Den Erdölhandel lohnt es sich schon etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Die DDR war wie die meisten osteuropäischen RGW- Staaten (Rumänien ausgenommen) auf Erdölimporte der Sowjetunion angewiesen. (Der Transport lief über die 1964 fertig gestellte Erdölleitung „Drushba“.)
Vorab folgendes: im RGW-System wurden die Erdölpreise nach dem Durchschnittspreis der vorhergehenden fünf Jahre auf dem Weltmarkt festgesetzt. Solange die Preise stiegen - und bis Mitte der 80er stiegen sie im Schnitt - bezog die DDR das Erdöl unterhalb der Weltmarktpreise. Doch wehe, wenn der Ölpreis fiel!!!
Saint-Just schrieb:
Kurz darauf erfolgt die Reaktion in der ostdeutschen Wirtschaftspolitik:
http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/chronik/1981/
Die DDR reagiert auf diese Situation mit Einsparungen des Erdölverbrauchs (u.a. durch forcierte Braunkohlegewinnung) und verkauft ihre dadurch entstehenden Überschüsse an Erdöl auf dem freien Markt, womit sie Devisen erwirtschaftet.
Warum ist es zur Kürzung der sowjetischen Öllieferungen gekommen? Die DDR nutzte den oben dargestellten verzerrten Preismechanismus schamlos aus. Sie bezog soviel Öl wie möglich von der SU zu den billigen Preisen und verkaufte die raffinierten Produkte zu den aktuellen Weltmarktpreisen gegen die dringend benötigten Devisen an das kapitalistische Ausland. Hätte die SU das Öl selbst am Weltmarkt verkauft, hätte sie die Devisen eingenommen und infolgedessen wäre ihre Wirtschaftslage besser gewesen. Anfang der 80er kam es wie es kommen musste: Breshnew kürzte die Öllieferung an die ostdeutschen Staatskapitalisten und deren Bettelbriefe, wonach die Existenz der DDR vom Öl abhing, blieben in Moskau unerhört. Diese Kürzungen haben nicht zum Zusammenbruch der DDR geführt. Aber sie sind ein frühes Beispiel dafür, dass sich die SU die Kriegsbeute DDR nicht mehr leisten konnte.
Der Rückzug zur Kohle hatte dramatische Auswirkungen. Die Umweltbelastung nahm wieder zu. Die zuvor auf Öl umgestellten Kraftwerke mussten nun für teures Geld wieder auf Braunkohle umgerüstet werden. Die Braunkohleförderungsanlagen waren total verschliessen. Wirtschaftlich war die Braunkohleförderung schon längst nicht mehr. Es ging nur noch um die Förderung der benötigten Mengen. In jedem Winter war die Energieversorgung des Landes gefährdet.
Saint-Just schrieb:
Die Konsolidierungsstrategie ist erfolgreich bis der Erdölpreis einbricht- freilich nicht unbedingt gemäß dem Gesetzen des freien Marktes, sondern gemäß denen des Kalten Krieges:
Maria Huber, Moskau, 11. März 1985, Die Auflösung des sowjetischen Imperiums, S. 78/79
Da innerhalb des RGW für einen Fünfjahreszeitraum (synchron zum 11. Fünfjahresplan der UdSSR 1981-85) Festpreise ausgehandelt wurden, sitzt die DDR in der Zwickmühle: waren die Festpreise bis 1985 zum Nutzen der DDR niedriger als die Weltmarktpreise, waren sie nach 1985 plötzlich höher. Das dadurch entstehende Handelsbilanzdefizit wäre für jede Ökonomie ein Problem gewesen.
Also in Westeuropa führte der Einbruch der Ölpreise zu sinkenden Handelsbilanzdefiziten bzw. zu Handelsbilanzüberschüssen. Den Unternehmen stand mehr Geld zur Verfügung, die Investitionen nahmen zu, das Wachstum kam kräftig in Gang. In den USA war dies alles etwas komplizierter. Der Ölpreis sank so tief, dass sich zum Beispiel die Förderung des texanischen Öls nicht mehr lohnte - mit den entsprechenden Auswirkungen für die einheimische Ölwirtschaft.
Warum führte der Einbruch der Ölpreise Mitte der 80er nicht auch zur Belebung der Industriewirtschaft der DDR? Das lag weniger an bösen CIA-Ölpreis-Verschwörungen als an dem verzerrten Preismechanismus des RGW. Währendessen die westlichen Industriestaaten für das Öl zu jeder Zeit den aktuellen Weltmarktpreis bezahlten, liess sich die DDR bei steigenden Preisen subventionieren (auf Kosten der SU) und bei sinkenden Preisen musste sie eben für das Öl viel mehr bezahlen als es zu diesem Zeitpunkt wert war.
Das Phänomen der verzerrten Preise war ein Grundübel der östeuropäischen Planwirtschaften und der Niedergang dieser Volkswirtschaften hat viel mit diesem Übel zu tun.