Zitat aus „Falkenhayn: Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich.“ von Holger Afflerbach in Hochschulschrift aus dem Jahr 1996
Das mag durchaus Falkenhayns politischer Denke entsproche haben, aber Faklenhayn wie auch die anderen Militärs war nicht mit der Leitung der auswärtigen Politik des Reiches vertraut, war weder Chef der Regierung noch Chef des auswärtigen Amtes.
Das Militärs in der Rolle des Generalstabschefs oder des Kriegsministers Krieg für unausweichlich hielten und entsprechend tickten, gab es auch anderswo.
Ein Conrad v. Hötzendorff hat mehrfach das Ansinnen geäußert man möge doch bitte einen Präventivkrieg gegen das Königreich Italien führen, weil er diesem Bündnispartner nicht traute.
Das hatte allerdings keine Auswirkungen, ein solcher Krieg kam nicht zustande, auch ein Präventivkrieg gegen Serbien, den Conrad ebenfalls gerne herbeigeführt hätte wurde nicht als ernsthafte politische Option behandelt.
Nur weil die Militärs so tickten, ist daraus nicht zu schließen, dass sich die zivile Politik vor derenn Karren hätte spannen lassen.
Doch. Die schon vorbereitete Heeresvorlage, die größte Heeresverstärkungen in der deutschen Geschichte (sah einen Zuwachs von 117.000 Mann, 15.000 Unteroffizieren und 5.000 Offizieren vor), wurde schon am nächsten Tag, dem 9. Dezember beschleunigt einer Spezifizierung zugeführt und im Juni 1913 vom Reichstag genehmigt. Die Falken im Militär haben zuvor sogar eine Erweiterung um 300.000 Mann gefordert.
Von den größten Heeresverstärkungen in der deutschen Geschichte kann keinesfallss die Rede sein. Gemessen an der Aufrüstung in dem 1930er Jahren war ein Zuwachs von einer Kopfstärke von 117.000 Mannschaften eine vergleichsweise moderate Aufstockung.
Gründe waren bereits einige genannt worden, eigener Schwerpunkt auf Seerüstung in der vergangenen Dekade, unter der die Landrüstung litt, außerdem Aufrüstung und Dienstzeitverlängerung in Frankreich und Russland, was Gegenrüstung erforderte.
Was von Turgot hier noch nicht explizit angesprochen wurde, ist die immer fraglichere Haltung Italiens zum Dreibund, zumal sich die militärische Zusammenarbeit in der Entente mit der französisch-britischen Marinekonvention offensichtlich intensiviert hatte.
Auf Grund seiner langen Küstenlinie im Mittelmeer, auch der Verwundbarkeit Sadriniens und Siziliens gegenüber einer potentiellen Invasion, konnte Italien nicht daran gelegen sein in einen Krieg mit Großbritannnien zu geraten.
Die Gefahr hatte sich aber in den letzten 10 Jahren vor Kriegsbeginn durch die britisch-französische Annäherung deutlich erhöht.
Italien war bereits 1902 mit Frankreich ein Neutralitätsabkommen eingegangen, das zwar inhaltlich den Verpflichtungen aus dem Dreibundvertrag, Deutschland und Österreich beizustehen, wenn diese direkt anngegriffen würden nicht im Kern widersprach, dass es allerdings uwahrscheinlich machte dass sich Italien auf Seiten der Zentralmächte an einem Krieg beteiligen würde, der auf andere Weise ausgelöst werden könnte.
Damals war im Balkanraum noch nicht allzu viel Dynamik, so dass damit nicht unbedingt gerechnet werden musste und das Szenario von dem auszugehen war bis 1911 vor allem in einer direkten Konfrontation der Großmächte bestand, wo die Bündnisverpflichtungen für Italien griffen, würden die Zentralmächte attackiert.
Entsprechend konte seinerzeit Schlieffen und in den ersten Jahren als Generalstabscheff auch Moltke mit italienischen Kräften zur Unterstützung Deutschlands planen, die einen Teil der französischen Truppen binden konnten.
Das war aber bei einem Szenario, eines Krieges, der auf dem Balkan ausgelöst wurde, was ab 1911 zunehmend wahrscheinlicher wurde, so nicht mehr planbar.
Und neben der intensiveren britschen französischen Zusammenarbeit, kommt ab 1911 noch erschwerend hinzu, dass Italien sein Kolonialreich in Libyen und der Ägäis erweitert, von dem aber klar war, dass es im Fall einer Konfrontation mit GB und wahrscheinlich auch mit Frankreich nicht zu verteidigen war.
Das musste Italiens Bereitschaft beim Dreibund zu bleiben und seine Bündnisverpflichtungen zu erfüllen hemmen, im Besonderen, wenn das Krieg mit GB bedeutete und für den Fall, dass durch einen anders ausgelösten Krieg bei dem nicht Russland/Frankreich die Zentralmächte angriffen, sondern dass sich ein Krieg über die Peripherie am Balkan entwickeln konnte bei dem Italien keinen explizitenn Bündnisverpflichtungen unterlag, war unter diesen Umständen nicht mehr darauf zu rechnen, dass Rom an der Seite der Zentralmächte mitziehen würde.
Im Klartext: Mittlerweile musste man auf deutscher Seite mit Kriegsszenarien rechnen (auch bei Kriegen, die nicht explizit von Deutschland ausgelöst würden), bei denen auf den italienischen Bündnispartner nicht mehr zu rechnen war, was bedeutet, dass Bindung frannzösischer truppen durch den italienischen Verbündeten ggf. entfallen würde und Frankreich so mehr Truppen gegen Deutschland und seine Armee zur Verfügung haben könnte.
In Anbetracht des Umstands, dass neben den anderen Faktoren auch der wahrscheinlich wegbrechende italienische Verbündete ersetzt werden musste, waren 117.000 Mann keine besonders große Truppenaufstockung und auch 300.000 Mann hätten das Kräfteverhältnis nicht signifikant verschoben, sondern lediglich den erwartbaren Ausfall des italienischen Verbündeten kompensiert.
Im Übrigen lief die Heeresvermehrung erst im Herbst 1913 an. Heißt die Eingezogenen hatten im Juli 1914 gerade einmal 8-9 Monate Ausbildung hinter sich, konnten damit in Sachen Kampfkraft durchaus noch nicht als gleichwertige Fromationen verglichen mit den bereits vorher existirenden betrachtet werden, was es nicht unbedingt sinnvoll machte sie zu diesem Zeitpunkt in den Krieg zu schicken, sofern man - wie es dir offensichtlich vorschwebt - den Tunnelblick auf die deutsche Rüstung der Gesamtbetrachtung der europäischen Rüstung vorzieht.
Der französische Plan XVII war lediglich ein Aufmarschplan, kein Operationsplan wie etwa der Schlieffen-Plan.
Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied.
Allerdings war der Plan ja bereits eine Modifikation von Joffres eigentlichen Wünschen, nachdem die französische Regierung sein Ansinnen im Kriegsfall Präventiv auch gegen Belgien vorzurücken um den Deutschen den Weg zu verlegen abgelehnt wurde.
So wie ich Joffre verstehe, plante er mehr oder weniger eine agressiv geführte Defensive, die vorstöße gegen deutsches Gebiet vorsahen um dort Truppen zu binden und zu blockieren, dadurch das Zeitfenster für die Deutschen zu verkürzen und den Russen Zeit zu verschaffen.
Ich würde diesen Plan zwar nicht insgesamt als Offenviplan betrachten wollen, weil er mehr den Zweck hatte die deutschen Operationen zu stören, als tatsächlich irgendwas zu erobern, allerdings, dass dabei gegen deutsches Gebiet vorgestoßen werden würde, war in dieser Dislozierung durchaus angelegt.
Ein rein defensiver Plan, der nicht von Anfang an Vorstöße impliziert hätte, hätte weniger französische Truppen im Grenzgebiet und einen stärkern frazösischen linken Flügen, wahrscheinlich ein Stück weit nach Nordwesten verlängert vorgesehen.
Oder eine größere strategische Reserve im Raum Lothringen-Champagne, die sich flexibel entweder in Richtung Elsass oder Richtung Belgien/Metz hätte verschieben lassen müssen.