Wo lagen "Ad pontes Tesseninos"

Hier, zentral zu sehen: Regensburg (Regino) und Salzburg (Iuavo), mit der Salzach (fl. Ivaro), die anstelle des Inn in die Donau fließt beim castellum Boioduru(m) (Südseite Inn, Passau). Dagegen linkerhand die von Salzburg abgehende Straße mit Artobriga, Bedaio und Adenum (= pons ad Oeni = Innbrücke). Anhang anzeigen 19253
die Salzach fließt auch geradlinig von Salzburg aus kommend weiter in Richtung Donau - wir nehmen heute den Inn als den größeren und längeren Fluß, in den dann die Salzach mündet … seinerzeit könnte auch die gerade Streckenführung für die Bezeichnung des Inn-Unterlaufes als Ivaro erfolgt sein.

Dafür überquert die Straße zwischen Bedaium (Seebruck am Chiemsee) und Salzburg die Etsch (Fl. Afesia), die Richtung Verona fließt.
Aufgrund der Lage vor dem Chiemsee (Bdaio) würde ich unterstellen, dass mit der Bezeichnung "Afesia" die heutige Traun angedeutet ist.

Dass die allerdings (rechts von Verona) von den oben angedeuteten Bergen (Alpen) in Richtung Verona fließen soll ist dann doch ein massiver Fehler. Offenbar sind dem Kopisten der Karte in Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse die Flüsse Traun und Etsch als ein Fluß erschienen - oder der gute Kartenzeichner hat zwei Flüsse des damals gleichen Namens einfach zusammen gestückelt. Allerdings leitet sich der Flussname Traun vermutlich aus dem keltischen Wort druna (die Laufende) ab (Wikipedia). . Dieser Flussname hätte dann auch die Römerzeit überdauert. Und zu "Afesia" führt da gar kein Weg hin.

Das also zur Genauigkeit der immer wieder kopierten römischen Straßenkarten …

… und nun komme ich doch wieder "von Höckchen auf Stöckchen"

Dazu dann auch Die Bedeutung und Verbreitung von bairischen Ortsnamen
Der Name 'Traun' scheint erstmals um 790 urkundlich auf, als „dru"
(keltisch: rinnen, fließen, laufen)
und um 790 werden Güterverzeichnisse der Salzburger Kirche Besitzungen ad Trun genannt, und um ca. 1120- 1242 gib es Adelsgeschlecht der de Truna. Die Trauner, auch als de Traune oder Herren von Trune(a) (= Traun) bekannt, sind ein seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesenes bayerisch-salzburgisches Adelsgeschlecht. Die Familie stellte im Laufe ihrer Geschichte zahlreiche Bergvögte, Marschälle, Mautner, Kastner und hochfürstliche Räte.

Aber um welche Traun (Fluss) handelt sich da?

Nur gibt es den Fluß "Traun" nämlich mehrfach - bei Traunstein bzw. Traunwalchen usw. in Oberbayern und beim römischen Ovilava – Das römische Wels ( 1. Jahrhundert: Römische Siedlung am österreichischen Traunufer) in Oberösterreich. Auf der Karte ist der Ort wohl als "Ovilia" eingetragen.

Das bayerische Traunstein (im 10./11. Jh. ist eine Kette von Wehranlagen (Burgställe) östlich der Traun zwischen Traunstein und Siegsdorf entstanden) ist m.E. nach erst 1245 erstmals als Trauwenstain genannt, ein Ort, der 1275 mit dem Chiemgau (und mit ihm Trovnstein endgültig von Salzburg an Bayern fällt. Darauf folgt auch die Verlegung der Mautstelle von Lauter nach Travnstain.
Hat hier eine Namensübertragung von der oberösterreichischen Traun an den oberbayerischen Fluss stattgefunden, haben die Truner von der österreichischen Traun ihren Namen auf neue Besitzungen an der oberbayerischen Traun und damit an den Fluss weiter gegeben - oder haben beide Flüsse die gleiche Namensgrundlage?

Reitzenstein (Lexicon bayerischer Ortsnamen) schreibt über die Traun auf S. 278 und 318. Ich habe Reitzenstein aber schon so oft zitiert, dass ich langsam Bammel wegen Urheberrecht habe - vielleicht kann man jemand anders die Erklärung von Reitzenstein wiedergeben.

Und auch das Wort "traun" könnte für den Fluß in Oberbayern könnte noch einen anderen Ursprung haben.
Aus Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm
traun, interj. , in wahrheit!, fürwahr!, wahrhaftig! herkunft und form.

mhd. entriuwen, triuwen, mnd. entruwen, truwen, trouwen, mnl. trouwen, neunl. trouwens in gleicher bedeutung. ahd. nicht bezeugt, doch steht bei Notker häufig (achtzehnmal) triuwo atqui, certe, das offenbar das genaue singularische gegenstück zu dem dat. plur. mhd. triuwen ist, vgl. Graff 5, 466. adverb. wird dieses triuwo schwerlich sein, da es das adj. triuwi ahd. so gut wie gar nicht, und besonders bei Notker nicht gibt, s. DWB treu, teil 11, 1, 2, sp. 246.

Und kurz und leserlich:

traun! 〈veraltet; noch poet.〉 wahrhaftig!, fürwahr; mhd. entriuwen „in Treue, in Wahrheit“; → treu

Auch verwandt mit "trauen":

trauen [...] mhd. trûwen, triuwen;

Und laut dem Schwäbisches Wörterbuch mit etymologischen und historischen Anmerkungen:

P8EPZ.png


"wahrlich" [...] Ableitung: "bei Treue", "bei meiner Treu"
könnte dieses "Traun" dann eine Reminiszenz an die Salzach-Romanen sein, die an der Traun (Traunwalchen!) ihrer Heimat "treu geblieben" sind?

Eine sehr steile These, ich weiß - aber … ned dass ma drüber redt, ma sogt hoid bloß.
 
Zuletzt bearbeitet:
seinerzeit könnte auch die gerade Streckenführung für die Bezeichnung des Inn-Unterlaufes als Ivaro erfolgt sein.
Dem ist unter Hinweis auf Ptolemaios zu widersprechen: Seinerzeit hieß der Flusslauf, der in die Donau mündete, Aenus (Ainos).

Bei den Flussläufen geht es in den Peutingertafeln häufig durcheinander. Der Fluss, der durch Rom floss, hieß bei den alten Römern unstreitig schon Tiber. Dieser Name taucht auf den Peutingertafeln nicht auf, nur der Name des Nebenflusses Pallia. Dieser Fluss mündet anscheinend zweimal ins Tyrrhenische Meer, wobei die Übergänge über den nördlichen Arm einmal als Pallia fl[umen], einmal als Armenita fl[umen] bezeichnet sind.

Und um noch einmal einen Blick auf Süddeutschland zu werfen: Die Donau wird zwischen Rottweil und Rottenburg überquert wird, so dass die am Neckar liegenden Orte Rottenburg (Sumelocenna) und Köngen (Grinario) rechts der Donau liegen.

Ich vermute, dass die wenigsten dieser Fehler auf Kopistenfehler zurückgehen, sondern dass schon der ursprüngliche Autor Mühe hatte, die (wohl meist in Form von Itinerarien) vorliegenden Informationen zu systematisieren. Daraus erklärt sich ja auch das doppelte Abodiacum mit seinen Folgeerscheinungen.

Und auch das Wort "traun" könnte für den Fluß in Oberbayern könnte einen anderen Ursprung haben.
Das glaube ich nicht, der Fluss heißt in einer Urkunde von 790 ebenfalls Druna. Gleichnamige Flüsse sind keine Seltenheit. Eine Traun (auch Traunbach genannt) gibt es auch in Rheinland-Pfalz: Traunbach – Wikipedia
Die Flüsse hießen alle drei Druna. Der Name ist nicht keltisch, sondern dürfte sogar noch älter sein!
 
...

Die Gefahr der Fixierung besteht und Reitzenstein hat Recht: Es wäre tatsächlich so, dass die Verschiebung P > Pf zu erwarten wäre. Allerdings haben wir nur 40 km entfernt Garmisch-Partenkirchen, gut, hier mag ein Einfluss durch die Partnach vorliegen, aber auch bei Partnach und Partenkirchen (Partanum in römischer Zeit) ist der Anlaut unverschoben geblieben.

Ich finde deine These ganz charmant.
....

Möglicherweise gab es auch romanische Restbevölkerung, die diese 2. Lautverschiebung nicht mitgemacht hat, und daher das "P" ohne den Wandel zum "Pf" in die heutige Zeit rettete.
Ähnliche Bevölkerungsreste sind etwa in Walchstadt am Wörthsee (Ammersee) oder in Walchstatt bei Icking/Wolfratshausen zu vermuten. ….


gerade lese ich
Die Zweite Lautverschiebung im Bairischen anhand der Ortsnamenintegrate. Eine lautchronologische Studie zur Sprach- und Siedlungsgeschichte in Bayern, Österreich und Südtirol
Ein einst länger romanisch verbliebenes Gebiet bildet in Oberbayern im Anschluss an Tirol lediglich das Werdenfelserland um Garmisch-Partenkirchen ….
Die Zweite Lautverschiebung im Bairischen anhand der Ortsnamenintegrate. Eine lautchronologische Studie zur Sprach- und Siedlungsgeschichte in Bayern, Österreich und Südtirol
Die Südgrenze der -ing Namen liegt ggen den Beginn des Berglandes. … In dieser Grenzzone vom Walchensee über den Chiemsee bis zum Attersee treten auch die Walchen-Namen auf, die in der deutschen Sprache auf den Bevölkerungsgegensatz von Baiern und Romanen hinweisen und natürlich von den Baiern vergeben wurden. Bis hierher reichen auch die Reihengräberfelder des 6. und 7. Jahrhunderts
Die Zweite Lautverschiebung im Bairischen anhand der Ortsnamenintegrate. Eine lautchronologische Studie zur Sprach- und Siedlungsgeschichte in Bayern, Österreich und Südtirol
Da in Partano/Partenirchen, das im länger romanisch verbliebenen Werdenfelserland liegt, die Lautverschiebung unterblieben ist, ist in Scarania/Scharnitz romanische Assibilierung wahrscheinlicher als Tenuisverschiebung. …
Die Zweite Lautverschiebung im Bairischen anhand der Ortsnamenintegrate. Eine lautchronologische Studie zur Sprach- und Siedlungsgeschichte in Bayern, Österreich und Südtirol
Man muss … hinsichtlich der rätisch-norischen Romania submersa berücksichtigen, dass es sich um die nördliche romanische Peripherie handelt. Nach den allgemeinen dialektgeographischen Erkenntnissen erfolgen Entwicklungen in solchen Randbereichen gegenüber jenen der Kernräume, wenn überhaupt, so zeitlich verzögert.
 
Zuletzt bearbeitet:

Ich sehe keinen Bezug zu meinem Satz, den Du zitiert hast. Der Satz bleibt korrekt, was gäbe es daran auszusetzen?

Da in Partano/Partenirchen, das im länger romanisch verbliebenen Werdenfelserland liegt, die Lautverschiebung unterblieben ist, ist in Scarania/Scharnitz romanische Assibilierung wahrscheinlicher als Tenuisverschiebung. …
Den wichtigsten Buchstaben dieses Zitats (ich meine nicht das k) hast Du vergessen. (Typische Kopistenfehler)

Selbstverständlich gehe ich auch von romanischer Assibilierung aus. Dazu braucht man Partenkirchen als Begründung nicht.
Ob Partenkirchen wirklich direkt auf Partano zurückzuführen ist, daran kann man freilich mehrere Fragezeichen setzen.
 
Einen echten slawischen Ortsnamen in Oberbayern haben wir wahrscheinlich in Bad Tölz, der allerdings nicht direkt von slawischen Siedlern herrührt, sondern von einem Adligen Heinrich von Döllnitz (Tolnze) - :

Tatsächlich aber habe Tölz früher „Ried“ beziehungsweise „Reginried“ geheißen, was sich aus „Ried“ wie „Rodung“ und dem Vornamen „Reginbrecht“ zusammensetze. Frühestens ab etwa 1180 bis 1200 sei dann der Name „Tolnze“ oder „Tollenz“ aufgekommen, abgeleitet von dem aus dem oberpfälzischen Döllnitz stammenden Adeligen Heinrich von Tolnce oder Tolinze.​

Ein Lenggrieser schreibt Tölzer Geschichte | Bad Tölz

Lexikon bayerischer Ortsnamen
Mayer-Westermayer (Bd. III S. 457 f) schreibt etwas anderes:
Tölz, Tolnze, Tolle (Ableitung ungewiss) vielleicht von den Römern als keltische tuille (Hügel) vorgefunden und von ihnen Toletum oder Tolusium geheißen (Aventini annales p. 84) muß durch dieselben bevölkert und befestigt worden sein, wie von hier ausgehende Römerstraße und daselbst gefundene München der Kaiserzeit dies nahelegen (Außer einem Germaicus wurd in Tölz ein Constans und eine Urbs Roma gefunden (leteztere zwei München im Besitz des Verf.). Die von hier ausgehenden römischen Straße nach Waakirchen und Königsdorf sind als solche nachgewiesen durch Dr. Wilh. Schmidt im Oberb. Arch. XXV. S. 2?0 ff).
… auch ein Grund der mich an eine ost-westlich verlaufende Verbindung unmittelbar nördlich der Alpen denken lässt (1262 wurde Tölz noch - wie Gaissach 1383, M.W. S. 433 . als Filiale von Königsdorf bezeichnet, dessen Ortsname bekanntlich auf einen romanischen Personennamen zurückgeführt werden kann).

...
Den wichtigsten Buchstaben dieses Zitats (ich meine nicht das k) hast Du vergessen. (Typische Kopistenfehler)
:eek::) tz..tz..tz..tz
Selbstverständlich gehe ich auch von romanischer Assibilierung aus. Dazu braucht man Partenkirchen als Begründung nicht.
Ob Partenkirchen wirklich direkt auf Partano zurückzuführen ist, daran kann man freilich mehrere Fragezeichen setzen.
Partenkirchen dient als Begründung ür die fehlende 2. Lautverschiebung an der nördlichen romanischen Peripherie.
Und ob Partenkirchen direkt auf Partano zurückzuführen ist, haben wir hier ja schon an Hand der Entfernungsangaben von Innsbruck aus und der aufgefundenen Meilensteine diskutiert. Die "herrschende Meinung" muss nicht immer richtig sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
In dem Zusammenhang muss ich dann nochmals auf das Gräberfeld in Sindelsdorf (aus der ersten Hälfte des 6. Jh. bis zum frühen 8. Jh. zurück kommen. Ind der publizierten Dokumentation (Materialhefte zur Bayer. Archäologie, Band 99 stellt Barbara Wührner (S. 17 f) fest:
… Mit nur zehn nachgewisenen Spathagräbern (2,8 %), 39 Saxgräbern (11,1 %) und sieben Fibelgräbern (2 %) entsprecht der Bestattungsort anderen romanisch geprägten südbayerischen Nekropolen der Agilolfingerzeit (m.w.N.) . Vor allem die eher reduziert ausgestatteten frühen Gräber und das Auftreten von Fibeln bzw. Spatha, Schild und Lanze erst im fortgeschrittenen 6. Jh., ferner das Fehlen von Pferdegräbern sprechen für einen überwiegend an spätrömischen Vorbildern orientierten Bestattungsbräuchen der Bevölkerung von Sindelsdorf. Auf eine Kontinuität von Romanen im frühmittelalterlichen Bayern, insbesondere im alpinen Südbayern, weiden die zahlreichen überlieferten romanischen Ortsnamen hin.
...
Auf Fernkotakte weiser unter anderem das goldene Körbchenohrringpaar aus Grab 56, ein "fränkischer" Rüsselbecher" aus Grab 125 sowie bronzene bzw. eiserne Gürtelgarnituren aus den Gräbern 53 und 167 hin …."

und beim Stichwort "Fernkontakte" gehe ich nur über die Loisach zur Adelheidquelle von Heilbrunn. Anlässlich der (erneuten) Freilegung der Quelle 1195 durch Mönche aus Benediktbeuern
stieß man auch auf Mauerreste und auf Salzpfannen und anderes Gerät, das auf eine Salzgewinnung in füherer Zeit hindeutet. Die Quelle - so darf man vermuten - war schon in keltischer Zeit genutzt worden, ihr hoher Jod- und Salzgehalt war wohl bereits damals bekannt."
 
Ja, und? Das ist von 1884, ortsnamenkundlich völlig irrelevant.
Die Autoren können nichts dafür, die wissenschaftliche Ortsnamenkunde steckte damals noch in den Kinderschuhen. Die Erforschung des Festlandskeltischen übrigens auch, wobei die Autoren sich auf damals eigentlich schon veraltete Literatur (Josef Thaler 1843) stützten. Ein festlandskeltisches Hügel-Wort, mit dem tatsächlich gern Ortsnamen gebildet wurden, lautete übrigens brig-, daraus erklären sich Ortsnamen wie z. B. Artobriga 'Bärenhügel'.
Für ein "Toletum" oder "Tolusium" gibt es keine Anhaltspunkte, das sind leider nur Spekulationen ohne Substanz.

Partenkirchen dient als Begründung ür die fehlende 2. Lautverschiebung an der nördlichen romanischen Peripherie.
Aber damit muss man doch keine romanische Assibilierung im Fall Scarantia begründen, oder?

Und ob Partenkirchen direkt auf Partano zurückzuführen ist, haben wir hier ja schon an Hand der Entfernungsangaben von Innsbruck aus und der aufgefundenen Meilensteine diskutiert.
Außerdem aus früheren Diskussionen:
Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter

Ganz sicher bin ich mir nicht. Es gibt zumindest eine alternative Erklärung:
"Partenkirchen < *Barthen-kirchen enthält den Namen der römischen Station Partanum als Bestimmungswort; dass das anlautende P- des vorbairischen Namens nicht, wie zu erwarten, zu abair. Pf- verschoben wurde, hängt mit der Eindeutung durch den PN. Barthel (<Bartholomäus) zusammen: Partenkirchen/*Barthenkirchen wurde als *Barthelskirchen 'Kirche des hl. Bartholomäus' eingedeutet."

Deutsches Gewässernamenbuch
Dazu Wiesinger/Greule S. 151:
"Die Nähe einer lautverschobenen Namensform *Pfarzen zu mhd. varzen 'furzen' ist vielleicht - zumal bei einem Kirchen-ON - für die Umdeutung verantwortlich."
Andererseits scheint mir die Herleitung von Partenkirchen aus unverschobenem Partanum eleganter als die Eindeutung durch den Bartholomäus, wenngleich die alten Belege neben Partinchirchen auch Barthinchirche bzw. Barthenchirchen zeigen. Wie ich schon schrieb: "Ganz sicher bin ich mir nicht."
 
Ind der publizierten Dokumentation (Materialhefte zur Bayer. Archäologie, Band 99 stellt Barbara Wührner (S. 17 f) fest:
Was bitte hat sie denn "festgestellt"?
Wo findet man denn die "zahlreichen" einwandfrei romanischen Ortsnamen?

Wenn wir die Gewässernamen (und die aus Gewässernamen gebildeten Siedlungsnamen) abziehen, bleiben nicht viele Namen übrig, die eindeutig oder zumindest mit einiger Sicherheit als Siedlungsnamen überliefert worden sind. Diese habe ich mal rot markiert (Karte aus Wiesinger/Greule, Karte 2)

upload_2020-7-2_22-50-17.jpeg
 
@Sepiola:
Bei Deiner Karte (Wiesinger Greule) ist beispielsweise Augsburg nicht aufgeführt, und die ganzen "Walchen-" Orte, die von germanisch sprechenden Personen benannt wurden und die Orte bezeichnen, in denen wohl eine romanische Bevölkerungsmehrheit bestand, fehlen ebenso.

Die Karte müsste etwa auch um die Orte ergänzt werden, in denen - beispielsweise wie in Sindelsdorf - ein romanischer Bevölkerungsanteil archäologisch belegt sein dürfte. Dazu könnten dann auch die möglicherweise romanisch tradierten Ortsbezeichnungen aus der unmittelbaren Umgebung hinzufügt, dürfte sich ein anderes Bild ergeben.

Wenn man diese Orte auch noch einträgt - und in Deiner Karte deutet sich das schon an - dann dürfte sich eine Namenshäufig entlang des römischen Straßennetzes ergeben.

Ich denke, hier ist ein minimalistisches Konzept verwirklicht, dass romanische Tradierung nur dort gelten lässt, wo es absolut unzweifelhaft ist.
Was bitte hat sie denn "festgestellt"?
Wo findet man denn die "zahlreichen" einwandfrei romanischen Ortsnamen?
Wührer bezieht sich auf "Die Anfänge Bayerns: Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria (Bayerische Landesgeschichte und europäische Regionalgeschichte) (Deutsch) Gebundene Ausgabe – 13. März 2014 " und die Erkenntnisse von Rettner (262 - 265, Karte 6), die mir durchaus überzeugend vorkommen.

Ich zitiere aus einer Rezension:
…. hat die neuere Forschung doch an zahlreichen Beispielen nachgewiesen, dass mit dem Untergang des Weströmischen Reiches am Ende des 5. Jahrhunderts lediglich ein (Teil-)Rückzug der militärischen Einheiten erfolgte, aber große Teile der romanischen Bevölkerung in ihren bisherigen Siedlungsgebieten blieben und dort mit neu hinzukommenden Gruppierungen verschmolzen und neue Völker bildeten. Zudem nimmt unser Wissen über die Entwicklungen im Raum des entstehenden Baiern insbesondere durch neue archäologische Funde beständig zu. Damit verbunden ist zugleich eine immer weiter verfeinerte Methode ihrer Auswertung.
...
Den Auftakt der Einzeluntersuchungen bildet Michaela Konrad, Ungleiche Nachbarn. Die Provinzen Raetien und Noricum in der römischen Kaiserzeit (21-71), die das Augenmerk auf den unterschiedlichen Romanisierungsstand zwischen dem stark von römischen Einflüssen geprägten und mit städtischen Zentren versehene Noricum und das stärker militärisch dominierte, weniger romanisierte Raetien lenkt, was seitens der Forschung bislang zu wenig berücksichtigt wurde.
...
(und für unsere Diskussion besonderes interessant):
Andreas Schorr, Frühmittelalterliche Namen an Iller, Donau und Lech. Ihr Aussagewert für eine transdisziplinäre Kontinuitäts- und 'Ethnogenese'-Diskussion (219-243), bettet seine Beobachtungen zu bayerischem und alemannischem Namensgut ein in die generelle etymologische Diskussion. Brigitte Haas-Gebhard, Unterhaching - Eine Grabgruppe der Zeit um 500 n. Chr. (245-271): Der spektakuläre Fund verweist auf eine um 500 dort ansässige Gruppe hochrangiger Personen, vermutlich christlichen Glaubens.
...
und letztendlich
Der Band überzeugt durch die zahlreichen inhaltlich und methodisch weiterführenden Resultate und setzt daher für die künftige Beschäftigung mit der bayerischen Frühgeschichte wichtige neue Impulse. Besonders hilfreich sind zudem die zahlreichen neuen Karten, die ihrerseits einen eigenen Forschungsbeitrag darstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Sepiola:....

Wenn man diese Orte auch noch einträgt - und in Deiner Karte deutet sich das schon an - dann dürfte sich eine Namenshäufig entlang des römischen Straßennetzes ergeben.
...
das bestätigt sich dann sogar an dem Ort "Nodern" nördlich von Tölz, der so gar nicht zu den bekannten Römerstraßen zu passen scheint.
Der Ort liegt 15 km von Heilbrunn entfernt an einem Höhenzug, der von Heilbrunn aus in nordwestlicher Richtung zur Isar führt - in gerader Weiterführung dieser Linie würde man - knapp nördlich am tief eingeschnittenen "Teuefelsgraben" zwischen Holzkirchen und Otterfing vorbei - nach Helfendorf kommen.
Und damit ist genau die Mitte zwischen Eglfing und der Via Raetia sowie Helfendorf und der Via Julia (mit jeweils 30 km Entfernung) markiert.
Kann das Zufall sein? Ja, kann es, aber bemerkenswert ist es trotzdem.

Und die Karte 4 (S. 224) von Wiesinger / Greule sollte man dann auch noch beiziehen. Da sind die bayrisch-romanischen Mischnamen aufgeführt, die gerade bei einer längeren Siedlungskontinuität zu erwarten wären; da sind dann auch Irschenberg (über das wir hier schon diskutiert haben), Irschenhausen - Königsdorf (bei Wolfratshausen) und Jasberg (15 km von Helfendorf und Nodern entfernt, nördlich des Teufelsgrabens bei Holzkirchen) mit genannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Sepiola:
Bei Deiner Karte (Wiesinger Greule) ist beispielsweise Augsburg nicht aufgeführt
... weil Augsburg nun mal nicht zum bairischen, sondern zum schwäbischen Sprachgebiet gehört. Das Buch heißt "Baiern und Romanen".

und die ganzen "Walchen-" Orte, die von germanisch sprechenden Personen benannt wurden
... sind halt deutsche Ortsnamen und keine romanischen Ortsnamen.

Die Karte müsste etwa auch um die Orte ergänzt werden, in denen - beispielsweise wie in Sindelsdorf -
Es handelt sich um eine Karte mit romanischen Siedlungsnamen. Einwandfrei deutsche Namen wie Sindelsdorf haben dort nichts zu suchen.

Idie Erkenntnisse von Rettner (262 - 265, Karte 6), die mir durchaus überzeugend vorkommen.
Rettner ist Archäologe, kein Sprachwissenschaftler. Er hat ein großes Sammelsurium (zum Teil aus veralteter und überholter Literatur) zusammengetragen, darunter haufenweise Namen mit einwandfreier deutscher Deutung.
"Da Rettner dabei auf verschiedene ältere Arbeiten zurückgreift, nennt er auch solche Ortsnamen, für die eine früher versuchte romanische Etymologie sich nicht mehr halten lässt. Ebenso bedient sich Rettner der [...] von [...] Willi Mayerthaler vorgetragenen These, wonach das Bairische eine Kreolsprache mit romanischer Grundlage und germanisierter alemannischer Überformung sei, ohne aber die von der Germanistik bereits damals vorgetragene Kritik und Widerlegungen auch nur mit einem Wort zu erwähnen." (Wiesinger/Greule S. 21)
 
Da sind die bayrisch-romanischen Mischnamen aufgeführt, die gerade bei einer längeren Siedlungskontinuität zu erwarten wären

Hier handelt es sich um deutsche Ortsnamen, wie oft soll ich das denn bitte noch zitieren?

"Die rom.-dt. Mischnamen sind nach Bildung und Form - und das muss mit Nachdruck betont werden - rein deutsche Siedlungsnamen."


Außerdem handelt es sich um neugegründete Orte, also eben Orte, an denen keine Siedlungskontinuität besteht.
 


Es handelt sich um eine Karte mit romanischen Siedlungsnamen. Einwandfrei deutsche Namen wie Sindelsdorf haben dort nichts zu suchen.
Wie bitte?

Wir suchen hier nach dem Standort der "ad pontes tesseninos" und da haben vor allem archäologische Erkenntnisse etwas zu suchen.
Die Linguistik, insbesondere die Historische Linguistik, ist in diesem Kontext allenfalls eine Hilfswissenschaft, die archäologische Kenntnisse bestätigen kann (weshalb ich auch mögliche romanische Ortsbezeichnungen im Umfeld in Erwägung ziehe), aber selbst bei fehlendem sprachwissenschaftlichen Bezug könnte die Sprachwissenschaft die archäologischen Erkenntnisse nicht wegdiskutieren.
Deshalb sind in einer Karte primär die archäologischen Fundstätten und nur ergänzend die romanischen Siedlungsnahmen aufzunehmen.

Ich komme nochmal zurück auf das Sindesldorfer Gräberfeld aus der Zeit der Agilolfinger. Die Gräber stammen aus der Zeit zwischen der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts und dem frühen 8. Jahrhundert. Die Masse der Gräber stammt aus der Zeit um 600 bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts und konnte als "weit überwiegend romanischen Ursprungs" identifiziert worden (siehe #86).
Der Name Sindelsdorf wurde dagegen erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 763 in der Gründungsurkunde des vormaligen Klosters in der Scharnitz, später verlegt nach Schlehdorf, als "Sindolvesdorf" genannt. Das kann aber doch nicht heißen, dass der Ort nicht schon früher bestanden hat - auch wenn frühmittelalterliche Siedlungsfunde fehlen.
Rein vom Namen ausgehend, müsste faktisch jede romanische Bestattung ausscheiden. Das tut es aber nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Und auch wenn man den Namensgeber "Sindolf" (Reitzenstein, S. 219) als germanisch-baiuvarischen Besitzer des Dorfes ansieht - das kann die Herrschaft über eine Mehrheit an romanischer Bevölkerung bedeuten, nicht aber die diese Bevölkerung im Nirwana verschwinden lassen.

Genauso ist es beim Walchensee und dem Wallgau. Auch wenn die Gegend um 763 verlassen war (pagum desertum quem Uualhogoi appellamus - einen verlassenen Bezirk den man Uualhogoi, also Romanengau nennt): wieso um Himmels Willen soll sich eine früher bestehende vordeutsche Bevölkerung (Reitzenstein, S. 297) nicht in de Ortsbezeichnung der umliegenden deutschen Bevölkerung erhalten haben?

Wenn es anders wäre könnten wir den kompletten Thread hierher Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter verlagern:

Falls Du die Karte auf Altbayern und Schwaben ausdehnen möchtest, sollten meiner Meinung nach folgende Orte darauf:

Altbayern:
- Epfach (Abudiacum): "Die Belegreihe (...) gibt mehrere romanische Lautwandlungen (...) zu erkennen.
- Kareth
- Kasing
- Kasten
- Künzing (Quintianis)
- Marzoll
- Mittich
- Oberstimm
- Pähl
- Passau (Batavis)
- Peiß
- Pfünz (nördlich der Donau!)
- Pürten
- Regensburg (Regino castra)
- Kallmünz (nördlich der Donau!)
...
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie bitte?

Wir suchen hier nach dem Standort der "ad pontes tesseninos" und da haben vor allem archäologische Erkenntnisse etwas zu suchen.
Die Karte, über die ihr zuletzt diskutiert habt, ist aber eben kein Karte des römischen Straßennetzes in Baiern (sic!) sondern eine Karte der romanischen Ortsnamen in Baiern. Deshalb ist deine Antwort auf Sepiolas Aussage fehlgehend. Die Karte zeigt romanische Ortsnamen (oder solche, die von den Autoren dafür gehalten werden), alles andere hat darauf nichts zu suchen.

aber selbst bei fehlendem sprachwissenschaftlichen Bezug könnte die Sprachwissenschaft die archäologischen Erkenntnisse nicht wegdiskutieren.
Du musst den Bären erlegt haben, bevor du ihm das Fell abziehst. Wusste schon Sam Hawkins. Sprich: Ohne archäologischen oder linguistischen oder historischen Befund ist die Diskussion müßig. Du hast einen linguistischen oder historischen Befund? Dann könnte der Anlass sein, archäologisch tätig zu werden. Du hast einen archäologischen Befund? Dann könnte der der Anlass für historische oder linguistische Neuüberlegungen sein. Muss aber auch nicht.

Angenommen, du hast im Itinerar eine Brückenstation genannt. Nun findest du eine römische Brücke über die Isar. Hast aber historisch belegt eine Brücke über über den Lech. Dann wirst du nicht hingehen und sagen, die Brücke über die Isar ist eigentlich diejenige, welche im Itinerar als Brücke über den Lech genannt ist, sondern musst dich damit abfinden, dass der Itinerar nicht alle Details nennt. Und wenn die Brücke über den Lech abgegangen ist, dann wirst du sie ggf. niemals archäologisch nachweisen können.
 
Die Karte, über die ihr zuletzt diskutiert habt, ist aber eben kein Karte des römischen Straßennetzes in Baiern (sic!) sondern eine Karte der romanischen Ortsnamen in Baiern. Deshalb ist deine Antwort auf Sepiolas Aussage fehlgehend. Die Karte zeigt romanische Ortsnamen (oder solche, die von den Autoren dafür gehalten werden), alles andere hat darauf nichts zu suchen.
....
die Karte hat Sepiola vorgelegt, als wir über mögliche romanische Bevölkerungsreste in Bayern *) diskutiert haben und ich in #86 auf die archäologischen Befunde in Sindelsdorf hingewiesen hatte - wobei die Baiern (sic!) nach ersten historischen Zeugnissen auch am Lech südlich von (und wohl in) Augsburg beheimatet waren, weil die Alamannen erst später von der Illergrenze zum Lech vorgestoßen sind.
Sepiola hat die Diskussion auf die "sicheren romanischen Ortsnamen" (ohne es explizit zu erwähnen wohl in Oberbayern *) beschränkt, ich habe sie wieder auf die ursprüngliche interdisziplinäre Grundlage zurück geführt.
Deshalb schrieb ich:
@Sepiola:
…. die ganzen "Walchen-" Orte, die von germanisch sprechenden Personen benannt wurden und die Orte bezeichnen, in denen wohl eine romanische Bevölkerungsmehrheit bestand, fehlen ebenso.
Die Karte müsste etwa auch um die Orte ergänzt werden, in denen - beispielsweise wie in Sindelsdorf - ein romanischer Bevölkerungsanteil archäologisch belegt sein dürfte. Dazu könnten dann auch die möglicherweise romanisch tradierten Ortsbezeichnungen aus der unmittelbaren Umgebung hinzu(ge)fügt (werden), (dann) dürfte sich ein anderes Bild (Anm.: in Bezug auf eine romanische Restbevölkerung in frühbajuwarischer Zeit) ergeben.

Wenn man diese Orte auch noch einträgt - und in Deiner Karte deutet sich das schon an - dann dürfte sich eine Namenshäufig entlang des römischen Straßennetzes ergeben.
….

*)
Der Regierungsbezirk Schwaben gehört auch zu Bayern. Genauso wie der Regierungsbezirk Oberbayern bei Ingolstadt über die Donau ausgreift und auch das (früher römische) Gebiet um Eichstätt mit dem Brückenort "Pfunz" umfasst.
Die heutige Grenze zwischen den Regierungsbezirken Oberbayern und Schwaben durchschneidet das Herrschafts- oder Stammesgebiet der Huosi, einer der ersten bayerischen Herrschaftsfamilien (Ur-Hochadel) aus der Zeit der Agilolfinger und damit unmittelbar nach dem Ende der römischen Herrschaft.
Das Stammland der Huosi lag zwischen Lech und Isar, das der Fagana zwischen Isar und Inn sowie zwischen Mangfall im Süden und dem Unterlauf der Amper (bis Freising). Das sind also beides Gebiete, die sich auf das römische Raetien begrenzen. Erst westlich des Lech - noch früher sogar erst westlich der Reichsgrenze an der Iller - waren alemannische Germanen prägend.
Und wir diskutieren immer noch um die "pontes tesseninos", und nicht um romanische-germanische Sprachgrenzen im ersten Jahrtausend n.Chr..

Damit sind wir näher an den römischen Provinzen (Raetien und Noricum) als an den heutigen politischen und sprachlichen (Dialekt-)Grenzen.

Btw.:
Wenn wir schon mittels de Sprachforschung über die romanische Restbevölkerung in Zusammenhang mit den "Walchenorten" diskutieren:
Es wäre schön, wenn jemand in unserer Diskussion auch Christa Jochum-Godglück (2014) "Walchensiedlungsnamen und ihre historische Aussagekraft" in "Die Anfange Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria" einbringen würde.
Im gleichen Band (Bayerische Landesgeschichte und europäische Regionalgeschichte) hat Michaela Konrad dann auch über "Ungleiche Nachbarn. Die Provinzen Raetien und Noricum in der römischen Kaiserzeit" geschrieben.
Ich habe das Werk bisher nur quer gelesen und noch nicht ausgewertet. Das könnte ich mir dann ggf. ersparen.
 
Zuletzt bearbeitet:
... weil Augsburg nun mal nicht zum bairischen, sondern zum schwäbischen Sprachgebiet gehört. Das Buch heißt "Baiern und Romanen".
@Sepiola:
... und die ganzen "Walchen-" Orte, die von germanisch sprechenden Personen benannt wurden und die Orte bezeichnen, in denen wohl eine romanische Bevölkerungsmehrheit bestand, fehlen ebenso.
... sind halt deutsche Ortsnamen und keine romanischen Ortsnamen.
Du solltest wenigstens die neuere Literatur zur Kenntnis nehmen. Wenn ich als Hinweis auf eine vermutete romanische Restbevölkerung schreibe:
….
Genauso ist es beim Walchensee und dem Wallgau. Auch wenn die Gegend um 763 verlassen war (pagum desertum quem Uualhogoi appellamus - einen verlassenen Bezirk den man Uualhogoi, also Romanengau nennt): wieso um Himmels Willen soll sich eine früher bestehende vordeutsche Bevölkerung (Reitzenstein, S. 297) nicht in de Ortsbezeichnung der umliegenden deutschen Bevölkerung erhalten haben?
...
dann hat das einen Grund. Ich zitiere zu den Walchenorten aus Roger Schöntag, Patricia Czezior "Varia selecta: Ausgewählte Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft ..." (Ibykos Verlag 2019) S. 137 f
Ein wichtiges Indiz für die Anwesenheit von Romanen (Romani), auch nach dem Untergang des Imperium Romanum, sind die sogenannten "Walchen-Namen, d.h. Toponyme, deren Bestandteil walchen (<germ. *walh-öz-; cf- ahd. walasg, walesg (Adj.) "welsch", d.h. "fremd" eben "romanisch" bzw. ahd. wal(a)h (Subst.) "der Welsche"; c. lat.-kelt. volcate "sie Volker/Volken) exonymisch darauf hindeutet, dass in der Phase der germanischen Landnahme weiterhin Siedlungen mit überwiegend romanischsprachiger Bevölkerung existierten. Diese Namen ziehen sich wie eine Kette am nördlichen Alpenrand vom Baseler Raum bis zur Region um Salzburg, wobei es bestimmte Schwerpunktgebiete gibt, wie beispielsweise im Chiemgau und im Attergau. ….
 
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Wie bitte?

Wir suchen hier nach dem Standort der "ad pontes tesseninos" und da haben vor allem archäologische Erkenntnisse etwas zu suchen.

Du hast die Diskussion eröffnet mit Spekulationen über einen Ortsnamen. Seither diskutieren wir hier über Ortsnamen und deren wissenschaftliche Deutung. Zuletzt hattest Du den Satz einer Archäologin zitiert, in dem von "zahlreichen überlieferten romanischen Ortsnamen" die Rede ist.
Ich habe darauf hingewiesen, dass es im fraglichen Gebiet nur sehr wenige überlieferte romanische Ortsnamen gibt. Das kann man nun zur Kenntnis nehmen oder nicht. Ich weiß nicht, worüber Du Dich beschwerst.

Ich komme nochmal zurück auf das Sindesldorfer Gräberfeld aus der Zeit der Agilolfinger. Die Gräber stammen aus der Zeit zwischen der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts und dem frühen 8. Jahrhundert.

Die Station "Ad pontes tesseninos" wird in einem Itinerar des 3. Jahrhunderts erwähnt. Sicher dachte der Autor dabei nicht an ein Gräberfeld, und schon gar nicht an eines aus der Zeit der Agilolfinger. Welchen Hinweis auf die "Brücken" könnte das Gräberfeld liefern?

Der Name Sindelsdorf wurde dagegen erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 763 in der Gründungsurkunde des vormaligen Klosters in der Scharnitz, später verlegt nach Schlehdorf, als "Sindolvesdorf" genannt. Das kann aber doch nicht heißen, dass der Ort nicht schon früher bestanden hat - auch wenn frühmittelalterliche Siedlungsfunde fehlen.

Selbstverständlich. Der Herr namens Sindolf (er hatte einen Namensvetter im schwäbischen Sindelfingen) wird wohl schon im 6. Jahrhundert die Siedlung gegründet haben.
Der Name des Gründers wurde, wie üblich, über die Jahrhunderte beibehalten. Es ist ja nicht so, dass man einen Ort jedesmal umbenennt, wenn der Chef wechselt. Namenswechsel bei bestehenden Siedlungen sind selten. Manchmal ist es so, dass neben der Siedlung eine Burg gebaut wird, wo es bisher keine Burg gab. Die Burg erhält dann einen neuen Namen, und der Name der Burg wird dann im Lauf der Zeit für die Siedlung verwendet. Oder es gründet zufällig ungefähr zur gleichen Zeit ganz in der Nähe ein anderer Sindolf eine gleichnamige Siedlung. Dann muss man sich etwas einfallen lassen, um die beiden Sindolfsdörfer auseinanderzuhalten.

Über solche grundlegenden Dinge können wir uns aber auch im Thread Ortsnamenkunde austauschen.

Es wäre schön, wenn jemand in unserer Diskussion auch Christa Jochum-Godglück (2014) "Walchensiedlungsnamen und ihre historische Aussagekraft" in "Die Anfange Bayerns. Von Raetien und Noricum zur frühmittelalterlichen Baiovaria" einbringen würde.

Klingt zumindest interessant:

"Christa Jochum-Godglück, Walchensiedlungsnamen und ihre historische Aussagekraft (197-217), verweist darauf, dass derartige Namen nicht nur Siedlungen von Romanen, sondern auch Fiskalbezirke bezeichnen können."​

SEHEPUNKTE - Rezension von: Die Anfänge Bayerns - Ausgabe 13 (2013), Nr. 9

Ich zitiere zu den Walchenorten aus Roger Schöntag, Patricia Czezior "Varia selecta: Ausgewählte Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft ..." (Ibykos Verlag 2019) S. 137 f
Ein wichtiges Indiz für die Anwesenheit von Romanen (Romani), auch nach dem Untergang des Imperium Romanum, sind die sogenannten "Walchen-Namen, d.h. Toponyme, deren Bestandteil walchen (<germ. *walh-öz-; cf- ahd. walasg, walesg (Adj.) "welsch", d.h. "fremd" eben "romanisch" bzw. ahd. wal(a)h (Subst.) "der Welsche"; c. lat.-kelt. volcate "sie Volker/Volken) exonymisch darauf hindeutet, dass in der Phase der germanischen Landnahme weiterhin Siedlungen mit überwiegend romanischsprachiger Bevölkerung existierten. Diese Namen ziehen sich wie eine Kette am nördlichen Alpenrand vom Baseler Raum bis zur Region um Salzburg, wobei es bestimmte Schwerpunktgebiete gibt, wie beispielsweise im Chiemgau und im Attergau. ….
Wozu zitierst Du das? Dass es Häufungen von Walchen-Orten gibt, ist ja bekannt. Du wirst jetzt aber die "pontes Tesseninos" vermutlich nicht im Chiemgau oder im Attergau verorten?
 
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das bestätigt sich dann sogar an dem Ort "Nodern" nördlich von Tölz, der so gar nicht zu den bekannten Römerstraßen zu passen scheint.
Bei dem "Ort" handelt es sich eigentlich nur um einen Hof.
BayernAtlas
Eine gesicherte Etymologie gibt es auch nicht, aufs Lateinische lässt sich der Name nicht zurückführen. Daher ist das Fragezeichen mehr als gerechtfertigt. Als tragfähige Basis für großangelegte Hypothesen eignet sich der Ortsname sicher nicht.
 
Du hast die Diskussion eröffnet mit Spekulationen über einen Ortsnamen. Seither diskutieren wir hier über Ortsnamen und deren wissenschaftliche Deutung. ...
dass es ein für meine Vermutung "schönes Ergebnis" gegeben hätte, wenn "ad pontes tesseninos" auch nach linguistischen Methoden zu "Poennesperch" geführt haben könnte, habe ich doch nie bestritten.
"Den Zahn" hast Du mir allerdings - trotz meines hinhaltenden Widerstandes - gezogen.

Ich habe allerdings auch versucht, auch andere Argumente für eine mögliche Lokalisierung aufzunehmen und zu diskutieren.

Dazu gehört die geographische Lage, die am (faktisch einzigen) möglichen Standort eines Loisachübergangs an einer in Ost-West-Richtung verlaufenden geradlinigen Verbindung zwischen den "Hauptorten" oder "Hauptstädten" Kempten und Salzburg als wichtige Wirtschaftszentren in Raetien und Noricum liegt,

und dazu gehört das frühbajuwarische Gräberfeld von Sindelsdorf, das aufgrund der Grabbeigaben auf den Wohnort eine hochstehende germanische Persönlichkeit in einem anfänglich überwiegend romanischen Umfeld schließen lässt. Und wenn es ein romanisches Umfeld war (was sich aus den Grabbeigaben schließen lässt), dann könnte es immerhin möglich sein, dass sich im Umfeld auch romanische Ortsbezeichnungen erhalten haben. Das würde die archäologische Auswertung der Nekropole bestätigen. Eine solche Niederlassung erfolgt jedenfalls nicht "jwd" sondern im Bereich einer (schon vor der Klostergründung Benediktbeuerns) wichtigen Ortschaft. Im Kontext mit der Beauftragung der Agilolfinger zur Sicherung der Alpenpässe könnte Sindelsdorf tatsächlich ein strategisch wichtiger Ort gewesen sein - entlang einer zu den Alpenpässen im Süden führenden Verbindungsstrecke (Kochel - Walchensee - Scharnitz bzw. Klein-/Großweil - Eschenlohe - Oberau - Partenkirchen - Scharnitz), möglicherweise in Verbindung (Kreuzung) mit der im letzten Absatz genannten "vermuteten Querstraße am Alpennordrand".

Damit bin ich bei Bauer und Heydenreuter, die beide die "pontes" bei Penzberg verorten wollen. Wobei der Begriff ja auch einen (oder mehrere) Bohlenweg(e) beschreiben könnte - und ein solcher ist am südlichen Ortsrand von Sindelsdorf am Sindelsbach auch gefunden worden, in West-Ost-Richtung führend. Die "Pontes" könnten also auch im Bereich Sindelsdorf / Penzberg gelegen haben.

Nun haben wir auf Deinen Gedanken zu den aufgefundenen Meilensteilen von Innsbruck auch alternativ einen Standort von Parthano nicht mit Partenkirchen (Reitzenstein) sondern südlich von Mittenwald und der Pontes bei Oberau / Loisachtal erarbeitet. Das ist eine These, eine begründete Variante. Aber mit dieser These sind andere Thesen noch nicht "vom Tisch".

Ausschließen möchte ich lediglich das auch diskutierte Großweil sowie den Ort Pähl als Lokalisierung von Pontes - das passt mit den bekannten Entfernungsangaben einfach nicht zusammen.
 
Dazu gehört die geographische Lage, die am (faktisch einzigen) möglichen Standort eines Loisachübergangs an einer in Ost-West-Richtung verlaufenden geradlinigen Verbindung zwischen den "Hauptorten" oder "Hauptstädten" Kempten und Salzburg als wichtige Wirtschaftszentren in Raetien und Noricum liegt,

Ich halte wenig davon, Straßenverläufe zu postulieren, für die es weder einen archäologischen Nachweis noch einen schriftlichen Beleg gibt. Damit kann man alles und nichts "beweisen".

Die Verbindung Kempten - Salzburg ist sowohl archäologisch wie quellenmäßig gut belegt; sie lief über Abodiacum (Epfach).
Wer hätte denn für dieselbe Verbindung eine zweite Straße bauen sollen, und für welchen Zweck? Fast 250 km Straße samt Brücken, Raststätten, Wartungsarbeiten und allem, was dazugehört? Um insgesamt zwei oder drei Stunden Fußmarsch zu sparen?
Google Maps
Google Maps

Es erübrigt sich also, nach einem Loisachübergang für eine imaginäre Ost-West-Verbindung zu suchen.

Ein Loisachübergang wäre allenfalls für eine Nord-Süd-Verbindung interessant - die gesuchte Station "ad pontes Tesseninos" muss ja an einer Nord-Süd-Verbindung gelegen haben.


(Nur nebenbei: Welche dringend benötigten Waren für den täglichen Gebrauch mussten die Kemptener denn ausgerechnet aus Salzburg beziehen? Salz? Wurde in Reinform kaum benötigt, die Römer würzten mit Garum, das an den Mittelmeerküsten produziert wurde. Die einstige Salzproduktion bei Salzburg kam in der Römerzeit zum Erliegen! Siehe Salzbergwerk Dürrnberg – Salzburgwiki )


und dazu gehört das frühbajuwarische Gräberfeld von Sindelsdorf, das aufgrund der Grabbeigaben auf den Wohnort eine hochstehende germanische Persönlichkeit in einem anfänglich überwiegend romanischen Umfeld schließen lässt. Und wenn es ein romanisches Umfeld war (was sich aus den Grabbeigaben schließen lässt), dann könnte es immerhin möglich sein, dass sich im Umfeld auch romanische Ortsbezeichnungen erhalten haben.
Ich kann den Gedankengang nicht recht nachvollziehen. Hier wurde doch wohl eine neue Siedlung gegründet, an einm Ort, der zu dem Zeitpunkt unbewohnt war. Die Siedler des 6. Jahrhunderts kamen von sonstwo her, aus 20 oder auch 200 km Entfernung, da waren Personen mit germanischem und mit romanischem "Migrationshintergrund" darunter.

Mit welcher Logik sollen aus der Gründung dieser Siedlung Schlussfolgerungen auf die Verhältnisse gezogen werden, die 300, 400 oder 500 Jahre vorher bestanden?


Damit bin ich bei Bauer und Heydenreuter, die beide die "pontes" bei Penzberg verorten wollen. Wobei der Begriff ja auch einen (oder mehrere) Bohlenweg(e) beschreiben könnte - und ein solcher ist am südlichen Ortsrand von Sindelsdorf am Sindelsbach auch gefunden worden, in West-Ost-Richtung führend.
Ein Bohlenweg aus römischer Zeit? Dann ließe sich über eine Römerstraße bei Sindeldorf diskutieren. Hast Du genauere Informationen?

Apropos Bohlenweg - zu dem von Dir bereits erwähnten Weg im Eschenloher Moos habe ich noch diesen Artikel gefunden: https://www.badw.de/fileadmin/user_...ktuell/AA_0218/2018/AA_0218_15_Zanier_V04.pdf
 
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