WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

thanepower schrieb:
KW2 und der kleine Kreis an Militärs, der die Entscheidungen zur Militärstrategie fällte, wollte den Krieg. Unabhängig davon, dass er in anderen Hauptstädten auch durchaus gewollt wurde.

Die klassische Außenpolitik des DR wurde in dieser Phase schlichtweg "entmachtet" und Außenpoltik durch Militärpolitik ersetzt.

Hier möchte ich ergänzen. Das deutsche Auswärtige Amt hat doch eine ganz erheblich Mitschuld und wurde nicht entmachtet, sondern hat m.E. nach Wilhelm II. in der Endphase der Julikrise entmachtet. Als dieser nämlich Kenntnis von der serbischen Antwortnote bekam, übrigens vorsätzlich durch das AA verzögert, war er der Auffassung, das nun kein Grund mehr für ein Krieg vorläge. Er erließ entsprechende Anweisungen an das Auswärtige Amt. Und was macht die Herrschaften Jagow und Bethmann-Hollweg dort. Sie ignorierten erst einmal die Weisung von Wilhelm und das wurde in Wien verspätet und äußerst zurückhaltend interveniert. Man wollte dort den begrenzten, lokalisierten Krieg. Otto Hamann drücke das so aus:" Es sei nicht die Absicht des AA gewesen ein Weltkrieg zu entfesseln. Man habe eben nicht immer Glück."

Aber auch in Wien waren die deutschen Diplomaten Tschirschky und Dietrich Bethmann ganz gewiss keine Unschuldslämmer.

Das ändert natürlich nichts an insgesamten schweren Verantwortung, die Wilhelm II. durch die Ausstellung des Blanckoschecks auf sich geladen hat.
 
Der Schlieffenplan hat genaugenommen Frankreich und Großbritannien fix als Kriegsgegner gesetzt, denn das GB durch die Besetzng Belgiens nicht mehr neutral bleiben würde, davon war bei sachlicher Abwägung von auszugehen. Damit wurden von vornherein diplomatische Optionen verbaut.

Nochmal diesen Aspekt in Kombination mit der Frage einer Verhinderung der Eskalation des Krieges in Mitteleuropa.

So formuliert J. Snider (The Ideology of the Offensiv, S. 155) einen interessanten Aspekt einer "virtuellen Geschichtsbetrachtung".

Er schreibt: "Yet as the 1915 campaign showed, the Germans could have succesfully defended their western frontier with a numerically inferior force, thereby freeing suficent forces for a limited offensive in the east. Had this strategy been followed from the start, Britain might not have entered the war."

Das bedeutet in der Sprache der "virtuellen Geschichtsschreibung", eine schlichte Garantie des DR, die politischen Grenzen des Juli 1914 nicht zu verschieben und auch keine entsprechenden strategischen Bewegungen (um es von operativen Bewegungen abzugrenzen) im Rahmen von militärischen Operationen offensiv vorzunehmen, hätte aus der britischen Sicht keine Notwendigkeit zum Eingreifen geboten. Hätte zwar einen Zweifrontenkrieg bedeutet, den aber das DR in Kombination mit Ö-U gegen F und R hätten auf der inneren Linie erfolgreich defensiv führen können. Über die Rolle von I in diesem Kontext, kann man lediglich spekulieren. Wie insgesamt über die Rolle der dann neutralen atlantischen Mächte, GB und USA.

Die mitteleuropäische Balance wäre erhalten geblieben und es wäre zu keiner Gefährdung der englischen Interessen im Mittelmeer und seinem Zugang nach Indien via Suezkanal etc. gekommen.

Zumal die Basis der Übereinstimmung der britischen Interessen mit den russischen Machtinteressen eher zeitlich begrenzt und sehr situativ war.
 
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Darüberhinaus muss man aber konstatieren, das durch die Implikationen des Schlieffenplanes der diplomatische Handlungsspielraum der Reichsleitung eingengt worden war und das geht gar nicht; schon gar im Zuge schwerer diplomatischer Krisen.

Hierzu mE interessant:
Am 1. August 1914 überbrachte der deutsche Reichskanzler dem Kaiser eine Note des Fürsten Lichnowsky, des deutschen Botschafter am Hof von St. James, in der mitgeteilt wurde, daß Sir Edward Grey, der britischen Außenminister, angeboten habe, die fränzösische Mobilmachung gegen Deutschland zu verhindern, vorausgesetzt, die Deutschen würden davon Abstand nehmen, im Westen aufzumarschieren. Moltke wurde sofort dringend in das kaiserliche Schloß befohlen, und der Kaiser machte den Vorschlag: „Also wir marschieren einfach mit der ganzen Armee im Osten auf!“ Der entstetzte Chef des Stabes erklärte seinem kaiserlichen Herrn, daß es gegenwärtig nur ein Kriegsplan gäbe und daß jeder Versuch, ihn jetzt noch zu ändern, die sichere Katastrophe zur Folge haben würde.
Jehuda L. Wallach – Das Dogma der Vernichtungsschlacht –DTV -Seite 151.

Hierzu Barbara Tuchman – August 1914 - Seite 86:
Er las Moltke das Telegramm vor und sagte truimphierend:“Jetzt können wir gegen Russland allein in den Krieg ziehen! Wir schicken einfach unsere ganze Armee nach Osten!“
Moltke, der von dem Gedanken entsetzt war, daß seine wunderbare Mobilisierungsmaschine eine Schwenkung um 180° machen sollte, weigerte sich rundheraus.

Unabhängig davon, wie das Angebot des britischen Aussemninisters zu bewerten war, findet sich hier ein Hinweis, dass der Krieg nun eben nicht mehr ein politisches Instrument sein konnte, sondern weit eher seiner eigenen militärischen Logik gehorchte.
Es muss wohl als eine gravierende, um nicht zu sagen verbrecherische, Pflichtverletzung der deutschen Militärführung betrachtet werden, die politische Führung in eine Situation zu bringen, in der sie keine Entscheidungmöglichkeit hat.
 
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Unabhängig davon, wie das Angebot des britischen Aussemninisters zu bewerten war, findet sich hier ein Hinweis, dass der Krieg nun eben nicht mehr ein politisches Instrument sein konnte, sondern weit eher seiner eigenen militärischen Logik gehorchte.
Es muss wohl als eine gravierende, um nicht zu sagen verbrecherische, Pflichtverletzung der deutschen Militärführung betrachtet werden, die politische Führung in eine Situation zu bringen, in der sie keine Entscheidungmöglichkeit hat.

Das war sicherlich ein Teil der Dynamik, die aber nicht erst im Sommer 1914 begonnen hatte und sich nur an der strategischen Planung des deutsche Heeres orientierte.

Um eine komplexe Frage zu erörtern, ist es notwendig, die Problematik auch komplexer zu betrachten und nicht nur einen Teilabschnitt zu durchleuchten um daraus Schlüsse zu ziehen.
 
Es muss wohl als eine gravierende, um nicht zu sagen verbrecherische, Pflichtverletzung der deutschen Militärführung betrachtet werden, die politische Führung in eine Situation zu bringen, in der sie keine Entscheidungmöglichkeit hat.

Nein, das wäre wiederum eher unhistorisch und zu einseitig moralisch agumentiert.

Vermutlich klingt es bereits auch bei Wallach an, wird aber sehr deutlich bei J. Snyder (The Ideology of the Offensiv), oder aber auch bei Storz (Die Schlacht der Zukunft. in Michalka: Der Erste Weltkrieg, S. 252) und auch bei Heuser (Reading Clausewitz) das unbedingte Primat der Offensive für militärische Operationen.

Eine Sichtweise für die letzlich der russisch-japanische Krieg nicht ganz unwichtig war, da in ihm der "Angriffsgeist" der Japaner als eine zentrale Größe für den Erfolg gesehen wurde. Und beispielsweise durch die französichen Planer ins "Absurde", mit dem "Elan" weiterentwickelt wurde.

Insofern wurde auch Clausewitz und seine Einsicht, dass die Defensive eigentlich die stärkste Form der Kriegsführung sei, von nahezu allen !!!!! führenden Militärtheoretikern in Europa als Einsicht eher unterdrückt.

Die deutschen Militärs planten vor 1914 den "zukünftigen Krieg", den alle europäischen Militärs antizipierten. Um dann überascht zu werden, wie der zukünftige Krieg dann wirklich aussah.
 
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Um eine komplexe Frage zu erörtern, ist es notwendig, die Problematik auch komplexer zu betrachten und nicht nur einen Teilabschnitt zu durchleuchten um daraus Schlüsse zu ziehen.

Damit stimme ich überein. Allerdings habe ich das Problem, dass ich dann schnell den Gesamtzusammenhang verliere. Ich vermute, dass ich für solche komplexen Thema intellektuell zu einfach gestrickt bin:cry:.

Vielleicht sollte ich mir ein einfacheres Hobby als Geschichte suchen (z. B. Mathematik :autsch:).

Eine andere (und amüsante) Erklärung, wie der Krieg begann, ist folgende:

LiveLeak.com - Blackadder Goes Forth - 'How Did The War Start?' in Englisch ohne Untertitel (ich hoffe, diese Videoplattform verstößt nicht gegen das Youtube-Verbot)

...aus der Fernsehserie "Black Adder", die derzeit in Großbritannien die Gemüter erregt.

Der Protagonist Black Adder erklärt die Vorkriegslage so, dass zwei mächtige Superblöcke (Mittelmächte bestehend aus Deutschem Reich und Österreich-Ungarn und die Entente bestehend aus British Empire, Frankreich und Rußland) sich gegenüberstanden. Die Militärmächte standen sich zur Abschreckung gegenüber, um einen Krieg zu vermeiden. Der Plan hatte leider einen kleinen Makel: er war "Bollocks" ("Quatsch mit Sauce"). Und so kam es zum Krieg.

Die Fernsehserie ist übrigens in den späten 80er Jahren entstanden, als sich zwei hoch gerüstete Superblöcke zur Abschreckung gegenüber standen.
 
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[...]Der Plan hatte leider einen kleinen Makel: er war "Bollocks" ( "Quatsch mit Sauce"). Und so kam es zum Krieg.

Die Fernsehserie ist übrigens in den späten 80er Jahren entstanden, als sich zwei hoch gerüstete Superblöcke zur Abschreckung gegenüber standen.

Quatsch mit Soße - finde ich gut ...;)

Wenn die militärische Planung verantwortlich für einen Krieg war, würden wir wohl heute alle nicht leben, oder die meisten ... mit Hinweis auf den Kalten zum Heißen Krieg ...

Aber im Beitrag #446 habe ich auch darauf verwiesen, daß eine militärische Planung durchaus für einen Krieg verantwortlich sein kann. Nur in dem Fall der hier diskutiert wird, ist es nicht so.
 
Nein, das wäre wiederum eher unhistorisch und zu einseitig moralisch agumentiert.

Vermutlich klingt es bereits auch bei Wallach an, wird aber sehr deutlich bei J. Snyder (The Ideology of the Offensiv), oder aber auch bei Storz (Die Schlacht der Zukunft. in Michalka: Der Erste Weltkrieg, S. 252) und auch bei Heuser (Reading Clausewitz) das unbedingte Primat der Offensive für militärische Operationen.

Eine Sichtweise für die letzlich der russisch-japanische Krieg nicht ganz unwichtig war, da in ihm der "Angriffsgeist" der Japaner als eine zentrale Größe für den Erfolg gesehen wurde. Und beispielsweise durch die französichen Planer ins "Absurde", mit dem "Elan" weiterentwickelt wurde.

Insofern wurde auch Clausewitz und seine Einsicht, dass die Defensive eigentlich die stärkste Form der Kriegsführung sei, von nahezu allen !!!!! führenden Militärtheoretikern in Europa als Einsicht eher unterdrückt.

Die deutschen Militärs planten vor 1914 den "zukünftigen Krieg", den alle europäischen Militärs antizipierten. Um dann überascht zu werden, wie der zukünftige Krieg dann wirklich aussah.

Das ist ein interessanter Aspekt.
Hierzu auch:
During the decades before the First World War a phenomenon which may be called a "cult of the offensive" swept through Europe. Militaries glorified the offensive and adopted offensive military doctrines, while civilian elites and publics as- sumed that the offense had the advantage in warfare, and that offensive solutions to security problems were the most effective. This article will argue that the cult of the offensive was a principal cause of the First World War, creating or magnifying many of the dangers which historians blame for causing the July crisis and rendering it uncontrollable.
Und aus gleicher Quelle:
In France, the army became "Obsessed with the virtues of the offensive,".....
........
Other European states displayed milder symptoms of the same virus. The British military resolutely rejected defensive strategies despite their experi- ence in the Boer War which demonstrated the power of entrenched defenders against exposed attackers. General W.G. Knox wrote, "The defensive is never an acceptable role to the Briton, and he makes little or no study of it," and General R.C.B. Haking argued that the offensive "will win as sure as there is a sun in the heavens." .....
Das wäre dann eine allgemeine Stimmung im Europa des Vorabends zur Katastrophe.
Nun kann man sagen, dass eben diese kritische Lage, welche ja auch ein Produkt der entsprechenden allgemein kursierender Ideen (ich verkneif mir jetzt einen anderen Ausdruck ;)) war, im DR, welches sich der Gefahr eines Zweifrontenkriegs ausgesetzt sah, besonders fatale Früchte tragen musste.
Es bleibt mir aber der Eindruck,
dass insbesondere im DR das Militär die eigene Logik ohne Rücksicht auf Politik durchsetzte.
Immerhin war es ja Frankreich möglich, aufgrund aussenpolitischer Erwägungen, im kritischten Zeitpunkt der "Julikrise" eine defensive Haltung einzunehmen.
Das DR indes ging fest von einem Krieg mit Russland und Frankreich aus und hatte eben nur dafür einen Plan.
Damit war aber der große Krieg unausweichlich geworden.

Mir kommt das bildlich so vor, als befände man sich in schneller Fahrt in einem Auto, bei dem der Autobauer geflissentlich vergessen hat, darauf hinzuweisen, dass der Wagen keine funktionierenden Bremsen hat.
Nun könnte der Fahrer da ja sagen, er sei in den Unfall "hineingeschlittert",
der Fahrzeughersteller aber wäre gewiss als kriminell anzusehen.
 
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Das DR indes ging fest von einem Krieg mit Russland und Frankreich aus und hatte eben nur dafür einen Plan.
Damit war aber der große Krieg unausweichlich geworden.
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Mal anders gefragt, gegen welche Nation hätte sich eine strategische Planung des Kaiserreichs richten sollen, wenn nicht gegen Frankreich und Russland, nachdem die außenpolitische Lage sich spätestens nach 1888 oder 1892 verschärfte?
 
Mal anders gefragt, gegen welche Nation hätte sich eine strategische Planung des Kaiserreichs richten sollen, wenn nicht gegen Frankreich und Russland, nachdem die außenpolitische Lage sich spätestens nach 1888 oder 1892 verschärfte?

Bis 1913 gab es immerhin einen Plan für den Fall, dass man sich alleine mit Russland auseinandersetzen musste.
Moltkes Schwierigkeiten begannen bereits am ersten Tag der Mobilmachung. 1913 hatte er die Pläne für den "Großen Ostaufmarsch" ad acta gelegt, die bis dahin in den Akten des Großen Generalstaabes auf dem Laufenden gehalten worden waren, weil er sie im Hinblick auf die politische Lage für überholt ansah.
J. L. Wallach wie vorher genannt - Seite 150.

Man muss sich das mal reintun:
Es gibt nur eine offensive Planung für den ganz großen Krieg.
Zeigt dieser aber ein Zögerlichkeit beim Ausbrechen, geht man trotzdem von diesem aus und reagiert entsprechend.
Turgot hat das nach meiner Ansicht ganz gut ausgedrückt:
Der Schlieffenplan hat genaugenommen Frankreich und Großbritannien fix als Kriegsgegner gesetzt, denn das GB durch die Besetzng Belgiens nicht mehr neutral bleiben würde, davon war bei sachlicher Abwägung von auszugehen. Damit wurden von vornherein diplomatische Optionen verbaut
Die andere Frage aber ist, welcher Teufel hat denn die militärische Führung des DR geritten, nur diesen einen Plan zu haben und noch dazu die politische Führung unzureichend darüber in Kenntnis zu setzen?
Wer hat denn nur einen Plan?
Das ist doch unverantwortlich.
Jeder vernünftige militärische Stratege muss doch verschiedene mögliche Szenarien berücksichtigen.
Nun war es aber wahrscheinlich so, dass die politsche Führung in Gestalt des Kaisers für ohnehin inkompetent gehalten und der eigenen Einschätzung gefolgt wurde.
Nicht mehr der 'Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln',
sondern ist nach dieser seltsamen Logik, der Herrscher über die Politik.
Das ist ja ein kalter Putsch und man kann auch sagen Hochverrat.
 
Am 1. August 1914 überbrachte der deutsche Reichskanzler dem Kaiser eine Note des Fürsten Lichnowsky, des deutschen Botschafter am Hof von St. James, in der mitgeteilt wurde, daß Sir Edward Grey, der britischen Außenminister, angeboten habe, die fränzösische Mobilmachung gegen Deutschland zu verhindern, vorausgesetzt, die Deutschen würden davon Abstand nehmen, im Westen aufzumarschieren.

Unabhängig davon, wie das Angebot des britischen Aussemninisters zu bewerten war, findet sich hier ein Hinweis, dass der Krieg nun eben nicht mehr ein politisches Instrument sein konnte, sondern weit eher seiner eigenen militärischen Logik gehorchte.

Aber wie war denn das Angebot des britischen Außenministers zu bewerten gewesen?

Hätte Frankreich bei einem Konflikt zwischen den Mittelmächten und Rußland eine neutrale Rolle spielen können, so dass der Krieg lokal auf den Osten beschränkt geblieben wäre?

Immerhin gab es doch das Bündnis zwischen Frankreich und Rußland.
 
Unabhängig davon, wie das Angebot des britischen Aussemninisters zu bewerten war, findet sich hier ein Hinweis, dass der Krieg nun eben nicht mehr ein politisches Instrument sein konnte, sondern weit eher seiner eigenen militärischen Logik gehorchte.
Es muss wohl als eine gravierende, um nicht zu sagen verbrecherische, Pflichtverletzung der deutschen Militärführung betrachtet werden, die politische Führung in eine Situation zu bringen, in der sie keine Entscheidungmöglichkeit hat.

Carolus schrieb:
Aber wie war denn das Angebot des britischen Außenministers zu bewerten gewesen?

Hätte Frankreich bei einem Konflikt zwischen den Mittelmächten und Rußland eine neutrale Rolle spielen können, so dass der Krieg lokal auf den Osten beschränkt geblieben wäre?

Immerhin gab es doch das Bündnis zwischen Frankreich und Rußland.


Und Wilhelm meinte als er die angebliche "erfreuliche" Botschaft zur Kenntnis nahm. "Nun brauchen wir nur noch gegen Russland Kieg führen. Also marschieren wir einfach mit der ganzen Armee im Osten auf." moltke war einen Nervenzusammenbruch nahe und meinte, dass das nicht anginge, denn der Aufmarsch eines so gewaltigen Heeres sei das Ergebnis einer Jahresarbeit. Wenn Wilhelm darauf bestünde, hätte er keine schlagfertiges Heer mehr, sondern einen wüsten Haufen.

Ich denke, das Moltke ein wenig übertrieben hat, denn der letzte Große Aufmarsch Ost wurde 1913 bearbeitet und hatte immerhin doch eine Gültigkeit bis in den März 14.

Davon aber unbenommen stellte sich das gerade zu fantastische anmutende Angebote als Ente, ja als grandioses Missverständnis heraus und der schon von Wilhelm bestellte Champagner schmeckte nicht mehr. Um ca. 23 Uhr abends nämlich erhielt Wilhelm von König George ein Telegramm, das alles ein Missverständnis sei und Lichnowsky wohl einen solchen aufgesessen sei, denn diese müsse auf Irrtum beruhen. Wilhelm war wütend und sagte zu Moltke: "Nun können Sie machen was Sie wollen."
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber wie war denn das Angebot des britischen Außenministers zu bewerten gewesen?

Hätte Frankreich bei einem Konflikt zwischen den Mittelmächten und Rußland eine neutrale Rolle spielen können, so dass der Krieg lokal auf den Osten beschränkt geblieben wäre?

Immerhin gab es doch das Bündnis zwischen Frankreich und Rußland.

Das Angebot des britischen Aussenminister war wohl recht unverbindlich.
Ich vermute das spiegelt auch die britische Haltung zur fraglichen Zeit.
Denn auch die Versicherung eines Beistandes bei einem deutschen Angriffs auf Frankreich, oder auch Russland, war so gehalten, dass sich daraus kein Automatismus ergeben würde.

Das Bündnis zwischen Frankreich und Russland bezog sich auf eine vorhandene militärische Aggression gegenüber einem Bündnispartner durch das DR, oder seiner Bündnispartner mit Unterstützung des DR, welche auch durch eine einseitige Mobilisierung gegeben sein konnte.
Siehe Uneasy Coalition: The Entente Experience in World War I - Jehuda Lothar Wallach - Google Books Seite 10.
Nun war das aber nicht gegeben.
Russland mobilisierte, in unvorgesehener Weise, zuerst, als Antwort auf eine Kriegserklärung der Donaumonarchie gegenüber Serbien.
So wie ich es verstehe, gab es in diesem Fall keine gegenseitige Beistandsverpflichtung.
 
Naja das Angebot Greys war wohl mehr Wunschvorstellung, geboren aus der unverbindliche Anfrage, ob der deutsche Botschafter eine entsprechende Zusage machen könnte (1. Telegramm) sowie der Ankündigung eines Gesprächtermins über Vorschläge für eine Neutralität Englands.

Immerhin reichte das aus, Kanzler und KW II soweit zu euphorisieren, den Vormarsch der 16. ID auf Luxemburg zu stoppen (Moltke solle eben "andere Bahnen" nutzen) und in einem Telegramm von KW II an Georg V. das Angebot einer französischen Neutralität zu akzeptieren.

Moltke erhielt auch bzgl. des notwendigen Angriffs auf Frankreich zunächst eine Abfuhr, mit dem Hinweis KW II, dass ihm sein Onkel etwas anderes gesagt hätte und wenn er, der Kaiser, den Befehl gäbe (Anm. nur Angriff gegen Russland), dann müsse es auch möglich sein.

Im Treffen Grey / Lichnowsky ging es dann nicht um eine Neutralität F. Stattdessen warnte Grey vor einer Verletzung der Neutralität Belgiens. Zu einer Zusage, dass England neutral bleiben würde, wenn D die belgische Neutralität beachte, war er nicht bereit, da England freie Hand haben müsse.

Die Beachtung der belgischen Neutralität hätte also keineswegs zwangsläufig zu einer britischen Neutralität geführt - war nach den eindeutigen Positionierungen Englands in der Marokkokrise von 1911 auch nicht zu erwarten.

Vermutlich wäre man dann gemäß Satz2 von McKenna's Standpunkt zur Londoner Seerechtskonvention verfahren:
The Germans are sure to infringe it in the early days of the war, then with great regret we tear it up. If they don't infringe it we must invent an infringement!
 
Jetzt wirds immer bunter hier!:motz:

Deutschland ist also am 1.WK schuldig, weil es keine strategischen oder taktischen Pläne für Kriegshandlungen vorliegen hatte? :nono:
Wie kommst Du den da drauf? :confused:

Wir sind uns doch einig, dass verschiedene Seiten ihren Anteil haben, oder etwa nicht?

Für Deutschland sehe ich die Einseitigkeit der obersten Militärs und deren Ausschaltung der Politik als den Hauptfaktor an. Andere Länder haben anderes beigetragen.
 
Er schreibt: "Yet as the 1915 campaign showed, the Germans could have succesfully defended their western frontier with a numerically inferior force, thereby freeing suficent forces for a limited offensive in the east. Had this strategy been followed from the start, Britain might not have entered the war."
Genau dieses "might" hätte in den Planungen vor dem Krieg eine große Rolle spielen müssen.
Das bedeutet in der Sprache der "virtuellen Geschichtsschreibung", eine schlichte Garantie des DR, die politischen Grenzen des Juli 1914 nicht zu verschieben und auch keine entsprechenden strategischen Bewegungen (um es von operativen Bewegungen abzugrenzen) im Rahmen von militärischen Operationen offensiv vorzunehmen, hätte aus der britischen Sicht keine Notwendigkeit zum Eingreifen geboten. Hätte zwar einen Zweifrontenkrieg bedeutet, den aber das DR in Kombination mit Ö-U gegen F und R hätten auf der inneren Linie erfolgreich defensiv führen können. Über die Rolle von I in diesem Kontext, kann man lediglich spekulieren. Wie insgesamt über die Rolle der dann neutralen atlantischen Mächte, GB und USA.
Italien hätte sich dann zumindest schon 1914 erklären müssen, mit schlechterer Vorbereitung und schlechteren Ausreden.
 
Ich will jetzt mal nicht auf die Details eingehen, da bin ich auch nicht belesen genug. Aber mal ganz grundsätzlich zum "Was war zuerst da?", praktisch die Dampfmaschinenerklärung aus der "Feuerzangenbowle"...

Wenn ich einige der Beiträge richtig verstehe, dann wird als gegeben vorausgesetzt, daß die Militärs einen Kriegsplan auf dem Tisch hatten und den "so toll" fanden, daß sie der Politik praktisch aufzwangen, die politische Entwicklung so "hinzubiegen", daß der Plan vollzogen werden konnte. Das erscheint mir absurd.

Ist es nicht viel eher natürlich, daß die Militärs Pläne entsprechend einer wahrscheinlichen Lageentwicklung vorbereiteten und willens und bereit waren andere Pläne für eine andere politische Lage auszuarbeiten?

Mal als beliebiges Beispiel:
Wenn die Politik es hinbekommen hätte, einen Bündnisvertrag mit Russland unterschriftsreif vorzubereiten. Dann hätten doch die Militärs nicht ihr Veto ausgesprochen und gesagt: "Och nö, wir haben so einen schönen Plan. Macht das nicht!"

Nein, sie hätten vielmehr ihre Planungen der neuen Lage angepasst.
 
[...]
Wer hat denn nur einen Plan?
Das ist doch unverantwortlich.
Jeder vernünftige militärische Stratege muss doch verschiedene mögliche Szenarien berücksichtigen.
[...]

In die Zukunft schauen konnten die Leute damals wie heute nicht ...

Und nenne mir Bitte mal eine Nation, die sich auf mehrere strategische Planungen ausgerichtet hat. Auf gut deutsch gesagt, den Plan P für einen etwaigen Krieg in der Tasche hat, bevor der Krieg beginnt.
 
In die Zukunft schauen konnten die Leute damals wie heute nicht ...

Und nenne mir Bitte mal eine Nation, die sich auf mehrere strategische Planungen ausgerichtet hat. Auf gut deutsch gesagt, den Plan P für einen etwaigen Krieg in der Tasche hat, bevor der Krieg beginnt.
In einem anderen Forum habe ich mal mitbekommen, daß die Amerikaner sogar ausgearbeitete Invasionspläne für Canada haben.
Bei den Kritikern des Schliefenplans stellt sich mir immer die Frage, welcher den besser gewesen wäre und welche Politik nicht zum Ausbruch des Weltkrieges geführt hätte. Leider kommt man damit in den Bereich der Spekulation. Ich halte es aber für interessant zu fragen, was hätte deeskalierend wirken können, was an Deeskalation auf deutscher Seite, wäre auch von den nachbarn dankbar aufgegriffen worden, was hätte man als Schwäche ausgelegt und wie hätte solch ein Politik die weitere machtkonstellation in Europa verändert? Hätte Deutschland nicht Österreich beistehen können, was wäre die Folge etc?
 
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