Bestreitet Groß die These, dass der Flotteneinsatz zur Verbesserung der Verhandlungsbasis in letzter Minute (oder danach..) seit Jahren im Gespräch war?
Das halte ich für den wichtigsten Punkt.
Dass das kein Gedanke war der "urplötzlich" auftauchte, sondern längst "Denken und Planung" beschäftigte.
Einige Fragen dazu:
1. War die militärische Situation des Reiches 1914/15 und im Sommer 1918 so vergleichbar, dass sich ähnliche Überlegungen eines Flotteneinsatzes auf derselben situativen Basis befinden?
2. War das Kräfteverhältnis zur See 1914/16 mit dem vom Oktober 1918 vergleichbar?
3. In Folge von 1. und 2.: Ist somit das Risiko des Einsatzes - abseits von Personen, die keinen hinreichenden Überblick hatten - vergleichbar?
4. Welche Folgen sind aus Scheers Immediatbericht nach der Skagerrakschlacht zu ziehen, selbst wenn sich die Einsatzplanung ähnlich darstellen sollte?
Die Dissertation von Groß stellt mE schlußendlich auf die Risikosituation ab und kommt zu einem anderen Ergebnis: diese Einsatzplanung der Flotte stand in keiner Kontinuität.
Eine Bemerkung zum Suizidangriff iVm Frage 2: das "U-Boot-Märchen" (siehe oben) - das gerne in Chancenabwägungen Eingang findet - hatte sich in der letzten Oktoberwoche zerschlagen. Gestoppt wurde die Aktion aber durch "Verweigerung", nicht durch Rücknahme wegen geänderter Lage. Das Kräfteverhältnis war mE chancenlos und das muss man im Kontext der Zielsetzung sehen, die einen Zusammenprall zumindest mit einem größeren Verband der allierten Großkampfschiffe kalkulierte. Was sollte es bringen, ein Dutzend Kreuzer und T-Boote zu versenken? Man sollte dabei nicht die Skagerrakschlacht vor Augen haben:
- verbesserte britische Feuerleitung
- verbesserte britische Munition
- größere quantitative Überlegenheit 50:23 bei den Großkampfschiffen
- ausgebaute Überlegenheit gemessen am Breitseitengewicht der Flotte 243:97 Tonnen in 1918
- zahlreiche Kaliber 15-inch auf allierter Seite (10 Schlachtschiffe statt 4 am Skagerrak) in zeitgemäß robusten Einheiten (siehe V. BS am Skagerrak)
- ausgebaute Überlegenheit an kleinen Einheiten (offensiv, Abschirmwirkung, mögliche Wirkung auf beschädigte deutsche Großkampfschiffe)
Der günstigste Fall wäre danach die Flucht bei Kontakt gewesen.