Germanen zu unternehmen...

...und genau dem habe ich bereits mehrfach widersprochen. Im aktuellen Kontext ist das aber unerheblich. Gleiches gilt zumindest in Teilen auch für die Eroberung Galliens durch Caesar. Letzteres war allein aus Ruhmsucht motiviert, wie seine Gegner nicht ganz zu Unrecht zu jenem Zeitpunkt feststellten. Finanziell war Caesar vorher mehr als nur übermäßig verschuldet, nach dem Krieg war er ein ultrareicher Mann…

Zweiter Widerspruch meinerseits: Die ersten Einfälle fränkischer Kriegergruppen fanden zu Beginn der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts statt. Das ist etwa die gleiche Zeit, zu der die Schlacht am Harzhorn geschlagen wurde...

Das ist richtig, aber nur ein Teilaspekt: Gleichzeitig brannte es an der Donau und dort gab es keine Franken und keine ehemalige Provinz „Germania Magna“. Sowohl die Donauprovinzen, als auch die Rheinprovinzen hatten wesentlich die Funktionen von militärischen Bollwerken. Gerade am Rhein funktionierte die Verteidigung sogar relativ lange! Sie brach erst nachhaltig zusammen, nachdem Stilicho gegen die Bedrohungen von der Donau (Goten!), die Truppen aus Britannien und den Kern der Rheinarmee abgezogen hatte. In den Wirren, die seiner Ermordung folgten, war an eine Wiederherstellung der Grenzen nicht zu denken. So gesehen war der Raum der ehemaligen „Germania Magna“ eher ein Spätzünder in einer Rolle als Bedrohung Roms! Mir scheint, dass in diesem Raum die Observierung der Anrainer durch Rom doch effektiver (oder bedeutender?) gewesen ist, als etwa an der Donau. Vielleicht ist ja auch gerade die Schlacht am Harzhorn dafür ein Beweis? Selbst das Auflassen des rechtsrheinischen Limes lässt sich eher durch innerrömische Querelen (aufgrund von Schwächungen an der Donau und gegen die Sassaniden), sowie das „Gallische Sonderreich“ des Postumus erklären als allein als Folge fränkischer und früh-alamannische Plünderungszüge ins Reichsgebiet hinein… Halt noch ein Teilaspekt^^

Fakt ist, dass die ersten starken Bildungen germanischer Großstämme nicht im Gebiet von der „Germania Magna“ des Varus stattfanden. Ebenso war die Bedrohungslage aus diesem Raum heraus so, dass Rom die Zahl der dortigen Legionen halbieren konnte, während sie sich an der Donau mehr und mehr konzentrierten.

@Alamannen:
Meines Wissens vertritt heute eine starke Fraktion der Wissenschaftler die These, dass sich das Volk der Alemannen erst im ehemaligen Dekumatland formiert hat- also durchaus in Nähe Roms. Archäologisch sind die innergermanischen Vergleichsfunde relativ weit gestreut, was auf mehrere Wurzeln für diesen Großstamm schließen lässt, was deren lockere Gruppierung um Kleinkönige in ein besonders Licht stellt. Mit dem Auftreten der Alamannen erscheinen sehr bald alamannische Offiziere im Römischen Heer. Einer von ihnen war an der Erhebung Kaiser Konstantins in York maßgeblich beteiligt. Erst mit Julius Apostata wendet sich Rom von den Alamannen ab und begünstigt stark die Franken. Rom war also nicht nur Gegner der Alamannen, sondern hat wohl auch auf ihre Ethnogese eingewirkt...
Jaja, die „was wäre, wenn“ Diskussionen… :scheinheilig:
 
Diese Ansicht ist mir neu, das behauptet er nicht einmal selbst. Und ein Puffer wogegen? Mit den Germanen kamen die Römer, abgesehen von den Zügen der Kimbern und Teutonen, erst durch die Unterwerfung Galliens in engeren Kontakt.
Kimbern und Teutonen waren für Rom ein Trauma. Sie hatten das Reich an den Rand des Untergangs gebracht. Und Caesar war der ERSTE, der Kimbern und Teutonen NICHT als Gallier angesprochen hat! Er hat gesagt, dass die Gallier ein Risiko darstellen, dass die eigentliche Gefahr aber nördlich und westlich der Gallier liegt. Der ganze gallische Krieg ist nicht wegen der Gallier losgebrochen. Anlass für den Krieg war Ariovist, ein Suebe! Caesar hat den gallischen Krieg begonnen, weil Germanen nach Gallien drängten. Und er hat den Krieg so weit getrieben, dass er im römischen Senat als Kriegsverbrecher angeklagt wurde, weil er gegen Germanen gezogen ist, die nicht direkt römische Interessen bedroht hatten.

...und genau dem habe ich bereits mehrfach widersprochen. Im aktuellen Kontext ist das aber unerheblich. Gleiches gilt zumindest in Teilen auch für die Eroberung Galliens durch Caesar. Letzteres war allein aus Ruhmsucht motiviert, wie seine Gegner nicht ganz zu Unrecht zu jenem Zeitpunkt feststellten. Finanziell war Caesar vorher mehr als nur übermäßig verschuldet, nach dem Krieg war er ein ultrareicher Mann…
Ich bin der Letzte, der dem widersprechen würde. Caesar war ein "Kriegsherrr". Seine ganze Macht beruhte auf seiner Kontrolle über die Legionen. Diese Kontrolle konnte er im Norden des Reiches nur dann behaupten, wenn er nachweisen konnte, dass dort ein "Feind" lauerte. Dieser Feind waren die Germanen. Nochmal: Caesar war der erst Römer, der behauptet hat, dass es die Germanen überhaupt gab! Natürlich hat er das aus Ruhmsucht oder Machtinteressen gemacht! Ob die Germanen wirklich eine Gefahr für Rom oder auch nur Gallien waren, wissen wir nicht. Caesar hat jedenfalls die "Germanengefahr" als Legitimation genutzt, um im römischen Senat seinen Anspruch auf das Kommando über die Legionen im Norden zu begründen.

Und so ganz unschuldig waren die Germanen daran nicht. Ariovist und seine Sueben waren Elbgermanen. Und die Sugambrer sind dreimal mit Caesar aneinandergeraten. Den Druck aus den rechtsrheinischen Gebieten in den gallischen Raum hinein gab es tatsächlich. Ob der eine Gefahr für Rom war, ist eine andere Frage. Ich will ja auch nicht das römische Vorgehen legitimieren, sondern nur mögliche Vorwände für die Politik Roms an der Nordwestgrenze aufzeigen

MfG
 
Nochmal: Caesar war der erst Römer, der behauptet hat, dass es die Germanen überhaupt gab!
Naja, erstmals erwähnt wurden die Germanen bereits 222 v. Chr. in einer Inschrift anlässlich des Triumphes des M. Claudius Marcellus über die Gallier und Germanen. Keine Ahnung, um welche Germanen es sich da gehandelt haben soll.

Kimbern und Teutonen waren für Rom ein Trauma. Sie hatten das Reich an den Rand des Untergangs gebracht.
Aber nur in der Selbstwahrnehmung der Römer. Eine wirklich ernsthafte Bedrohung waren sie nicht gewesen.

Und er hat den Krieg so weit getrieben, dass er im römischen Senat als Kriegsverbrecher angeklagt wurde, weil er gegen Germanen gezogen ist, die nicht direkt römische Interessen bedroht hatten.
Die Anklage richtete sich aber gegen sein Massaker an den Usipetern.
 
Exkurs zu Caesar und Vor-Varus

@Stilicho:
Um die Angaben etwas klarer zu machen: Stilicho wurde 408 ermordet. Die Rheingrenze zerbrach 410, als die Völker der Vandalen, Sueben und Alanen den Rhein überschritten und sich nach gewaltigen Plünderungen & Verheerungen in Gallien nach Spanien begaben!
Interessant, dass alle diese 3 Völker aus dem Osten kamen, oder wenigstens vorher an der Donau aufgetaucht waren! Die Rheingrenze hatte zuvor zwar immer wieder Unruhen gesehen, aber eben nicht gewaltige & nachhaltige Erschütterungen der Macht Roms!

...Der ganze gallische Krieg ist nicht wegen der Gallier losgebrochen. Anlass für den Krieg war Ariovist, ein Suebe! Caesar hat den gallischen Krieg begonnen, weil Germanen nach Gallien drängten. Und er hat den Krieg so weit getrieben, dass er im römischen Senat als Kriegsverbrecher angeklagt wurde, weil er gegen Germanen gezogen ist, die nicht direkt römische Interessen bedroht hatten.
Das ist nicht korrekt zusammengefasst, was Caesar selbst (zu seiner Rechtfertigung) angibt!
ER gibt an, zunächst gegen die auswandernden Helvetier, als Bedrohung für den „Frieden in Gallien“ vorgegangen zu sein, die ihrerseits die Sueben als Grund für ihr Ausweichen angegeben haben. Aber für die Beurteilung fehlt ein ganz wesentlicher Punkt, den Caesar allerdings eher versteckt später mit angibt: Ariovist kam nicht als Feind Roms, noch wurde er als solcher angesehen! Ariovist war mit Billigung Roms in Gallien! Man war so weit gegangen, ihm die römischen Titel „König“ und „Freund Roms“ zu verleihen. Ariovist schätzte sich glücklich, „Verbündete in Rom“ zu haben, als Caesar ohne einen Kriegsgrund zu haben in Ariovists Einflussgebiet vorrückte. Caesar selbst schildert, dass Ariovist dies während ihres persönlichen Treffens erklärt habe. Es war Caesars Entscheidung Ariovist als Hindernis für seinen Plan einer Vorherrschaft über Gallien auszuschalten. Vor dem Senat wurde gegen Caesar in der Folge wegen „Bruch des Völkerrechts“ beklagt (Caesar war noch rechtlich immun wegen Sonderrechten, die erst zum Beginn des Bürgerkrieges abliefen), aber nicht wegen Ariovist, sondern weil er Gesandte gefangen genommen hatten und die Führungsschicht von Germanenstämmen die zu Verhandlungen erschienen waren festsetzen ließ, während er deren führungslose Völker angreifen ließ.

Und so ganz unschuldig waren die Germanen daran nicht. Ariovist und seine Sueben waren Elbgermanen. Und die Sugambrer sind dreimal mit Caesar aneinandergeraten. Den Druck aus den rechtsrheinischen Gebieten in den gallischen Raum hinein gab es tatsächlich. Ob der eine Gefahr für Rom war, ist eine andere Frage. Ich will ja auch nicht das römische Vorgehen legitimieren, sondern nur mögliche Vorwände für die Politik Roms an der Nordwestgrenze aufzeigen
MfG
Hmm, ein Elbgermane zu sein ist doch keine Bedrohung, oder?^^ Die Sugambrer gerieten zuerst mit Caesar aneinander, als sie sich weigerten, die zu ihnen über den Rhein geflüchteten Volksreste auszuliefern, die beim oben erwähnten Überfall Caesars hatten entkommen können. Dabei hätten sie sogar mit der „Rheingrenze“ argumentiert, die zu jenem Zeitpunkt lediglich ein ganz neuer Anspruch Caesars gewesen ist. Denn sowohl der Stamm selbst, als auch die geflüchteten Gruppen befanden sich schon östlich des Rheins! Eine merkwürdige Logik, ungeachtet der Tatsache, dass die Sugambrer sehr wohl ein wehrhafter und kriegerischer Stamm waren, nicht? Sie wagten es auf einen Selbstanspruch Caesars selbst zu pochen, der ungeachtet dessen seine berühmte erste Rheinbrücke errichten ließ und einige Dörfer plünderte, da die Germanen sich nicht zur Schlacht stellten!
Die zweite Auseinandersetzung fand statt, als Caesar die Eburonen wegen ihres Aufstandes zu Freiwild erklären ließ und auch rechtsrheinische Germanen zum „fröhlichen Plündern“ einlud. Sugambrer folgten dem Aufruf, ließen sich aber laut Caesar von Eburonen dazu verleiten, statt des ausgeplünderten und armen Stammes doch eher das Legionslager von Aduatuca anzugreifen, wo römische Truppen Reichtümer aus ihren bisherigen Plünderungen angehäuft hätten, die kaum geschützt wären… Wieder beantwortete Caesar die Herausforderung mit einem neuen Brückenschlag und Übergang über den Rhein, wie 2 Jahre zuvor..

Ich möchte die oben genannten Germanen nicht zu Unschuldslämmern stilisieren, aber sie wurden Anfänglich in ihrem Lebensumfeld durch römische Truppen herausgefordert, die weit über die bisherigen Grenzen ihres Machtbereichs vorgestoßen waren. Es mutet seltsam an, dass auch Kimbern & Teutonen mit Rom anfänglich zu einem Abkommen kommen wollten. Ob hier zwei stolze und kriegsmächtige Völker (Rom & Germanen) darin eine gewisse, gegenseitige Achtung zum Ausdruck brachten?

…wie auch immer, das hat mit Varus nun wirklich nichts mehr zu tun: Weder Sugambrer noch Cherusker waren Großstämme gewesen. Im Gebiet der Sugambrer finden sich archäologisch meines Wissens nach nur eingestreut elbgermanische Funde. Die Sugambrer wurden von Rom unterworfen, wobei es für sie von Vorteil gewesen sein muss, die östlich von diesen siedelnden, recht machtvollen Cherusker irgendwie an sich zu binden. VOR dem Aufstand gegen Varus jedenfalls besaßen die Cherusker anscheinend besondere Vergünstigungen Roms… Was wieder für die Zeit nach dem Tode des Varus nicht von Bedeutung ist^^
 
Das ist nicht korrekt zusammengefasst, was Caesar selbst (zu seiner Rechtfertigung) angibt!
ER gibt an, zunächst gegen die auswandernden Helvetier, als Bedrohung für den „Frieden in Gallien“ vorgegangen zu sein, die ihrerseits die Sueben als Grund für ihr Ausweichen angegeben haben.
Du sagst es. Die Helvetier haben den Frieden in Gallien bedroht, weil sie von den Sueben dahin abgedrängt wurden. Gleiches traf später auf Tenkterer und Usipeter zu. Schuld waren jeweils die bösen Sueben, deren Macht und Blutrünstigkeit Caesar mehrfach herauskehrt. Jedesmal, wenn es Krach in Gallien gab, waren aus Caesars Sicht (oder zumindest in seiner Darstellung) Germanen schuld daran. Übrigens sagt das auch Reinhard Wolters. Er äußert die Vermutung, dass Germanen in praktisch alle innergallischen Konflikte verwickelt waren - als Landsuchende, als Räuber oder als gedungene Söldner.

Die elbgermanische Herkunft der Sueben habe ich übrigens nur erwähnt, weil eben diese Herkunft ausschließt, dass diese Sueben als "Gegenreaktion" auf das Erstarken Roms den Konflikt gesucht hätten. Ihr Vordringen nach Gallien war rein offensiver Natur. Das hätte ich deutlicher schreiben sollen. Mein Fehler.

Was die Sugambrer betrifft, könnten die ein Sonderfall gewesen sein. Sie waren zu jener Zeit offenbar ein sehr starker Stamm. Stark genug jedenfalls, um im Gegensatz zu ihren Nachbarn dem Druck der Sueben standhalten zu können. Und selbstbewusst genug, um sich selbst Caesars Legionen zu widersetzen. Was suebische Spuren im (mutmaßlichen) Sugambrerland angeht: Im Bereich der Lippemündung (angeblich ebenfalls von Sugambrern besiedelt) und an einigen Stellen im Sauerland und in Hessen mischen sich Spuren von Elbgermanen und Rheinwesergermanen. Dabei ist die Anwesenheit beider Gruppen über einen längeren Zeitraum hinweg nachweisbar. Zum Beispiel wurden Friedhöfe über längere Zeiträume von beiden Gruppen genutzt worden, manche Gräber zeigen beide Einflüsse gleichzeitig.

Am Rande angemerkt: Möglicherweise hatten die Sugambrer sogar sowas wie eine Staatsstruktur. Bei Bonn und bei Bensberg (nahe Köln) sind Reste von "Oppida" gefunden worden, die den Sugambrern zugerechnet werden. Das deutet auf zentrale Strukturen hin. Vielleicht waren sie gar Kelten oder Keltogermanen. Und letztlich waren es die Sugambrer, die Rom bewogen haben, den Krieg über den Rhein hinweg nach Germanien hineinzutragen. Eine gewisse Kontinuität von Caesars Operationen hin zu denen des Augustus ist also sichtbar.

Was Ariovist angeht, hast Du Recht. Offenbar war es sogar Caesar höchstpersönlich, der ihm den Titel "Freund des römischen Volkes" verliehen hat. Und sogar noch, ohne dass dafür hinreichende Gründe vorlagen. Trotzdem muss man feststellen, dass Caesar den Krieg gegen Ariovist zum Anlass genommen hat, Gallien unter seine Kontrolle zu bringen.

Noch ein Nachsatz zum Germanenbegriff: Irgendwer hat weiter oben angemerkt, dass es die Bezeichnung schon lange vor Caesar gab. Das stimmt. War es nicht ein griechischer Geograph, der den Namen erstmals erwähnte? Egal. Ich wollte nicht andeuten, dass Caesar den Begriff erfunden hat. Mir ging es darum, dass er der erste Römer war, der ihn politisch genutzt hat. Er hat die Rheingrenze definiert und Germanien zum "feindlichen Ausland" erklärt - wohl wissend, dass östlich des Rheins auch Kelten und westlich des Rheins auch Germanen lebten. Mehrfach hat Caesar dabei auch die Erinnerung an Kimbern und Teutonen wachgerufen, die auch zu der Zeit noch von den Römern als eine Art Schreckgespenst angesehen wurden.

MfG
 
Offenbar war es sogar Caesar höchstpersönlich, der ihm den Titel "Freund des römischen Volkes" verliehen hat.
Diese Bezeichnung wurde vom Senat verliehen. Caesar kann höchstens den Antrag dazu gestellt haben, jedoch ist mir darüber nichts bekannt.

Noch ein Nachsatz zum Germanenbegriff: Irgendwer hat weiter oben angemerkt, dass es die Bezeichnung schon lange vor Caesar gab. Das stimmt. War es nicht ein griechischer Geograph, der den Namen erstmals erwähnte? Egal.
Nein, die erste Erwähnung erfolgte 222 v. Chr. durch die Römer, wie ich gestern um 22:29 geschrieben habe.
 
Diese Bezeichnung wurde vom Senat verliehen. Caesar kann höchstens den Antrag dazu gestellt haben, jedoch ist mir darüber nichts bekannt.
Caesar deutet das in "De bello gallico" an. An der Stelle, wo er von den scheiternden Verhandlungen mit Ariovist berichtet. Er hat wohl versucht, Ariovist zur Mäßigung zu bewegen, indem er ihn an die eigentlich unverdiente Ehre erinnert hat, die Caesar ihm verschafft habe. Näher erläutert wird das aber nicht. Man erfährt nichtmal, seit wann und woher sich die Herren kannten.

MfG
 
Okay, stimmt, im 35. Kapitel des ersten Buches heißt es, dass Ariovist die Bezeichnungen König und Freund während Caesars Konsulat erhalten habe. Das 43. Kapitel lässt sich zumindest so interpretieren, dass Caesar daran mitgewirkt habe; dass er der Antragsteller gewesen sei, sagt Caesar aber nicht ausdrücklich, es könnte auch bloß gemeint sein, dass Caesar als Konsul nicht dagegen gewesen sei. Gekannt haben sich die beiden sicherlich nicht.

Hier die Stelle aus dem 43. Kapitel:
"Ubi eo ventum est, Caesar initio orationis sua senatusque in eum beneficia commemoravit, quod rex appellatus esset a senatu, quod amicus, quod munera amplissime missa; quam rem et paucis contigisse et pro magnis hominum officiis consuesse tribui docebat; illum, cum neque aditum neque causam postulandi iustam haberet, beneficio ac liberalitate sua ac senatus ea praemia consecutum."
"Als man dorthin gekommen war, erwähnte Cäsar zum Eingang seiner Rede die Beweise des Wohlwollens, die Ariovist von ihm und dem römischen Senat erhalten habe, dass ihm der Senat den Namen eines Königs und Freundes gegeben und so höchst auszeichnende Geschenke übersandt habe, eine Ehre, die, worauf er hinwies, nur wenigen zu Teil geworden sei und gewöhnlich bloß für wichtige Dienste erteilt werde. Er habe diese Belohnungen rein durch seine und des Senates Güte und Edelmut erhalten, ohne irgend einen Anspruch oder begründete Berechtigung zum Fordern zu haben."
 
Zuletzt bearbeitet:
Okay, stimmt, im 35. Kapitel des ersten Buches heißt es, dass Ariovist die Bezeichnungen König und Freund während Caesars Konsulat erhalten habe. Das 43. Kapitel lässt sich zumindest so interpretieren, dass Caesar daran mitgewirkt habe; dass er der Antragsteller gewesen sei, sagt Caesar aber nicht ausdrücklich, es könnte auch bloß gemeint sein, dass Caesar als Konsul nicht dagegen gewesen sei. Gekannt haben sich die beiden sicherlich nicht.
Es bleibt diffus, stimmt. Möglicherweise bezieht sich Caesar hier auf andere Berichte, die zu jener Zeit weithin bekannt waren. Allerdings fällt mir auf Anhieb nicht ein, wo Ariovist den Römern sonst hätte begegnen können. Wenn die Verleihung des Ehrentitels unverdient war, dass muss Ariovist einen mächtigen Fürsprecher gehabt haben. Und das kann eigentlich nur Caesar selbst gewesen sein. Mir fällt jedenfalls kein hochrangiger Römer ein, der zu jener Zeit nördlich der Alpen aktiv war. Aber egal. Wir gleiten vom Thema ab.

MfG
 
Es bleibt diffus, stimmt. Möglicherweise bezieht sich Caesar hier auf andere Berichte, die zu jener Zeit weithin bekannt waren. Allerdings fällt mir auf Anhieb nicht ein, wo Ariovist den Römern sonst hätte begegnen können. Wenn die Verleihung des Ehrentitels unverdient war, dass muss Ariovist einen mächtigen Fürsprecher gehabt haben. Und das kann eigentlich nur Caesar selbst gewesen sein. Mir fällt jedenfalls kein hochrangiger Römer ein, der zu jener Zeit nördlich der Alpen aktiv war. Aber egal. Wir gleiten vom Thema ab.

MfG

Das muss Caesar nicht unbedingt selbst gewesen sein. Wie gesagt war sein Interesse an Gallien vor seiner Statthalterschaft eher gering. Denkbar wäre, dass Ariovist einfach eine Gesandtschaft mit ein bisschen Gold nach Rom geschickt hat, um einige Senatoren für sich zu gewinnen.
 
Naja, erstmals erwähnt wurden die Germanen bereits 222 v. Chr. in einer Inschrift anlässlich des Triumphes des M. Claudius Marcellus über die Gallier und Germanen. Keine Ahnung, um welche Germanen es sich da gehandelt haben soll.


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Hast Du dafür mal einen Quellenhinweis? Wo befindet sich die Inschrift? Klingt sehr interessant. Bisher ging ich davon aus, daß der Begriff "Germane" das erste mal bei Poseidonios kurz nach 100 v. Chr. auftaucht, der damit aber einen einzelnen (für ihn wohl keltischen) Stamm meinte, da die Griechen bei den Barbaren nur zwischen Keltoi und Skythoi unterschieden. Im Zusammenhang mit Marcellus kann es sich ja nur um "Germanen" in Norditalien handeln.
 
Das steht in den Triumphalfasten für das Jahr 222: "de Galleis Insubribus et Germaneis isque spolia opima rettulit"
 
Allerdings liest man bei Hans Beck, Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die Anfänge des cursus honorum in der mittleren Republik, S. 303, dass es sich bei der Stelle um eine Adaption der frühen Kaiserzeit handelt. Es wird vermutet, dass in der Originalinschrift Gaesat(eis) stand.
 
Das würde jedenfalls erheblich mehr Sinn machen. Da man allgemein annahm, die Gaesatae wären Söldner/Helfer von jenseits der Alpen, wäre die (falsche) spätere Änderung in gewisser Weise verständlich.
 
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