Dass man seit dem 19. Jahrhundert weiß bzw. wissen konnte, dass zumindest der hier zitierte Timotheusbrief nicht von Paulus ist, tut nichts zur Sache, denn dessen Wirkung war wie eben beschreiben. Zudem ist dieser Brief immer noch Bestandteil des Neuen Testaments, als ob nichts geschehen.
Die Kirche ist keine Organisation von Historikern und Philologen, sie ist nicht der historischen und philologischen Expertise verpflichtet, auch wenn bekennende Kirchenfeinde der Auffassung sind, dass die Kirche doch bitte Schriften aus dem Kanon schmeißen solle. Es ist völlig absurd, dass du als selbsterklärter Kirchenfeind der Auffassung bist, mitbestimmen zu können, welche Texte dem Kanon zugehören sollen und welche nicht.
Im Übrigen hadere ich schon seit einigen Tagen mit mir, mal wieder Colston ins Spiel zu bringen. Natürlich sind solche Crossdiskussionen nicht erbaulich, aber es ist schon erstaunlich, dass du dich über die angebliche Böswilligkeit der Kirche in einer harmlosen Frage, wie der Identität Yunia/s echauffierst - welche lediglich in universitären mittelalterlichen Theologenkreisen eine Rolle spielte (und heuten aus anderen Gründen wieder) im Mittelalter keinerlei kirchenrechtliche Relevanz hatte und auch dem oder der seit 1200 Jahren verstorbenen Yunia/s keinerlei Leid antat. Gleichzeitig tust du zehntausendfachen Sklavenhandel als Zeitgeist ab. Du skandalisierst eine abseitige theologische Petitesse, hast aber für Sklavenhandel nur ein Schulterzucken übrig. Das verstehe wer will.
Das mag sein, aber es gab damals niemand mit dem männlichen Namen Junias, sondern nur 250 weibliche Namen – eben Junia. Man kann nicht einfach einen Namen erfinden, damit es in dieses Kontext passt.
Anders als wir, hatten die Theologen des 13. Jhdts. weder Internet noch Suchmaschine oder Wikipedia zur Verfügung. Abgesehen davon, auch wenn Theologen heute tunlichst Griechisch und Hebräisch können sollten, waren diese Sprachkenntnisse im Mittelalter keineswegs die Normalität. Theologen konnten Latein, viele Leutpriester selbst das nur äußerst mangelhaft. Hebräischkenntnisse waren - außer bei konvertierten Juden - kaum vorhanden, und Griechischkenntnisse ebenfalls sehr selten. Man muss tatsächlich davon ausgehen, dass die Scholastiker es nicht besser wussten.
Dennoch widersprichst du mir, nur um mir eine Unterstellung unterzujubeln.
Dass du bei der Kirche immer nur das Schlechteste annimmst, ist keine Unterstellung, sondern kann man in 90 % deiner Beiträge in diesem Forum lesen. Dass du so viel Widerspruch bekommst, liegt nicht daran, dass das Forum hier voller frömmelnder Betschwestern ist.
Du nimmst für dich in Anspruch, wertneutral auf die Geschehnisse zu schauen, und ich nehme für mich in Anspruch, das kritischer zu sehen und dem entsprechend auch kritische Kommentare zu lesen.
Und das ist falsch. Ich sehe die Kirche absolut kritisch. Aber ich bin Historiker und kein Aktivist. Dass ich und andere hier zu unfreiwilligen Verteidigern der Kirche werden, liegt daran, dass du eine - um einen Begriff aus der spanischen Geschichtsdebatte zu nutzen -
schwarze Legende strickst. Die Aufgabe von Historikern ist aber nicht, eine
schwarze oder
rosane Legende zu weben und nur die Fakten auszuwählen, welche die eigene Agenda stützen, sondern
alle Fakten zu berücksichtigen. Die
be- wie die
entlastenden.
Du weißt aber schon, dass wer schreit (großschreibt), Unrecht hat?
Ich finde das nicht witzig, denn wenn man Sachverhalte - es geht nicht um Bewertungen, sondern um Faktenschilderungen - mehrfache Wiederholungen, indem du Hypothesen, trotzdem du mehrfach darauf aufmerksam gemacht wurdest, zum wiederholten Male als unumstößliche Fakten präsentierst, dann ist die Hervorhebung dessen logische Konsequenz.
Nicht alle Kirchenväter waren dieser Meinung – ich habe die Namen genannt.
Dass Kirchenväter die Existenz von erfundenen Heiligen bejahen, ist nicht sonderlich überraschend.
Überraschend ist eher, dass du trotzdem der Meinung bist, Frauen seien aus der Kirchengeschichte herausgeschrieben worden, obwohl du selbst ständig Beispiele präsentierst, die deiner Grundthese widersprechen. Das sind Widersprüche in du dich beharrlich verstrickst
Da wird aber Zeit, die sog. Timotheusbriefe, die auch gefälscht sind, zu den Apokryphen zu zählen und sie aus dem Neuen Testament zu entfernen.
Es ist nicht an Atheisten und Agnostikern, der Kirche vorzuschreiben, welche Schriften sie für kanonisch erachten soll und welche nicht. Die Historikerin oder der Philologe kann vielleicht
sine ira et studio beraten, aber letztlich ist das eine theologische Debatte, welche Texte in Zukunft kanonisch sein sollen und welche nicht. Das ist eine Frage, welche - je nach Kirchenverfassung - die Gläubigen oder die Theologen zu entscheiden haben, nicht du oder ich (es sei denn, du gehörst heimlich einer Freikirche an).
Nur so ist zu verstehen, warum das christliche Volk bis heute glaubt, es gäbe nur zwölf Aposteln + den selbsternannten Apostel Paulus.
Du drehst Dir die Sachen auch so, wie du sie gerade brauchst.
Du urteilst in einem Satz über Millionen Menschen aller Bildungsgrade und verschiedener Herkunft. Jeder Christ kann heute die Bibel lesen. Auch die Kirchenväter sind alle in Übersetzung zugänglich. Es liegt also an jedem selbst, was er wissen will, sich zu erlesen; dein Narrativ, dass die Kirche verhindere, dass die Leute wissen, dass es mehr als nur die zwölf Apostel gab, ist spätestens seit dem 16. Jhdt. Schnee von gestern. Und - ich schrieb gestern
traduttore traditore - das gilt natürlich auch für Heilige Texte. Es ist so gut wie unmöglich, längere Texte zu übersetzen, ohne, dass sie in ihrer Bedeutung Veränderungen erfahren, mal ist ein Wort in der Zielsprache semantisch enger als in der Originalsprache, mal ist es semantisch weiter gefasst. Eine gute Übersetzung achtet auch immer auf den Stil.
Ich skizziere das mal an einigen Sprachen:
Tomás comía un helado.
Tomás comió un helado.
Tomás ha comido un helado.
Diese drei Sätze haben im Spanischen drei verschiedene Bedeutungen. Ohne zusätzliche Worte zu verwenden, kann ich sie ins Deutsche nur so übersetzen:
Thomas aß ein Eis.
Thomas hat ein Eis gegessen.
Formal sind das zwei verschiedene Zeiten, Imperfekt und Perfekt, aber das hat im Deutschen im Grunde nur noch manchmal eine Bedeutung. Im Spanienspanischen hingegen ist das strikt getrennt. Ich kann die Sätze nicht austauschen, im Amerikaspanischen würde die dritte Variante im Alltagsgebrauch wegfallen, aber die anderen beiden Varianten würden strikt in die perfektive und imperfektive Bedeutung fallen, was im Deutschen, auch wenn wir nach wie vor von Perfekt und Imperfekt sprechen, keine echte Relevanz mehr hat.
Füge ich aber Worte wie
eben (V3 ha comido) oder
gestern (V2 comió) hinzu, habe ich Worte da stehen, die im Originaltext nicht standen und womöglich gar nicht im Sinne des Verfassers sind.
Würde ich dieselben drei Sätze aus dem Spanischen ins Slawische oder Arabische übersetzen, die beide jeweils nur
eine Vergangenheitsform kennen, wird die Ausrucksmöglichkeit noch geringer, als im Deutschen. Um die gleiche Bedeutung wie im Spanischen bzw. die Bedeutungsunterschiede der drei spanischen Sätze zu erfassen, muss ich also weitere Worte, die im Originaltext nicht stehen, hinzufügen, den Text also manipulieren. Denn im Skawischen oder Arabischen würde die ÜS obiger drei spanischer Sätze so aussehen:
Tomasz jadł lody.
اكل توماس جيلاتي
Oder nehmen wir folgendes Beispiel:
El moría. - Er lag im Sterben. (Im Spanischen steht de facto nichts von
liegen, ich muss dieses liegen hineinbringen, um die tatsächliche Bedeutung des Satzes zu erfassen.)
El murió. - Er starb.
El ha muerto. - (ich schließe jetzt seine Augen, verhänge Uhren und Spiegel und öffne ein Fenster).
Und deswegen haben Religionen überall auf der Welt, ob es die Übersetzung der Vulgata oder des Qur‘ān oder anderer Heiliger Texte ist, immer Schwierigkeiten mit der Übersetzung gehabt. Um Verfälschungen durch Übersetzungen, die sich schlicht nicht vermeiden lassen, zu verhindern. Traduttore traditore.