Dion
Aktives Mitglied
Das ist ein Missverständnis, denn welche Dokumente die Kirche in ihrem Kanon hat, und welche nicht, geht mich in der Tat nichts an. Aber ich kann das kritisieren und darauf verweisen, dass manche davon dazu benutzt wurden, Menschen in Angst zu versetzen und/oder sich schuldig zu fühlen und/oder Frauen die Fähigkeit absprachen, selbst zu denken und/oder zu lehren, mit der Konsequenz, sie nur noch auf ihre Mutterrolle festnageln zu können, was z.B. die Parteien mit C in Namen noch Mitte des 20. Jahrhunderte forderten.Die Kirche ist keine Organisation von Historikern und Philologen, sie ist nicht der historischen und philologischen Expertise verpflichtet, auch wenn bekennende Kirchenfeinde der Auffassung sind, dass die Kirche doch bitte Schriften aus dem Kanon schmeißen solle. Es ist völlig absurd, dass du als selbsterklärter Kirchenfeind der Auffassung bist, mitbestimmen zu können, welche Texte dem Kanon zugehören sollen und welche nicht.
Die gleichen Parteien forderten auch das Recht, weiter Kinder zu züchtigen mit der Begründung, das sei Liebe, denn in der Bibel stehe das so; das hat übrigens vor ein paar Jahren noch der gegenwärtige Papst empfohlen. Das sage ich, damit mir hier nicht jemand kommt und sagt, das sei längst vergangen und nicht mehr aktuell.
Das alles ist so lange nicht vergangen, solange solche Sätze in der von Gott allmächtigen inspirierten Bibel stehen, auf die sich dann die Ewiggestrige berufen und bei Widerspruch sogar auf den gegenwärtigen Papst verweisen können.
Es geht hier nicht nur um Julia, sondern um die Rolle der Frauen in der Kirche und in der Gesellschaft insgesamt. Die Kirche war und ist bestrebt, den Zustand zu konservieren, der zum Zeitpunkt herrschte, in dem sie die tragende Rolle in der Gesellschaft gewann. Ab dem Zeitpunkt versuchte sie allen Völkern, deren sie habhaft werden konnte, ihre Sicht der Dinge aufzuoktroyieren, und wer sich dagegen positionierte, wurde verfolgt und ihm Schlimmeres angetan. Und dabei hatte sie die Stirn dies alles als frohe Botschaft zu verkaufen.Im Übrigen hadere ich schon seit einigen Tagen mit mir, mal wieder Colston ins Spiel zu bringen. Natürlich sind solche Crossdiskussionen nicht erbaulich, aber es ist schon erstaunlich, dass du dich über die angebliche Böswilligkeit der Kirche in einer harmlosen Frage, wie der Identität Yunia/s echauffierst - welche lediglich in universitären mittelalterlichen Theologenkreisen eine Rolle spielte (und heuten aus anderen Gründen wieder) im Mittelalter keinerlei kirchenrechtliche Relevanz hatte und auch dem oder der seit 1200 Jahren verstorbenen Yunia/s keinerlei Leid antat. Gleichzeitig tust du zehntausendfachen Sklavenhandel als Zeitgeist ab. Du skandalisierst eine abseitige theologische Petitesse, hast aber für Sklavenhandel nur ein Schulterzucken übrig. Das verstehe wer will.
Und was den Sklavenhandel betrifft, so halte ich denjenigen, der die Sklaverei als gottgegeben verteidigte für einen größeren Verbrecher als denjenigen, der im Nachhinein daraus Nutzen zieht. Aber darüber haben wir schon genug diskutiert.
Ich habe nicht gesagt Frauen sei „herausgeschrieben worden“, sondern sie wurden marginalisiert, sprich ihre Rolle in der frühen Kirche kleingeredet. Das bestätigst indirekt auch du, wenn du schreibst, dass das ohnehin nur Theologen interessierte. Ich aber sage, wenn das Volk gewusst hätte, dass in der frühen Kirche auch Frauen das Wort Gottes lehrten und Gemeinden leiteten, dann hätte es das „Weib sollte schweigen in der Gemeinde“ nicht so leicht akzeptiert. Hier sieht man sehr deutlich: Wissen ist Macht.Überraschend ist eher, dass du trotzdem der Meinung bist, Frauen seien aus der Kirchengeschichte herausgeschrieben worden, obwohl du selbst ständig Beispiele präsentierst, die deiner Grundthese widersprechen. Das sind Widersprüche in du dich beharrlich verstrickst
Alles, was ich bisher gesagt habe, ist wahr. Ich habe zitiert, was ich für wichtig hielt, und du, was du für wichtig hieltst.Dass ich und andere hier zu unfreiwilligen Verteidigern der Kirche werden, liegt daran, dass du eine - um einen Begriff aus der spanischen Geschichtsdebatte zu nutzen - schwarze Legende strickst.
Also haben wir beide zusammen Belastendes und Entlastendes gesagt.
Ich verkenne durchaus nicht, dass sich die Kirche oft in einer Zwickmühle befand und immer noch befindet. Nämlich etwas zurücknehmen zu müssen, ohne unglaubwürdig zu werden. Deswegen brauchte sie beinahe 400 Jahre, um Galileo Galilei zu rehabilitieren. Aber natürlich nicht ohne sich irgendwie aus der Verantwortung zu mogeln versuchen – Zitat:
Im November 2008 distanzierte sich der Vatikan erneut von der Verurteilung Galileis durch die päpstliche Inquisition. Der damalige Papst Urban VIII. habe das Urteil gegen Galilei nicht unterzeichnet, Papst und Kurie hätten nicht geschlossen hinter der Inquisition gestanden.
Das gleiche Verfahren auch beim Limbus: Er wäre kein Dogma gewesen, also nicht so wichtig.
Wie man hier sehen kann, hast du zuerst die These gebracht, dass die meisten Laienchristen kaum mehr als die Zwölf Apostel + Paulus kennen, und nun machst du mir zum Vorwurf, dass ich diese deine These bestätigte.Du urteilst in einem Satz über Millionen Menschen aller Bildungsgrade und verschiedener Herkunft.Dass es außer "den Zwölf" und Paulus nach Lesart der frühen Christen noch weiter Apostel gab, dürfte selbst den meisten Laienchristen eher unbekannt sein.Diese Tatsache ist Frucht der Macht der Kirche: Sie allein war lange Zeit die Verkünderin des Glaubens, was sie nicht sagte, gab es für die Laien nicht. Nur so ist zu verstehen, warum das christliche Volk bis heute glaubt, es gäbe nur zwölf Aposteln + den selbsternannten Apostel Paulus.
Ja, das ist wahr. Aber die Frage ist, was sie da zu lesen bekommen. Nach wie vor können sie z.B. das lesen – Zitat (habe ich oben schon gebracht):Jeder Christ kann heute die Bibel lesen.
Eine Frau soll sich still und in voller Unterordnung belehren lassen. Dass eine Frau lehrt, erlaube ich nicht, auch nicht, dass sie über ihren Mann herrscht; sie soll sich still verhalten. Denn zuerst wurde Adam erschaffen, danach Eva. etc.
Das Problem der Kirche ist, dass sie bis ins 20. Jahrhundert verkündete, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein – wer was anderes glaubte, würde in der Hölle landen usw. Jetzt hätte sie die Chance, von diesem hohen Ross runterzukommen, aber sie fürchtet Gesichtsverlust, d.h. sie glaubt dadurch unglaubwürdig zu werden. Sie muss erkennen, dass sie auch nur mit Wasser kocht, und das, was sie kocht, vielleicht für Analphabeten gut war, denen man erzählen konnte, was man wollte. Aber sie erkennt es nicht und klammert sich an Sprüchen, die sich vielleicht gut anhörten, als es noch Sklaven gab, heute aber jede Berechtigung verloren haben, als „frohe Botschaft“ angesehen zu werden.