WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Gen Russland hätte man ebenfalls einen starken Festungsriegel.
---- man hätte sich beruhigt einigeln können, also abwarten und zugleich Vertragspartner KuK unterstützen können.
Nur dann hätte man von vornherein keinerlei Aussicht auf ein schnelles Ende des Krieges gehabt und praktisch keine Möglichkeit, den Frieden zu erzwingen und dann hätte die Zeit gegen die Mittelmächte gespielt.

Großbritannien und Alliierte hätten sich dann die deutschen Kolonien geholt und Großbritannien hätte wie historisch den deutschen Seehandel blockiert. Im besten Falle hätte man dann einen jahrelangen Krieg geführt, der maximal mit dem Status Quo ante in Europa unter Verlust der Kolonien hätte enden können, vermutlich aber früher oder später mit einer Niederlage geendet hätte.

Ich denke, man musste schon in die Offensive gehen, gerade auch um den Vorteil der schnellen Mobilisierung auszunutzen; entweder im Westen oder im Osten. Vermutlich wäre eine Offensive im Osten und Defensive im Westen besser gewesen. Im Idealfall hätte man dann den Kriegseintritt Großbritannien verhindern oder zumindest hinauszögern können. Wenn man nur Russland den Krieg erklärt hätte und im Westen dann bei einem Eintritt Frankreichs in den Krieg nur verteidigt, wäre es sicher in England recht unpopulär gewesen, für den Zaren das Leben zu riskieren.
 
man hätte sich beruhigt einigeln können, also abwarten und zugleich Vertragspartner KuK unterstützen können.
Wobei unterstützen? Bei den Maßnahmen gegen Serbien?
beispielsweise.

Den Vertragspartner mit Waffen, Munition, sonstigem nötigen Equipment versorgen, weil dieser schon mit Serbien handgemein geworden war und Russland das nicht auf sich beruhen ließ. Das hätte man, gut geschützt hinter den eigenen Befestigungssystemen, so handhaben können, ohne irgendwem selber aktiv den Krieg zu erklären - - - aber das stand (leider!) nicht zur Debatte.

Die Entscheidungsträger des Kaiserreichs hatten zwar über die Jahre hin sehr sehr viel in ihre Defensionsanlagen investiert, aber der Krise und dem partiellen Kriegsausbruch in Defensivhaltung begegnen, das kam keinem in den Sinn. Das wollte man nicht, das hatte man nicht mal als Alternativkonzept... (Mir kommt das rein militärisch betrachtet schlicht dumm vor)
Das Dokument, das du zitiert hast, belegt letzteres. Wie schon gesagt:
Bon, das wollte man blöderweise nicht, es kam anders.
 
Ich habe vor ein paar Jahren die Schlafwandler mit roten Ohren gelesen und finde auch vieles, was uns Turgot aus den Quellen berichtet, sehr spannend. Was ich aber auch über die Kriegsschuldfrage denke, sicher nicht originell, sollte hier vielleicht auch mal gesagt werden:
Unabhängig von der Frage, wer wieviel Schuld daran trug, dass der Krieg 1914 ausbrach, hätte das Deutsche Reich mit einer defensiveren Außenpolitik Jahre vorher dafür sorgen können, dass Europa erst gar nicht an den Rand eines großen Krieges kommt. Insbesondere würde ich vermuten, dass Großbritannien niemals signalisiert hätte, möglicherweise in einen Krieg gegen Deutschland einzutreten, wenn es nicht kurz- oder langfristig mit der deutschen Bedrohung zur See gerechnet hätte. Ohne England als Kriegspartei hätte die von dekumatland angesprochene defensive Kriegführung eine sehr hohe Erfolgschance gehabt, und weil das vermutlich (da kann man mich vielleicht eines Besseren belehren) auch Frankreich und Russland so gesehen hätten, hätte sich gar nicht erst eine Kriegsgefahr aufgebaut.
 
Da ich von der ganzen Chose nicht sonderlich viel verstehe, nehme ich meine eingeengte Festungsperspektive ein: man wusste in D, dass man nicht durch den franz. eisernen Riegels brechen kann / man hatte mit Istein-Straßburg-Mutzig-Germersheim-Mainz sowie Metz-Thionville-Köln-Wesel-Kleve einen mindestens ebenso starken "Kontra-Riegel".
Ich würde meinen, dass mindestens Metz-Thionville allerdings recht exponiert gewesen wäre, wäre nicht mindestens Luxemburg und wahrscheinlich auch die belgische Provinz Luxemburg besetzt worden, für den Fall, dass dann von französischer Seite die Initiative her ergriffen hätte werden können dies zu tun.
Luxemburg hätte den Franzosen natürlich einen nördlichen Zangengriff gegenüber dem Areal Metz-Thionville geboten und da Luxemburg im Gegensatz zu Belgien über keine Armee und kein Gelände verfügte, die für Verzögerung hätten sorgen können, so dass man Luxemburg in so einem Fall rechtzeitig hätte beistehen können (abgesehen davon, dass man dafür die eigenen Defensivlinien hätte verlassen müssen).

Dementsprechend lag effektiv die einzige Möglichkeit einen französischen Handstreich gegen Luxemburg und damit eine Nord-Bedrohung des Festungsareals Metz-Thionville zu verhindern, hier selbst einen solchen Handstreich durchzuführen.
Die Bedeutung Metz-Thionville um jeden Preis durch Ausschluss einer Angriffsoption auch von Norden her als Festungsbereich so stark wie möglich zu halten und die Gefahr eines Verlusts dieser Position zu minimieren dürfte sich aus den lothringischen Erzvorkommen ergeben, auf die Deutschland im Fall eines länger andauernden Krieges nicht verzichten konnte.

Mindestens im Bezug auf Luxemburg, halte ich es durchaus für einsichtig, dass man eine Besetzung des Landes, um Frankreich die Option weg zu nehmen dann hätte in Erwägung ziehen müssen, wenn an sich militärisch darauf verlegt hätte sich auf die eigenen Defensivstellungen zu verlassen und einen Krieg mit Ost-Schwerpunt zu führen.

---- man hätte sich beruhigt einigeln können, also abwarten und zugleich Vertragspartner KuK unterstützen können.
....... wenn die Munitionsfrage von Anfang an gelöst gewesen wäre. War sie aber nicht.
Wenn man vor dem Krieg Geld in die Hand genommen hätte um eine hinreichende industrielle Infrastruktur für die synthetische Ammoniakherstellung zu schaffen, hätte man das tun können.

So lange man aber noch damit rechnen musste in Sachen Munition mittelfristig vom Chile-Salpeter abhängig zu sein, war das keine Option, jedenfalls, so lange London nicht bereit war seine Neutralität in einem europäischen Krieg tatsächlich zu garantieren, wenn Deutschland dafür die Neutralität seiner westlichen Nachbarn achtete.

In dem Moment, in dem die Munitionsfrage an den überseeischen Importen hing und nicht klar erkennbar war, dass Großbritannien in jedem Fall neutral bleiben würde, konnte man nicht auf Zuwarten und Abnutzn setzen.
Das hätte dazu führen können, dass sich London auch ohne Überfall im Westen trotzdem für einen Kriegseintritt auf der Seite der Entente entschieden hätte und dann wäre Deutschlands Position schlechter gewesen, als wenn es die Westoffensive versucht hätte, weil diese immerhin eine kleine Chance bot, dass das tatsächlich funktionierte (ich gebe dem Schlieffenplan mal 5-10% Erfolgswahrscheinlichkeit) Frankreich aus dem Krieg zu nehmen.
In jedem Fall bot es aber die Chance die belgischen und Nordfrazösischen Industrien und Rohstoffe in die eigene Hand zu bringen oder zu zerstören und damit den französischen Gegner jedenfalls signifikant zu schwächen, dadurch, dass das seinem Zugriff entzogen wurde.
 
Unabhängig von der Frage, wer wieviel Schuld daran trug, dass der Krieg 1914 ausbrach, hätte das Deutsche Reich mit einer defensiveren Außenpolitik Jahre vorher dafür sorgen können, dass Europa erst gar nicht an den Rand eines großen Krieges kommt. Insbesondere würde ich vermuten, dass Großbritannien niemals signalisiert hätte, möglicherweise in einen Krieg gegen Deutschland einzutreten, wenn es nicht kurz- oder langfristig mit der deutschen Bedrohung zur See gerechnet hätte.
Die Frage der vorhandenen oder kommenden Bedrohung zur See* für Großbritannien hing aber im Londoner Verständnis von der Konstellation auf dem europäischen Festland ab (eine Konstante der britischen Politik zurückgehend bis mindestens in die Napoléonik).

Aus britischer Sicht konnte als gegeben angenommen werden, dass ein militärischer Sieg Deutschlands über Frankreich in einem kontinentalen Krieg mit Veränderungen der Machtbalance in Westeuropa in jedem Fall zu einer potentiellen maritimen Bedrohung Großbritanniens führen würde, unabhängig davon, ob es gerade eine entsprechende Flottenpolitik gab oder nicht.

Wären Teile des französischen, belgischen oder niederländischen Kolonialreichs in deutsche Hände gekommen, hätte das Deutschlands maritime Operationsfähigkeit durch die Gewinnung von Stützpunkten weltweit erhöht, wären Teile der niederländischen, belgischen oder französischen Kanal- oder Nordseeküste in deutsche Hände gekommen, hätte es die Möglichkeit erhöht, im besonderen mit Zerstörern, schnellen Kreuzern und Tauchbooten gegen den britischen Seehandel zu operieren.

Im Besonderen, wäre Frankreich als Großmacht dauerhaft ausgeschaltet worden und gezwungen gewesen sich in irgendeiner Form mit dem deutschen Nachbarn zu dessen Bedingungen zu arrangieren.


Der Bau einer Flotte selbst, war in meinen Augen kein entscheidender Punkt, sondern eher die Schaffung von Kapazitäten für die Marinerüstung (Werften etc.) um jederzeit in relativ kurzer Frist eine sehr schlagkräftige Flotte schaffen zu können.
Für letzteres (nordfranzösische, belgische, niederländische Küste) stellte ein europäischer Krieg eine entscheidende Möglichkeit durch Annexion oder dauerhafte Unterwerfung vor allem der Be-Ne-Lux-Staaten unter deutschen Einfluss dar.
Im Besonderen wenn Frankreich dabei geschlagen würde und Deutschland infolgedessen Jahre Zeit haben würde sich voll auf Marinerüstungen zu konzentrieren, da Frankreich dann auf Jahre zu Lande nicht mehr Handlungsfähig gewesen wäre und Deutschland die Kosten für das Landheer zu Gunsten der Marinerüstung deutlich hätte reduzieren können, ohne eine Gefährdung seiner Sicherheitslage zu riskieren.


Ob London sich herausgehalten hätte, hätte sich Deutschland im Westen defennsiv verhalten, hätte wahrscheinlich massiv davon abgehangen, ob man Berlin zugetraut hätte, nach einem potentiellen Sieg im Osten einen mäßigen Frieden zu schließen, im Besonderen ohne die Verhältnisse in Westeuropa zu verändern und keineswegs den freien Rücken im Osten zu nutzen um dann zusammen mit den Österreichern alle Ressourcen gegen den Westen zu werfen um Frankreich als Großmacht endgültig lahmzulegen und Belgien und die Niederlande de facto zu deutschen Sateliten zu machen.
Das dürfte für London der Knackpunkt gewesen sein, weil aus britischer Sicht ohne eigenes adäquates Landheer einfach klar sein musste, dass man die Deutschen aus eigener Kraft im Alleingang nirgendwo in Kontinentaleuropa wo sie ihren Fuß hinsetzten wieder herauswerfen hätte können.
Deswegen musste es darauf ankommen, sie gar nicht herein kommen zu lassen und ihnen auf keinen Fall auch nur die Gelegenheit zu bieten ihre Positionen in Westeuropa ausbauen zu können.







*ich rede von der realen strategischen Bedrohung, nicht von übersteigerten Invasionsphantasien o.ä.
 
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Ohne England als Kriegspartei hätte die von dekumatland angesprochene defensive Kriegführung eine sehr hohe Erfolgschance gehabt, und weil das vermutlich (da kann man mich vielleicht eines Besseren belehren) auch Frankreich und Russland so gesehen hätten, hätte sich gar nicht erst eine Kriegsgefahr aufgebaut.

Ohne England als Kriegspartei ist die Frage berechtigt, ob Frankreich und Russland es riskiert hätten alleine gegen die Mittelmächte in den Krieg zu ziehen.
 
hätte das Deutsche Reich mit einer defensiveren Außenpolitik Jahre vorher dafür sorgen können, dass Europa erst gar nicht an den Rand eines großen Krieges kommt

Die deutsche Außenpolitik litt darunter, das es keine wirklich fähigen Außenpolitiker mehr zur Verfügung hatte. Nach dem erzwungenen Abgang von Bismarck wurden"seine Leute" nach und nach durch Holstein aussortiert oder auf "unwichtige" Posten abgeschoben.
Ohne Frage wäre weniger Aggressivität besser gewesen; das gilt aber für beide Seiten. Auch das Einhalten des Völkerrechts wäre hilfreich gewesen. Die deutsche Flotte war den Briten sicher ein Dorn im Auge, aber bezeichnender Weise wurde nur bei der deutschen Flotte Reklamationen vorgetragen. Bei Japan, USA, Frankreich, Russland, Italien wurde nicht daran gerührt. Überhaupt ist das auch eine innere souveräne Entscheidung des jeweils betreffenden Landes. Die Argumente, die dem deutschen Volk für die Flotte vermittelt wurden, waren Blödsinn. Die Reichsleitung wollte die Flotte für ihre "weltpolitischen" Ambitionen; nur wie sollte das eigentlich im Zweifelsfall funktionieren, so fast ohne Stützpunkte?
 
@Clemens64 @Shinigami @Nikias @Turgot
Wir befinden uns in den letzten Beiträgen in spekulativen, ja kontrafaktischen Bereichen (ja, daran trage ich mit meiner Überlegung zur Dummheit von Militär und Politik 1914 die Schuld) - mein Vorschlag: wir könnten das in einem extra Faden im Smalltalk durchdiskutieren, dann stören oder verzetteln wir diesen hier nicht mit umfangreichen Abschweifungen.

Ich finde die Überlegungen der letzten Beiträge sehr interessant! Sie manövrieren nämlich in Richtung der Frage: wäre es ohne aktive Beteiligung des Kaiserreichs (Kriegserklärung an Russland, Belgienüberfall) überhaupt zu einem sich ausweitenden großen Krieg gekommen? Und wenn vieles dafür sprechen sollte, wer hätte die Lunte entzündet?

(Spannend fand ich die Überlegungen, dass einem defensiven Kaiserreichs (das war meine Spekulation: sich einigeln, KuK lediglich materiell unterstützen um keinen Vertrag zu brechen) dennoch Seeblockade gedroht hätte und die Kolonien hätten weggenommen werden können - warum eigentlich?)

(Genauso spannend die Überlegung, dass das Kaiserreichs wirtschaftlich nicht in der Lage war (Salpeter etc) sich in freiwilliger defensiver Isolation hochzurüsten für den Fall angegriffen zu werden - das scheint in Richtung "so richtig vorbereitet war keiner" (?!?))

Frage: sollen wir einen extra Faden starten?
 
Ob London sich herausgehalten hätte, hätte sich Deutschland im Westen defennsiv verhalten, hätte wahrscheinlich massiv davon abgehangen, ob man Berlin zugetraut hätte, nach einem potentiellen Sieg im Osten einen mäßigen Frieden zu schließen

.....der dann so hätte aussehen müssen, das die Russen nicht oder nur geringfügig geschwächt aus dem Krieg hervorgehen und so weiter als britischer Partner zur Verfügung stehen.
 
Wären Teile des französischen, belgischen oder niederländischen Kolonialreichs in deutsche Hände gekommen, hätte das Deutschlands maritime Operationsfähigkeit durch die Gewinnung von Stützpunkten weltweit erhöht, wären Teile der niederländischen, belgischen oder französischen Kanal- oder Nordseeküste in deutsche Hände gekommen, hätte es die Möglichkeit erhöht, im besonderen mit Zerstörern, schnellen Kreuzern und Tauchbooten gegen den britischen Seehandel zu operieren.

Ein wichtiger Punkt! Und das galt es um jeden Preis zu verhindern und tatsächlich tat Großbritannien alles, um sicherzustellen, das Frankreich weder durch Deutschland entscheidend geschwächt oder gar "vernichtend" geschlagen wird.
Frankreich und auch Russland wurden ganz einfach für die britische Weltmachtstellung benötig.
 
@Clemens64 @Shinigami @Nikias @Turgot
Wir befinden uns in den letzten Beiträgen in spekulativen, ja kontrafaktischen Bereichen (ja, daran trage ich mit meiner Überlegung zur Dummheit von Militär und Politik 1914 die Schuld) - mein Vorschlag: wir könnten das in einem extra Faden im Smalltalk durchdiskutieren, dann stören oder verzetteln wir diesen hier nicht mit umfangreichen Abschweifungen.
Wenn die Kriegsschuldfrage gestellt wird, ist man automatisch im kontrafaktischen Bereich, weil es dann ja darum geht, was passiert wäre, wenn dies oder jenes unterlassen worden wäre.
 
Wobei ich den Vorschlag gar nicht so schlecht finde, wir könnten da etwas "großzügiger" spekulieren!????

Es gibt da für mich noch einige Punkte bezüglich GB, die aber nicht unbedingt in diesen Faden hineingehören!?
 
Ich finde die Überlegungen der letzten Beiträge sehr interessant! Sie manövrieren nämlich in Richtung der Frage: wäre es ohne aktive Beteiligung des Kaiserreichs (Kriegserklärung an Russland, Belgienüberfall) überhaupt zu einem sich ausweitenden großen Krieg gekommen? Und wenn vieles dafür sprechen sollte, wer hätte die Lunte entzündet?

(Spannend fand ich die Überlegungen, dass einem defensiven Kaiserreichs (das war meine Spekulation: sich einigeln, KuK lediglich materiell unterstützen um keinen Vertrag zu brechen) dennoch Seeblockade gedroht hätte und die Kolonien hätten weggenommen werden können - warum eigentlich?)
Ich bin bei meinen Überlegungen davon ausgegangen, dass es trotz der defensiven Haltung des Kaiserreichs zum europäischen Krieg kommt, also die Donaumonarchie greift Serbien an, Russland mobilisiert und erklärt schließlich der Monarchie den Krieg, Deutschland erklärt daraufhin nach den Bündnisverpflichtungen aus dem Dreibund Russland den Krieg, nur verhält sich dann eben defensiv, anstatt in die Offensive zu gehen, so ähnlich wie Frankreich und Großbritannien zunächst im Zweiten Weltkrieg und daraufhin erklärt Frankreich Deutschland den Krieg.

In dem Szenario ist es allerdings dann wohl tatsächlich kein Automatismus, dass auch Großbritannien in den Krieg eintritt. Falls das UK nicht beteiligt ist, sieht es natürlich etwas besser aus. Man hätte aber immer noch die Aussicht auf einen jahrelangen Krieg (den bekam man dann natürlich auch historisch, aber das war ja eigentlich nicht der Plan) ohne die Möglichkeit, einen Frieden zu erzwingen. Und immer mit dem Risiko, dass das UK dem Krieg doch noch betreten könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin bei meinen Überlegungen davon ausgegangen, dass es trotz der defensiven Haltung des Kaiserreichs zum europäischen Krieg kommt, also die Donaumonarchie greift Serbien an, Russland mobilisiert und erklärt schließlich der Monarchie den Krieg

Richtig, das wäre auf jedem Fall geschehen.
 
@Clemens64 @Shinigami @Nikias @Turgot
Wir befinden uns in den letzten Beiträgen in spekulativen, ja kontrafaktischen Bereichen (ja, daran trage ich mit meiner Überlegung zur Dummheit von Militär und Politik 1914 die Schuld) - mein Vorschlag: wir könnten das in einem extra Faden im Smalltalk durchdiskutieren, dann stören oder verzetteln wir diesen hier nicht mit umfangreichen Abschweifungen.
Frage: sollen wir einen extra Faden starten?


Ich für meinen Teil hätte nichts dagegen.
 
Frankreich und auch Russland wurden ganz einfach für die britische Weltmachtstellung benötig.
Dem würde ich schon insofern widersprechen als dass ich besteiten würde, dass es so etwas wie eine britische Weltmachtsstellung gab.
Großbritannien konnte natürlich in Indien und Afrika in hohem Maße als dominante Macht auftreten und weitgehend seine Interessen durchsetzen, aber in den anderen Erdteilen (Australien außen vor?)

In Südamerika konnte man von britischer Seite her sicherlich ökonomisch Einfluss nehmen, Militärisch allenfalls in sehr beschränkten Maße.

In den nicht zu Kanada gehördenden Teilen Nordamerikas waren keine besonderen machtpolitischen Möglichkeiten Großbritanniens vorhanden, in Europa konnte Großbritannien entscheidenden Einfluss, sei es politisch oder militärisch nur gestützt auf einen oder mehrere Festlandverbündete ausüben und die Möglichkeiten in China und Ostasien auf eigene Faust ohne Verbündete den eigenen Einfluss weiter auszubauen, waren in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg eigentlich auch erschöpft, an und für sich waren ja letztendlich auch die Abkommen mit Russland über Persien mehr der Versuch irgendwie zusammen zu halten, was man hatte, als Ausdruck von vitaler Aktionsfähigkeit an der asiatischen Peripherie.

Das ist mir unterm Strich für die Bezeichnung "Weltmacht" etwas zu wenig (wenn man das etwa in Relation zur heutigen, tatsächlich mehr oder weniger globalen Aktionsfähigkeit der USA setzt).
Ich bitte das nicht persönlich zu nehmen, bin aber nach wie vor der Meinung, dass du mit diesem Superlativ die Bedeutung Großbritanniens und seine Machtoptionen anno 1913/1914 deutlich überbewertest.




Ob Großbritannien mit einer deutlichen Schwächung Russlands hätte leben können, dürfte ganz maßgeblich davon abhängen, wo diese stattgefunden hätte.
Z.B. hätte Russland größere Territorien in Europa abtreten müssen, ohne Aussicht darauf zu haben sie sich einigermaßen zeitnah zurückholen zu können, wäre dass für die Briten sicherlich kaum verkraftbar gewesen, weil dann zu erwarten gewesen wäre dass Russland seine expansiven Energien in Zukunft wieder verstärkt auf Asien richten würde, also auf die britischen Positionen oder die zwischen Großbritannien und Russland neutralisirten Positionen.
Wäre die Schwächung Russlands im eurasischen Maßstab ausgewogener Ausgefallen und mäßigen Verlusten in Europa hätte etwa eine erzwungene Aufgabe von Teilen Zentralasiens und des Kaukasus zur Folge gehabt, kann ich mir vorstellen, dass London gar nicht so unrecht gewesen wäre weil sich die Probleme mit Russland wegen Persien und Ambitionen wegen der Meerengen dann vermutlich auf längere Zeit ersteinmal von selbst erledigt gehabt hätten.

Ich sehe es nicht als gegeben an, dass Großbritannien die Kooperation mit Russland in Asien unbedingt auch in Zukunft benötigt hätte. Wäre Russland dort genug geschwächt worden um London hier auf absehbare Zeit keine Probleme mehr machen zu können, hätte das durchaus obsolt werden können.
 
Dem würde ich schon insofern widersprechen als dass ich besteiten würde, dass es so etwas wie eine britische Weltmachtsstellung gab.
Das sah Theodor Fontane ganz ähnlich. Im Gästebuch einer waliser Jagdhütte hat er einmal einige ursprünglich auf eine Wachtel gemünzte Verse umgedichtet:

Seht euch dieses England an!
Trippelt durch den dunklen Tann.
Tut grad so, als sei es wer.
England, England irrt sich sehr.
Wär es hunderttausend Russen,
hätt den Vatikan zerschussen
und vom Papst befreit, ja dann
England England Dschingis-Khan!
Doch mein England ist nur friedlich,
rundlich und unendlich niedlich.
Es erweckt nur Sympathie.
Weltmacht England wird es nie.
 
Ich sehe es nicht als gegeben an, dass Großbritannien die Kooperation mit Russland in Asien unbedingt auch in Zukunft benötigt hätte. Wäre Russland dort genug geschwächt worden um London hier auf absehbare Zeit keine Probleme mehr machen zu können, hätte das durchaus obsolt werden können.

Ein immer mächtiger werdendes Russland war jedenfals aus britischer Sicht ebensowenig wünschenswert wie ein immer mächtiger werdendes Deutschland.

"Das Jahr 1914 wurde dominiert von Spekulationen über Russlands derzeitige und zukünftige Stärke, nicht nur in Deutschland und Österreich-Ungarn, sondern auch in Frankreich und Großbritannien. In London betrachtete man sowohl Russland als auch Deutschland als potentielle Bedrohung für den Status quo in Europa und fürchtete, dass das Bündnissystem sich nicht als stabil erweisen würde. [...] Besondere Kofpschmerzen bereitete den Diplomaten in London die Gefahr, die ein erstarktes Russland in Zukunft für das britische Empire, insbesondere für Indien, darstellen konnte. Es zeichnete sich bereits deutlich ab, dass Russland über kurz oder lang Deutschland überlegen sein würde." (Annika Mombauer, Die Julikrise, München 2014, S. 20)
 
Ein immer mächtiger werdendes Russland war jedenfals aus britischer Sicht ebensowenig wünschenswert wie ein immer mächtiger werdendes Deutschland.
Ich verstehe nicht, wie man bzw. Frau Mombauer zu dieser Einschätzung kommt. Knappe 9 Jahre zuvor hat Russland den Krieg gegen Japan und verloren und war gleichzeitig innenpolitisch durch eine Revolution geschwächt worden. 1907 tratt das aus meiner Sicht geschwächte Russland der Entente cordiale bei.
Was hat sich in diesen 9 Jahren seit 1905, bzw 7 Jahren seit 1907 in Russland getan, damit das Land im Ausland, speziell in Großbritannien, als aufsteigende Macht und potentieller Gegner wahrgenommen wurde?
 
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