WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Ähem , das habe ich schriftlich und habe keine Veranlassung, das in Frage zu stellen.
Aber du wirst mir zugestehen Veranlassung zu haben so etwas, zumal als globale Aussagen infrage zu stellen, so lange du nichts anderes dazu präsentierst, als die für mich nicht nachprüfbare Behauptung , dass das von Seiten eines bekannten (namentlich nicht weiter benannten) Historikers oder einer Historikerin so an dich herangetragen wurde?

Ich könnte jetzt behaupten:

Ich weiß Übrigens von einem sehr bedeutenden Historiker, dass Churchill passionierter Marathonläufer und Nichtraucher war, und dass er letztendlich an dramatischer Unterversorgung seiner Hirnzellen mit Tabakqualm verstorben ist.
Das habe ich auch schriftlich und keinn Grund das infrage zu stellen, kann die Quelle aber natürlich nicht offenlegen, weil es einen politischen Konsens gibt, das Churchill Kettenrachuer war, und der aus politischen Gründen (z.B. Förderung der britischen Tabakindustrie) nicht infrage gestellt werden darf.
Daher würde Offenlegung der Quelle den Ruf eines bekannten Historikers möglicherweise beschädigen und ich muss davon Abstand nehmen.


Würdest du nun also zugestehen mir das unbesehen zu glauben und wärst du bereit Unverständnis von meiner Seite als berechtigt anzusehen, wenn du es nicht tätest?
 
Zuletzt bearbeitet:
Also gemäß Turgot, müsstest du damit jedenfalls mangels "dreckwerfen" deine internationale Reputation los sein.

Was allerdings an der Feststellung, dass Deutschland bei bestimmten Ereignissen keine Rolle hatte, da nicht direkt involviert irgendwas mit der Frage zu tun hat, ob man etwas "germanophil" nennen kann, weiß ich nicht.

Wir reden bei der Juli-Krise ja nunmal über ein Ereignis, in das Berlin definitiv sehr direkt involviert war (wie auch in die meisten dem Krieg vorangegangenen Krisen), so dass sich die Frage ob etwas nun als besonders deutschlandfreundlich betrachtet werden kann, hier sinnvollerweise allenfalls auf die Bewertung der deutschen Rolle in der Angelegenheit beziehen kann, nicht auf das bestreiten des Umstands, dass Deutschland darin so etwas wie eine Rolle hatte.

Ich habe ja auch nicht behauptet, das Deutschland nicht involviert war.

Was ich nicht so ganz verstehe, ist, das, wenn ein Historiker zur Abwechslung über die deutschen Fehler in der Vorkriegsgeschichte und der Julikrise hinaus, auch die Fehler und Versäumnisse und Kriegstreiberei der anderen europäischen Großmächte explizit benennt, als deutschfreundlich gilt? Ist es eigentlich nicht eine Selbstverständlichkeit sämtlich Akteuere des Untersuchungsgegenstandes zu betrachten? Fischer hat sich den Luxus, hier könnte man im Umkehrschluss von antideutsch sprechen, nur Berlin in den Fokus genommen.

Niemand behauptet, das Deutschland keine Rolle spielte oder gar unschuldig sei. Aber meines Erachtens nach liegt der Schwerpunkt in Petersburg und Paris.
 
Ein häufiges Phänomen! Geht mir auch oft so.

Im umgangssprachlichen Gebrauch ist das Adjektiv germanophil heuer mit unterschwellig negativer Konnotation in Verwendung. In der lateinfreien Version deutsch(en)freundlich ist sein konnotativer Leumund etwas besser.
Bezogen auf eine prinzipiell wissenschaftliche Publikation (Schlafwandler) sowie deren Verfasser enthält beides, germanophil wie deutschfreundlich, als Beurteilung 1. den kompletten umgangssprachlichen Rattenschwanz (argumentationsfreie Diskreditierung) und 2. eine sonderbare Unterstellung, nämlich dass "Germanophilie/Deutschfreundlichkeit" quasi die Intention, die Absicht von Publikation und Verfasser sei.
Beides ist im Fall Clark fehl am Platz. Denn so primitiv-plakativ ist dessen Untersuchung nicht - aber vorgefasste Meinungen reagieren gerne mit dieser Sorte Diskreditierung, wenn sie sich nicht bestätigt sehen. (Die andere Variante ist der mit Entrüstung vorgebrachten Revisionismus Verdacht)

Wer den Schlafwandlern und ihrem Verfasser Germanophilie unterstellt, belegt bestenfalls, das Buch nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben.
 
Aber du wirst mir zugestehen Veranlassung zu haben so etwas, zumal als globale Aussagen infrage zu stellen, so lange du nichts anderes dazu präsentierst, als die für mich nicht nachprüfbare Behauptung , dass das von Seiten eines bekannten (namentlich nicht weiter benannten) Historikers oder einer Historikerin so an dich herangetragen wurde?

Den Historiker kann und will ich hier nicht namentlich erwähnen. Ich glaube, das ich mir hier in den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten, nichts aus den Fingern gesaugt habe und schon ein gewissen Maß an Glaubwürdigkeit beanspruchen darf.
 
Ich habe ja auch nicht behauptet, das Deutschland nicht involviert war.
Habe ich dir auch nicht vorgeworfen.

Was ich nicht so ganz verstehe, ist, das, wenn ein Historiker zur Abwechslung über die deutschen Fehler in der Vorkriegsgeschichte und der Julikrise hinaus, auch die Fehler und Versäumnisse und Kriegstreiberei der anderen europäischen Großmächte explizit benennt, als deutschfreundlich gilt? Ist es eigentlich nicht eine Selbstverständlichkeit sämtlich Akteuere des Untersuchungsgegenstandes zu betrachten? Fischer hat sich den Luxus, hier könnte man im Umkehrschluss von antideutsch sprechen, nur Berlin in den Fokus genommen.
Ob das bei Fischer ein Luxus war, weiß ich nicht (Zugangsmöglichkeiten zu anderen Quellen). Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass irgendjemand Clark als germanophil bezeichnet hätte, weil er auch über andere Dinge redet, als über den Blancoschek.

Es ist ja durchaus so, dass er das Handeln anderer Parteien, (meinem Eindruck nach im Besonderen Frankreich) nicht einfach als Nebenannekdote abhandelt sondern da durchaus sehr sehr kritisch hinschaut und ich denke, dass weißt du auch ziemlich gut.
Das ist schon ein wenig mehr als pflichtschuldiges Referieren weiterer Tatsachen gewesen, sondern da steckt schon eine durchaus recht frankreichkritische Haltung drinn, jedenfalls meinem Empfinden nach.

Im umgangssprachlichen Gebrauch ist das Adjektiv germanophil heuer mit unterschwellig negativer Konnotation in Verwendung.
In meinem Sprachgebrauch nicht, aber bitte, vielleicht ist das eine Besonderheit bei mir.
Ich halte allerdings "germanophil", "francophil", "anglophil" für wesentlich weniger abwertend konnotiert, als das neuerlich im Sprachgebrauch populäre "pro-irgendwas".

In meinem Verständnis bezeichnen Ausdrücke wie "germanophil" oder "aglophil" nicht unbedingt Vorwürfe übermäßiger Parteinahme, sondern eher eine unterschwellige, durchaus vor allem durch ein Interesse an Kultur und Sprache bedingte Sympathie.

Und die unterstelle ich Clark, wie auch ein echtes, ernsthaftes Interesse daran zu versuchen die Dinge auch aus der Deutschen Warte zu begreifen und aufzufassen und nicht bloß, die im eigenen Kulturkreis tradierten Narrative in Form einer Außensicht widerzukäuen. Überzogen pro-deutsche Parteinahme unterstelle ich ihm nicht und so habe ich auch @Mittelalterlager nicht verstanden.


Den Historiker kann und will ich hier nicht namentlich erwähnen. Ich glaube, das ich mir hier in den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten, nichts aus den Fingern gesaugt habe und schon ein gewissen Maß an Glaubwürdigkeit beanspruchen darf.
Siehe Edit meines letzten Beitrags. ;)
 
Wer den Schlafwandlern und ihrem Verfasser Germanophilie unterstellt, belegt bestenfalls, das Buch nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben.
Ich habe es gelesen, es ging doch bei meiner Einlassung nicht um das Buch, mir ging es doch nur ganz allgemein um die Einordnung der Autoren in ihrer jeweiligen Tendenz. Ich wollte damit keine Wertung abgeben, aber es gibt ja durchaus erhebliche Unterschiede zum selben Thema zwischen C.C und z.B. Ian Kershaw!?
 
Aber du wirst mir zugestehen Veranlassung zu haben so etwas, zumal als globale Aussagen infrage zu stellen, so lange du nichts anderes dazu präsentierst, als die für mich nicht nachprüfbare Behauptung , dass das von Seiten eines bekannten (namentlich nicht weiter benannten) Historikers oder einer Historikerin so an dich herangetragen wurde?

Ich könnte jetzt behaupten:

Ich weiß Übrigens von einem sehr bedeutenden Historiker, dass Churchill passionierter Marathonläufer und Nichtraucher war, und dass er letztendlich an dramatischer Unterversorgung seiner Hirnzellen mit Tabakqualm verstorben ist.
Das habe ich auch schriftlich und keinn Grund das infrage zu stellen, kann die Quelle aber natürlich nicht offenlegen, weil es einen politischen Konsens gibt, das Churchill Kettenrachuer war, und der aus politischen Gründen (z.B. Förderung der britischen Tabakindustrie) nicht infrage gestellt werden darf.
Daher würde Offenlegung der Quelle den Ruf eines bekannten Historikers möglicherweise beschädigen und ich muss davon Abstand nehmen.


Würdest du nun also zugestehen mir das unbesehen zu glauben und wärst du bereit Unverständnis von meiner Seite als berechtigt anzusehen, wenn du es nicht tätest?
Auf jeden Fall hast du eine blühende Fantasie.
 
Und darf man auch fragen wodurch?

Aus dem, was der von dir genannte Clark geschrieben hat, geht das durchaus nicht hervor. Clark hat in seinen Schlafwandlern vermieden offen Stellung zu Fragen von Schuldverteilung zu beziehen und aus dem, was er in dem Buch geschriben und wie er sich verschiedentlich geäußert hat, wird man ableiten können, dass Clark eher kein Anhänger des Fischer'schen "Hauptschuld-Postulats" ist.

Die Behauptung, dass man die These, dass Deutschland allerdings dennoch große Schuld am Kriegsausbruch trage, als widerlegt betrachten könnte, geht allerdings weit über das hinaus, was Clark jemals geschrieben oder behauptet hat.
Und insofern Clark sich zwar gegenüber dem Fischer'schen Hauptschuld-Postulat eher reserviert gezeigt hat, die wesentlichen Erkenntnisse Fischers hinsichtlich problematischer Schritte seitens Berlin, allerdings in seine Gesamtsicht übernommen hat, wage ich mal die Vermutung, dass sich Clark selbst einem Gesamturteil, dass keine erhebliche Verantwotung für den Kriegsausbruch auf deutscher Seite konstatieren würde eher nicht anschließen würde.

Ablehnung des Hauptschuld-Postulats und Ablehnung einer großen Schuld/Verantwortung Deutschlands insgesamt (ohne darüber etwas über die Verantwortung anderer Akteure in Relation auszusagen) sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Mal davon abgesehen, dass sich eine Hauptverantwortung Deutschlands, wenn man sie denn postulieren wollte, möglicherweise auch aus anderen Argumenten herleiten ließe, als aus denen, die Fischer verwendet hat.
Insofern bei aller methodisch durchaus berechtigten Kritik an Fischers Hauptschuldpostulat, widerlegt ist, abgesehen von der fischer'schen Hauptschuldthese, eigentlich nichts und diese auch nur, weil Fischer seinerzeit keine umfassende Untersuchung der Verhältnisse bei allen Kriegsteilnehmern in sein Postulat hat einfließen lassen, sondern sich lediglich um die deutschen Verhältnisse gekümmert hat.

Das macht sein Hauptschuld-Postulat natürlich angreifbar, weil man ihm vorwerfen kann, es auf keine solide Datengrundlage gestützt zu haben, wobei ihm allerdings durchaus zuzugestehen ist, dass er eine Umfassende Betrachtung aller Parteien in der Julikrise, wie Clark das geleistet hat, seinerzeit nicht liefern konnte, schon weil es vor 1990 nicht möglich war an die sowjetischen/russischen Archive heran zu kommen und das dort vorhandene Material einigermaßen vollständig zu sichten und einzuordnen, womit der gesamten Geschichtsschreibung bis zum Ende der Sowjetunion ein detailliertes, einigermaßen unverfälschtes Bild dieses Schlüsselakteurs in der Juli-Krise fehlte.

Allerdings, wie gesagt, auch wenn man Fischers Postulat zurückweist, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dennoch eine Hauptverantwortung für diesen Krieg bei Berlin zu sehen und das anders zu begründen.
Ob die Begründung dann in Einzelnen valide wäre, wäre zu diskutieren, aber jedenfalls resultiert aus der Ablehnung der Begründung Fischers nicht, dass sämtliche anderen denkbaren Begründungen ebenfalls zu verwerfen seien.

Weder im Hinblick auf eine Hauptverantwortung, noch gar im Hinblick auf eine niedrigschwelligere "große Schuld/Verantwortung", die Fischer mit dem "Blancoscheck" und einigen anderen Verhaltensweisen der Deutschen Regierung während der Krise valide begründet und der im Gegensatz zu Fischers Hauptschuldpostulat die spätere Geschichtsschreibung im Kern auch nicht mehr widersprochen hat (das ist bei aller Kritik ein bleibendes Verdienst Fischers, das herausgearbeitet zu haben).

Clark räumt zum Beispiel mit dem Märchen auf, die deutsche flotte sei Für GB kriegsgeund gewesen .

Auch war Deutschland so ziemlich das lezte Land, welches mobil machte .

Due Ursachen des 1 WK sind zurecht auf dem Balkan zu suchen
 
Wenn dem so sein sollte?, dann wäre es sicherlich nicht falsch gewesen, auf die These mit der „Hauptschuld“ zu verzichten.
Du weißt wie ich zu Fischers Hauptschuldthese stehe. Er hätte darauf verzichten sollen, jedenfalls aus wissenschaftlicher Prspektive.

Was aber den Zugang zu Archivmaterialien angeht.
Von den Sowjets bekam Fischer mit Sicherheit nichts, und so kurz nach dem zweiten Weltkrieg wird man auch in London und Paris kaum gewillt gewesen sein, die eigenen problematischen Episoden im Weg auf den 1. Weltkrieg hin, ausgerechnet in die Hände eines Deutschen Historikers mit SA-Vergangenheit zu legen.

An die österreichischen Quellen, kam Fischer vielleicht drann. Und wenn er die gesichtet haben sollte, müsste man an sein Werk die Frage stellen, warum das von Berlin autonome Handeln Wiens in Fragen der Juli-Krise kaum gewürdigt wurde (das spielt ja in Sachen Blancoschek im Rahmen der Mission Hoyos durchaus eine Rolle).
Das Fischer in der Betrachtung Russlands, und die Westmächte nicht oder nur oberflächlich drinn hat, wird man ihm persönlich, denke ich nicht unbedingt vorwerfen können.
 
Clark räumt zum Beispiel mit dem Märchen auf, die deutsche flotte sei Für GB kriegsgeund gewesen .
Das ist nicht unbedingt ein Märchen gewesen, sondern eben der Erklärungsversuch aus der Perspektive Fischers und seiner Nachfolger, die wohl zum Teil einfach die britischen Quellen/Interna nicht kannten und versuchten das aus der deutschen Perspektive heraus zu erklären.

Ohne das Verständnis der britischen Bedenken wegen Indien und ohne das Wissen darum, dass für die Briten die Ruhigstellung/Beschwichtigung Russlands als strategische Option eine bedeutende Rolle spielte, war es durchaus nicht völlig unlogisch den Grund für die britische Haltung gegenüber Deutschland vorwiegend in den deutschen Marinerüstungen zu sehen, zumal die "Flottenpanik" ja ein reales Phänomen war und sich das Schreckgespenst einer deutschen Invasion in Befürchtungen und Literaturprodukten innerhalb der britischen Gesellschaft ja durchaus fassen ließ, auch ohne an die Archive mit den britischen Regierungunterlagen aus der Zeit heran zu kommen.

Das ist aber eigentlich nicht neu, sondern liegt in der Geschichtsschreibung selbst schon länger vor. Es ist nur in der Öffentlichkeit bis dato nicht angekommen, im Besonderen weil in den Schulen im Geschichtsunterricht Dinge vermittelt werden, die dem historischen Forschungsstand oftmals um Jahrzehnte hinterherhinken, was diverse Gründe hat und weil es eben von der Medienlandschaft relativ wenig aufgegriffen wurde.
Aber die greift, im Besonderen was die klassischen Medien angeht (demgebenüber haben wenigstens einige Museen mittlerweile hochinteressante Onlineinhalte) halt ohnehin niemand wirklich tiefgründig auf, was aber kein spezielles Problem der Deutschen Geschichte oder der Epoche der Weltkriege etc. ist.

Auch war Deutschland so ziemlich das lezte Land, welches mobil machte .
Das relativert sich allerdings dadurch, dass Deutschland das deutlich höchste Mobilmachungstempo hatte. Deutschland konnte auch wenn es nicht als erstes zur Mobilmachung überging unter den Großakteuren noch immer den ersten Schlag austeilen.
Allerdings bot verzögerte Mobilmachung den innenpolitischen Vorteil den Krieg als Verteidigungskrieg ("die Russen haben ja zuerst mobilisiert") verkaufen zu können und das sollte man bei der Wahl des Zeitpunktes der Mobilisation durch Berlin durchaus im Auge behalten.


Due Ursachen des 1 WK sind zurecht auf dem Balkan zu suchen
Nö.
Die Auslöser sind da zu suchen. Die Ursache liegt im Wesentlichen darin, das die Blockbildung unter den Großmächten und die Neuausrichtung der expansiven Energien der europäischen Großakteure, zum Teil durchaus auch durch außereuropäische Ereignisse bedingt eine Lage schuf, in der es kein machtpolitisches Gleichgewicht mehr in Europa gab, was letztendlich in den Rüstungswettlauf führte und den Versuch aus dieser Konstellation gewaltssam auszubrechen.
 
Was aber den Zugang zu Archivmaterialien angeht.
Von den Sowjets bekam Fischer mit Sicherheit nichts, und so kurz nach dem zweiten Weltkrieg wird man auch in London und Paris kaum gewillt gewesen sein, die eigenen problematischen Episoden im Weg auf den 1. Weltkrieg hin, ausgerechnet in die Hände eines Deutschen Historikers mit SA-Vergangenheit zu legen.

...und NSDAP Vergangenheit. Ja, das stimmt sicher, deshalb war seine These auch reichlich verwegen.
An die österreichischen Quellen, kam Fischer vielleicht drann. Und wenn er die gesichtet haben sollte, müsste man an sein Werk die Frage stellen, warum das von Berlin autonome Handeln Wiens in Fragen der Juli-Krise kaum gewürdigt wurde (das spielt ja in Sachen Blancoschek im Rahmen der Mission Hoyos durchaus eine Rolle).
Das Fischer in der Betrachtung Russlands, und die Westmächte nicht oder nur oberflächlich drinn hat, wird man ihm persönlich, denke ich nicht unbedingt vorwerfen können.

Das Matsckekomemorandum hatte Fischer auch nicht auf dem Radar.

Das Matscheko-Memorandum vom Juni 1914 und seine Bedeutung für die frühen Entscheidungen in der Julikrise


Due Ursachen des 1 WK sind zurecht auf dem Balkan zu suchen

Der Anlass ja, die Ursachen nein.

Das geht weiter zurück. Im Prinzip waren Großbritannien, Frankreich und Russland nicht willens die großmacht Deutschland als gleichberechtigt anzuerkennen. Deutschland galt als Spätstarter, war läsitig und wurde in seinem Expansionsdrang behindert wo es ging.

So beispielsweise wie Großbritannien Deutschland hinter das Licht führte, wie bezüglich des Erbes der portugiesischen Kolonien der Fall war, wo man sich nach dem Arrangement mit Deutschland dann anschließend eben doch mit Lissabon geeinigt hatte.
Oder die Zusammenarbeit/Einigkeit der Briten mit den USA inLateinamerika, die das Deutsche Reich praktisch ausschloß. Oder das Bündnis England mit Japan, welches sich auch gegen deutsche Versuche sich in Ostasien zu engagieren richtete. Oder die französich-russisch-britischen Absprachen im Mittleren und Nahen Osten zur Zukunft des Osmanischen Reiches und die Bagdadbahn oder die Marokkofrage oder die anglo-russische Konvention bezüglich Persien. Es ging auch darum Berlin auszuschließen.

Diese ganzen Abmachungen/Bündnisse führten in Deutschland dazu, sich eingekreist zu fühlen. So bemühten sich die Russen vor dem Weltkrieg darum, Rumänien Österreich-Ungarn und Deutschland abspenstig zu machen. Serbien wurde schon mit französischen Krediten aufgerüstet.

Die Abmachungen von 1907 zwischen England und Russland, kurz danach die zwischen Russland und Japan, die dazu führten, das Russland sein Interessenschwerpunkt aus Asien auf dem Balkan/die Meerengen verlegte.

Das alles führte zu schweren diplomatischen Krisen. Marokko Teil 1, Bosnische Annexionskrise, Marokko Teil 2, Balkankriege, Liman-von-Sanders Krise. Europa war ein Pulverfass, welches kurz vor der Explosion stand.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Avarice1987 was sind Durchmarschrechte? Das Wort ist mir bislang nirgends aufgefallen.

Es gibt ja auch im Völkerrecht keinen Präzedenzfall das einem Staat das Recht gibt, mal eben auf die Neutralität und Souveränität eines Staates zu pfeifen, weil der Zeitplan des Schlieffenplans das sozusagen alternativlos macht.

"Durchmarschrechte" geltend zu machen, so als würde man nur mal dem Nachbar durch den Borgarten latschen, das ist nichts anderes, als eine Umschreibung des guten alten Rechts des Stärkeren.
 
Es gibt ja auch im Völkerrecht keinen Präzedenzfall das einem Staat das Recht gibt, mal eben auf die Neutralität und Souveränität eines Staates zu pfeifen
Nicht nur das. Einem neutralen Staat hau-ruck-zack-zack Bedingungen stellen (du bist jetzt unser Durchmarsch- und Logistikgebiet) und wenn diese nicht devot ad hoc befolgt werden, den Krieg erklären (einem neutralen souveränen Staat) und mit Kanonen drauflos schießen: dieses Gebinde enthält sicherlich nicht nur einen einzigen Völkerrechtsbruch! Da gibt's gar keine Zweifel.

Der Beginn des Ersten Weltkriegs ist das aber nicht, wie mir scheint: der hatte doch schon 4-5 Tage vorher begonnen. Damit meine ich nicht nur die österr. Kriegserklärung an Serbien. Auslöser oder Beginn des Weltkriegs war der aggressive Einmarsch in Belgien und Luxemburg wohl nicht (?), jedenfalls war die deutsche Kriegserklärung an Russland 1-2 Tage vorher. Aber zweifelsohne weitete diese eklatante Dummheit (Neutralität von Belgien und Luxemburg verletzen) den Krieg, der schon begonnen hatte, aus.
 
Serbien machte bereits am 24.07. mobil. Das ging nur mit russischer Rückendeckung; sonst hätten Belgrad den Forderungskatalog Wiens ganz sicher abgenickt gehabt.
Die Russen begannen auch zügig mit der Generalmobilmachung und somit klar wurde, das der Krieg nicht lokal bleiben würde, das Russland es nicht dulden wollte, das Österreich-Ungarn gegen Serbien eine "Strafexpedition" durchführte.

Zur Note, die das Ultimatum an Belgien zum Gegenstand zwecks Durchmarsch hat:

Deutsches Ultimatum an Belgien – Wikipedia
 
Aber zweifelsohne weitete diese eklatante Dummheit (Neutralität von Belgien und Luxemburg verletzen) den Krieg, der schon begonnen hatte, aus.
Und an genau dieser Stelle kann ich besagte Dummheit der deutschen Politik und Militärs nicht nachvollziehen.

Da ich von der ganzen Chose nicht sonderlich viel verstehe, nehme ich meine eingeengte Festungsperspektive ein: man wusste in D, dass man nicht durch den franz. eisernen Riegels brechen kann / man hatte mit Istein-Straßburg-Mutzig-Germersheim-Mainz sowie Metz-Thionville-Köln-Wesel-Kleve einen mindestens ebenso starken "Kontra-Riegel".
Von der Nordsee her drohte dem Festland nichts (massiv befestigt), von der Ostsee her auch nicht. Nicht mal von Dänemark her, da baute man später die Sicherungsstellung Nord.
Gen Russland hätte man ebenfalls einen starken Festungsriegel.
---- man hätte sich beruhigt einigeln können, also abwarten und zugleich Vertragspartner KuK unterstützen können.

Bon, das wollte man blöderweise nicht, es kam anders.
 
---- man hätte sich beruhigt einigeln können, also abwarten und zugleich Vertragspartner KuK unterstützen können.

Wobei unterstützen? Bei den Maßnahmen gegen Serbien?

"Ich rechne mit dem 2. August als ersten Mobilmachungstag und bin bereit, in Erfüllung meiner Bündnispflichten sofort den Krieg gegen Rußland und Frankreich zu beginnen. In diesem schweren Kampfe ist es von größter Wichtigkeit, daß Österreich seine Hauptkräfte gegen Rußland einsetzt und sich nicht durch gleichzeitige Offensive gegen Serbien zersplittert. Dies ist um so wichtiger, als ein großer Teil meines Heeres durch Frankreich gebunden sein wird. Serbien spielt in dem Riesenkampfe, in den wir Schulter an Schulter eintreten, eine ganz nebensächliche Rolle, die nur die allernötigsten Defensivmaßregeln erfordert."

 
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