Wie nah war die DDR 1989 am Staatsbankrott?

collo: Da fehlt was ganz wichtiges, was meiner Meinung nach viel zu selten erwähnt wird: das BRD-Handelsnetz war weit umfangreicher, als das der DDR. Und es bestand Konvertierbarkeit der Währung. Nach einer Mißernte konnte man problemlos Getreide in Kanada aufkaufen und wenn das da zu teuer war, eben in den USA. Es gab also keine direkte Verknappung der Waren, und darum waren die Eingriffe in die Preise meist moderat. Für die DDR bedeutete aber allein schon die Tatsache, Devisen für Getreide ausgeben zu müssen (anstatt für Medizin, Hightec, Lizensen), ein großes Wirtschaftsproblem. Denn theoretisch hätte sofort im selben Maße der Export steigen müssen, was natürlich nicht ging.

Aber da haben wir ja wieder eine systemimmanente Schwäche! Durch die Abwesenheit einer flexiblen Währung sowie natürlicher Preisbildung entfielen die wichtigsten Anpassungsmechanismen einer Ökonomie auf mikro- und makroskopische Veränderungen.

Noch was. aber bitte nicht die Wände hochgehen: Ein beträchtlicher Teil der deutschen Importgüter stammt aus extremer Ausbeutung der Arbeiter in Übersee. Nur dadurch sind die Preise für Kaffee, Kakao, manche Südfrüchte und auch einige Rohstoffe so niedrig, wie sie sind. Die DDR beteiligte sich an dieser Ausbeutung nicht. Natürlich war sie auch gar nicht dazu in der Lage. Aber trotzdem ist das ein Punkt, der ein wirtschaftliches Nadelöhr darstellte.

Dieser Themenkomplex wäre eine eigene Diskussion. Und daher werde ich dazu mal nichts sagen.
 
Den Erdölhandel lohnt es sich schon etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Die DDR war wie die meisten osteuropäischen RGW- Staaten (Rumänien ausgenommen) auf Erdölimporte der Sowjetunion angewiesen. (Der Transport lief über die 1964 fertig gestellte Erdölleitung „Drushba“.)

27. August [1981]: Der sowjetische Partei- und Staatschef Leonid I. Breschnew teilt SED-Generalsekretär Erich Honecker mit, ab 1982 die sowjetischen Erdöllieferungen an die DDR verringern zu wollen. Am 4. September antwortet Honecker, dass sich der Verlust auch nur eines Teils der sowjetischen Lieferungen "außerordentlich negativ auf die Volkswirtschaft der DDR auswirken" werde. "Offen gesagt", heißt es in Honeckers Schreiben, würden damit "die Grundpfeiler der Existenz der Deutschen Demokratischen Republik untergraben". In dramatischen Verhandlungen versuchen zunächst SED-Planchef Gerhard Schürer, dann Honecker selbst, die Sowjets umzustimmen. "Man kann der DDR nicht Erdöl kürzen, ohne gewaltige Verluste in der ganzen Breite der Volkswirtschaft zu verursachen", trägt Schürer am 15. September dem Vorsitzenden von Gosplan, Nikolai Baibakow, vor. Doch Baibakows Verhandlungsspielraum ist gering. Er bietet Schürer den Weiterbezug der zur Kürzung anstehenden 2,2 Mio. Tonnen Erdöl an - allerdings nur gegen freie Devisen in Höhe von rund 600 Mio. Dollar, die die Sowjetunion dringend für Getreideimporte benötige.
Keinen günstigeren Verlauf nimmt die Verhandlung, die Honecker selbst mit Konstantin Russakow, dem Sekretär des KPdSU-Zentralkomitees für Internationale Fragen, am 21. Oktober führt. Die beabsichtigte Kürzung hätte "verheerende Auswirkungen", warnt Honecker und bittet Russakow, Breschnew zu fragen, "ob es zwei Millionen Tonnen Erdöl wert sind, die DDR zu destabilisieren und das Vertrauen unserer Menschen in die Partei- und Staatsführung zu erschüttern". Doch die sowjetische Seite fordert von der DDR die Bereitschaft, die Folgen der Krise in der Sowjetunion mit zu tragen, andernfalls drohe der Verlust der gegenwärtigen Stellung der Sowjetunion in der Welt mit unabsehbaren Folgen für die "ganze sozialistische Gemeinschaft".

Kurz darauf erfolgt die Reaktion in der ostdeutschen Wirtschaftspolitik:

Um den Konsum der DDR-Bevölkerung nicht einschränken zu müssen, beschließt die Plankommission, die Mittel für Investitionen zu kürzen: Gegenüber einem durchschnittlichen Anteil von 22,8 Prozent in den Jahren 1976 bis 1980 und 22,5 bzw. 20,3 Prozent in den Jahren 1980 und 1981 wird der Anteil der Investitionen am verwendeten Nationaleinkommen mit 18,7 Prozent für 1982, 18,6 Prozent 1983, 18 Prozent für 1984 und 18,9 Prozent für 1985 auf das Niveau der frühen sechziger Jahre heruntergedrückt. Der Zustand der Produktionsanlagen, der Gebäude und der Infrastruktur verschlechtert sich in den Folgejahren ständig.
http://www.chronik-der-mauer.de/index.php/chronik/1981/

Die DDR reagiert auf diese Situation mit Einsparungen des Erdölverbrauchs (u.a. durch forcierte Braunkohlegewinnung) und verkauft ihre dadurch entstehenden Überschüsse an Erdöl auf dem freien Markt, womit sie Devisen erwirtschaftet.

So erreichten wir eine Öleinsparung von sechs bis sieben Millionen Tonnen, mehr als ein Drittel unserer Importe aus der UdSSR - und dieses Öl verkauften wir dann, über den zollfreien Handel mit der BRD, in den Westen. Damit konnten wir selbst von den gestiegenen Ölpreisen profitieren und eine weitere Verschuldung vermeiden - in einer Phase, in der viele andere nichtkapitalistische Länder immer tiefer in die roten Zahlen rutschten.
http://www.trend.infopartisan.net/trd0999/t370999.html

Die Anfang der 80er Jahre kritische Nettoverschuldung kann unter Kontrolle gebracht und abgetragen werden. (Ihre höchste Nettoverschuldung hat die DDR 1981, nicht 1989).

Der von Strauß vermittelte Milliardenkredit musste tatsächlich sogar nur zu einem Drittel in Anspruch genommen werden.

Die Konsolidierungsstrategie ist erfolgreich bis der Erdölpreis einbricht- freilich nicht unbedingt gemäß dem Gesetzen des freien Marktes, sondern gemäß denen des Kalten Krieges:

Der Preissturz von 27 Dollar pro Barren Öl (Ende 1985) auf 10 bis 12 Dollar (ein Jahr später) wirkte sich verheerend auf die Handelsbilanz der UdSSR mit dem Westen aus … Jeder Dollar, um den der Ölpreis fiel, kostete die Sowjetunion 550 Mio. Dollar … Anfang 1986 sackte der Ölpreis … regelrecht ab, nachdem die POEC-Länder Ende 1985 die Ölpreisbindung aufgehoben hatten. Diese Entwicklung wird den Bemühungen des CIA-Direktors William Casey zugeschrieben, der Saudi-Arabien überzeugt haben soll, dass es durch Senkung der Ölpreise mit den Vereinigten Staaten kooperieren könne … Der Verfall der Ölpreise [musste] den Fein empfindlich treffen, da der Rückgang der Exporteinnahmen den Kreditbedarf Moskaus erhöhte und so Washington die Möglichkeit gab, auf Reformen zu drängen, die das sozialistische System weiter untergraben würden.

Maria Huber, Moskau, 11. März 1985, Die Auflösung des sowjetischen Imperiums, S. 78/79


Da innerhalb des RGW für einen Fünfjahreszeitraum (synchron zum 11. Fünfjahresplan der UdSSR 1981-85) Festpreise ausgehandelt wurden, sitzt die DDR in der Zwickmühle: waren die Festpreise bis 1985 zum Nutzen der DDR niedriger als die Weltmarktpreise, waren sie nach 1985 plötzlich höher. Das dadurch entstehende Handelsbilanzdefizit wäre für jede Ökonomie ein Problem gewesen.

Hinzu kamen die ökonomischen Schwierigkeiten der Perestrojka. So schön die Ankündigungen von Gorbatschow klangen - die sowjetische Wirtschaft brach in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre ein, Lieferverpflichtungen an uns und andere RGW-Staaten wurden teilweise nicht mehr erfüllt.

http://www.trend.infopartisan.net/trd0999/t370999.html

Das alles zusammengenommen erklärt sehr gut die ökonomische Lage, in der die DDR sich Ende der 80er Jahre schließlich befand.


Das mehrfach von mir zitierte Interview ist übrigens auch im Ganzen hochinteressant. Fazit: Nein, die DDR war 1989 nicht bankrott, wäre es aber binnen ein-zwei Jahren gewesen. Abhilfe hätte ein Kredit von 2-3 Mrd. Valutamark Abhilfe schaffen können. Natürlich wäre ein solcher Kredit keine rein wirtschaftliche Frage mehr gewesen, sondern eine politische. Als möglicher Kreditgeber wäre Frankreich in Frage gekommen, das ein profundes Interesse am Fortbestand der DDR hatte. Letztlich war aber alles zu spät, nachdem die DDR mit der Öffnung der Grenzen ihr wichtigstes außenpolitisches Druckmittel aus der Hand gegeben hatte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die DDR besorgte sich die fehlenden Eigenmittel in zunehmendem Maße auf den westlichen Finanzmärkten. Die schrumpfende Eigenfinanzierungsbasis des Systems lässt sich an der Entwicklung der Verschuldung gegenüber dem nichtsozialistischen Währungsgebiet im Zeitraum von 1970-1989 ablesen: Diese erhöhte sich von 2 Mrd. Valutamark auf 49 Mrd. Valutamark. Die Verbindlichkeiten des Staatshaushalts gegenüber dem eigenen Kreditsystem stiegen von 12 Mrd. Mark 1970 über 43 Mrd. Mark 1980 auf 123 Mrd. Mark 1988.

Der Kaufkraftüberhang - also vom Güterstock nicht gedeckte Bargeldumlauf - wurde von der Staatlichen Plankommission (so genannter "Schürer-Bericht" vom 30. Okt. 1989) allein für die Jahre 1986 bis 1989 mit 6 Mrd. Mark angegeben. Diese Art der Fianzierung durch zusätzliches Geld führte zur Erhöhung der Kassenhaltungsbestände, die sich in wachsenden Spareinlagen der Bevölkerung zeigte. Diese stiegen von 136 Mrd. Mark im Jahr 1986 auf 175 Mrd. Mark im Jahr 1989.

Die DDR hätte allein für die Verzinsung 1989 mehr als 5 Mrd. Mark ausgeben müssen, was zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr aus dem eigenen Aufkommen möglich gewesen wäre.

Wie bereits erwähnt, betrug die Schuldendienstrate 1989 etwa 150%, sodass sich die DDR seit Beginn der 80er Jahre beständig am Rande der Zahlungsunfähigkeit bewegte. Zuletzt wurde in der Arbeitsgruppe "Zahlungsbilanz" in der Staatlichen Plankommission ein wöchentlicher Liquiditätsstatus ausgewiesen, da von einer soliden Fianzplanung keine Rede mehr sein konnte.
 
Werter Saint-Just, nun die Bonusfragen:

Was wäre geschehen, wenn die DDR das überschüssige Öl nicht an den Weltmarkt sondern zurück an die SU hätte befördern müssen? Oder noch krasser formuliert, will man Deinen Ausführungen folgen:

Sicherte die Spekulation mit Öl (kurzfristig) das Überleben der DDR?
 
Zuletzt bearbeitet:
wachsenden Spareinlagen der Bevölkerung zeigte. Diese stiegen von 136 Mrd. Mark im Jahr 1986 auf 175 Mrd. Mark im Jahr 1989.
Das sehe ich nicht so kritisch, weil kein Bestreben bestand, das Geld kurzfristig ausgeben zu wollen. Fast jeder DDR-Bürger sparte auf sein Auto (Auf Kredit zu kaufen oder zu "finanzieren" war in der DDR unüblich). Entsprechend den 175 Milliarden hatte als jeder Bürger gut 10 000 Mark auf dem Konto. Mit einer Erhöhung der Autoproduktion hätte man den Überhang sehr schnell abbauen können. Oder mit gezielten Importen. Wenn ich mich nicht irre, verkaufte man eine Videoanlage von Sony Mitte der 80er für 27 000 Mark...

Außenpolitisch waren die DDR-Sparguthaben natürlich ziemlich wertlos. Daher hat Kohl sie beim Umtausch ja auch kurzerhand halbiert... Zumal er sicher sein konnte, daß der Rest in kurzer Zeit dem westdeutschen Konsum zufließen wurde.
 
Werter Saint-Just, nun die Bonusfragen:
Oh, ein Quiz :)
Pope schrieb:
Was wäre geschehen, wenn die DDR das überschüssige Öl nicht an den Weltmarkt sondern zurück an die SU hätte befördern müssen?
Dafür hätte es aber keinen langfristigen Liefervertrag über fünf Jahre mit garantierten Quoten geben dürfen ... und hätte es den nicht gegeben, wäre das Zahlungsbilanzproblem für die DDR ab 1985 so nicht entstanden. (Die sowjetischen Liefermengen wiederum waren ohne Frage an den Erfordernissen des 11. Fünfjahresplans oreintiert. Was u.a. bedeutet, dass sich die RGW- Wirtschaften ohnehin nicht isoliert voneinander analysieren lassen.)
Sicherte die Spekulation mit Öl (kurzfristig) das Überleben der DDR?
Nunja, im Grunde sind von vornherein festgelegte Lieferquoten das Gegenteil von Warentermingeschäften ... aber selbstverständlich hat sich der Handel mit Erdöl auf die Handelsbilanz der DDR entscheidend ausgewirkt.
Vor allem aber sollte man direkte (politisch motivierte) Marktmanipulationen des Westens wie die von mir genannte nicht außer acht lassen (die COCOM-Liste wäre ein weiteres Beispiel, oder die Verknüpfung von Handelsverträgen mit politischen Bedingungen). Ceteris paribus führt (nicht nur) hier in die Irre.
 
Das nehm ich der Sowjetunion heut noch übel:
Devisen in Höhe von rund 600 Mio. Dollar, die die Sowjetunion dringend für Getreideimporte benötige.
In der Schule hat man uns was von den fruchtbaren Schwarzerdeböden erzählt und wie leicht die Riesenfelder aus der Luft zu bestellen, zu düngen und zu bewässern seien. Aber als ich dann in einem Schulbuch die Hektarerträge der SU fand, die die schlechtesten vor Rumänien waren, hab ich den Lehrer gefragt, wie das kommt. Der hat auch keine Antwort gewußt. Das war schon in den 60er Jahren...
 
Das nehm ich der Sowjetunion heut noch übel: In der Schule hat man uns was von den fruchtbaren Schwarzerdeböden erzählt und wie leicht die Riesenfelder aus der Luft zu bestellen, zu düngen und zu bewässern seien. Aber als ich dann in einem Schulbuch die Hektarerträge der SU fand, die die schlechtesten vor Rumänien waren, hab ich den Lehrer gefragt, wie das kommt. Der hat auch keine Antwort gewußt. Das war schon in den 60er Jahren...
Die korrekte Antwort wäre in etwa gewesen, dass Schwarzerdeböden tatsächlich sehr fruchtbar sind, aber auch nur einen Teil des bebaubaren Landes ausmachen (Nordukraine, Nordkaukasusus, SW-Russland) und allein kaum zur Versorgung der sowjetischen Bevölkerung ausreichen (die im übrigen bis 1991 kontinuierlich anstieg). Die Neulandgebiete in Kasachstan in Sibirien, die ab 1954 erschlossen wurden, waren wiederum anfällig für Bodenerosion und erforderten intensive Bewässerung. Effekt war ein ständiger Wechsel zwischen guten und schlechten Erntejahren- und in schlechten wurde halt Getreide aus Kanada, Australien und den USA gekauft.
 
war heute auf dienstreise, deshalb die verspätete antwort:

collo: Da fehlt was ganz wichtiges, was meiner Meinung nach viel zu selten erwähnt wird: das BRD-Handelsnetz war weit umfangreicher, als das der DDR. Und es bestand Konvertierbarkeit der Währung. Nach einer Mißernte konnte man problemlos Getreide in Kanada aufkaufen und wenn das da zu teuer war, eben in den USA. Es gab also keine direkte Verknappung der Waren, und darum waren die Eingriffe in die Preise meist moderat. Für die DDR bedeutete aber allein schon die Tatsache, Devisen für Getreide ausgeben zu müssen (anstatt für Medizin, Hightec, Lizensen), ein großes Wirtschaftsproblem. Denn theoretisch hätte sofort im selben Maße der Export steigen müssen, was natürlich nicht ging.

Noch was. aber bitte nicht die Wände hochgehen: Ein beträchtlicher Teil der deutschen Importgüter stammt aus extremer Ausbeutung der Arbeiter in Übersee. Nur dadurch sind die Preise für Kaffee, Kakao, manche Südfrüchte und auch einige Rohstoffe so niedrig, wie sie sind. Die DDR beteiligte sich an dieser Ausbeutung nicht. Natürlich war sie auch gar nicht dazu in der Lage. Aber trotzdem ist das ein Punkt, der ein wirtschaftliches Nadelöhr darstellte.

Was mir grad noch einfällt: Die DDR-Währung hatte keine Golddeckung. Aber das hatte Vor- und Nachteile.

ich nehme an, mit dem handelsnetz meinst du jetzt nicht aldi und tengelmann, sondern die weltwirtschaftliche verflechtung der bundesrepublik.

eben, die sozialistischen planwirtschaften wollten eben keine frei konvertierbare währung haben, weil ihre wirtschaftsleistung ja dann im wechselkurs zum ausdruck gekommen wäre (währungsspekulationen spielten bis in die siebziger keine so grosse rolle). dadurch hat man sich in einer kapitalistisch organisierten weltwirtschaft probleme eingehandelt, weil man eben auch von einer autarkie weit entfernt war.

es ist aber nicht so, dass die westdeutsche oder westliche wirtschaft vollkommen immun gegen äussere einflüsse war, siehe rohölkrisen von 1974 und 1979, die zu veritablen rezessionen geführt haben.

auf das argument der ausbeutung gehe ich hier nicht ein, es trägt erstens nichts zur sache bei und zweitens ist es unsinn zu behaupten, die ddr hätte sich daran nicht beteiligt (als wenn die ddr einen "fairen" preis für kaffee bezahlt hätte).

zu guter letzt: die dm war nie eine durch gold gedeckte währung.

...
Vor allem aber sollte man direkte (politisch motivierte) Marktmanipulationen des Westens wie die von mir genannte nicht außer acht lassen (die COCOM-Liste wäre ein weiteres Beispiel, oder die Verknüpfung von Handelsverträgen mit politischen Bedingungen). Ceteris paribus führt (nicht nur) hier in die Irre.

off-topic, aber weil es m.e. nicht unwidersprochen bleiben kann:
man kann ja von verschwörungstheorien halten was man will, aber dass die usa druck auf saudi-arabien ausgeübt haben, den ölpreis zu senken, um die sowjetunion zahlungsunfähig zu machen...
mitte der achtziger jahre waren die usa derart überschuldet, steckten wirtschaftlich in einer krise, dass in erster linie an das eigene wirtschaftliche wohlergehen gedacht wurde.

dass man militärisch wertvolle güter nicht einfach an den "feind" verkauft, ist klar. und mit zunehmender elektronisierung auch und gerade der waffentechnologie, versuchte man sich eben durch eine massnahme wie der cocom-liste diesen vorsprung zu erhalten. dennoch liefen solche geschäfte, gerade die ddr war darin ziemlich erfolgreich.

und dass mit handelsverträgen politik gemacht wird, ist älter als der ost-west-gegensatz. wie hätte der westen denn sonst reagieren sollen, einfach geschäfte machen oder einen hundertprozentigen boykott?
 
Das wiederum kann ich so nicht stehen lassen:
Fakt ist, dass Mária Huber renommierter Osteuropa-Experte an der Universität Leipzig ist, und nicht irgendein obskurer Pseudowissenschaftler.
Fakt ist außerdem, dass die USA 1985 mindestens noch einmal eine derartige Marktmanipulation vorgenommen haben. Im selben Jahr 1985 warfen sie ihre gesamte strategische Zinnreserve auf den Markt, Resultat war auch hier der drastische Einbruch der Preise und das Ende des Kartells der Zinnproduzenten, das seit 1950 bestand (Walter L. Bernecker, Aufbruch und Elend in der Dritten Welt, S. 49)

collo schrieb:
mitte der achtziger jahre waren die usa derart überschuldet, steckten wirtschaftlich in einer krise, dass in erster linie an das eigene wirtschaftliche wohlergehen gedacht wurde.

Wo ist der Widerspruch? Da war eine rasche Senkung des Erdölpreises inklusive Schwächung der OPEC doch eindeutig im Interesse Washingtons … und der Sowjetunion konnte man auch noch eins auswischen. Das sind gleich zwei Wünsche auf einmal :) (und Saudi-Arabien hatte auch Grund genug, amerikanische Unterstützung anzustreben, v.a. angesichts der Islamischen Revolution im Iran)

Ansonsten geht es mir beim Hinweis auf COCOM nicht darum zu beurteilen, wie moralisch richtig oder falsch es gewesen sein mag ... sondern dass dadurch die Erneuerung des Maschinenparks behindert, die Arbeitsproduktivität beschränkt wurde.
 
Arbeitsproduktivität und Maschinenpark waren vor allem durch die schwerfällige, international nicht wettbewerbsfähige und ideologischen Vorgaben gehorchende Planwirtschaft ruiniert. Sie hinterließ eine marode Industrie, eine zerfallende Infrastruktur und eine Arbeitsproduktivität, die 1989 bei etwa 40% des Westniveaus lag.

Der Erdölmarkt - verschwörerisch vom Westen gelenkt - kann dafür nicht als Begründung herhalten.
 
Bis jetzt wurde hier mit Quellen und Belegen argumentiert, wär schön wenn das so bleibt, sonst kommt hier wieder eine Pauschalbehauptung nach der anderen ...
 
@ Saint-Just
Ich habe nicht gesehen, dass du auf meine ausführlichen, quellengestützten Beiträge Nr. 13 und 23 geantwortet hättest.
 
Beitrag 23 steht nicht im Widerspruch zu meinem Beitrag 22 und widerlegt ihn auch nicht.
Was den Strauß-Kredit betrifft, meint der stellvertretende Chef der Planbehörde (also Schürers direkter Untergebener):
[FONT=Arial schrieb:
]Dieser Kredit hat uns überhaupt nicht geschadet, denn wir hatten zum damaligen Zeitpunkt unsere Wirtschaft und auch die Zahlungsbilanz mit großen Anstrengungen konsolidiert. Zumindest hat sich im Zeitraum 1981 bis 1985 die Westverschuldung nicht erhöht. Zeitweise wurden jährliche Exportüberschüsse von zwei Milliarden Valutamark erzielt. Wie wenig wir damals in der Klemme waren, zeigt der Umstand, daß wir den Kredit der Kohl-Regierung, der auf den von Strauß vermittelten folgte, nur zueinem Drittel in Anspruch nahmen ... Ein Kredit wie dieser, der zu normalen beziehungsweise sogar günstigen Bedingungen gewährte wurde, ist immer etwas Positives, und wenn er nur zur Ablösung ungünstiger anderer Kredite eingesetzt werden kann. Ich glaube aber, es waren vor allem politische Motive: Über den Kredit wurden die deutsch-deutschen Beziehungen befördert, Honecker - und übrigens auch Strauß - brachten sich so als Entspannungspolitiker ins Gespräch.
http://www.trend.infopartisan.net/trd0999/t370999.html

PS: Maktmanipulationen mögen in der VWL-Theorie nicht vorkommen, in der Realität siehts anders aus. Tut mir leid.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass die Erdölpreise keinen Einfluss gehabt hätten, habe ich so nicht behauptet. Richtig ist hingegen, dass sie nur ganz partiell für die jahrzehntealte Misere der DDR-Wirtschaft verantwortlich zu machen sind. Das wäre nämlich ein schönes Schlupfloch für SED-Apologeten, einfach das "Erdöl" für alle wirtschaftlichen Fehlsteuerungen heranzuziehen.
 
Das nehm ich der Sowjetunion heut noch übel: In der Schule hat man uns was von den fruchtbaren Schwarzerdeböden erzählt und wie leicht die Riesenfelder aus der Luft zu bestellen, zu düngen und zu bewässern seien. Aber als ich dann in einem Schulbuch die Hektarerträge der SU fand, die die schlechtesten vor Rumänien waren, hab ich den Lehrer gefragt, wie das kommt. Der hat auch keine Antwort gewußt. Das war schon in den 60er Jahren...

Saint-Just schrieb:
Die korrekte Antwort wäre in etwa gewesen, dass Schwarzerdeböden tatsächlich sehr fruchtbar sind, aber auch nur einen Teil des bebaubaren Landes ausmachen (Nordukraine, Nordkaukasusus, SW-Russland) und allein kaum zur Versorgung der sowjetischen Bevölkerung ausreichen (die im übrigen bis 1991 kontinuierlich anstieg). Die Neulandgebiete in Kasachstan in Sibirien, die ab 1954 erschlossen wurden, waren wiederum anfällig für Bodenerosion und erforderten intensive Bewässerung. Effekt war ein ständiger Wechsel zwischen guten und schlechten Erntejahren- und in schlechten wurde halt Getreide aus Kanada, Australien und den USA gekauft.

Wenn ich das noch erweitern darf: der weit überwiegende Teil der Schwarzerdeböden in der ehemaligen UdSSR liegt/lag in semiariden Steppengrasgebieten, die allenfalls durch sehr extensive Weidewirtschaft genutzt wurden. Der hohen Fruchtbarkeit durch hohen Humusgehalt standen als limitierender Faktor die geringen Niederschläge gegenüber; da Schwarzerdeböden prinzipiell gut für Bewässerung geeignet sind, erfolgte die großflächige Erschließung von Neuland mit groß angelegten Bewässerungsprojekten in solchen Gebieten, z.B. in Mittelasien, was einen immensen Aufwand erforderte. Man könnte fast von Umsiedlungsmaßnahmen sprechen, tausende von Menschen wurden in Gegenden "versetzt", in denen erst noch eine Infrastruktur geschaffen werden musste.
Das Wassermanagement war jedoch nicht anders als katastrophal zu bezeichnen, schon nach wenigen Jahren wurden die Erträge durch zunehmende Versalzung der Böden vermindert. Ich erinnere mich an erste Satellitenbilder, auf denen diese Flächen wie von Motten zerfressene Teppiche erschienen.
Neueste Schätzungen der Welthungerhilfe gehen davon aus, dass, neben erheblichen Beeinträchtigungen der Grundwassersituation, heute ein Viertel der damals für intensive Bewirtschaftung gewonnenen Flächen aufgrund der Versalzung nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden können.
 
Pope
Nicht schlecht geschrieben. Zwar kommt die DDR nicht gut bei weg und wird pauschal ziemlicher Blödsinn in dieser Richtung geschrieben
War es da nicht besser, den zukünftigen Erben der DDR auch gleich die Schulden mitzuvermachen? So geschah es denn auch. Zehn Tage später, am 9. November 1989, wurden die Grenzen geöffnet.
aber es wird doch gut aufgezeigt, daß der Beitritt weder für West noch für Ost wirtschaftlich notwendig, also ein reines Politikum war.

Was ich immer noch seltsam finde: es wurde mal so ein Theater um die Rolle des Millardenkredits gemacht (wobei der zweite kaum gebraucht wurde), aber derzeit fließen Jahr für Jahr 150 Millionen (bzw. in Euro die Hälfte) in den Osten Deutschlands. Die Summe eines einzigen Jahres hätte gereicht, um die DDR schuldenfrei zu machen und ihr eine Finanz-/Investitionsspritze ungekannten Ausmaßes zu bescheren. Aber damit hätte sich die westdeutsche Wirtschaft einen Konkurrenten herangezüchtet, den sie nicht gebrauchen konnte. Also Beitritt als Kontrollvoraussetzung mit dem Ziel besserer politischer und wirtschaftlicher Einflußnahme.
 
Pope
Nicht schlecht geschrieben. Zwar kommt die DDR nicht gut bei weg und wird pauschal ziemlicher Blödsinn in dieser Richtung geschrieben aber es wird doch gut aufgezeigt, daß der Beitritt weder für West noch für Ost wirtschaftlich notwendig, also ein reines Politikum war.

Du hast leider den ersten Teil des Gedankengangs unterschlagen :)

Hier nochmal zum Nachlesen:

Thomas Betz - 10 Jahre keine Einheit schrieb:
Jeder, der das hörte und denken konnte, wusste: Es ist vorbei! Die DDR war in die Schuldenfalle geraten. An eine Absenkung des (im innerdeutschen Vergleich) ohnehin geringeren Lebensstandards der Bevölkerung um ein Drittel über Jahre hinweg bei einer gegebenen hochexplosiven politischen Ausgangssituation wie der gegenwärtigen war schlechterdings nicht mehr zu denken. Woran wenigstens noch zu denken war, war die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Westen über Konzessionen betreffend Zins- und Tilgungskonditionen. Aber der Westen würde – in welcher Form auch immer, ob nun als Bundesrepublik, als IWF oder als internationales Gläubiger-Konsortium – die Mauer schleifen und damit jedenfalls mittel- bzw. langfristig die DDR gleich mit. Worin aber sollte der Sinn bestehen, in einem Zwischenstadium – formal zwar noch eigenständig, aber doch bereits abhängig und fremdbestimmt – Valutaschulden abzuarbeiten, um irgendwann dann als Staat doch von der Landkarte zu verschwinden?
 
...Zwar kommt die DDR nicht gut bei weg und wird pauschal ziemlicher Blödsinn in dieser Richtung geschrieben aber es wird doch gut aufgezeigt, daß der Beitritt weder für West noch für Ost wirtschaftlich notwendig, also ein reines Politikum war...

ich dachte, wenigstens darüber bestünde einigkeit, dass der beitritt oder die wiedervereinigung ein politisches ereignis war.

..., aber derzeit fließen Jahr für Jahr 150 Millionen (bzw. in Euro die Hälfte) in den Osten Deutschlands. Die Summe eines einzigen Jahres hätte gereicht, um die DDR schuldenfrei zu machen und ihr eine Finanz-/Investitionsspritze ungekannten Ausmaßes zu bescheren. Aber damit hätte sich die westdeutsche Wirtschaft einen Konkurrenten herangezüchtet, den sie nicht gebrauchen konnte. Also Beitritt als Kontrollvoraussetzung mit dem Ziel besserer politischer und wirtschaftlicher Einflußnahme.

wenn es denn millionen wären...wie viele milliarden es genau sind, weiss wohl niemand so genau.

aber darf ich dich auf einen anderen irrtum aufmerksam machen: da es die ddr als staat nicht mehr gibt, sind etliche leistungen/zahlungsverpflichtungen auf die bundesrepublik übergegangen, die mit in diese summen eingerechnet werden. so schätzt man die differenz zwischen rentenbeiträgen und ausgezahlten renten auf über 25 mrd. €. wen man solche beträge aus den transferleistungen herausrechnet, dann bleibt da nur ein kleiner teil übrig...

mit dieser diskussion wird auch der anschein erweckt, als wäre die wiedervereinigung eine in erster linie wirtschaftspolitische entscheidung gewesen. das lese ich auch aus vielen gelinkten und zitierten beiträgen.

der von pope gelinkte beitrag mag in seinem "wirtschaftsteil" ganz gute anregungen bieten und viele der ökonomischen fehler aufführen, die während, vor und nach der vereinigung gemacht wurdenn, aber was hier kommt, lässt mich an der seriosität zweifeln:

Spätestens seit der freien und geheimen Wahl der Volkskammer am 18.03.1990 und von Lothar de Maizière zum Ministerpräsidenten der DDR ist jedoch die moralische Rechtfertigung der Nicht-Anerkennung entfallen, die ja hauptsächlich darin bestand, ein System, das Deutsche in Unfreiheit hielt, nicht diplomatisch stärken zu wollen und den Betroffenen eine Alternative mindestens anzubieten. Angesichts der beschriebenen Konsequenzen der Vereinigung in der vorgenommenen Form muss heute sogar danach gefragt werden dürfen, ob es nicht umgekehrt nach dem Herbst 1989 eher eine moralische Verpflichtung zur Anerkennung der Staatsbürgerschaft gegeben hat.
Was hätte eine solche Anerkennung bedeutet? Das politische Verhältnis der beiden Staaten wäre dem zwischen der Bundesrepublik und Österreich vor dessen Beitritt zur EU im Jahre 1995 vergleichbar gewesen. Das heißt: Man betreibt Handel, die Menschen können frei reisen, es gibt die unterschiedlichsten Formen von Austausch zwischen beiden Ländern. Aber, und das ist entscheidend: Es gibt zwei Währungen und die Bürger des einen Landes können sich nicht so ohne weiteres im anderen Land niederlassen und dort eine Arbeit aufnehmen. Und das hätte wiederum für die DDR (oder wie immer sie sich dann genannt hätte) bedeutet, dass der Lohnkostenvorteil voll zum Tragen gekommen wäre. Der größte Teil der privaten Investitionen, die später von Westdeutschland nach Ungarn, Tschechien, Polen und anderswohin nach Osteuropa geflossen sind, wäre im zweiten deutschen Staat gelandet, weil die Kombination aus geographischer Nähe, gemeinsamer Sprache, vergleichsweise hohem Ausbildungsstand und nur wenig höheren Lohnkosten das östliche Deutschland in den meisten Fällen zur ersten Wahl gemacht hätte. Löhne, Kosten und Preise wären zunächst unverändert geblieben und hätten sich erst allmählich angepasst. Arbeitslosigkeit wäre auch weiterhin ein Fremdwort gewesen. Im Gegenteil hätte die enorme Nachfrage nach der günstigen Arbeitskraft sehr bald dafür gesorgt, dass die Reallöhne steigen; langsam, allmählich, behutsam, ganz ähnlich wie das in Ungarn, Tschechien, Polen zu beobachten war. Nur schneller wäre es gegangen. Und vor allem: Selbstverdient wäre es gewesen.

sorry, aber wie weltfremd ist der verfasser denn? am 18.03.1990 haben die wähler der ddr doch entschieden, dass sie nicht mehr bürger dieses staates sein wollten. ausserdem, eine anerkennung einer ddr-staatsbürgerschaft hätte schon allein aus verfahrenstechnischen gründen nicht in der kurzen zeitspanne stattfinden können. wir reden hier nicht von einem verwaltungsakt sondern von einer grundgesetzänderung! von der möglichkeit der familienzusammenführung ganz zu schweigen...


zurück zum thema:
selbst die wohlwollendsten expertenbeiträge, die hier genannt wurden, zeigen auf, dass die ddr existenzielle wirtschaftliche probleme hatte. ob das schon 89/90 zum staatsbankrott geführt hätten, oder ein paar jahre später, ist eigentlich belanglos, weil spekulation. sie ist nicht bankrott gegangen, weil sie vorher aufgehört hat zu existieren.
 
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