Bei uns sagte man (ich weiß jetzt nicht genau wer von den hohen Tieren), man müsse Russland dazu bringen, zuerst zu mobilisieren, anders wäre der deutschen Öffentlichkeit der Krieg nicht zu vermitteln gewesen.
Wie genau unterscheidet sich das von der für GB geltenden Prämisse einen Kriegerklärung an Deutschland erst für vermittelbar zu halten, wenn dieses in Belgien einmarschieren würde?
Letztendlich überhaupt nicht. Sowohl in Berlin, als auch an London erwog man unter welchen Prämissen man die Position der eigenen Verbündeten bis zur Schwelle des Krieges stützen und ihnen nötigenfalls militärisch Beistand leisten könnte um ihre Interessen durchzuboxen.
Dabei besaß aber keiner der beiden Akteure die Gewissheit die Möglichkeit zu haben eine solche Situation tatssächlich zu erzwingen.
Russland basaß das mit Abstand größte Landheer Europas mit der mit Abstand größten Friedenspräsentsstärke aller europäischen Heere.
Russland musste um seine Grenze in Galizien zu decken, Österreich einzuschüchtern oder Serbien Beistand zu leisten überhaupt nicht mobilisieren, so lange Wien und Berlin keine Generalmobilmachung betrieben, der Aufmarsch des größten Teils des Friedensheeres an der galzischen Grenze wäre vollkommen hinreichend gewesen.
Wenn es in Berlin als Bedrohung betrachtet wurde, wenn Russland mobilisierte, zumal möglicherweise auch noch an der deutschen Grenze, obwohl Deutschland sich ruhig verhielt, war das grundsätzlich erstmal legitim.
Umgekehrt war es legitim, wenn London sich und seine Interessen bedroht sah, sollte Deutschland in Belgien einfallen.
Genau so, wie aber Berlin nicht davon ausgehen konnte eine russische Mobilmachung tatsächlich zu erzwingen, konnte London nicht davon ausgehen einen deutschen Überfall auf Belgien zu erzwingen.
Man kannte in London zwar die Intentionen des Schlieffenplans, wusste aber nicht, ob von deutscher Seite noch alternative Planungen vorhanden waren (was bis 1913 mit dem Aufmarsch-Ost durchaus der Fall war) und wie Deutschland, wenn es zum Krieg käme tatsächlich aggieren würde, ob es sich für den Westen entschied und damit tatsächlich in Belgien einfallen würde oder aber ob es nach einem Ostplan aggieren würde, von dem die Briten nicht wussten ob so etwas (noch) existierte oder nicht, im Westen defensiv bleiben würde und Belgien dabei unberührt bliebe.
Beide konnten sich zwar in einer Weise verhalten die diese Kriegsszenarien wahrscheinlicher machten:
Deutschland dadurch, sich zu weigern auf Wien einzuwirken und eine Großmächtekonferenz zu blockieren, was Petersburg zu weiteren Eskalationsschrittenn reizen musste.
Großbritannien dadurch sich zu weigern für den Fall rein defensiven Verhaltens Deutschlands in Westeuropa, sollte es zu Krieg kommen, seine Neutralität zu garantieren und damit einen eventuell vorhandenen deutschen Ostplan zu entwerten und die Präferenz für ein West-Szenario zu erhöhen.
Und beide taten das auch.
Dennoch lag die Entscheidung Russlands zu mobilisieren und Deutschlands nicht auf dem letzten Meter noch einzulenken und sich in einen Konferenz einzulassen, auch wenn das in einer diplomatischen Schlappe enden konnte, einzig in St. Ptersburg (russische Mobilmachung) und Berlin (deutsches Losschlagen).
Frankreich war deswegen nicht erfreut. Aber nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien war die Situation eine andere.
Der französischen Seite war schon Jahre vorher in gemeinsamen militärischen Besprechungen mit dem britischen Entente-Partner zugesichert worden, dass GB im Fall einer Invasion Belgiens Truppen auf den Kontinent schicken würde, die dann mit den Franzosen gegen Deutschland kooperieren könnten.
Auf britischer Seite wurde sogar erörtert, ob man Kriegshandlungen gegen die Niederlande unterehmen sollte, wenn die sich weigern sollten die britischen Kräfte die Schelde-Mündung (die ist beidseitig niederländisches Gebiet) in Richtung Antwepen passieren zu lassen und wie nötigenfalls die niederländische Festung Vlissingen in Zeeland, von der aus sich die Zufahrt zur Schelde sperren lies ausschlten könnte, auch wenn die Niederlande gar nicht den Krieg erklärten, sondern nur auf der unverletzlichkeit ihres Gebiets bestehen und lediglich keiner der Kriegsparteien Zugang zu ihren Gebiet gestatten würden.
Damit erwog man in London mit der Verletzung der Neutralität eines dritten Staates genau das, was man auch in Berlin mit Belgien erwog, sollte es sich als strategisch notwendig erweisen.
Im Forum gibt es einen entsprechenden Faden, in dem die Möglichkeit erörtert wird, dass GB neutral geblieben wäre, ich rege an, ihn aufmerksam zu lesen.
Ich tue alles, was ich kann. Aber ich bin kein Historiker, sondern ein Laie auf diesem Gebiet.
Man muss auch kein Historiker sein um wenigstens die Diskussionen aufmerksam zu verfolgen, sich alle Akteure annzusehen und alle Akteure mit den selben Maßstäben zu messen.