...Auch der Germanenwall bekommt da einen untergeordneten Rang für die Interpretationen. (Wenn sich die Germanen im Laufe der "Jagd" - im Gegensatz zu einer üblichen Feldschlacht - immer mehr zugetraut haben, dann ist auch die letzte Falle kein lange vorausgeplantes Machwerk gewesen ... wobei die Frage ja eh wäre ob für Arminius nicht das Ziel lediglich eine Vertreibung der Römer war. Und das komplette Aufreiben der Legionen weit mehr als der erhoffte Erfolg war?! Demensprechend müsste der Wall auch nicht als querende Absperrung dimensioniert worden sein, wie hier auch schon scheinbarer Logik halber gefordert.)
Das stimmt jetzt aber überhaupt nicht. Es wird deutlich beschrieben, daß die Germanen die offene Feldschlacht gegen Varus vermieden. Selbst Tacitus geht davon aus, daß die Germanen die offene Feldschlacht gegen die Römer scheuten (obwohl es bei Idistaviso dazu kam, allerdings mit einem römischen Erfolg!).
Der Wissenschaftler KEHNE schrieb in DIE KUNDE 2003 einen Bericht, in dem er seine Kritikpunkte deutlich darstellte: u.a. "Sechstens ist die Vorstellung von sich im Verlauf eines andauernden Marschgefechts wie dem des Varuszugs hinter einem Rasensodenwall verschanzenden Germanentrupps mitlitärisch naiv. Kaum etwas hätten militärische befehlshaber unter Varus mehr erfreuen können als ein sich lokal festsetzender germanischer Widerstand, bei dem sie den Gegner endlich einmal hätten fassen können. ..."
Dieser Meinung bin ich auch.
Ferner stelle ich mir doch die Frage, warum dieser angebliche "germanische" Wall nicht von den Römern erwähnt wurde? Germanicus ist doch nicht nur zum Schlachtfeld gezogen um die Toten zu bestatten, sondern er hat sich auch ein Bild vom Verlauf der Schlacht gemacht. So hat er die jeweiligen Marschlager des Varus aufgesucht, damit es nicht wieder zu so einer Katastrophe kommen kann. Die Römer wollten aus dieser Niederlage lernen und die Fehler des Varus erkennen. Schließlich wurden 3 (!) Legionen vernichtet und selbst Augustus hat hier schon panisches Verhalten gezeigt. Das hatte es zuvor in Germanien nicht gegeben, z.B. Drusus hatte sich bei Arbalo noch retten können.
Wenn jetzt ein germanischer Wall kriegsentscheidend war, dann wäre das von den Römern überliefert worden, damit spätere Generationen daraus lernen konnten. Die Errichtung von Rasensodenwälle war eine "Spezialität" der Römer und ihr Vorteil war es auch Befestigungsanlagen zu bauen.
Ein englischer Wissenschaftler sagte in einem Fernsehbeitrag, daß es bisher nur einmal von den Angelsachsen (Jahrhunderte nach der Varusschlacht) bekannt sei, daß sie einen Wall speziell für eine Schlacht in Großbritannien errichteten. Ansonsten lassen sich keine Hinweise finden, daß Germanen kurzfristig Wälle für Schlachten errichteten (der Angrivarierwall war eine dauerhafte Grenze zwischen Cheruskern und Angrivarier).
Und Arminius wollte die Legionen nicht vernichten?
Für so naiv halte ich den Cherusker aber nicht! Egal wie die Schlacht ausgegangen wäre, die Römer hätten sich immer gerächt und zwar solange bis der Feind endgültig besiegt ist bzw. bis man an die eigenen Grenzen des Machbaren gestoßen ist. Die Historie hat das immer wieder belegt: die Römer ließen sich nicht einfach vertreiben!
Arminius wird auch von Caesars "Heldentaten" in Gallien erfahren haben und wußte damit genau, was den feindlichen Anführern, wie einem Vercingetorix, blühte!
Außerdem verfügte Varus über 5Legionen. Er wäre sofort im nächsten Jahr mit einem Feldzug gegen die Cherusker in Germanien erschienen.
Aus der Argumentation jetzt zu schließen, daß der Wall keine Absperrung war, halte ich nicht für logisch.