WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

Du irrst Dich mit: “weil London gesteigerten Wert auf den Erhalt der französischen Großmacht legte”. Kam garnicht in’s Spiel.

Nein, @Shinigami irrt nicht. Wurde schon hinreichend oft genug, auch mit Quellen belegt, ausgeführt und dargestellt.
Du irrst Dich mit: “dass GB keinen Grund gehabt hatte auf die Integrität Belgiens Wert zu legen”. Im Gegenteil, das war GB’s Hauptgrund gewesen. GB sah sich quasi Belgien’s Schutzpatron

Das war sicher nicht der Hauptgrund für Großbritannien in dem krieg einzutreten. Auch dies wurde schon mehr als einmal ausgeführt. Gewöhne dich an dem Gedanken, das auch Großbritannien nicht ohne Fehl und Tadel war. Im folgenden erwähne ich lediglich eine Quelle, da ich schon ausgeführtes nicht ständig wiederholen möchte.
Zwei Tage vor Beginn des Krieges ließ der britische König Georg V. seinen Außenminister Sor Edward Grey zu sich kommen. Im Verlauf des Gesprächs habe Grey ausgeführt, er könne unmöglich sehen, welchen zu rechtfertigenden Grund England finden könnte, um in dem Krieg zu ziehen. Worauf der könig genantwortet hat: " Sie müssen einen Grund finden, Grey. Deutschland würde, wenn England sich nicht am Krieg beteilige mit Frankreich aufräumen und, nachdem es Europa erledigt hätte, dieses Land [England] vollständig dominieren. Deshalb sei es absolut notwendig, einen Grund zu finden, um sofort in den Krieg einzutreten."

Dies geht us einen Dokument hervor, welches Adrian Graves, der Urgroßneffe von Sir Edward Grey publizieren ließ. Das maschinengeschriebene Blatt protokolliert ein Gespräch zwischen Graves und König Georg V. vom 08.Oktober 1933. Der König hatte Graves zu sich gebeten, um diesen zu dem Tod von Sir Edward zu kondolieren.

Diese Dokument wurde am 26.Juli 2014 vom Dailey Telegraph publiziert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich will noch eine zweite Quelle bemühen.

Am 30.Juli schrieb der britische Premier an König Georg V. und informierte diesen darüber, dass das Kabinett sich dahingehend einig sei, das die Klauseln des Neutralitätsvertrages von 1839 einer einzelnen Signatarstaat eben nicht so weiteres das Recht einräume, den Bruch der Neutralität zu ahnden, wenn die anderen vertragschließenden Parteien dies verweigerten. Deshalb habe man beschlossen, dass die Angelegenheit, sollte sie akut werden, eine politische und keine rechtliche Verpflichtung sei. Damit hatte die britische Regierung faktisch die völkerrechtliche Grundlage als Basis für die Legitimation für den eigenen Kriegseintritt als untauglich erklärt. (1)

Aber die brutale Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland war "der beste Grund" der sich eben finden ließ und somit musste der Vertrag von 1839 eben doch herhalten. Ein anderer Grund war nicht aufzutreiben.
Und es machte sich natürlich auch vor der Weltöffentlichkeit sehr gut von Vertragstreue und Übernahme einer Schutzverpflichtung eines kleines Staates zu sprechen. Und es befreite, so Lord Morley, den britschen Staatssekretär des Äußeren Sir Edward Grey von dem Dilemma, dem Kabinett dafür eine Rechtfertigung geben zu müssen, dass er England sehr kunstvoll über die letzten Jahre hinweg Schritt für Schritt in einem Krieg für Frankreich und Russland getrieben habe. (2)




(1) John A. Spender/Cyril Asquith, "Life of Herbert Asquith, Band 2, S.114
(2) Rose, Peace Party S.109f
 
Du meinst fuer GB als ‘gewoehnliche’ Macht, haette in 1914, trotz seiner am 19. April 1839 gegenueber Belgien feierlich unterschriebene Neutralitaetserklaerung, keine Obligationgehabt, Belgien im Notfall solidarisch zur Seite zu stehen?
Stimmt. Damit hast Du Recht.
Doch warum?
Nein, wo sollte ich das geschrieben haben?
Ich meine, dass wenn es ausschließlich um diese Verpflichtungen gegangen wäre, es für London logisch gewesen wäre den auf dem Tisch liegenden Vorschlag aus Berlin, dass Deutschland sich im Westen nicht offensiv verhalten und seine westlichen Nachbarn in Ruhe ließe, falls London im Gegenzug Berlin seine Neutralität im Fall eines kontinentalen Krieges zusicherte, aufzugreifen und anzunehmen oder jedenfalls zu versuchen auf einer ähnlichen Grundlage mit Berlin über eine Neutralitätsgarantie zu verhandeln.

Großbritannien hätte seinen Garantieerklärungen für Belgien seinem Verhalten nach ja auch entsprochen, wenn es vermittels diplomatischer Verhandlungen mit Berlin und einem entsprechenden Abkommen die Neutralisierung Belgiens in einem heraufziehenden großen Krieg erreicht hätte.

Hier stellt sich also die Frage, warum schlug London den Vorschlag aus, obwohl er im britischen Interesse hätte sein müssen, weil eine Achtung der Neutralität Belgiens durch Deutschland und der Verzicht auf eine Westoffensive dann nicht zu einer Aktivierung der britischen Garantien für Belgien geführt hätte, auf die London dann nicht hätte reagieren müssen, was der Regierung Asquith die Debatte mit dem Parlament und die innenpolitischen Folgen erspart hätte?
Wäre es nur um die gegebenen Garantien für Belgien gegangen, hätte London angenommen oder versucht ein Abkommen über die Achtung der belgischen Neutralität auf anderer Basis zu finalisieren. Tat es aber nicht.

Das Ausschlagen oder jedenfalls das Nichtaufgreifen dieses Angebots ergibt nur dann einen Sinn, wenn auf Londoner Seite andere Erwägungen und Interessen im Spiel waren, die es opportun erscheinen lassen mussten sich die Option einer Beteiligung am Krieg auf Seiten der Entente weiterhin offen zu halten, auch wenn Deutschland die britischen Garantien für Belgien nicht aktivierte.

Diese Erwägungen und Interessen drehten sich um die Machtverteilung auf dem europäischen Kontinent, namentlich um die bedrohte Position Frankreichs als Großmacht, für den Fall, das der französisch-russische Zweibund diesen Krieg verlieren würde.
 
Dies geht us einen Dokument hervor, welches Adrian Graves, der Urgroßneffe von Sir Edward Grey publizieren ließ. Das maschinengeschriebene Blatt protokolliert ein Gespräch zwischen Graves und König Georg V. vom 08.Oktober 1933. Der König hatte Graves zu sich gebeten, um diesen zu dem Tod von Sir Edward zu kondolieren.

Das allerdings ist nicht so ganz unproblematisch, weil eben kein zeitgenössisches Dokument im Hinblick auf die Julikrise, sondern fast 20 Jahre danach entstanden und demnach gattungstechnisch ein etwas seltsames Zwischending zwischen Überrestquelle und Memoirenliteratur (ist eigentlich der Protokollant bekannt und das Protokoll selbst durch irgendwelche Amtsstempel o.ä. beglaubigt?).

Wenn George V. da 20 Jahre nach den Ereignissen (also schon Zeitlich mit reichlich Verklärungspotential) und im Rahmen privater Äußerungen, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, anlässlich eines Kondolenzbesuches (wo es ja immerhin um die Würdigung eines Toten geht, bei der - sein wir ehrlich - aus Pietätsgründen auch schonmal etwas dick aufgetragen wird und Dinge rückwirkend beschönigt werden), so etwas sagte, dann würde ich ehrlich gesagt nicht so viel Gewicht darein legen.

Schon gar nicht würde ich mich darauf versteifen es wörtlich zu nehmen.

Aber die brutale Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland war "der beste Grund" der sich eben finden ließ und somit musste der Vertrag von 1839 eben doch herhalten. Ein anderer Grund war nicht aufzutreiben.
Das ist mir etwas zu offensiv formuliert, weil es Unterstellt, die britische Regierung wäre von Anfang an darauf fixiert gewesen unbedingt mitmischen zu wollen und hätte lediglich einen Grund gesucht.

Das sehe ich allerdings so auch nicht belegt.
Man wird wegen der evident nicht vorhandenen Bereitschaft die eigene Neutralität zu erklären, für den Fall, dass sich Deutschland im Westen ruhig verhielt sicherlich festhalten können, dass Londons Standpunkt war, sich auf gar keinen Fall zu binden und sich in jedem Fall die Option eines Kriegseintritts für später aufzuheben.
Aber dazwischen sich eine Option grundsätzlich offen zu halten und fest mit ihr zu planen und darauf hin zu arbeiten, besteht doch durchaus noch ein Unterschied.
 
Das ist mir etwas zu offensiv formuliert, weil es Unterstellt, die britische Regierung wäre von Anfang an darauf fixiert gewesen unbedingt mitmischen zu wollen und hätte lediglich einen Grund gesucht.

Das habe ich nirgends geschrieben und auch nicht behauptet.

Grey hatte gegeüber den britischen König, ich habe es oben geschrieben, doch darüber ins Bild gesetzt, das eigentlich kein Grund für ein Kriegseintritt vorläge. Auch die Mitteilung vom britischen Premier an Georg V. gibt entsprechende Auskunft; habe ich auch oben geschrieben.

Darüber hinaus lassen sich auch die Äußerungen von König Georg V. nicht einfach so beiseite schieben, nur weil sie 20 Jahre zurückliegen. Es ist ja wohl nicht unvorstellbar, das Georg V. sich über dieses bedeutende Gespräch eine Aufzeichnung gemacht hat. Und aus welchem Grunde sollte er haben, sich selbst zu so schwer zu belasten?

Dann die vor dir beschriebenen Vorgänge der deutschen Regierung um die britische Neutralität zu erhalten, auf die bekanntermaßen die britische Regierung nicht eingegangen war. Warum hat sie das Angebot wohl abgelehnt, wenn nicht die Absicht bestanden hatte, in dem Krieg einzutreten?
 
Darüber hinaus lassen sich auch die Äußerungen von König Georg V. nicht einfach so beiseite schieben, nur weil sie 20 Jahre zurückliegen. Es ist ja wohl nicht unvorstellbar, das Georg V. sich über dieses bedeutende Gespräch eine Aufzeichnung gemacht hat.

Dokumente, von denen lediglich "nicht unvorstellbar" ist, dass sie vielleicht existiert haben könnten, lassen sich nicht auswerten.

Wir müssen folgende Punkte festhalten:
- König George hat sicher nicht aus Aufzeichnungen zitiert, sondern aus der Erinnerung geplaudert. Bei einer 20 Jahre alten Erinnerung müssen deutliche Fragezeichen gesetzt haben, ob das Datum des Gesprächs und der Inhalt des Gesprächs richtig memoriert wurde.
- Die Aussagen König Georges wurden ebenfalls nicht protokolliert, sondern offensichtlich später - wiederum aus dem Gedächtnis - niedergeschrieben.

Wir hatten vor einiger Zeit mal einen Tagebucheintrag, der dokumentieren soll, die "erste und Grundidee" Wilhelms II. sei es gewesen, "Englands Weltstellung zugunsten von Deutschland zu brechen". Dass an solche Dokumente Fragezeichen angehängt werden müssen, sind wir uns doch einig?
 
@ Shinigami
Bibliophile: GB als uebermaechtige Seemacht hatte 1914 keine Gruende gehabt, sich um Machtkonstellationen und Landarmeen auf dem europäischen Festland Gedanken zu machen.
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Shinigami: Wenn es die nicht gehabt hätte, hätte es keinen Grund gegeben auf die Integrität Belgiens und den Erhalt der französischen Großmacht Wert zu legen. Darauf legte London allerdings gesteigerten Wert oder es hätt kaum einen sinnvollen Grund gehabt in den Krieg einzutreten.
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Shinigami: Nein, wo sollte ich das geschrieben haben?
Du meintest mit 'die': "GB als uebermaechtige Seemacht".
So wird aus Deinem Satz: "Wenn GB nicht die uebermaechtige Seemacht gehabt hätte, hätte es keinen Grund gegeben, auf die Integrität Belgiens und den Erhalt der französischen Großmacht Wert zu legen."
Und mit dieser Spekulation liegst Du 100-fach, nachweislich, totalemente, ganz daneben.
 
Auszug aus einem Memo von Sir Eyre Crowe vom 31.Juli 1914 an Sir Edward Grey

Deutschland hat unablässig danach getrachtet, England zu einer Neutralitätserklärung zu veranlassen, falls Deutschland in einem Krieg mit Frankreich und Russland verwickelt würde.
Die Sache war so durchsichtig, daß Seiner Majestät Regierung die Befolgung einer solchen Politik als unvereinbar mit ihrer Pflicht Frankreich und Russland, sowie auch England gegenüber abgelehnt hat. Der Vorschlag wurde uns gestern in konkreter Form wieder dringend unterbreitet, aber mit den Worten zurückgewiesen, die den Eindruck erweckten, daß der deutsche Vorschlag in den Augen Seiner Majestät Regierung auf ein Ansinnen an England hinauslaufe, eine ehrlose Tat zu begehen.

[...]

Das Argument, daß es keine schriftlichen uns an Frankreich bindenden Verpflichtung gibt, ist strengenommen zutreffend. Es besteht keine vertragsgemäße Verpflichtung. Die Entente wurde jedoch abgeschlossen, gekräftigt und in einer Weise erprobt und gefeiert, die den Glauben rechtfertigt, daß ein moralisches Band geschmiedet worden ist.Die ganze Politik der Entente kann keinen Sinn gehabt haben, wenn sie nicht bedeutet, daß England in einem gerechten Streitfall seinen Freunden beistehen würde. Diese Ehren-Erwartung wurde erweckt. Ohne unseren guten Namen ernster Kritik auszusetzen, können wir das nicht von uns weisen.

Nachzulesen in den Britischen Amtlichen Dokmenten über den Ursprung des Weltkrieges, Band 11, 2. Teilband
 
Das ging soweit, das eine britische Musikkapelle es verboten wurde nach Deutschland zu reisen.

Und als im Jahre 1909 der überfällig Gegenbesuch des deutschen Kaiser auf dem Programm stand, tat Grey alles, damit Wilhelm II. nicht, wie beabsichtigt, zwei Minister, mitbringt. Der Besuch sollte rein privaten, familiären Charakter haben. Andernfalls könnte ja die Staatsmänner in Paris auf dem Gedanken kommen, das durch die mitgebrachten deutschen Minister, Paris das als politische Demonstration, das da irgendetwas im Gange sei, auffassen. Und das dürfe natürlich nicht sein.
 
England hätte zum Zünglein an der Waage werden können. Vielleicht hat man im Foreign Office die Politik der Sängerbrücke nicht so ganz verstanden.

Das Kabinett war ja zu Beginn der "heissen" Phase der Julikrise durchaus uneinig, aber der entschlossene Kurs Greys, den der Bündnispflege und somit des Eintritts in dem Krieg, und seiner Freunde gaben letzten Endes den Ausschlag. Belgien war "nur" ein willkommener Vorwand, der zudem auch noch erstklassig propagandistisch ausgeschlachtet werden konnte.

Grey sein Vermittlungsversuch nach der serbischen Antwortnote erscheint unter diesen Vorzeichen parteiisch. Warum? Berlin sollte Wien dazu bringen, die serbische Note zu akzeptieren und als Grundlage für Verhandlungen nehmen. Ein diplomatisch geschickter Zug Greys, denn so brachte er die Mittelmächte ins Abseits. Das Foreign Office hatte, deutlich offener als beispielsweise in der Annexionskrise, für Russland Partei ergriffen, hielt sich die zu ziehenden Konsequenzen offen und stilisierte sich als Friedensapostel, ohne aber selbst auch nur ein Finger zu rühren und in Petersburg, Belgrad oder Paris aktiv zu werden.

Erst am 29.Juli 1914, als Belgrad bereits beschossen wurde, bequemte sich Grey, das Großbritannien im Falle eines Krieges unter Einschluss Frankreichs nicht abseits stehen würde. Allenfalls bei einen Krieg zwischen Wien und Petersburg, der Sieg würde sehr wahrscheinlich letzteren zugefallen und das Ende des Habsburger Reichs bedeutet, was das Foreign Office natürlich wußte, würde Großbritannien draußen bleiben.

Nunmehr änderte Bethmann seinen Kurs und sendete die "Halt in Belgrad" Formel am 30.Juli nach Wien. So langsam dämmerte Bethmann, das er Großbritannien eben nicht heraushalten konnte. Und der Leiter der britischen Außenpolitik hat ihn wiederholt angelogen hinsichtlich der projektierten Marinekonvention mit den Russen. Aber das war Bethmann in guter Gesellschaft, denn Grey hat auch das britische Parlament angelogen.

Unterdessen hatten die Russen, angespornt durch die serbische Mobilmachung, "offiziell" ebenfalls die Generalmobilmachung auf die Schiene gesetzt. Ein Krieg hätte nur noch dann vermieden werden können, wenn die Mittelmächte sich zu einem vollständigen Rückzug verstanden hätten. Sasonow hatte die Integrität Serbiens zur Lebensfrage für Russland hochstilisiert und das obwohl es nicht einmal mit Belgrad verbündet war oder einen Freundschaftsvertrag hatte. Die Meerengenfrage hat sicher auch einen entsprechende Rolle gespielt.

Als die deutschen Truppen die belgische Grenze überquerten und damit völkerrechtswidrig die belgische Neutralität verletzten, erst dann, nicht schon bei Überqueren der Grenzen Luxemburgs, dessen Neutralität ebenfalls durch Deutschland missachtet worden war, auch für dieses Land gab es eine internationale Garantie für die Neutralität, war für die Briten der Vorwand für den Eintritt in dem Krieg vorhanden. Berlin wurde am 04. August der Krieg erklärt.
 
Ein paar diplomatische Stimmen Großbritanniens in der letzten Phase der Julikrise:

Am 24.Juli 1914 sagte der britische Geschäftsträger in Berlin zu seinem russischen Kollegen mit dem klaren Sinn mäßigend zu wirken:

"Russland sei so groß und so gewichtig, dass es sich gestatten könne bezüglich der slawischen Meinung die Frage des Prestiges außer Acht zu lassen."

Der britische Botschafter in Paris Bertie schrieb am 27.Juli 1914 an Grey, das man die französische Regierung ermuntern sollte, Druck auf die russische Regierung auszuüben, nicht die alberne und altmodische Pose einzunehmen, dass Russland der Schirmherr aller slawischen Staaten - und zwar ungeachtet ihres Benehmens - sei, denn das wird zum Kriege führen.

Maurice de Bunsen, britischer Botschafter in Wien meinte, das Russland nicht erwarten kann, das Österreich seine Truppen zurückhalten werde.

Buchanan, britischer Botschafter in Petersburg, hatte eindringlich am 25.07.1914 Sasonow gewarnt, ja nicht voreilig zu mobilisieren.

Im Foreign Office verhielt man sich aber nicht im Einklang mit seinen Vertretern vor Ort, auch nicht im Einklang mit dem eigenen Kabinett und der eigenen öffentlich Meinung.

Grey sprach am 24.07. von der Vermittlung zu Vieren wenn Österreich in Serbien einrücke und Russland alsdann mobilisiere. Das entsprach anfangs durchaus noch der Auffassung Sasonows. Immerhin bedeutete es einen Zeitgewinn vor der Mobilmachung Österreichs gegen Serbien und der russischen gegen Österreich-Ungarn.
Doch am 25.07. änderte Grey seine Meinung. Er äußerte wiederholt, dass es bei einer österreichisch-ungarischen Mobilmachung gegen Serbien, nicht gegen Russland, mit der russischen Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn rechne! Der russische Botschafter in London Benckendorff telegrafierte dies am gleichen Tag zweimal nach Petersburg. Damit hat Grey seinen eigenen Vorschlag, der Vermittlung zu Vieren zu Grabe getragen. Man kann zu dem Schluss gelangen, das Grey im Grunde genommendie Russen mehr oder weniger ermutigte diesen Schritt zu gehen. Warum sonst sah er sicher veranlasst seine brisanten Gedanken Benckendorff mitzuteilen?

Während der bosnischen Annexionkrise im Febraur 1909 hatte Sir Charles Hardinge zu Wilhelm vom Stumm ausgeführt, "[...] wenn es auch wohl zur aktiven Kriegführung außerstande sei, so werde doch die demonstrative Mobilisierung einiger Armeekorps genügen, um eine recht gefährliche Lage zu schaffen."

Quelle: Die Britischen Amtliche Dokumente
 
Doch am 25.07. änderte Grey seine Meinung. Er äußerte wiederholt, dass es bei einer österreichisch-ungarischen Mobilmachung gegen Serbien, nicht gegen Russland, mit der russischen Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn rechne! Der russische Botschafter in London Benckendorff telegrafierte dies am gleichen Tag zweimal nach Petersburg. Damit hat Grey seinen eigenen Vorschlag, der Vermittlung zu Vieren zu Grabe getragen. Man kann zu dem Schluss gelangen, das Grey im Grunde genommendie Russen mehr oder weniger ermutigte diesen Schritt zu gehen. Warum sonst sah er sicher veranlasst seine brisanten Gedanken Benckendorff mitzuteilen?
Damit zu rechnen war aber nicht abwegig.

Das Friedensheer der Donaumonarchie war groß genug potentiell auch ohne Mobilmachung mit Serbien fertig werden, oder jedenfalls in Nordserbien einzubrechen und das Gebiet mitsamt Belgrad als Faustpfand für Friedensverhandlungen besetzen zu können.
Das war allgemein bekannt.
Ebenso, dass nach den beiden Balkankriegen die serbischen Streitkräfte eigentlich erstmal eine längere Regenerations und Reorganisationsphase benötigten um auf die Höhe ihrer potentiellen Leistungsfähigkeit zu kommen.

Ebenfalls war natürlich allen Beteiligten der Kostenaufwand einer Mobilmachung bekannt.

Außerdem ließ das Gelände in Serbien, im besonderen in den Gebirgsregionen und an den Flussübergängen im Donau-Save-Gebiet ohnehin nur die Bewegung begrenzt großer Truppen in kurzer Zeit zu.
Warum also die relativ schlechten Vormarschstraßen und Nachschubwege unnötig mit Reserveformationen verstopfen, deren Ausrüstung und Kampfkraft deutlich schlechter waren, als bei den Formationen des Friedensheeres?
Sicherung des eigenen Territoriums war auch nur eine begrenzt plausible Erklärung, da angesichts der Kräfteverhältnisse nicht mit einer ernsthaften weitergesteckten Kampagne der Serben in das Gebiet der K.u.K-Monarchie hinein zu rechnen war.

Unter diesem Umständen, durfte der Schritt einer Mobilmachung her dubios erscheinen, weil zur Erringung militärischer Ziele wahrscheinlich eher nicht nötig, aber teuer.
Da dürfte es durchaus nahegelegen haben evt. weiter gesteckte Ziele zu vermuten, wenn die Kosten dafür inkauf genommen würden, zumal einmal mobilisierte Truppen dann ja durchaus auch in eine andere Richtung geführt weden können.

Die Regierung der Donaumonarchie konnte zwar verkünden, dass sich eine Mobilisierung gegen Serbien, nicht gegen Russland richtete, es musste aber damit gerechnet werden, dass St. Petersburg dem keinen Glauben schenken und sofort reagieren würde.
Auch eine Teilmobilachung konnte durchaus als verdeckte Schritt zur Vorbereitung der Vollmobilmachung betrachtet werden.
 
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Damit zu rechnen war aber nicht abwegig.

Das mag schon sein. Aber es ist gerade zu tölpelhaft, das dann den russischen Botschafter so direkt mitzuteilen und dann damit auch noch den eigenen Vermittlungsschlag vom Vortage zu beerdigen. So eine "Dummheit" passt ganz und gar nicht zum Foreign Office. Es sei denn, das dies absichtsvoll geschehen ist.

as Friedensheer der Donaumonarchie war groß genug potentiell auch ohne Mobilmachung mit Serbien fertig werden, oder jedenfalls in Nordserbien einzubrechen und das Gebiet mitsamt Belgrad als Faustpfand für Friedensverhandlungen besetzen zu können.
Bei einer Mobilmachung werden, wie dir zweifelsohne bekannt sein wird, eben nicht nur die Reservisten einberufen. Da geschieht doch noch ein wenig mehr.

Ebenfalls war natürlich allen Beteiligten der Kostenaufwand einer Mobilmachung bekannt.
Sicher, aber was ist der Sinn dieser Bemerkung im gegebenen Kontext?

Und ganz am Rande. Serbien hatte schon vor Übergabe der Antwort auf den gestellten Forderungskatalog mit der Mobilmachung gegen Österreich-Ungarn begonnen.
Russland ebenso.

Unter diesem Umständen, durfte der Schritt einer Mobilmachung her dubios erscheinen, weil zur Erringung militärischer Ziele wahrscheinlich eher nicht nötig, aber teuer.
Da dürfte es durchaus nahegelegen haben evt. weiter gesteckte Ziele zu vermuten, wenn die Kosten dafür inkauf genommen würden, zumal einmal mobilisierte Truppen dann ja durchaus auch in eine andere Richtung geführt weden können.

Weiter gesteckte Ziele?:eek:
Ich spekuliere einmal.
Du möchtest doch nicht ernsthaft behaupten, das Österreich-Ungarn nicht gegen Serbien, sondern in Wahrheit gegen Russland mobil machte?
Da würden aber sofort ein paar Frage auftauche. Beispielsweise weshalb denn dann exakt die Kräfte der B-Staffel mobilisiert wurden, die dann auch zum größten Teil jedenfalls, an die serbische Grenze befördert wurden und dort den Krieg gegen Serbien eröffneten. Und vor allem war doch bekannt, das ein absichtsvolles Zögern Russlands erhebliche Schwierigkeiten für die B-Staffel bedeuten würde. Und so geschah es ja auch, das, während die B-Staffel planmäßig nach Süden transportiert wurde, Verlegungen an die russische Front notwendig wurden. Das möchte ich aber nicht alles hier in Detail ausführen.

Sasonow suchte nach fragwürdigen Gründen, schließlich wollte man die soeben errungene Vorherrschaft auf dem Balkan nicht gleich gefährden oder gar verlieren, um den russischen Kriegseintritt irgendwie ins Schaufenster stellen zu können. Einer davon war beispielsweise, das die Staffel B angeblich viel zu stark sei, um mit Serbien fertig zu werden. Und warum sollte Österreich-Ungarn eigentlich so viel wert auf einer bulgarischen Teilnahme gelegt haben? Die serbische Armee wurde zu recht stark eingeschätzt und nicht unterschätzt.

Es war Conrad und natürlich auch Potiorek, die unbedingt zuerst mit Serbien "abrechnen" wollten.

Conrad hat jedes einzelne Jahr das Eisenbahnbüro daran erinnert, das es gut möglich sei, das der Kriegsfall B dem Kriegsfall R vorangehen könnte und deshalb stets eine Staffelbildung zu schaffen sei, die es ermöglichen soll, dass je nach Bedarf das Gros der zur Verwendung gegen B designierten Kräfte aus der Instradierung gegen R ausgeschieden werden kann.
 
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Du möchtest doch nicht ernsthaft behaupten, das Österreich-Ungarn nicht gegen Serbien, sondern in Wahrheit gegen Russland mobil machte?
Nein, ich möchte das nicht ernsthaft behaupten. Ich möchte nur behaupten, dass sich dieser Eindruck anderen beteiligten Mächten aufdrängen konnte. Angesichts der Größe des Österreichisch-Ungarischen Friedensheeres im Verhältnis zu den serbischen Streitkräften,konnten die anderen Beteiligen, die die internen Abläufe in der Donaumonarchie nicht kannten, sich im Fall einer Mobilmachung schon ernsthaft die Frage stellen, ob Wien beabsichtigte unter enormem Kostenaufwand mit Kanonen auf Spatzen zu schießen oder ob es etwas anderes beabsichtigte.

Das Terrain im serbisch-österreichisch-ungarischen Grenzgebiet, dass die Bewegung großer Massen an Soldaten und deren Nachschub nicht eben begünstigte, konnte Zweifel daran, was Wien denn nun genau vor hatte bestärken, da wie bereits angeführt, es strategisch wahscheinlich wenig sinnvoll gewesen wäre, rar gesähte Vormarschstraßen und Nachschubwege mit zweitklassig ausgerüsteten Reservisten zu verstopfen, statt sich auf eine Offensive mit den besser bewaffneten Formationen des stehenden Feldheeres unter Ausnutzung deren größerer Schlagkraft zu verlegen.
Letzteres Szenario musste den Vorteil haben schneller vorran zu kommen und es wären weniger Versorgungsproblme zu erwarten gewesen.
Folglich wäre das eigentlich die logische Wahl für ein Blitzfeldzugsszenario gewesen, nicht eine umfangreiche Mobilmachung von Formationen, deren Wert in diesem Terrain eher gering anzusetzen war, noch dazu zu hohen Kosten.


Wien&Budapest konnten beteuern nur gegen Serbien zu Mobilisieren, ob das zutraf oder nicht, konnten die anderen Mächte, die in die Interna nicht eingeweiht waren aber erst sehen, wenn sich erhebliche Teile der Mobilmachung bereits vollzogen haben würden.

So lange abzuwarten, bis sich das eindeutig abzeichnete, ohne zu reagieren hätte Österreich-Ungarn allerdings, für den Fall, dass es tatsäichlich beabsichtigt hätte auch oder vorwiegend gegen das Zarenreich zu mobilisieren einen Vorsprung verschafft.

Und ich halte es für durchaus verständlich, wenn von man russischer Seite her man der Meinung war, besser nichts zu riskieren das das passierte und wenn man von britischer Seite her begann damit zu rechnen, dass Russland dergestalt reagieren könnte.
 
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Nein, ich möchte das nicht ernsthaft behaupten. Ich möchte nur behaupten, dass sich dieser Eindruck anderen beteiligten Mächten aufdrängen konnte.

Meinen Erkenntnisstand nach war dies aber nicht der Fall.

Wien&Budapest konnten beteuern nur gegen Serbien zu Mobilisieren, ob das zutraf oder nicht, konnten die anderen Mächte, die in die Interna nicht eingeweiht waren aber erst sehen, wenn sich erhebliche Teile der Mobilmachung bereits vollzogen haben würden.

Keine der Mächte hat entsprechende Zweifel geäußert. Lediglich die Russen haben als Vorwand den "übertriebenen" Kräfteansatz moniert.

Und ich halte es für durchaus verständlich, wenn von man russischer Seite her man der Meinung war, besser nichts zu riskieren das das passierte und wenn man von britischer Seite her begann damit zu rechnen, dass Russland dergestalt reagieren könnte.

Die Russen waren nicht blöde. Denen war auch klar, das es einfacher für sie wird, wenn ein Teil der Streitkräfte der Monarchie gegen Serbien gebunden war.
Auffallend, das beide fast synchron mit der Mobilmachung begonnen haben und zwar deutlich vor Österreich-Ungarn, was du nicht erwähnst. Auch zu den Äußerungen der britischen Diplomaten hast du nicht gesagt.
 
Keine der Mächte hat entsprechende Zweifel geäußert. Lediglich die Russen haben als Vorwand den "übertriebenen" Kräfteansatz moniert.
Naja, du betrachtest das als Vorwand. Andere sahen das ihrerzeit möglicherweise etwas anders.

Die Russen waren nicht blöde. Denen war auch klar, das es einfacher für sie wird, wenn ein Teil der Streitkräfte der Monarchie gegen Serbien gebunden war.
Was hat das mit blöde zu tun?

Die Russen hatten keine Glaskugel auf dem Tisch stehen. Die konnten nicht vorweg nehmen, wie genau sich die Serben verhalten, wie lange diese der K.u.K.-Armee würden Widerstand leisten können und sie konnten auch nicht vorweg nehmen, wie sich Bulgarien verhalten würde.

Sie konnten darauf hoffen, dass sich die Serben kämpfend ins landesinnere zurückziehen und die Österreicher eine Zeit lang beschäftigen würden und das Sofia die Füße still halten würde.
Es hätte aber durchaus auch passieren können, dass den Serben hätte einfallen können, ihre Hauptstadt Belgrad auf keinen Fall preisgeben zu wollen. In diesem Fall hätte es zu einer Entsheidungsschlacht in Nordserbien kommen können, die die Österreicher wahrscheinlich gewonnen hätten und wenn es dazu gekommen wäre, dann wären mit großer Wahrscheinlichkeit die Bulgaren schnell mit an Bord gewesen um sich serbisch-mazedonien zurückzuholen.

Wie lange die Österreicher beschäftigt sein würden konnten die Russen im Vorhinein nicht wissen. Das konnte ein Blitzfeldzug werden oder eine länger dauernde Angelegenheit, darauf hatte St. Petersburg keinen Einfluss. Es sei denn es tat etwas um Teile des Österreichisch-Ungarischen Heeres im Norden beschäftigt zu halten.
Z.B. eine Teilmobilmachung.

Wäre es zur weitgehenden Mobilmachung Österreich-Ungarns und zu einem Blitzsieg gegen Serbien gekommen, hätten die bereits mobilisierten Truppen für andere Zwecke rasch umdisponiert werden können.
Wäre Wien hingegen ohne Mobilisation lediglich mit dem Friedensheer gegen Serbien vorgegangen und hätte rasch gesiegt, hätte die Option die bereits mobilgemachten Truppen jetzt in andere Richtungen zu dirigieren nicht bestanden.

Auffallend, das beide fast synchron mit der Mobilmachung begonnen haben und zwar deutlich vor Österreich-Ungarn, was du nicht erwähnst.
Das Serbien vor Österreich-Ungarn mit der Mobilmachung begann nimmt nicht Wunder.
Du behandelst wenn du darauf herumreitst Österreich-Ungarn und Serbien, als wären das zwei vergleichbar starke Mächte gewsen, aber das waren sie nicht.
Österreich-Ungarns Friedensheer wäre wahrscheinlich stark genug gewesen Serbien relativ zügig und sicher zu schlagen, wenn das Österreich-Ungarns einziger Kriegsschauplatz gewesen wäre. Es war den serbischen Streitkräften nummerisch deutlich überlgen.

D.h. Serbien musste Mobilisieren, wenn die serbischen Militärs sich überhaupt eine Chance aurechnen wollten, einige Zeit effektiv Widerstand leisten zu können.
Und da Wien den Serben qua Ultimatum offen mit Krieg gedroht hatte, kann die serbische Mobilisation in diesem Zusammenhang auch nicht als Akt reiner Provokation aufgefasst werden.
Es war jedenfalls damit zu rechnen, dass Wien die serbische Antwortnote verwerfen und der Drohung Taten folgen lassen würde.

Was Russland angeht, Russland machte ab dem 29. Juli mobil. Also nachdem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärt und die Kampfhandlungen eröffnet hatte und nach dem ab dem 27. Juli deutlich wurde, dass Berlin versuchte einer Konferenzlösung auszuweichen.
Damit war klar, dass Berlin die Österreichische Aktion deckte, was in letzter konsequenz heißen musste, dass man in Deutschland bereit war einen Krieg in Kauf zu nehmen.
Wenn aber Deutschland äußerstenfalls zum Krieg bereit war, war im Hinblick auf die Österreichischen Aktionen Vorsicht geboten weil das für Wien im Falle eines schnellen erfolges gegenüber Serbien ggf. die Möglichkeit geboten hätte anschließend seine Truppen im Norden zu konzentrieren und gegebenenfalls mit dem Zarenreich anzubinden.

Man konnte ja aus St. Petersburger Perspektive durchaus auf den Gedanken kommen das man in Wien die Lösung des Balkanproblems letztendlich vor allem in einer Zurückdrängung Russlands sehen würde, da eine temporäre Schwächung Serbiens nur das Syptom behandeln aber nicht das Problem dauerhaft lösen konnte.
Das wiederrum hätte in St.Petersburg niemanden aufregen müssen, so lange Wien, falls es solch eine Konzeption verfolgte, allein war.
In dem Moment aber, in dem Berlin Österreich-Ungarns Angriff auf Sebien deckte, hätte dann der Gedanke auftauchen können, dass Wien mit einer solchen Absicht möglicherweise nicht mehr allein war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, du betrachtest das als Vorwand. Andere sahen das ihrerzeit möglicherweise etwas anders
Spekulativ!

Was hat das mit blöde zu tun?

Die Russen hatten keine Glaskugel auf dem Tisch stehen. Die konnten nicht vorweg nehmen, wie genau sich die Serben verhalten, wie lange diese der K.u.K.-Armee würden Widerstand leisten können und sie konnten auch nicht vorweg nehmen, wie sich Bulgarien verhalten würde
Sie waren darüber in Bilde. Der russische Militärattaché war vorzüglich informiert.

Sie konnten darauf hoffen, dass sich die Serben kämpfend ins landesinnere zurückziehen und die Österreicher eine Zeit lang beschäftigen würden und das Sofia die Füße still halten würde
Die Russen verlangten ein offensives Vorgehen und genau das taten die Serben. Sie zogen sich nicht zurück, sie stellten sich und das durchaus erfolgreich.

Wie lange die Österreicher beschäftigt sein würden konnten die Russen im Vorhinein nicht wissen. Das konnte ein Blitzfeldzug werden oder eine länger dauernde Angelegenheit, darauf hatte St. Petersburg keinen Einfluss. Es sei denn es tat etwas um Teile des Österreichisch-Ungarischen Heeres im Norden beschäftigt zu halten.
Z.B. eine Teilmobilmachung.

Österreich hatte nur ein schmales Zeitfenster zur Verfügung. Dann musste die 2. Armee an die Ostfront verlegt werden.

Das Serbien vor Österreich-Ungarn mit der Mobilmachung begann nimmt nicht Wunder.

Nicht. Ich dache die Serben sind den Österreichern so weit entgegengekommen wie nur irgend möglich, so das jeder Grund zum Kriege entfällt? Die Serben wussten genau, das ihre Antwortnote nicht ausreichend war und schritten gleich zur Tat.

D.h. Serbien musste Mobilisieren, wenn die serbischen Militärs sich überhaupt eine Chance aurechnen wollten, einige Zeit effektiv Widerstand leisten zu können.

Nein, mussten sie nicht! Sie hätten es auch nicht gewagt, wenn es kein entsprechenden Signale aus Petersburg gegeben hätte. Die serbische Staatsführung hatte sich mit russischer Unterstützung dazu entschieden, den Forderungskatalog abzulehnen und lieber den großen Krieg im Kauf zu nehmen. Das war Belgrad durchaus bewusst. Vor diesem Hintergrund wäre es sicher kein Problem gewesen, ein paar österreichische Beamte an den Ermittlungen teilnehmen zu lassen.

Und nicht zu vergessen ist, das Serbien mit seiner unaufhörlich, fortgesetzten Wühlarbeit in der Nachbarmonarchie die Integrität dieses Staates zu zerstören beabsichtigte.
Was Russland angeht, Russland machte ab dem 29. Juli mobil. Also nachdem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärt und die Kampfhandlungen eröffnet hatte und nach dem ab dem 27. Juli deutlich wurde, dass Berlin versuchte einer Konferenzlösung auszuweichen.

Offiziell. Inoffiziell, das hat der Zar gegenüber Wilhem II. selbst eingeräumt, früher.
Grey hatte seinen eigenen Konferenzvorschlag zu Grabe getragen, in dem er den Russen in den Mund legte, was er erwarte, nämlich die russische Mobilmachung. Und wieso wird eigentlich immer und immer wieder nur das Ausweichen Deutschlands erwähnt.
Am 25.07. schlug Grey eine Konferenz zu Vieren vor. Deutschland stimmte zu und wies darauf hin, das Wien nicht die Absicht hätte, serbisches Territorium zu annektieren.
Am 26.07. kam der nächste Vorschlag von Grey. Diesmal sollte in London unterhandelt und die Konferenz sollte nun auch zu den Konflikt zwischen der Monarchie und Serbien Stellung beziehen. Das die deutsche nun ablehnt, das war klar. Ist es nötig zu erwähnen weshalb?
Dafür stimmte Deutschland einen Vorschlag vom 27.07 aus Petersburg zu, der direkte Gespräche zwischen Wien und Petersburg anregte. Auch wurde von deutscher Seite ein Vorschlag, die serbische Antwortnote als Grundlage für die Besprechungen anzusehen, mit Nachdruck an Wien weitergeleitet.
Man konnte ja aus St. Petersburger Perspektive durchaus auf den Gedanken kommen das man in Wien die Lösung des Balkanproblems letztendlich vor allem in einer Zurückdrängung Russlands sehen würde, da eine temporäre Schwächung Serbiens nur das Syptom behandeln aber nicht das Problem dauerhaft lösen konnte.
Das wiederrum hätte in St.Petersburg niemanden aufregen müssen, so lange Wien, falls es solch eine Konzeption verfolgte, allein war.
In dem Moment aber, in dem Berlin Österreich-Ungarns Angriff auf Sebien deckte, hätte dann der Gedanke auftauchen können, dass Wien mit einer solchen Absicht möglicherweise nicht mehr allein war.

Was die Russen wollten, das ist auch dir nicht unbekannt. Die Vorherrschaft über den Balkan genügte nicht. Darüber hat der russische Außenminister Pokrowski eindeutig und unmissverständlich Auskunft gegeben. Ich habe die betreffende Passage auch schon mehrfach hier im Forum zitiert.
 
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Sie waren darüber in Bilde. Der russische Militärattaché war vorzüglich informiert.
Ach, der russische Militärattaché hatte eine Glaskugel, die ihn schon vorab informierte wie der Krieg ausgehen würde?
Man unterhielt vielleicht Kontakt zur serbischen Generaltiät und kannte deren Absichten und die Möglichkeit eines Rückzugs nach Süden.

Ob die im Ernstfall aber auch praktikabel waren, ist eine ganz andere Frage.

Ich werde dich nicht beispielhaft daran erinnern müssen, das auf deutscher Seite Motlke Prittwitz erlaubt hatte, Ostpreußen nötigenfalls zu räumen und hinter die Weichsel zurück zu gehen und daran, wie schnell Prittwitz weg war, als er das versuchte?

Die serbischen Militärs konnten so planen. Ob im Konfliktfall eine Aufgabe der Hauptstand und des halben Landes ohne eine Entscheidungsschlacht der Bevölkerung aber vermittelbar sein würde, oder ob der politische Druck zu Kämpfen am Ende so groß sein würde, dass sich die Offiziere dem würden fügen müssen, das war nicht vorhersehbar.

Die Russen verlangten ein offensives Vorgehen und genau das taten die Serben. Sie zogen sich nicht zurück, sie stellten sich und das durchaus erfolgreich.
Ja, gegen eine österreichische Armee, die völlig kopflos versuchte einen Offensivplan auszuführen, der dadurch vollokmmen durcheinander gekommen war, das vor Beginn auf einmal Truppen in richtung russische Grenze umdisponiert werden mussten, weswegen die Schwerpunktbildung nicht mehr funktionierte und die Lücken zwischen den vorstoßenden Truppenkörpern zu groß wurden, so das die Kooperation nicht mehr hinhaute wie dir bekannt ist.
Wie wäre das aber ausgegangen, hätten keine Truppen nach Norden umdisponiert werden müssen und hätten die Österreicher tatsächlich mit allem, was sie hatten losschlagen können?

Österreich hatte nur ein schmales Zeitfenster zur Verfügung. Dann musste die 2. Armee an die Ostfront verlegt werden.
Ja, aber nur weil Russland qua Mobilisierung dafür gesort hatte, dass es einen weiteren Schauplatz gab, auf dem Soldaten benötigt wurden.
Hätte es das nicht getan, wäre das Zeitfenster größer gewesen.

Nicht. Ich dache die Serben sind den Österreichern so weit entgegengekommen wie nur irgend möglich, so das jeder Grund zum Kriege entfällt.
Wien hatte im Fall der Nichtannahme unmissverständlich mit Krieg gedroht, heißt Belgrad musste ab diesem Zeitpunkt mit Krieg rechnen.

Nein, mussten sie nicht! Sie hätten es auch nicht gewagt, wenn es kein entsprechenden Signale aus Petersburg gegeben hätte. Die serbische Staatsführung hatte sich mit russischer Unterstützung dazu entschieden, den Forderungskatalog abzulehnen und lieber den großen Krieg im Kauf zu nehmen. Das war Belgrad durchaus bewusst. Vor diesem Hintergrund wäre es sicher kein Problem gewesen, ein paar österreichische Beamte an den Ermittlungen teilnehmen zu lassen.
Die Mobilisierung fand statt nachdem die serbische Regierung beschlossen hatte nicht allen Punkten entsprechen zu können, heißt nachdem sie diese Option verworfen hatte.
Nachdem dieser Schritt einmal getan war, blieb nur die Mobilisierung und Abwarten, ob Wien auf die Antwortnote eingehen oder den Krieg eröffnen würde.

Offiziell. Inoffiziell, das hat der Zar gegenüber Wilhem II. selbst eingeräumt, früher.
Und darf man da um einen Literaturnachweis bitten?

Denn hier sollte man dann wirklich sauber zwischen Mobilmachung und Mobilmachungsvorbereitungen (die auch in anderen Ländern der Mobilmachung vorausgingen) trennen.

Und wieso wird eigentlich immer und immer wieder nur das Ausweichen Deutschlands erwähnt.
Weil das aus russicher Sicht relevant gewesen sein dürfte, weil es klar machte, wie weit Berlin zu gehen bereit war und hier, nicht in London oder sonstwo die potentielle Gefahr für St. Petersburg lag.

Was die Russen wollten, das ist auch dir nicht unbekannt.
Ja, mir ist natürlich bekannt, wo die russische Politik in Sachen Balkan und Meerengen langfristig hinwollte.
Das dieses Ziel langfristig vorhanden war, bedeutet aber nicht, dass es zwangsläufig das russische Handeln im Rahmen der aktuellen Krise diktiert haben muss.
Sollte dir als jemandem, der Fischers Schuldthese eher kritisch sieht doch geläufig sein?

Es war ja auch bekannt, wo Deutschland machtpolitisch langfristig hinwollte, von wegen "Weltpolitik". Aber das war weder in Berlins Haltung zu den Balkankriegen, noch in der Julikrise primär handlungsleitend.
 
Wäre es zur weitgehenden Mobilmachung Österreich-Ungarns und zu einem Blitzsieg gegen Serbien gekommen, hätten die bereits mobilisierten Truppen für andere Zwecke rasch umdisponiert werden können.
Wäre Wien hingegen ohne Mobilisation lediglich mit dem Friedensheer gegen Serbien vorgegangen und hätte rasch gesiegt, hätte die Option die bereits mobilgemachten Truppen jetzt in andere Richtungen zu dirigieren nicht bestanden.
Also die Vorstellung, Österreich-Ungarn hätte von sich aus Russland angreifen können, ohne das Deutschland ebenfalls angreift, noch dazu mit Truppen, die eigentlich gegen Serbien mobilisiert und dann auf die Schnelle umdisponiert wurden, ist doch jetzt wirklich einigermaßen abwegig.

Dann hätten auch die Bündnisverpflichtungen aus dem Dreibund nicht gegriffen und ein unprovozierter Krieg gegen Russland wäre in Deutschland innenpolitisch kaum zu vermitteln gewesen, da dieser ja auch zwangsläufig den Krieg mindestens gegen Frankreich, sehr wahrscheinlich aber auch gegen Großbritannien nach sich gezogen hätte. Ein Krieg, in dem man dann eindeutig der Aggressor gewesen wäre und es keine Möglichkeit gegebenhätte, das noch irgendwie als Verteidigungskrieg darzustellen.

Und das Friedensheer mag dem serbischen zahlenmäßig weit überlegen gewesen sein, nur konnte die Monarchie ja gar nicht mit dem ganzen Friedensheer oder auch nur großen Teilen davon gegen Serbien vorgehen, da man dann bei einem Angriff Russlands völlig schutzlos gewesen wäre. Eine Teilmobilmachung war wohl zwingend notwendig, wenn man erfolgreich gegen Serbien vorgehen wollte.
 
Also die Vorstellung, Österreich-Ungarn hätte von sich aus Russland angreifen können, ohne das Deutschland ebenfalls angreift, noch dazu mit Truppen, die eigentlich gegen Serbien mobilisiert und dann auf die Schnelle umdisponiert wurden, ist doch jetzt wirklich einigermaßen abwegig.
Wie gelingt es eigentlich laufend den Kern meiner Argumentation zu übersehen?

In dem Berlin seit dem 27. Juli offensichtlich versuchte einer Konferenzlösung auszuweichen, gab es zu erkennen, dass es hinter dem östrreichischen Krieg gegen Serbien stand, was bedeutete, dass es in letzter Konsequenz bereit sein musste, selbst militärisch einzugreifen, sollten sich andere Mächte auf der Seite Serbiens einschalten.

Deutschland konnte nicht riskieren, dass sein einziger einigermaßen mächtiger Verbündeter in einem isolierten Krieg mit Russland auf Jahre massiv geschwächt würde, weil das Deutschland komplett isoliert und gegenüber der Trippleentente in eine ähnlich prekäre Situation gebracht hätte, wie die, in der sich Frankreich gegenüber dem Dreibund unmittelbar nach dem russisch-japanischen Krieg befand.

Da Deutschland dies strategisch in keinem Fall zulassen konnte, blieben Berlin von außen betrachtet ohne die Interna zu kennen nur 2 Möglicheiten:

1. Mit allen Mitteln versuchen, die Krise noch irgendwie diplomatisch abzuräumen, bevor Russland die Gelegenheit bekommt militärisch einzugreifen.
2. Den Konflikt inkauf nehmen und nötigenfalls an der Seite Österreich-Ungarns gegen Russland Krieg zu führen.

In dem Moment, in dem die deutsche Diplomatie erkennbar versuchte einer Konferenzlösung auszuweichen, musste den Diplomatenn und Außenpolitikern klar sein, dass es bereit war auf die militärische Karte zu setzen.


Wenn aber Berlin bereit war, sich wegen der serbischen Angelegenheiten und der Österreichisch-Ungarischen außenpolitischen Probleme in einen Krieg mit Russland ziehen zu lassen und Bereitschaft zum Krieg mit Russland auf Seiten Berlins also unterstellt werden konnte, dann ist die Vorstellung nicht abwegig, dass Berlin und Wien beschlossen haben könnten sämtliche Probleme im Osten militärisch zu regeln.

Man konnte ja durchaus unterstellen, dass wenn Berlin bereit war Österrich-Ungarn dabei zu unterstützen gegen Serbien und Russland Krieg zu führen, es auch bereit sein würde Wien dabei zu unterstützen nacheinander gegen Serbien und Russland Krieg zu führen.


Das entspricht nicht dem, was in Berlin und zwischen Berlin und Wien tatsächlich disuktiert worden ist. Es wäre aber überhaupt nicht abwegig, wenn man sich auf russischer Seite über genau so eine Möglichkeit Sorgen gemacht hätte.

Eine deutsche Mobilmachung war sehr schnell machbar. Österreich-Ungarn war der langsamere Akteur. Und wenn Österreich-Ungarns Truppen bereits mobilisiert waren und Deutschen viel schneller mobil gemacht werden konnten als die Russischen, dann war da eine potentielle Gefahr für Russland vorhanden oder mindestens konnten das die russischen Politiker so sehen.
 
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