WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Dass das Deutsche Reich miserabel auf den - von den Militärs ersehnten - Krieg vorbereitet war, steht auf einem anderen Blatt.
Doch, das steht auf dem gleichen Blatt.
Es steht auf dessen Rückseite, sozusagen die Kehrseite der Medaille.
Denn wenn es ernst gewesen wäre mit dem Kriegsrat 8.12.1912, wären die Defizite der Kriegsvorbereitungen des DR, wie von @Turgot beschrieben, nicht plausibel.
Zu Fritz Fischer:
"Der Griff nach der Weltmacht" ist ein vielzitiertes Standardwerk Fischers zur Entwicklung der Kriegsziele des DR.
Doch seine Betrachtung dieser Evolution beginnt erst nach Kriegsausbruch.
In der Vorbetrachtung der ersten Kapitel dieses Buches klingt bereits die Einschätzung an, die er später in seinem Buch "Krieg der Illusionen" ausführt.
Nämlich, dass der Erste Weltkrieg deshalb ausgebrochen sei, weil vom DR angestrebt.
Fischer, der ernsthaft und sorgfältig arbeitet, wertet fast ausschließlich deutsche Quellen aus.
Und in der Tat; wenn man sich das anschaut kann man seriös zu dem Schluss gelangen, es sei eben so gewesen wie von Fischer postuliert.
Das entspricht aber nicht dem Stand der Forschung.
Denn wenn man die Befindlichkeiten der anderen großen Spieler auf der Bühne des Vorabends des Weltenbrands anschaut, relativiert sich das rasch.

Beide Bücher ("Griff nach der Weltmacht" und "Krieg der Illusionen") hab ich gelesen und empfehle sie.
Fischer ist zurecht anerkannt.
Man muss aber nicht allen Schlüssen folgen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gibt nur einen Bericht aus erster Hand.

Hervorhebung durch mich.
Das ist der springende Punkt. Der Kriegsrat blieb nicht geheim. Schon am 09.Dezember 1912 war Kapitän z.S. Albert Hopmann über den Kriegsrat im Bilde. Hopmann war seinerzeit Chef der Zentralabteilung im Reichsmarineamt und war von Tirpitz über den Kriegsrat ins Bild gesetzt worden.
In Hinblick auf die Teilnehmer gibt es Abweichungen zu Müller. Hopmann nennt den Kriegsminister von Heeringen, der Bruder des Admiralstabschefes und die beiden Kabinettschefs. Wobei unklar ist, wer neben Admiral Müller, General von Lynker oder Rudolf von Valentini, gemeint war.

@Dion hat leider in seinem Beitrag nicht erwähnt, auch auf Nachfrage nicht, weshalb der Kriegsrat eigentlich zusammengetreten war. Ist ja nicht so ganz unwichtig. Hier von mir eine ganz stark verkürzte Version.

Im Frühjahr 1912 war unter russischen Patronat der sogenannte Balkanbund geschlossen worden, der im Sommer 1912 dem Osmanischen Reich den Krieg erklärte. Die Gelegenheit war günstig, denn das Osmanische Reich führte gegen Italien einen Verteidigungskrieg. Den Armeen des Balkanbundes gelang es überraschend schnell die osmanischen Truppen fast aus der ganzen europäischen Türkei zu erdrängen. Die Lage drohte in dem Moment zu einer europäischen Krieg zu werden, als Österreich-Ungarn serbischen, territorialen Aspirationen entgegengetreten war. Es war konkret um ein Hafen für Serbien auf albanischen Territorium samt entsprechenden Korridor gegangen. So ein Hafen lief sich zum Kriegshafen ausbauen und von den den Russen nutzen. So die Befürchtung Wiens. Hinzu kamen wirtschaftliche Argumente. Das rief Russland gegen Wien auf dem Plan. Wilhelm II. nahm zunächst eine friedliche Haltung ein und wollte nicht intervenieren.
Bethmann äußerte im Gespräch mit Admiral Müller eine andere Meinung. Er war der Auffassung, das der Kaiser von seiner Nicht-Intervention Haltung abzubringen sei. Es ging, so Müller, um den Erhalt der Bündnisfähigkeit Österreich-Ungarns. Bethmann war der Meinung, wenn Deutschland jetzt, wie der Kaiser es wünsche, Wien erklären, das wir den casus foederis als nicht gegeben betrachten, dann würden wir jeden Kredit verlieren. Andererseits sollte dafür Sorge getragen werden, das die Forderungen Wiens gegenüber Serbien so maßvoll wie möglich blieben. In einer Reichstagsrede gab Bethmann den Großmächten zu verstehen, wo für Deutschland die Grenzen der Verhandlungen liegen, nämlich dort wo die Interessen Österreich-Ungarns verletzt werden.
Die Kernfrage war, wie würde sich England in Falle eines Falles verhalten. Klarheit brachte ein Bericht des deutschen Botschafters Lichnowsky in London. Lord Haldane hatte Lichnowksy erläutert, wenn es über diese Frage zu einen kontinentalen Krieg käme, das es kaum wahrscheinlich sei, das England stiller Zuschauer bleibt. Am Morgen des 08.Dezember 1912 ehielt Kaiser Wilhelm II. dann den Bericht Lichnowksy.
Das ist der grobe Kontext von @Dion seinen Beitrag.

Fischer, Admiral des Kaisers
 
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Doch, das steht auf dem gleichen Blatt.
Es steht auf dessen Rückseite, sozusagen die Kehrseite der Medaille.
Denn wenn es ernst gewesen wäre mit dem Kriegsrat 8.12.1912, wären die Defizite der Kriegsvorbereitungen des DR, wie von @Turgot beschrieben, nicht plausibel.
Nun, das DR bereitete sich auf einen Krieg nicht erst seit 1912, sondern begann damit schon viel früher. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Aufbau der Kriegsflotte seit 1898 erinnern – die extra dafür 1902 erhobenen Steuern (Sektsteuer) zahlen wir immer noch. :D

Und 10. Jahre später war diese Flotte immer noch nicht bereit, ja sie würde nicht einmal 1 ½ Jahre später bereit sein – wie der Generalstabschef von Moltke im Kriegsrat an jenem 8. Dezember 1912 sagte.

Woran das lag, vermag ich nicht zu sagen, aber scheint symptomatisch zu sein. Gleichwohl wurde Falkenhayn, wahrlich ein Falke, der mit Krieg eine neue Weltordnung schaffen wollte, 1913 preußischer Kriegsminister und ab 1914 Chef des Generalstabs. Mit ihm hat man tatsächliche eine neue Weltordnung bekommen, allerdings ist diese zu Ungunsten Deutschland ausgefallen.

Ansonsten: Ich bin auf dieses Thema Kriegsrat gestern zufällig gestoßen und mich gewundert, warum in diesem Forum davon in den tausenden Beiträgen über den I. Weltkrieg nicht die Rede war. Das ist alles.
 
Ansonsten: Ich bin auf dieses Thema Kriegsrat gestern zufällig gestoßen und mich gewundert, warum in diesem Forum davon in den tausenden Beiträgen über den I. Weltkrieg nicht die Rede war. Das ist alles.

Könnte daran liegen, dass die Folgen dieser Episode so ziemlich gleich Null waren.
Das war ein Meinungsaustauch des Kaisers vor allem mit seinen Militärs.
Ohne Hinzuziehung der zivilen Regierung, der Diplomaten und ohne dass daraus irgendein Programm gefolgt wäre, dass zwecks Bewilligung von Aufrüstung unnd Kriegsvorbereitungen zur Finanzierung in den Reichstag eingebracht worden wäre, noch sind außerparlamentarisch Maßnahmen greifbar das Land tatsächlich auf Kriegskurs zu bringen.


Auch der Vergleich mit der Flotte, den du da anstellst, ist nicht wirklich sinnvoll.

Im Bereich der Flotte wurden nicht einfach nur Meinungen ausgetauscht, die konkrete Einführung von Steuern (neben der Sektsteuer vor allen Dingen auch die Erbschaftssteuer) wurde beschlossen, die Flotte wurde auch tatsächlich gebaut.
Das man an die britische Flotte nicht heran kam, lag vor allen Dingen daran, dass man nicht die entsprechenden Werftkapazitäten hatte und Ausgaben für die Landrüstung nicht gänzlich vernachlässigen konnte.

Im Gegensatz zum Flottenprogramm, dass realiter aber umgestzt wurde, passierte in Richtung Kriegsvorbereitung nichts, obwohl mindestens das Ankaufen und Horten von Rohstoffen, Munition und Lebensmitteln etc. an und für sich eine relativ einfach zu erledigende Angelegenheit gewesen wäre.
 
Nun, das DR bereitete sich auf einen Krieg nicht erst seit 1912, sondern begann damit schon viel früher. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Aufbau der Kriegsflotte seit 1898 erinnern

Es ist erschütternd, was du hier verzapfst. Liest du die Beiträge hier im Faden eigentlich nur selektiv? Also was dir gefällt liest du, der Rest wird überlesen? Du hast in diesen Faden Informationen bekommen, aus welchem Grunde Das Deutsche Reich eben nicht einen Krieg vorbereitet. Das ignorierst souverän. Vielleicht machst du dir ja einmal die Mühe, nach oben zu scrollen und die entsprechende Beiträge zu lesen und hoffentlich zu verstehen.

Und 10. Jahre später war diese Flotte immer noch nicht bereit, ja sie würde nicht einmal 1 ½ Jahre später bereit sein – wie der Generalstabschef von Moltke im Kriegsrat an jenem 8. Dezember 1912 sagte.

Vielleicht solltest du dich mit der Materie ein wenig vertraut machen; denn dann wüsstest du möglicherweise mehr und könntest verstehen. Das Deutsche Reich hatte in verhältnismäßig kurzer Zeit, Schiffe bauen sich nun einmal nicht so schnell wie ein Geschütz oder Gewehr, eine der größten Flotten der Welt gebaut.

Gleichwohl wurde Falkenhayn, wahrlich ein Falke, der mit Krieg eine neue Weltordnung schaffen wollte

Welche neue Weltordnung wollte Falkenhayn denn angeblich schaffen?

Ansonsten: Ich bin auf dieses Thema Kriegsrat gestern zufällig gestoßen und mich gewundert, warum in diesem Forum davon in den tausenden Beiträgen über den I. Weltkrieg nicht die Rede war. Das ist alles.

Das mag wohl daran liegen, das diesem Kriegsrat keine praktische Bedeutung beizumessen ist, denn er hatte überhaupt gar keine Konsequenzen. Du hast dir aber eben nicht die Mühe gemacht das einmal zu prüfen oder dich mit dem Kontext zu beschäftigen. Es genügt möglicherweise für dich wohl einfach "einen angeblichen Beleg für das kriegslüsterne Kaiserreich" zu präsentieren.

Mit ihm hat man tatsächliche eine neue Weltordnung bekommen, allerdings ist diese zu Ungunsten Deutschland ausgefallen.

Ist dir bekannt, das Falkenhayn lediglich bis 1916 Chef des Generalstabes war.

Ganz grundsätzlich: Falkenhayn verstand sich - ganz gemäß dem Primat der Politik - als der Politik untergeordnet.

Falkenhayn unterschied sich kaum von seinen Kollegen der anderen kriegführenden Nationen. Er plante kühl, wohl auch gleichgültig gegenüber seinen Soldaten, aber den Auftrag den Krieg zu führen und nach Möglichkeit zu gewinnen, der stammte vom Kaiser und der Politik; Reichskanzler und Parteien, die alle grundsätzlich den Krieg bejahten. Die Verantwortung für das grauenvolle Töten liegt letzten Endes bei den Trägern der jeweiligen politischen Ordnung.
 
Hopman-Aufzeichnungen, neben weiteren Akten eine Quelle


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Daneben Hinweis zB auf Schulte zu weiteren Quellen.
sowie:
An der Schwelle zum Weltkrieg: Eine Dokumentation über den »Kriegsrat« vom 8. Dezember 1912

Hier auch etliche Hinweise und interpretierende Beiträge im Forum.
 
Du hast in diesen Faden Informationen bekommen, aus welchem Grunde Das Deutsche Reich eben nicht einen Krieg vorbereitet.
Es kann ja objektive Gründe gegeben haben, dass das Deutsche Reich unvorbereitet in den Krieg eingetreten war. Aber das widerspricht nicht der Tatsache, dass er sich vorbereitet hatte – nur eben unzureichend.

Welche neue Weltordnung wollte Falkenhayn denn angeblich schaffen?
Zitat aus „Falkenhayn: Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich.“ von Holger Afflerbach in Hochschulschrift aus dem Jahr 1996:

Falkenhayn war ein vollkommenes Opfer der wilhelminischen Einkreisungspsychose geworden, gefangen in der Vorstellung, daß nur durch einen Krieg Deutschlands Stellung zu halten und zu verbessern sei, und gefangen in dem Wunsch, diesen Krieg unter allen Umständen durchfechten zu wollen. Den Gedanken, eine deutsche Weltmachtstellung ohne Krieg erreichen und halten zu können, scheint Falkenhayn nicht gehabt zu haben.

Dieser Meinung bin ich auch.

Das mag wohl daran liegen, das diesem Kriegsrat keine praktische Bedeutung beizumessen ist, denn er hatte überhaupt gar keine Konsequenzen.
Doch. Die schon vorbereitete Heeresvorlage, die größte Heeresverstärkungen in der deutschen Geschichte (sah einen Zuwachs von 117.000 Mann, 15.000 Unteroffizieren und 5.000 Offizieren vor), wurde schon am nächsten Tag, dem 9. Dezember beschleunigt einer Spezifizierung zugeführt und im Juni 1913 vom Reichstag genehmigt. Die Falken im Militär haben zuvor sogar eine Erweiterung um 300.000 Mann gefordert.

Falkenhayn unterschied sich kaum von seinen Kollegen der anderen kriegführenden Nationen. Er plante kühl, wohl auch gleichgültig gegenüber seinen Soldaten, aber den Auftrag den Krieg zu führen und nach Möglichkeit zu gewinnen, der stammte vom Kaiser und der Politik; Reichskanzler und Parteien, die alle grundsätzlich den Krieg bejahten. Die Verantwortung für das grauenvolle Töten liegt letzten Endes bei den Trägern der jeweiligen politischen Ordnung.
In der oben bereits zitierten Darstellung Falkenhayns liest sich das aber ganz anders - Zitat:

Falkenhayns Grundgedanke, daß die nüchtern und kaufmännisch rechnende englische Oberschicht — die »city« — den Krieg abbrechen würde, wenn er England selbst zu teuer werde und nicht nur auf den Rücken kontinentaler Verbündeter ausgefochten werden könne, war jedoch eine eklatante Fehleinschätzung britischer Verhaltensweisen und sollte noch gravierende Folgen haben. Falkenhayn war der Ansicht, daß der von ihm gewünschte Krieg gegen England nicht durch andere politische Abenteuer gefährdet werden dürfe. Allenfalls solle Deutschland die Chance einer »Abrechnung« mit Frankreich ausnutzen. Auch könne ein Krieg nicht wegen einer Bagatelle, sondern nur zur Verfechtung zentraler Interessen begonnen werden. Deshalb stand er den Vorgängen um die Erste Marokkokrise mit spürbarer Reserve gegenüber.

Fakenhayn schimpft in seinen Briefen ständig über die zögernde und "friedensliebende" Politik – Zitat:

Er wollte den Krieg gegen England, obwohl er sich über die maritime Unterlegenheit des Deutschen Reiches vollkommen im klaren war. Die Tirpitz-Flotte hielt er ohnehin für eine militärische Fehlentwicklung.
(...)
... forderte Falkenhayn im März 1907 den baldigen Kampf gegen England: »Und der Tag der Abrechnung [mit England und Frankreich] wird doch kommen, mögen sie bei Friedenskonferenzen auch noch so viel über Abrüstung und ähnliches Blech quatschen.
(….)
Auch kritisierte er Mängel bei der Kavallerie sowie bei der Ausrüstung und Bekleidung des Heeres. Das harte Urteil dämpfte Falkenhayn ein wenig durch die Feststellung, »daß der erste scharfe Schuß alle Nebel verscheuchen und den gesunden Unterbau hervortreten lassen wird. Wenn der Schuß nur bald fiele! Damit sieht es leider sehr windig aus. Wir sind eben friedliebend genug, um ruhig mitanzusehen, wie Onkel Eddy uns im tiefsten Frieden langsam aber sicher die Gurgel zuschnürt.«


Daneben Hinweis zB auf Schulte zu weiteren Quellen.
sowie:
An der Schwelle zum Weltkrieg: Eine Dokumentation über den »Kriegsrat« vom 8. Dezember 1912
Hier auch etliche Hinweise und interpretierende Beiträge im Forum.
Vielen Dank für den Link und für die 3 Kopien.
 
Es kann ja objektive Gründe gegeben haben, dass das Deutsche Reich unvorbereitet in den Krieg eingetreten war. Aber das widerspricht nicht der Tatsache, dass er sich vorbereitet hatte – nur eben unzureichend.

Aha, du meinst also dass das Deutsche Reich sich gezielt auf einen Angriffskrieg vorbereitet hatte? Vorkehrungen für die Verteidigung sind ja wohl selbstverständlich und deshalb kaum erwähnenswert. Deshalb die Frage.

Du hast "vergessen" die Frage von mir hinsichtlich das Falkenhayn eine neue Weltordnung schaffen wollte, nicht beantwortet. Hast du noch die Absicht dies zu tun oder ziehst du deine These zurück?

Das wichtigste bei Falkenhayn ist doch schlicht und einfach die einfache Tatsache, das er den Primat der Politik, im Gegensatz zu seinen beiden Nachfolgern, eben anerkannt hatte. Denken konnte er was er will; politisch realisieren konnte er rein gar nichts. Der Mann war Kriegsminister und dann Chef des Generalstabes und nicht Politiker.

Doch. Die schon vorbereitete Heeresvorlage, die größte Heeresverstärkungen in der deutschen Geschichte (sah einen Zuwachs von 117.000 Mann, 15.000 Unteroffizieren und 5.000 Offizieren vor), wurde schon am nächsten Tag, dem 9. Dezember beschleunigt einer Spezifizierung zugeführt und im Juni 1913 vom Reichstag genehmigt. Die Falken im Militär haben zuvor sogar eine Erweiterung um 300.000 Mann gefordert.

Auf Anweisung Kaiser Wilhelm II. Der war noch sehr erregt; was sich aber bald legen sollte, Es sollte noch Monate dauern, bis die Vorlage im Reichstag tatsächlich verabschiedet worden war.

Die "Beschleunigung" der Heeresvorlage, die übrigens schon vor dem Kriegsrat, der im eigentlichen Wortsinne überhaupt gar keiner war, beschlossene Sache gewesen war, nimmst du also als Beleg das der Kriegsrat Konsequenzen hatte bzw. als Fingerzeig für die Vorbereitung eines Angriffskrieges? Als eine koordinierte, systematische Planung eines Angriffskrieges kann die Besprechung vom 08.Dezember 1912 wohl kaum gewertet werden. Vielmehr offenbarten sich hier die Divergenzen zwischen Heer und Marine. Kennst du eigentlich den konkreten Anlass der Heeresvorlage?

Das deutsche Heer war schon seit Jahren in Sachen Rüstung nur so mit dem Notwendigsten, personell und materiell, ausgestattet worden. Warum bedarf wohl nicht der weiteren Erwähnung. Frankreich hatte 1913, ebenso wie den offensiven Plan XVII, die dreijährige Dienstzeit eingeführt. Und die Russen zogen mit noch ganz anderen Größenordnungen nach, obwohl sie personell schon weitaus größeren Mannschaftsstärke hatten.

Zeitpunkt und Umfang der Wehrvorlage sollten künftig noch so manche Auseinandersetzung bringen. Diese Vorlage wurde ja erst im Juni 1913 beschlossen. Beispielsweise lehnte der Direktor des Allgemeinen Departments General Wandel grundsätzlich ab. Gemäß General Freytag-Loringhoven konnte die Neuaufstellung von drei Armeekorps nur zur Lasten der Qualität, insbeosndere des Offizierskorps, gehen. Das sind die Gründe, weshalb Kriegsminister von Heeringen die Vorlage erst im Herbst einbringen wollte; aber er musste sich seinen kaiserlichen Herrn fügen. Übrigens war Bethmann mit eine treibende Kraft und ihm ging es nur darum das Heer zu stärken. Die Flottenpolitik war erkennbar gescheitert und Deutschland isoliert. Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, gerade nach der Pleite der 2.Marokkokrise, nach einem außenpolitischen Erfolg, war für Bethmann deutlich spürbar.
Zitat Bethmann-Hollweg:
"Am schwersten hat mich der Eindruck belastet, den mich die Militärs in unsere Stärkeverhältnisse für den Fall eines Krieges haben tun lassen. Man muss schon ein gut Teil Gottvertrauen haben und auf die russische Revolution als Bundesgenossen rechnen, wenn man einigermaßen ruhig schlafen will. Ob der Flotte haben wir die Armee vernachlässigt und uns mit der Flottenpolitik gleichzeitig Feinde geschaffen. Die Armeevorlage ist unbedingt nötig. Wir können keinen Rekruten missen, der den Kuhfuß tragen kann. Ich mache die Vorlage so, wie es das Militär verlangt, ohne Abstriche."

Die Vorbereitung eines Angriffskrieges vermag ich hier nicht herauszulesen.

Einen Krieg betrachtete Bethmann als Katastrophe. Vor dem Reichstag führte er in der Diskussion zur Heeresvorlage am 07.April 1913 über einen Krieg aus:
"Von der Dimension eines Weltbrandes, von dem Elend und der Zerstörung die er über die Völkerbringen würde, kann sich kein Mensch eine Vorstellung machen. Alle Kriege der Vergangenheit werden dagegen wahrscheinlich ein Kinderspiel sein."
Klingt auch nicht gerade wie ein kalter Krieger.

Moltke wollte auch keinen Krieg, war aber bereit "wenn Ehre oder unsere Lebensinteressen" tangiert sein. Er wollte auch kein Krieg provozieren, aber er war skeptisch, wie lange sich ein Krieg noch verhindern lassen würde.

Vielleicht kannst du dann auch erläutern, weshalb es praktischen keine nennenswerte Bevorratung an Rohstoffen,Getreide, Nahrungsmittel, Munition, etc. etc. oder sonstige Vorbereitungen gegeben hatte, was man üblicherweise tät, sofern ein Angriffskrieg vorbereitet wird, wenn Deutschland nun angeblich zielgerichtet auf einen Angriffskrieg hinarbeitete.
 
Zuletzt bearbeitet:
ebenso wie den offensiven Plan XVII,
Der französische Plan XVII war lediglich ein Aufmarschplan, kein Operationsplan wie etwa der Schlieffen-Plan.
Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied.
Es kann ja objektive Gründe gegeben haben, dass das Deutsche Reich unvorbereitet in den Krieg eingetreten war.
Auf einen Krieg haben sich alle großen Spieler vorbereitet.
Die Rüstungsausgaben steigern sich bei allen Mächten ab 1909-1912 geradezu abenteuerlich.
Es wird nicht nur im DR an Mobilisierungsplänen und Infrastruktur gearbeitet, die einen entscheidenden Geschwindigkeitsvorteil versprechen sollen.
Und es wird "Krieg" geraunt auf den Gassen und in den Gazetten.
Das ist die Stimmung in Europa.

Und ganz plötzlich ist er da, der Weltenbrand den keiner wollte und schon gleich nicht dessen Auswirkungen.
Es wurde hoch gepokert, auch von Russland und wahrscheinlich auch von Frankreich, von Ö-U ohnehin.

Die Vorstellung der Unausweichlichkeit des Krieges befällt mehr und mehr die Köpfe der Entscheidungsträger,
nicht nur im DR.
Und als Russland mobilisierte ging deren Führung bereits eben von dieser Unausweichlichkeit aus.
 
Zitat aus „Falkenhayn: Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich.“ von Holger Afflerbach in Hochschulschrift aus dem Jahr 1996

Das mag durchaus Falkenhayns politischer Denke entsproche haben, aber Faklenhayn wie auch die anderen Militärs war nicht mit der Leitung der auswärtigen Politik des Reiches vertraut, war weder Chef der Regierung noch Chef des auswärtigen Amtes.

Das Militärs in der Rolle des Generalstabschefs oder des Kriegsministers Krieg für unausweichlich hielten und entsprechend tickten, gab es auch anderswo.
Ein Conrad v. Hötzendorff hat mehrfach das Ansinnen geäußert man möge doch bitte einen Präventivkrieg gegen das Königreich Italien führen, weil er diesem Bündnispartner nicht traute.
Das hatte allerdings keine Auswirkungen, ein solcher Krieg kam nicht zustande, auch ein Präventivkrieg gegen Serbien, den Conrad ebenfalls gerne herbeigeführt hätte wurde nicht als ernsthafte politische Option behandelt.

Nur weil die Militärs so tickten, ist daraus nicht zu schließen, dass sich die zivile Politik vor derenn Karren hätte spannen lassen.

Doch. Die schon vorbereitete Heeresvorlage, die größte Heeresverstärkungen in der deutschen Geschichte (sah einen Zuwachs von 117.000 Mann, 15.000 Unteroffizieren und 5.000 Offizieren vor), wurde schon am nächsten Tag, dem 9. Dezember beschleunigt einer Spezifizierung zugeführt und im Juni 1913 vom Reichstag genehmigt. Die Falken im Militär haben zuvor sogar eine Erweiterung um 300.000 Mann gefordert.

Von den größten Heeresverstärkungen in der deutschen Geschichte kann keinesfallss die Rede sein. Gemessen an der Aufrüstung in dem 1930er Jahren war ein Zuwachs von einer Kopfstärke von 117.000 Mannschaften eine vergleichsweise moderate Aufstockung.

Gründe waren bereits einige genannt worden, eigener Schwerpunkt auf Seerüstung in der vergangenen Dekade, unter der die Landrüstung litt, außerdem Aufrüstung und Dienstzeitverlängerung in Frankreich und Russland, was Gegenrüstung erforderte.

Was von Turgot hier noch nicht explizit angesprochen wurde, ist die immer fraglichere Haltung Italiens zum Dreibund, zumal sich die militärische Zusammenarbeit in der Entente mit der französisch-britischen Marinekonvention offensichtlich intensiviert hatte.

Auf Grund seiner langen Küstenlinie im Mittelmeer, auch der Verwundbarkeit Sadriniens und Siziliens gegenüber einer potentiellen Invasion, konnte Italien nicht daran gelegen sein in einen Krieg mit Großbritannnien zu geraten.
Die Gefahr hatte sich aber in den letzten 10 Jahren vor Kriegsbeginn durch die britisch-französische Annäherung deutlich erhöht.
Italien war bereits 1902 mit Frankreich ein Neutralitätsabkommen eingegangen, das zwar inhaltlich den Verpflichtungen aus dem Dreibundvertrag, Deutschland und Österreich beizustehen, wenn diese direkt anngegriffen würden nicht im Kern widersprach, dass es allerdings uwahrscheinlich machte dass sich Italien auf Seiten der Zentralmächte an einem Krieg beteiligen würde, der auf andere Weise ausgelöst werden könnte.

Damals war im Balkanraum noch nicht allzu viel Dynamik, so dass damit nicht unbedingt gerechnet werden musste und das Szenario von dem auszugehen war bis 1911 vor allem in einer direkten Konfrontation der Großmächte bestand, wo die Bündnisverpflichtungen für Italien griffen, würden die Zentralmächte attackiert.
Entsprechend konte seinerzeit Schlieffen und in den ersten Jahren als Generalstabscheff auch Moltke mit italienischen Kräften zur Unterstützung Deutschlands planen, die einen Teil der französischen Truppen binden konnten.
Das war aber bei einem Szenario, eines Krieges, der auf dem Balkan ausgelöst wurde, was ab 1911 zunehmend wahrscheinlicher wurde, so nicht mehr planbar.

Und neben der intensiveren britschen französischen Zusammenarbeit, kommt ab 1911 noch erschwerend hinzu, dass Italien sein Kolonialreich in Libyen und der Ägäis erweitert, von dem aber klar war, dass es im Fall einer Konfrontation mit GB und wahrscheinlich auch mit Frankreich nicht zu verteidigen war.
Das musste Italiens Bereitschaft beim Dreibund zu bleiben und seine Bündnisverpflichtungen zu erfüllen hemmen, im Besonderen, wenn das Krieg mit GB bedeutete und für den Fall, dass durch einen anders ausgelösten Krieg bei dem nicht Russland/Frankreich die Zentralmächte angriffen, sondern dass sich ein Krieg über die Peripherie am Balkan entwickeln konnte bei dem Italien keinen explizitenn Bündnisverpflichtungen unterlag, war unter diesen Umständen nicht mehr darauf zu rechnen, dass Rom an der Seite der Zentralmächte mitziehen würde.

Im Klartext: Mittlerweile musste man auf deutscher Seite mit Kriegsszenarien rechnen (auch bei Kriegen, die nicht explizit von Deutschland ausgelöst würden), bei denen auf den italienischen Bündnispartner nicht mehr zu rechnen war, was bedeutet, dass Bindung frannzösischer truppen durch den italienischen Verbündeten ggf. entfallen würde und Frankreich so mehr Truppen gegen Deutschland und seine Armee zur Verfügung haben könnte.

In Anbetracht des Umstands, dass neben den anderen Faktoren auch der wahrscheinlich wegbrechende italienische Verbündete ersetzt werden musste, waren 117.000 Mann keine besonders große Truppenaufstockung und auch 300.000 Mann hätten das Kräfteverhältnis nicht signifikant verschoben, sondern lediglich den erwartbaren Ausfall des italienischen Verbündeten kompensiert.


Im Übrigen lief die Heeresvermehrung erst im Herbst 1913 an. Heißt die Eingezogenen hatten im Juli 1914 gerade einmal 8-9 Monate Ausbildung hinter sich, konnten damit in Sachen Kampfkraft durchaus noch nicht als gleichwertige Fromationen verglichen mit den bereits vorher existirenden betrachtet werden, was es nicht unbedingt sinnvoll machte sie zu diesem Zeitpunkt in den Krieg zu schicken, sofern man - wie es dir offensichtlich vorschwebt - den Tunnelblick auf die deutsche Rüstung der Gesamtbetrachtung der europäischen Rüstung vorzieht.

Der französische Plan XVII war lediglich ein Aufmarschplan, kein Operationsplan wie etwa der Schlieffen-Plan.
Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied.
Allerdings war der Plan ja bereits eine Modifikation von Joffres eigentlichen Wünschen, nachdem die französische Regierung sein Ansinnen im Kriegsfall Präventiv auch gegen Belgien vorzurücken um den Deutschen den Weg zu verlegen abgelehnt wurde.
So wie ich Joffre verstehe, plante er mehr oder weniger eine agressiv geführte Defensive, die vorstöße gegen deutsches Gebiet vorsahen um dort Truppen zu binden und zu blockieren, dadurch das Zeitfenster für die Deutschen zu verkürzen und den Russen Zeit zu verschaffen.
Ich würde diesen Plan zwar nicht insgesamt als Offenviplan betrachten wollen, weil er mehr den Zweck hatte die deutschen Operationen zu stören, als tatsächlich irgendwas zu erobern, allerdings, dass dabei gegen deutsches Gebiet vorgestoßen werden würde, war in dieser Dislozierung durchaus angelegt.

Ein rein defensiver Plan, der nicht von Anfang an Vorstöße impliziert hätte, hätte weniger französische Truppen im Grenzgebiet und einen stärkern frazösischen linken Flügen, wahrscheinlich ein Stück weit nach Nordwesten verlängert vorgesehen.
Oder eine größere strategische Reserve im Raum Lothringen-Champagne, die sich flexibel entweder in Richtung Elsass oder Richtung Belgien/Metz hätte verschieben lassen müssen.
 
Vielleicht kannst du dann auch erläutern, weshalb es praktischen keine nennenswerte Bevorratung an Rohstoffen,Getreide, Nahrungsmittel, Munition, etc. etc. oder sonstige Vorbereitungen gegeben hatte, was man üblicherweise tät, sofern ein Angriffskrieg vorbereitet wird, wenn Deutschland nun angeblich zielgerichtet auf einen Angriffskrieg hinarbeitete.

Hierin würde ich Turgot recht geben, dass wäre zu erklären.

Ich hatte oben schon einmal den Vergleich mit der Vorbereitung des 2. Weltkriegs angesprochen, an dem man recht gut sehen kann, wie tatsächliche Vorbereitungen für einen Angriffskrieg aussehen:

- Ausbau der kriegswichtigen Wirtschaft, gegebenenfalls, gegebenenfalls nach rein strategischen Gesichtspunkten ohne Rücksicht auf den ökonomischen Nutzen.
- Etablierung von Teilelementen einer Kommandowirtschaft, die es erlaubt das Rüstungstempo zu forcieren um sich einen Rüstungsvorsprung zu sichern und dem potentiellen Gegner möglichst keine Möglichkeit zu überlassen zeitig nachzuziehen.
- Vorbereitung der Wirtschaft auf denn Kriegsfall, Freistellung kriegswichtiger Arbeiter, damit die Produktion von Waffen, Munition und Kriegswichtigen Stoffenn wie gewohnt weiterlaufen oder forciert werden kann und nicht dadurch gehämmt wird, dass man nicht ersetzbare Facharbeiter zum Frontdienst einzieht, während dann in diesem Bereich ungelehrnte Kräfte aus verzichtbaren Teilen der Wirtschaft in die Fabriken einrücken und dort die Abläufe stören etc.
- Versuch einen größtmöglichen Grad von Autarkei zu erreichen und Rohstoffvorräte anzulegen um durch eine Blockade nicht so schwer getroffen werden zu können, etc.

Das alles und weiteres würde passieren, würde ein Angriffskrieg vorbereitet.

Im Besonderen hätte man, wenn man seit 1912 unbedingt Krieg hätte führen wollen, die Munitionsvorräte aufgestockt.
Im Dezember 1912 also zum Zeitpunkt des Kriegesrates gab es noch keine industrielle Realisierung des Haber-Bosch-Verfahrens, das läuft erst ab Herbst 1913.
Heißt man hat 1912 noch weniger als 1914 irgedeine Sicherheit, dass man es schaffen würde den Chilesalpeter für die Sprengstoff- und Munitionsproduktion tatsächlich zu ersetzen, während im Kriegsrat offenbar ein Szenario erörtert wurde, das mit der Beteiligung Großbritanniens auf der Seite der Entente, rechnete, also davon ausgehen musste, dass die Atlantikrouten gekappt würden.

Deutschland hat 1914 eine Bevorratung an Munition für einen Zeitraum von 2-3 Kriegsmonaten und die Munitionsproduzenten Rohstoffvorräte für ähnliche Zeiträume bei Normalproduktion und sicherlich deutlich kürzere Zeiträume bei erhöhtem Bedarf.
Es war also damit zu rechnen, dass es mit Munition nach 3, spätestens 4 Monaten langsam eng würde.

3 Monate wären allerdings selbst wenn man ein weitgehendes Gelingen des Schlieffenplans voraussetzte, (was man anngesichts fehlender Truppen nebenbei bemerkt auch nur schwer konnte), ziemlich optimistisch gewesen.
Selbst wenn man das Gros der französischen Armee tatsächlich hätte zerschlagen können, damit das Frankreich noch Kräfte gehabt hätte sich einige Monate lang zu wehren und das man Auch Russland nicht in einem bis anderthalb Monaten kleinkriegen würde, musste gerechnet werden.
Es wäre, wenn man einen Krieg zumal einen Eroberungskrieg, bei dem wegen eine drohenden Verlustfriedens die Gegner versucht hätten die Auseinandersetzug so weit als möglich in die Länge zu ziehen, unter diesen Umständen eigentlich zwingend gewesen, die Munitionsbestände aufzustocken, um mindestens ein halbes oder ein Dreivierteljahr die Truppen bei vollwertiger Kampfkraft zu haben.
 
Der französische Plan XVII war lediglich ein Aufmarschplan, kein Operationsplan wie etwa der Schlieffen-Plan.

Ich hätte präziser formulieren sollen.:)

Der Plan XVII. war Mobilisierungs- und Aufmarschplan mit offensiver Stoßrichtung. Ich denke, so passt es.
Erklärte Absicht des Oberbefehlshaber war es mit sämtlichen Armeen die Deutschen anzugreifen. (1)


hatl schrieb:
Das ist ein sehr wesentlicher Unterschied.

Ich weiß.


(1) Directives générales, in: Les Armées Françaises dans la Grande Guerre. Ed. par le Ministère de la Guerre. État-major de l’armée – Service historique. Vol.1: Annexes. Paris 1922, Annexe 8, 21.

Im Übrigen lief die Heeresvermehrung erst im Herbst 1913 an. Heißt die Eingezogenen hatten im Juli 1914 gerade einmal 8-9 Monate Ausbildung hinter sich, konnten damit in Sachen Kampfkraft durchaus noch nicht als gleichwertige Fromationen verglichen mit den bereits vorher existirenden betrachtet werden, was es nicht unbedingt sinnvoll machte sie zu diesem Zeitpunkt in den Krieg zu schicken, sofern man - wie es dir offensichtlich vorschwebt - den Tunnelblick auf die deutsche Rüstung der Gesamtbetrachtung der europäischen Rüstung vorzieht.

Es existierten ja noch nicht einmal die Kasernen, um die neuen Truppen unterzubringen.

Ich würde diesen Plan zwar nicht insgesamt als Offenviplan betrachten wollen, weil er mehr den Zweck hatte die deutschen Operationen zu stören, als tatsächlich irgendwas zu erobern, allerdings, dass dabei gegen deutsches Gebiet vorgestoßen werden würde, war in dieser Dislozierung durchaus angelegt.

Eine Kampfesweise, die den Angriff bevorzugt, ist nach meinem Verständnis offensiv.

Die Russen drangen in der Realität sehr schnell in Ostpreußen, nämlich am 17.August 1914, auf einer Breite von 40 Kilometern ein.
Nur taten sie dies nicht in der von Paris gewünschten Stärke. Die Russen griffen mit den größeren Teil ihrer Landstreitkräfte Österreich-Ungarn an.

Shinigami schrieb:
Allerdings war der Plan ja bereits eine Modifikation von Joffres eigentlichen Wünschen, nachdem die französische Regierung sein Ansinnen im Kriegsfall Präventiv auch gegen Belgien vorzurücken um den Deutschen den Weg zu verlegen abgelehnt wurde.

Stimmt. Es ging um Großbritannien. Die französische Regierung befürchtete, das, wenn Frankreich selbst in Belgien einmarschiert, das dann nicht mehr mit der britischen Unterstützung zu rechnen sei. Aus diesem Grund musste Joffre sein Plan revidieren.

Shinigami schrieb:
Das musste Italiens Bereitschaft beim Dreibund zu bleiben und seine Bündnisverpflichtungen zu erfüllen hemmen, im Besonderen, wenn das Krieg mit GB bedeutete und für den Fall, dass durch einen anders ausgelösten Krieg bei dem nicht Russland/Frankreich die Zentralmächte angriffen, sondern dass sich ein Krieg über die Peripherie am Balkan entwickeln konnte bei dem Italien keinen explizitenn Bündnisverpflichtungen unterlag, war unter diesen Umständen nicht mehr darauf zu rechnen, dass Rom an der Seite der Zentralmächte mitziehen würde.

Guter Hinweis. Und vor allem war es von Bedeutung, das Frankreich dadurch im Stande gesetzt wurde, keine oder fast keine Truppen an den Alpen stehen zu lassen und diese alle gegen Deutschland einsetzen zu können.
 
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Noch ein paar Worte zu Falkenhayn:

Nach dem in Westen der Schlieffenplan gescheitert war, der Wettlauf zum Meer ergebnislos geblieben und die Armeen beider Seiten sich eingegraben hatten, teilte Falkenhayn dem Reichskanzler am 18.11.1914 mit, das er (Falkenhayn) der Ansicht sei, das die deutsche Armee nicht mehr in der Lage sei, auf militärischen Wege den Sieg zu erringen und das deshalb entsprechende politische Schritte erforderlich seien. Falkenhayn befürwortete einen Separatfrieden mit Russland und wenn möglich auch mit Frankreich. Um entsprechende Verhandlungen zu erleichtern, schlug er einen gegenseitigen Verzicht auch Annexionen vor. Bethmann schenkte Falkenhayn keinen Glauben und wandte sich an Hindenburg.

Das Jahr 1915 war militärisch für die Mittelmächte erfolgreich verlaufen. Er wollte diesen Erfolg ausgenutzt wissen. Im Mai 1915 drängte Falkenhayn den Reichskanzler mit Russland einen Sonderfrieden abzuschließen. An Eroberungen in Osten war Falkenhayn desinteressiert. Dieser Vorstoß scheiterte nicht am Reichskanzler, sondern am Zaren. Der Zar wollte unbedingt gegenüber seinen Verbündeten loyal bleiben. Man hatte am 04.September 1914 im Londoner Abkommen vereinbart, das keiner der Partner einen Sonderfrieden abschließen dürfe.
 
Es existierten ja noch nicht einmal die Kasernen, um die neuen Truppen unterzubringen.
Musst du mir nicht erzählen.

Ich wollte nur darauf hingewiesen haben, dass die Vorstellung, man habe große Rüstungsprogramme als Hinarbeiten auf einen großen Krieg ins Werk gesetzt um dann loszuschlagen, bevor diese Programme überhaupt griffen, unsinnig ist.
Wenn dann hätte man den Abschluss oder nahenden Abschluss der eigenen Rüstungen abgewartet, sonst brachten die überhaupt keinen besonderen militärischen Mehrwert.

Das gleiche Spiel, weswegen ich nach wie vor der Meinung bin, dass deine Interpretation der Rolle Poincarés und seiner Absichten nicht zu den französisch-russischen Rüstungsabläufen passt.


Ich stehe da einfach auf dem Standpunkt, dass es offensichtlich Unsinn wäre Unsummen in Rüstung und damit verbundene Infrastruktur zu pumpen und deren Fertigstellung nicht abzuwarten, sondern vorzeitig loszuschlagen in dem Wissen, dass man dann unmengen von Ressourcen mit relativ wenig Effekt verpulvert hat, die anderswo (z.B. bei der Munitionsbeschaffung) fehlten.

In diesem Sinne, wenn Dion weiter auf dem Standpunkt stehen wollte, dieser Krieg sei von deutscher Seite lange vorbereitet und absichtsvoll vom Zaun gebrochen worden, müsste er darlegen können - und da würde ich durchaus eine überzeugende Argumentaion erwarten wollen - warum man im August 1914 losgeschlagen habe, wenn man wusste das der Abschluss der eigenen Rüstungen eigentlich noch ein gutes Jahr benötigt hätte, mindestens.

Nun müsste Dion die Frage beantworten, warum sollte man erpicht darauf gewesen sein, mit nicht einmal halb ausgebildeten zusätzlichen, völlig untermunitionierten Kadern in den Krieg zu ziehen?

Eine Kampfesweise, die den Angriff bevorzugt, ist nach meinem Verständnis offensiv.

Eine Planung deren Zweck um mit Clausewitz zu sprechen, zunächst einmal negativ ist, weil sie weniger darauf abzielt selbst irgendwelche strategischen Gewinne einzufahren, sondern erstmal darauf dem Feind solche Gewinne zu verunmöglich ist nach meiner Auffassung in ihrem strategischen Grundgedanken defensiv.

Präziser formuliert, könnte man vielleicht behaupten, dass Joffres Zielsetzung für die ersten Kriegswochen im Erreichen strategisch defensiver Ziele (Aufhalten des deutschen Vorstoßes gegen Frankreich), durch den Einsatz offensiver Mittel auf der operativen Ebene vorsah.

Die Russen drangen in der Realität sehr schnell in Ostpreußen, nämlich am 17.August 1914, auf einer Breite von 40 Kilometern ein.
Nur taten sie dies nicht in der von Paris gewünschten Stärke.

Naja, nicht nur nicht in der von Paris gewünschten Stärke, sondern sie fingen an überhastet zu operieren, ohne hinreichende Aufklärung zu betreiben und sich die nötige Zeit zu lassen ihre Angriffe vernünftig zu koordinieren, mit der entsprechend verheerenden Folge, dass die beiden russischen Armeen dann einzeln von der 8. Armee angegriffen und geschlagen werdenn konnten.
Da ist man wohl auch auf französischen Druck hin schneller zur Angriffoperation übergegangen, als es gut gewesen wäre, wahrscheinlich hätten die Russen im Osten, wenn sie sich 2-3 Wochen Zeit genommen hätten die Offensive vernünftig vorzubereiten und zu koordinieren, sehr viel schlagkräftiger auftreten können.

Guter Hinweis. Und vor allem war es von Bedeutung, das Frankreich dadurch im Stande gesetzt wurde, keine oder fast keine Truppen an den Alpen stehen zu lassen und diese alle gegen Deutschland einsetzen zu können.

Der Alpengrenze würde ich nicht allzu viel Bedeutung beimessen.
Die westlichen Alpenpässe dürften mit einem zahlenmäßig relativ geringen Aufwand zu verteidigen gewesen sein und da reichten, bei entsprechender Ausstattung mit Maschinengewehren sicherlich auch Reservetruppen ohne allzu starke artilleristische Ausstattung hin.
Ich weiß nicht, wie es mit Befestigungen in den Westalpen aussah (vielleicht weiß @dekumatland etwas darüber?), aber da ließen sich sicherlich relativ kostengünstig schwer überwindbare Hindernisse aufbauen, die mit relativ geringer Mannstärke zu halten waren.

Allerdings gehörte zum Schlieffenplan ja durchaus auch mal der angedachte Einsatz einiger verbündeter italienischer Divisionen an der elsässischen Front, um französische Kräfte zu binden und den rechten deutschen Angriffsflügel stärker machen zu können.
Ich weiß ad hoc nicht, bis wann das in den deutschen Planungen eine Rolle spielte, da müsste ich in die Bibliothek (werde ich aber vor Weihnachten definitiv nicht mehr schaffen), nachsehen, allerdings konnte man damit, sofern man nicht direkt von Frankreich und Russland angegriffen wurde nicht mehr rechnen, was heißt, dass tendenziell Bedeckungstruppen auf dem linken deutschen Flügel zwecks Bindung französischer Kräfte fehlten, für die Abhilfe geschaffen werden musste, wenn man an der idee des starken rechten Angriffsflügels festhalten wollte, während es im Osten nicht mehr so viel gab, was man nach Westen hätte verschieben können.

Wenn Frankreich sich um Italien nicht mehr kümmern musste, konnte es außerdem den Schutz von Korsika vernachlässigen und davon ausgehen in Nordafrika stehende Kolonialtruppen relativ ungestört und zügig nach Südfrankreich zu überführen und von dort aus als Reserveverbände in Richtung der entsprechenden Fronten zu verbringen.
 
Du hast "vergessen" die Frage von mir hinsichtlich das Falkenhayn eine neue Weltordnung schaffen wollte, nicht beantwortet.
Ich habe die Frage beantwortet, indem ich ein Zitat brachte und diesem zustimmte:
Zitat aus „Falkenhayn: Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich.“ von Holger Afflerbach in Hochschulschrift aus dem Jahr 1996:

Falkenhayn war ein vollkommenes Opfer der wilhelminischen Einkreisungspsychose geworden, gefangen in der Vorstellung, daß nur durch einen Krieg Deutschlands Stellung zu halten und zu verbessern sei, und gefangen in dem Wunsch, diesen Krieg unter allen Umständen durchfechten zu wollen. Den Gedanken, eine deutsche Weltmachtstellung ohne Krieg erreichen und halten zu können, scheint Falkenhayn nicht gehabt zu haben.

Dieser Meinung bin ich auch.
Zu deinem besseren Verständnis habe ich jetzt die entscheidenden Stellen im Zitat fett geschrieben. Daraus folgt zweierlei:

- dass die deutsche Weltmachtstellung nur mit einem Krieg zu erreichen, halten bzw. zu verbessern sei,
- und dass dieser Krieg unter allen Umständen zu führen sei.

Falkenhayn wollte keinen Frieden – er verabscheute Politiker, die Friedensgespräche führten –, er wollte Krieg wie auch Moltke (im Kriegsrat am 8.12.1912 sagte dieser: "je eher je besser"). Und beide haben ihn auch bekommen und konnten ihn nacheinander als Generalstabschefs an entscheidender Stelle auch führen, bis Falkenhayn 1916 einsah, dass dieser endgültig nicht mehr zu gewinnen war - und zurücktrat.

Es sollte noch Monate dauern, bis die Vorlage im Reichstag tatsächlich verabschiedet worden war.
Für die Idee, das Heer um mehr als 100.000 Mann aufzustocken, sind die 6 Monate, in denen sie im Parlament zum Gesetz wurde, eher kurz.

Das deutsche Heer war schon seit Jahren in Sachen Rüstung nur so mit dem Notwendigsten, personell und materiell, ausgestattet worden.
Ja – und auch das hat der Kriegstreiber Falkenhayn wiederholt kritisiert.

Und was hat von Tirpitz im Kriegsrat am 8. Dezember 1912 gesagt? Wir brauchen noch anderthalb Jahre. Und nach diesen anderthalb Jahren ging es auch tatsächlich los.

Daraus folgt: Das Militär hat den Krieg gewollt und auch bekommen, und als dieser nicht mehr zu gewinnen war, war daran nur die Politik schuld – siehe Dolchstoßlegende.
 
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Falkenhayn wollte keinen Frieden – er verabscheute Politiker, die Friedensgespräche führten –, er wollte Krieg wie auch Moltke

Das ist in dieser Form eine Fehldarstellung.
Beide hielten Krieg für unvermeidlich, eine Position die man angesichts der sich seit 1905, spätestens aber 1908 häufenden Krisen durchaus haben konnte, das bedeutet nicht, dass sie den Krieg persönlich wünschten.

Als ranghöchste Militärexperten Deutschlands (den theoretischen Oberbefehl des Kaisers und die Marine mal außen vor gelassen), war es durchaus auch ihre Aufgabe den Stand der stratgegischen Lage aus ihrer Sicht zu kommunizieren und wenn dazu die Bemerkung gehörte, dass Krieg, wenn er nicht vermeidlich war, besser früher als später zu führen sei - aus zwingenden rüstungstechnischen und strategischen Gründen -, war das das erstmal das Kommunizieren einer nicht weiter anstößigen Expertise, denn über die Frage ob Krieg vermeidbar war oder nicht, hatten nicht die Militärs sondern die Regierung als ganze, die Experten des auswärtigen Amtes und der Kaiser zu befinden, de facto bei Wilhelm II. seiner Wankelmütigkeit also das Kabinett-Bethmann-Hollweg als ganzes im Zusammenwirken vor allem mit dem Auswärtigen Amt und dem diplomatischen Apparat.

Für die Idee, das Heer um mehr als 100.000 Mann aufzustocken, sind die 6 Monate, in denen sie im Parlament zum Gesetz wurde, eher kurz.

Angesichts der Gesamtumstände war das durchaus nicht besonders kurz.
Im Übrigen, was die Heeresvorlage von 1913 betrifft:

Die Notwendigkeit von Rüstungen war so offenkundig, dass sich seinerzeit selbst die SPD insofern in einen historischen Kompromiss einließ, dass sie zwar der Vorlage zur Heeresvermehrung nicht zustimmte, wohl aber der damit verbundenen Deckungsvorlage zur Finanzierung der Heeresvermehrungen, womit sie den Weg für die weitere Aufrüstung mit frei machte.
Nun wird man gerade der SPD, deren traditionelle Maxime zum Thema Heeresvorlagen eigentlich lautete "diesem System keinen Mann und keinen Groschen" kaum nachsagen können dass ihr besonders daran gelegen gewesen wäre, selbstherrliche Angriffs- und Eroberungskriege der Herren v. Moltke und v. Falkenhayn zu finanzieren.

Das selbst die SDP sich dazu durchrang, zwar nicht der Vorlage selbst zuzustimmen, aber die Heeresvermehrung durch die Bewilligung der Finanzierung den Weg frei zu machen, sollte zu denken geben und darf sicherlich als Hinweis auf die Wahrnehmung der Bedrohungslage durch das europäische Wettrüsten, ins Besondere der russischen Rüstungen aufgefasst werden.

Ja – und auch das hat der Kriegstreiber Falkenhayn wiederholt kritisiert.
Was ein Grund wäre das ernst zu nehmen, nebenbei.

Und was hat von Tirpitz im Kriegsrat am 8. Dezember 1912 gesagt? Wir brauchen noch anderthalb Jahre. Und nach diesen anderthalb Jahren ging es auch tatsächlich los.

Was hatte denn v. Tirpitz als als de facto Marineminister mit der Erweiterung des Landheeres mit der du oben argumentiert hattest zu tun?
Nichts.
Wenn von Tirpitz der Meinung war, dass die Marine binnen anderthalb Jahren ihre Rüstung so weit abgeschlossen haben könnte, dass sie kriegsbereit wäre, sagt uns das zum Landheer auf dass es wegen Franreich und Russland eigentlich ankam überhaupt nichts.

Die Heeresvermehrung 1913 wurde überhaupt erst ein halbes Jahr später beschlossen, bei Dienstzeiten von 2-3 Jahren (Infanterie 2 Jahre, Kavallerie und berittene Artillerie 3 Jahre), je nach Waffengattung, waren die Rüstungen im Sommer 1914 selbstverständlich nicht abgschlossen, da hatten die zusätzlich gezogenen Rekruten von ihren 2-3 Jahren Ausbildung/Dienstzeit gerade einmal ein Dreivierteljahr durchlaufen.
Der vollständige Abschluss der Dienstzeit der im Oktober 1913 zusätzlich gezogenen Kader wäre dementsprechend bei der Infantiere im Oktober 1915 und bei den berittenen Truppen 1916 gewesen, erst ab da hätte man tatsächlich über vollertige neue Formationen und entsprechende Zuwüchse an Reservisten verfügt.
 
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