Historizität Jesu von Nazareth

Fragt sich bloß, ob die Evangelisten Biographen sein wollten. Denn Biographisches kommt in den Evangelien relativ kurz. Ganz wesentlicher Bestandteil sind vielmehr die Herrenworte, ab und an durch einen Wunderbericht unterbrochen.
Manches was uns biographisch erscheint, stellt sich letztlich als unhistorisch heraus. Wir wissen z.B. heute, dass Jesus nicht in Bethlehem geboren wurde, was ganz schlecht für die Weihnachtsliederbücherindustrie ist.
 
Dagegen wurden die Vier Evangelien innerhalb von 70 Jahren nach Jesus Ableben verfaßt, und außer Johannes dürften alle Evangelisten auf direkte Augenzeugenberichte zurückgegriffen haben. Insgesamt ist also Jesus' Leben für antike Verhältnisse außerordentlich gut dokumentiert.

Dokumentiert ist die Darstellung einer Idealgestalt. Bei einer Ode auf Harald Blauzahn, verfasst vom Hofskalden seines Sohnes, würdest du doch sicherlich auch nicht so unreflektiert auf sein Leben schließen, oder?

Ansonsten hat El Quijote im Wesentlichen das geschrieben, was ich dir auch hätte antworten wollen.
 
bis hin zu Alexander dem Großen selbst, bei dem sich kein Forscher daran zu stören scheint, dass die heutige Hauptquelle - Arrian - ganze 400 (!!) Jahre später schrieb.

Erstens: Auf diese Problematik wird in jedem Proseminar hingewiesen.
Zweitens: Arrian wird vom Mainstream der Forschung zwar als Hauptquelle verwendet, nicht aber, ohne sich darüber Gedanken zu machen, woher er seine Informationen bezogen hat. Wir wissen ja von ihm selbst, dass er sich auf Zeitzeugen wie Ptolemaios und Aristobuls stützt.

Wer sagt, dass es um sich um eine "andere Quellengattung" handelt? Sicherlich nicht die Evangelisten selbst. Eine Etikettierung a priori schiebt bereits einen Zweifel unter, der durch die Lektüre der Bibeltexte selbst nicht gerechtfertigt ist - ein Zirkelschluß.

In einer Hinsicht hast du Recht: Es geht nicht an, zu unterstellen, die Evangelisten hätten nicht die konkrete Wahrheit berichten wollen (präziser gesagt: Es wäre nicht ihre Intention gewesen, dass ihre Berichte für wahr und richtig gehalten werden), wie es sich aus ihrer Wahl der Quellengattung ergibt. Dieser Satz wäre tatsächlich ein Zirkelschluß.

Den entscheidenden Punkt übersiehst du aber: Wir haben es nicht mit einer Etikettierung a priori zu tun. Im Gegenteil: Die Lektüre der Texte verrät uns, dass sie zahlreiche sagenhafte und unglaubwürdige Elemente enthalten. Es ist also ein Urteil a posteriori, die Evangelien entsprechend zu klassifizieren.

Plutarchs - dessen anekdotenhaften und moralisierenden Ausführungen westliche Gelehrte seit 2000 Jahren mehr oder weniger unkritisch aus der Hand fressen

"Die westlichen Gelehrten seit 2000 Jahren" - ganz zu Unrecht wirfst du alles in einen Topf; um nur von der neueren Zeit zu sprechen: Plutarch-Enthusiasten des 18. Jahrhunderts, Plutarch-Skeptiker des 19. Jahrhunderts und die heutigen Forscher. Ein solches Pauschalurteil ist an sich schon falsch. Da es außerdem noch die kritische Quellenforschung ignoriert oder suggeriert, so etwas gäbe es gar nicht, kann man es jedenfalls nur als unqualifiziert bezeichnen.

Bevor man Jesus' Historizität anzweifelt, kann man eher die Lebensgeschichten der meisten römischen Kaiser oder griechischen Philosophen in Frage stellen...Insgesamt ist also Jesus' Leben für antike Verhältnisse außerordentlich gut dokumentiert.

Die Tatsache, dass das Leben Jesu uns nur aus Berichten bekannt ist, in denen sagenhafte Ereignisse und übernatürliche Erscheinungen eine wesentliche Rolle spielen, muss bei jedem kritisch eingestellten Mensch die Alarmglocken läuten lassen. Nur wer von vornherein von der Historizität dieser fabulae überzeugt ist und sein Credo durch nichts erschüttern lassen will, kann davor die Augen verschließen. Als Historiker hätte man dann allerdings seine Aufgabe verfehlt.

Vielmehr muss man im Sinne der Wissenschaftlichkeit festhalten: Angesichts der über ihn vorliegenden Quellen kann die Historizität Jesu nicht als sicher angenommen werden. Dazu wären unabhängige, weniger phantastische Parallelquellen nötig, die uns aber nicht vorliegen. In diesem Fall muss man eben abwägen, ob mit der gänzlichen Fiktionalität der Geschichte(n) zu rechnen ist, oder ob man aus Gründen der Wahrscheinlichkeit zumindest einen "historischen Kern" annehmen will.
 
Vielmehr muss man im Sinne der Wissenschaftlichkeit festhalten: Angesichts der über ihn vorliegenden Quellen kann die Historizität Jesu nicht als sicher angenommen werden. Dazu wären unabhängige, weniger phantastische Parallelquellen nötig, die uns aber nicht vorliegen. In diesem Fall muss man eben abwägen, ob mit der gänzlichen Fiktionalität der Geschichte(n) zu rechnen ist, oder ob man aus Gründen der Wahrscheinlichkeit zumindest einen "historischen Kern" annehmen will.

Dies gibt den Stand der Forschung richtig wieder! Es ist das Ergebnis einer Diskussion, die in ihrer wissenschaftlich ernst zu nehmenden Variante von Hermann Samuel Reimarus ausgegangen ist und der Albert Schweitzer in seiner großartigen "Geschichte der Leben-Jesu-Forschung" (erstmals 1906, Neuauflagen bis heute) ein Denkmal gesetzt hat.

Ich zitiere den schärfsten Kritiker überhaupt, Karlheinz Deschner:
Es ist möglich, daß Jesus gelebt hat, vielleicht sogar wahrscheinlicher als das Gegenteil; doch auch dies nicht ausgeschlossen. Wer es von vornherein abtut, Jesu Historizität für erwiesen erklärt, ist zumindest befangen, wenn nicht unehrlich. Denn ein sicherer Beweis fehlt, ist auch heute unerbringlich. Und treten nicht neue, entscheidende Quellen zutage, wird er auch künftig nicht zu erbringen sein. Die Nicht-Existenz freilich läßt sich ebensowenig erweisen. Der Streit darum zu Beginn des [20.] Jahrhunderts ist verstummt, entschieden nicht. Manche Argumente der Verneiner von Jesu Geschichtlichkeit wurden entkräftet, anderer eher verstärkt.
Ähnliches gilt für die Faktentreue der Evangelien. Im bibelkundlichen Standardwerk von Heinrich A. Mertens (zuletzt 1997) heißt es z. B., dass wir "zum größten Teil bei dem Bemühen scheitern, die Chronologie des Lebens Jesu aufzustellen", was an den Quellen liege, "deren Autoren bezüglich dieses Punktes nur wenig Ehrgeiz hatten" (S. 677). Die Evangelien seien "keine reinen Berichte"; zwar enthielten sie auch Ereignisse und Daten, aber ihr "Grundcharakter ... ist Zeugnis von Jesus, dem Messias und Gottessohn" (S. 60).

Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach der Historizität Jesu zwar interessant, aber sozusagen folgenlos. Denn auch wenn diese erweislich feststände, würde das nichts darüber aussagen, ob die Person "Messias und Gottessohn" war/ist. Spätestens an diesem Punkt verlässt die Diskussion den Boden der (Religions-) Geschichte vollständig und endgültig.
 
Ich zitiere den schärfsten Kritiker überhaupt, Karlheinz Deschner:
Es ist möglich, daß Jesus gelebt hat, vielleicht sogar wahrscheinlicher als das Gegenteil; doch auch dies nicht ausgeschlossen. Wer es von vornherein abtut, Jesu Historizität für erwiesen erklärt, ist zumindest befangen, wenn nicht unehrlich. Denn ein sicherer Beweis fehlt, ist auch heute unerbringlich. Und treten nicht neue, entscheidende Quellen zutage, wird er auch künftig nicht zu erbringen sein. Die Nicht-Existenz freilich läßt sich ebensowenig erweisen. Der Streit darum zu Beginn des [20.] Jahrhunderts ist verstummt, entschieden nicht. Manche Argumente der Verneiner von Jesu Geschichtlichkeit wurden entkräftet, anderer eher verstärkt.​

Vorsicht hier. Deschner ist in erster Linie Kirchenkritiker und kein Historiker. Selbstverständlich hat er Recht mit seiner Aussage, dass man eine Nicht-Existenz nicht beweisen kann und auch damit was die Befangenheit angeht.

Ich schätze Deschner, halte seine Texte als Argument in dieser Diskussion für ebenso wenig brauchbar wie die Evangelien.

Deschner beschrieb einmal seine Motivation zum Schreiben so: „Ich schreibe aus Feindschaft. Denn die Geschichte derer, die ich beschreibe, hat mich zu ihrem Feind gemacht“.

Karlheinz Deschner ? Wikipedia

So etwas kann den Sinn für "sachdienliche Hinweise" vernebeln.
 
Ich zitiere den schärfsten Kritiker überhaupt, Karlheinz Deschner:
Es ist möglich, daß Jesus gelebt hat, vielleicht sogar wahrscheinlicher als das Gegenteil; doch auch dies nicht ausgeschlossen.​


Es könnte sein, dass morgen die Sonne scheint. Aber unmöglich wäre es nicht, wenn Wolken am Himmel sichtbar wären. Ausgeschlossen ist für morgen nichts. :rofl:​
 
Neben den historischen Gründen für die Historizität Jesu (römische Quellen) gibt es auch Gründe der Plausibilität. Eine Analyse der Tätigkeitsmerkmale der Person "J." bei den römischen Quellen und z.B. bei den Evangelisten dürfte ergeben, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine identische Person handelt, also um "J." Auch ein Textvergleich der Evangelien, eine sogen. Synopse, ergibt, dass alle vier von der gleichen Person J. sprechen. Es wäre hochgradig unwahrscheinlich, dass alle Quellen von einem nicht vorhandenen J. das Gleiche berichten. Damit ist es hochgradig wahrscheinlich, dass es den historischen Jesus gab.
 
Neben den historischen Gründen für die Historizität Jesu (römische Quellen) gibt es auch Gründe der Plausibilität. Eine Analyse der Tätigkeitsmerkmale der Person "J." bei den römischen Quellen und z.B. bei den Evangelisten dürfte ergeben, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine identische Person handelt, also um "J." Auch ein Textvergleich der Evangelien, eine sogen. Synopse, ergibt, dass alle vier von der gleichen Person J. sprechen. Es wäre hochgradig unwahrscheinlich, dass alle Quellen von einem nicht vorhandenen J. das Gleiche berichten. Damit ist es hochgradig wahrscheinlich, dass es den historischen Jesus gab.

Also daß die Evangelien von der mutmaßlich selben Person Jesus sprechen ist mir verständlich; aber kannst du mir angeben, mit welcher der Jesus-Gestalten bei Josephus diese identisch sein soll? Es gibt auch einen römischen Historiker, der einen Hinweis gibt, aber ich bin mir da gerade nicht sicher, ob er auf eine Jesus-Gestalt bezug nimmt. Ich schaue mal morgen selbst in meiner Literatur nach. Aber vielleicht könntest du deine Analyse der Tätigkeitsmerkmale wenigstens etwas präzisieren? Ziemlich sicher bin ich, daß die Quellen alle einen (Täufer-) Johannes kennen, aber bei Jesus bin ich mir da nicht so sicher, was die außer-neutestatementlichen Überlieferungen angeht. Gewiß, Jesphus kennt mehrere Personen namens Jesus (ich meine mich zu erinnern: bis zu fünf), aber den "christlichen"? Ich bin auf deine Nachweise gespannt.
 
Es ist dringend nötig, alle Ausschweifungen über Nihilismus und Nicht-Nihilismus aus diesem Thread auszugliedern, weil sie rein gar nichts mit dem Thema zu tun haben.

Neben den historischen Gründen für die Historizität Jesu (römische Quellen) gibt es auch Gründe der Plausibilität.

Dass die römischen "Quellen" keine von der christlichen Überlieferung unabhängigen Zeugnisse liefern dürften, wurde hier bereits festgestellt:

Ohne Zweifel ist Flavius Josephus christlich "kontaminiert" und Tacitus' Informationen über das Christentum sind relativ offensichtlich Gerüchte über diese Religion, nicht völlig unbeeinflusst von Mitgliedern dieser Religion, aber verzerrt. Tacitus also als Beweis für die Existenz Jesu heranzuziehen, nur weil er als Gegner der Christen die Existenz Jesu bezeugt, wäre methodisch unsauber.

Andere römische Quellen, die das Leben Jesu dokumentieren sollen, sind mir keine bekannt.

Eine Analyse der Tätigkeitsmerkmale der Person "J." bei den römischen Quellen und z.B. bei den Evangelisten dürfte ergeben, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine identische Person handelt, also um "J."

Angesichts der obigen Darlegung über Tacitus (und Josephus) wäre das logischerweise weder eine Überraschung noch ein Argument in deinem Sinn. Diese Überlegung erübrigt sich allerdings ohnehin, weil die römischen "Quellen" über das Leben Jesu gar nichts hergeben. Bei Tacitus heißt es nur, Christus sei unter Kaiser Tiberius vom Statthalter Pilatus hingerichtet worden. Über Jesu "Tätigkeit" erfahren wir bei den Römern nichts.

Auch ein Textvergleich der Evangelien...ergibt, dass alle vier von der gleichen Person J. sprechen. Es wäre hochgradig unwahrscheinlich, dass alle Quellen von einem nicht vorhandenen J. das Gleiche berichten. Damit ist es hochgradig wahrscheinlich, dass es den historischen Jesus gab.

"Alle Quellen berichten das Gleiche". Alle christlichen Quellen! Wobei die Evangelien wohl auch nicht alle unabhängig voneinander entstanden sind. Abgesehen davon berichten nicht alle einfach "das Gleiche", es gibt bekanntlich auch Abweichungen. Dein Argument geht jedenfalls ins Leere, weil niemand behauptet, es hätten mehrere Autoren unabhängig voneinander eine Figur namens Jesus erfunden und ihr dann zufällig die gleiche Lebensgeschiche angedichtet. Die Evangelisten (und indirekt auch Tacitus) sind vielmehr von ein- und derselben Tradition oder Überlieferung abhängig - ob die aber authentisch und historisch ist, steht im Zweifel.

Ein analoges Beispiel: Es gibt mehrere antike Berichte über die Taten des Herakles - daraus die Historizität des Zeussohnes abzuleiten ist jedoch klarerweise unzulässig. Allerdings ist Jesus im Gegensatz zu Herakles in einen historisch realen Kontext eingebettet (das Palästina zur Zeit des Tiberius), was die Wahrscheinlichkeit seiner realen Existenz (nicht aller Ereignisse seiner biblischen Lebensgeschichte) deutlich erhöht.
 
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Jesus wollte das Judentum janicht spalten sondern eher reformieren
die Spaltung,Gründung des Christentum,und seine Erhebung zum Sohn Gottes geschah ja erst nach seinem"Tod" Weggang

Ich habe ja auch nicht behauptet, dass Jesus ein "Spalter" war, sondern sich das Christentum vom Judentum wie eine Sekte abspaltete (wenn ich heute an die verschiedenen "christlichen" Richtungen denke, die in den USA zum Beispiel vorhanden sind, dann ist das meines Erachtens auch nichts Anderes. Irgendjemand wird zum Guru erklärt und führt die Meute an, ob er nun selbst eine Abspaltung vorhat, oder nicht). Auf einmal war da eben eine große Gruppe jüdischer Leute, die nicht der althergebrachten Lehre folgen wollten, sondern an die "neue" Lehre Jesu glaubten und danach leben wollten. Aber solche Strömungen werden immer durch Personen oder Ereignisse hervorgerufen, was wiederum dafür spricht, dass es einen historischen Jesus gegeben hat, auch wenn er der stilisierten Vorstellung der Evangelisten nicht unbedingt 1:1 entsprach.
 
Dokumentiert ist die Darstellung einer Idealgestalt. Bei einer Ode auf Harald Blauzahn, verfasst vom Hofskalden seines Sohnes, würdest du doch sicherlich auch nicht so unreflektiert auf sein Leben schließen, oder?

Dieser Klassifizierung, wenn sie denn zutrifft, kann ich aus verschiedenen Gründen nur geringe Dramatik abgewinnen.


1. Dass Jesus als „Idealgestalt“ porträtiert wird, nimmt ihm a priori nichts von seiner Historizität. Platon zeichnet auch Sokrates in hellstem Lichte, aber dass es die historische Figur Sokrates gab, wissen wir durch z.B. Xenophons nüchterne Darstellung. Wäre Xenophons Werk nicht zufälligerweise erhalten geblieben, hättest du dann auch gesagt, der Sokrates war nicht historisch, weil der Platon ihn so idealisierend darstellt?
2. Apropos Sokrates: Beide Hauptquellen, Platon und Xenophon, schrieben ihre Erinnerungen Jahrzehnte später. Warum wird eigentlich die Historizität Sokrates’ oder zumindest die Authenzitität der Überlieferung nicht annähernd so stark angezweifelt wie die von Jesus?
3. Natürlich ist Jesus als Sohn Gottes als Idealgestalt dargestellt; wie sollte es auch anders sein, wenn er der Sohn Gottes ist? Bevor eingewendet wird, daß dieses Argument zirkulär ist – das Argument, daß er eine „Idealgestalt“ sei, ist es genauso, da es auf der Annahme beruht, daß Jesus bloß Mensch ist.
4. Nochmals: Es geht um einen einheitlichen, konsistenten Maßstab bei der Kritik antiker Quellen. Denn: Die meisten antiken Biographien, angefangen mit den best dokumentierten Personen, den griechischen Philosophen und römischen Kaisern, zeichnen "Idealgestalten" (im positiven oder negativen Licht) und ihre Beschreibungen besitzen einen stark allegorischen Charakter. Eine Kritik der Evangelien ohne eine umfassende Kenntnis darüber, was antike Quellen überhaupt leisten konnten und wollten, bringt uns deshalb nicht sehr weit, denn dazu müssen wir uns zuerst von modernen Vorstellungen verabschieden.
5. Es gibt wohl keine 10-20 Figuren der antiken Geschichte, die besser und zeit- und raumnäher dokumentiert sind, als Jesus. Wer anderer Ansicht ist, warum nicht Namen der Betreffenden und Begründung nennen?
6. Es gibt in der westlichen Tradition keine längere textkritische Tradition als die christliche. Als Beispiel seien die apokryphischen Texte genannt, die meines Wissens bereits in der Spätantike identifiziert wurden. Wo gibt es eine vergleichbar gut fundierte und von den besten Köpfen durchgeführte textkritische Tradition vor der Aufklärung? Welche Textttradition kann eine fast 2000 Jahre alte, kontinuierliche Filterung auf Historisches und Unhistorisches vorweisen?

Kurz: Klar kann die Historizität Jesus anzweifeln, wie man alles anzweifeln kann – aber die RELATIV ausgezeichnete Quellenlage zum Leben Jesu zwingt dabei, den Kritikstandard so hoch anzusetzen, daß dabei auch der größte Rest der antiken Literatur diese Hürde nicht nehmen würde. Solange dies aber nirgendwo geschieht, sehe ich wenig Grund, gerade an Jesus Historizität zu zweifeln.
 
Aber solche Strömungen werden immer durch Personen oder Ereignisse hervorgerufen, was wiederum dafür spricht, dass es einen historischen Jesus gegeben hat, auch wenn er der stilisierten Vorstellung der Evangelisten nicht unbedingt 1:1 entsprach.

da gehen wir 100% konform
wie schon mehr mals geschrieben,bestreite ich den historischen Jesus nicht,sehe ihn aber als Mensch und Prediger,was seine herausragende Persönlichkeit nicht schmälert,und nicht als Gottes Sohn,da ich einen Gott ansich oder auch Götter für eine menschliche Erfindung halte
 
Apropos Sokrates: Beide Hauptquellen, Platon und Xenophon, schrieben ihre Erinnerungen Jahrzehnte später. Warum wird eigentlich die Historizität Sokrates’ oder zumindest die Authenzitität der Überlieferung nicht annähernd so stark angezweifelt wie die von Jesus?

Weil Sokrates keine Wunder vollbracht hat und nicht von den Toten auferstanden ist. Die Historizität des Pythagoras etwa, dem in der Antike auch übernatürliche Fähigkeiten zugeschrieben wurden, wird in der Forschung teilweise sehr wohl angezweifelt.

Natürlich ist Jesus als Sohn Gottes als Idealgestalt dargestellt; wie sollte es auch anders sein, wenn er der Sohn Gottes ist? Bevor eingewendet wird, daß dieses Argument zirkulär ist – das Argument, daß er eine „Idealgestalt“ sei, ist es genauso, da es auf der Annahme beruht, daß Jesus bloß Mensch ist.

Dazu habe ich mich weiter bereits oben geäußert, ohne dass du darauf eingegangen wärst:

Die Lektüre der Texte verrät uns, dass sie zahlreiche sagenhafte und unglaubwürdige Elemente enthalten...Die Tatsache, dass das Leben Jesu uns nur aus Berichten bekannt ist, in denen sagenhafte Ereignisse und übernatürliche Erscheinungen eine wesentliche Rolle spielen, muss bei jedem kritisch eingestellten Mensch die Alarmglocken läuten lassen. Nur wer von vornherein von der Historizität dieser fabulae überzeugt ist und sein Credo durch nichts erschüttern lassen will, kann davor die Augen verschließen. Als Historiker hätte man dann allerdings seine Aufgabe verfehlt...Vielmehr muss man im Sinne der Wissenschaftlichkeit festhalten: Angesichts der über ihn vorliegenden Quellen kann die Historizität Jesu nicht als sicher angenommen werden. Dazu wären unabhängige, weniger phantastische Parallelquellen nötig, die uns aber nicht vorliegen.

Die Forschung geht selbstverständlich davon aus, dass Jesus "bloß" Mensch war und alle sagenhaften Elemente wie Wunder und Auferstehung Fiktion sind. Darin besteht das Wesen der empirischen Wissenschaft.

Nochmals: Es geht um einen einheitlichen, konsistenten Maßstab bei der Kritik antiker Quellen.

Den gibt es: Den Maßstab der empirisch-kritischen Wissenschaft, die übernatürliche Erscheinungen leugnet.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Interessant, dass die Evangelien kaum als ernsthafte historische Quellen erwogen werden nicht nur im Hinblick auf die Existenz Jesu, sondern auch im Hinblick darauf, dass sie Jesus als Sohn Gottes darstellen. Um sie in dieser Hinsicht als historisch ernstzunehmende Quellen auszuschalten, werden sie seit David Friedrich Strauß gerne als eine Sammlung von Mythen hingestellt.
Es kommt also auf die Frage an, welcher literarischen Gattung die Evangelien angehören.
Nun kommt aber gerade ein Mythenkenner wie Tolkien zu dem Schluss, dass die Evangelien historisch ernst zu nehmen sind, und konnte damit sogar C.S. Lewis, der ebenfalls Literaturwissenschaftler war, überzeugen, cf. den Bericht über dessen Bekehrung: C. S. Lewis und Narnia
 
Interessant, dass die Evangelien kaum als ernsthafte historische Quellen erwogen werden nicht nur im Hinblick auf die Existenz Jesu, sondern auch im Hinblick darauf, dass sie Jesus als Sohn Gottes darstellen.

In den Forenregeln heißt es u.a.:

Für Diskussionen über aktuelle politische Themen ist das Geschichtsforum nicht der richtige Platz. Ebensowenig ist das Forum eine Plattform für politische, religiöse und sonstige weltanschauliche Glaubensbekenntnisse.

Um nichts anderes handelt es sich, wenn man sich auf eine katholische Seite (Portal zur katholischen Geisteswelt) und auf christliche "Mythenkenner" beruft, um die Gottsohnschaft Jesu als "historisch ernstzunehmend" hinzustellen und die "historische Wirklichkeit der Evangelien" (Zitat aus http://www.kath-info.de/lewis.html) zu verteidigen. Demgegenüber muss man in aller Deutlichkeit herausstellen: Diese Annahmen sind rein glaubensmäßiger Natur und haben für die Geschichtsforschung keine Verbindlichkeit.

Es kommt also auf die Frage an, welcher literarischen Gattung die Evangelien angehören.

Das tut es insofern nicht, als die Evangelien genausowenig wie irgendwelche anderen Texte einer bestimmten Gattungen "an sich" angehören. Vielmehr ordnen wir die Texte unter gewissen Gesichtspunkten verschiedenen Rubriken ("Gattungen") zu, je nachdem, was für Merkmale sie aufweisen. Um die Evangelien nun steht es so: Die Lektüre der Texte verrät uns, dass sie zahlreiche sagenhafte und unglaubwürdige Elemente enthalten. Genau wie alle anderen Texte, in denen Ereignisse wie Wunder, Auferstehung usw. eine wesentliche Rolle spielen, stufen wir sie folglich als "Mythen" oder ähnlichgeartete Texte - jedenfalls nicht als Zeugnis für die übernatürlichen Erscheinungen - ein.

Nun kommt aber gerade ein Mythenkenner wie Tolkien zu dem Schluss, dass die Evangelien historisch ernst zu nehmen sind, und konnte damit sogar C.S. Lewis, der ebenfalls Literaturwissenschaftler war, überzeugen, cf. den Bericht über dessen Bekehrung: C. S. Lewis und Narnia

Wenn man sich an den erwähnten sagenhaften und unglaubwürdigen Elementen nicht stört, kann man unter Umständen zu dieser Ansicht gelangen. Man verschreibt sich dann allerdings der Geschichtsmetaphysik, die den Boden des Überprüfbaren verlässt und folglich keine Verbindlichkeit beanspruchen kann. Da es aber das Wesen der Geschichtsforschung (so wie jeder Wissenschaft) ist, nach verbindlichen Aussagen zu streben, sind solche Glaubensbekenntnisse aus geschichtswissenschaftlicher Sicht wertlos. Und sie sind in diesem Forum laut Regelwerk fehl am Platz.
 
Interessant, dass die Evangelien kaum als ernsthafte historische Quellen erwogen werden nicht nur im Hinblick auf die Existenz Jesu, sondern auch im Hinblick darauf, dass sie Jesus als Sohn Gottes darstellen.

Stell dir vor, es gäbe alte Schriften von irgend einem indischen Guru der übers Wasser gegangen ist und von dem behauptet wird, er wäre Sohn Gottes. Hättest du dann nicht auch deine Zweifel?

Nun kommt aber gerade ein Mythenkenner wie Tolkien zu dem Schluss, dass die Evangelien historisch ernst zu nehmen sind,

Ich glaube, die meisten Historiker sind von der Historizität Jesu überzeugt. Nur das mit dem Wasserlaufen glauben sie nicht. Die Gottessohnschaft sehen sie als Überlieferungen noch älterer Religionen und tun sie als Legende ab. Aber alles glauben hilft nix wenn klare Belege fehlen.

und konnte damit sogar C.S. Lewis, der ebenfalls Literaturwissenschaftler war, überzeugen, cf. den Bericht über dessen Bekehrung: http://www.kath-info.de/lewis.html

Dies ist übrigens ein Geschichtsforum und kein religiöses. Ich bitte dies zu respektieren und dringend von Missionierungsversuchen abzusehen. Es geht hier um Wissenschaft!
 
Die Evangelien verstanden sich ja auch nicht als biographisch- historische Werke, sondern als Interpretationen einer Heilsbotschaft, sie widersprechen sich zeitweise was historische Ereignisse betrifft oder überliefern Ereignisse für deren Existenz jede Bestätigung fehlt wie für Herodes Kibndermord von Bethlehem. Dennoch enthalten sie eine ganze Reihe von Eckdaten, die das Leben der historischen Persönlichkeit Jesus eingrenzen und die von heidnischen oder jüdischen Autoren bestätigt werden. Die rabbinische Literatur nimmt Bezug auf Jesus, und Flavius Josephus erwähnt mehrere Vertreter messianischer Bewegungen und nennt ausdrücklich mehrfach einen gewissen Jesus von Nazareth. Er erwähnt dabei dass es im Jahre 28 n. Chr. zu Unruhen kam, als Pilatus Kaiserbilder in Jerusalem aufstellen wollte. Tacitus erwähnt, dass sich die Christen von einem gewissen Jesus herleiten, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Da biographische Informationen über Jesus aber in der nicht christlichen Literatur ausgesprochen spärlich sind, gehören sie dennoch zu den wichtigsten Quellen, und daraus erfährt man doch eine Reihe von Details über die historische persönlichkeit Jesus, die in Kombination mit Erkenntnissen der Orientalistik und Judaistik eine ganze Reihe von Informationen über jesus zulassen, aus denen sich entnehmen lässt, dass er wohl zwischen 7 v. Chr und 4 v. Chr geboren wurde, wobei 7 v. Chr. am wahrscheinlichsten ist und am 14. Nissan (laut Johannes am 15.) in Jerusalem im Jahre 29, 30 oder 33 in Jerusalem als aufrührer exekutiert wurde, wobei fraglich ist, welche Befugnisse das Synhedrion besaß und ob es überhaupt einen Prozess Jesu gab. Wie Sokrates hat Jesus keine Schriften hinterlassen, und seine Lehren wurden mündlich weitergegeben, allerdings auch schon bald nach seinem Tod gesammelt.

Das sind einfach zuviele konkrete Informationen, um daraus den Schluß ziehen zu können, es handele sich bei Jesus um eine sagenhafte, mythische oder literarische Persönlichkeit, die wie Robin Hood auf mehrere einzelne reale Personen zurückgehen, die auf eine einzige Persönlichkeit proziziert wurden.

Die prinzipielle Existenz einer historischen p

Direkte Nachrichten
 
@ Beetlebum, Serapis: So einfach geht es nicht. Die Frage nach dem literarischen Genus der Evangelien ist sehr wohl eine, die in den Bereich der Geschichtswissenschaft gehört.
Es handelt sich bei den Evangelien um Zeugnisse über das Wirken eines Menschen. Zur Entscheidung der Frage, ob diese Zeugnisse glaubwürdig sind oder nicht, kann ich Kriterien inhaltlicher oder formaler Art heranziehen. Wer die Möglichkeit übernatürlicher Ereignisse a priori ausschließt, hat ein Kriterium zur Hand, das ihm die Sache einfach macht. Ob es allgemeine Verbindlichkeit beanspruchen kann, ist eine andere Frage. Er wird dann zudem z.B. mit den Zeugnissen über die Heilungen in Lourdes, die von unabhängigen Ärzteteams, zu denen auch Atheisten gehören, akribisch bezeugt sind, fertig werden müssen.
Die Frage, so etwas a priori auszuschließen oder nicht, ist eine weltanschauliche.
Wenn die Geschichtswissenschaft mit Zeugnissen wie den Evangelien konfrontiert wird und nicht mit einem solchen Präjudiz an die Untersuchung ihrer Glaubwürdigkeit herangehen will, stellt sich die Frage nach den formalen Kriterien z.B. für Sagen und Mythen. Was spricht dafür, dass sie Mythen sind? Und da war meine Auskunft, dass nach Meinung von Mythenkennern wie Tolkien und Lewis hier keine Mythen vorliegen. Das hat nichts mit Missionierung zu tun, sondern mit dem Versuch, den Horizont der Fragestellung erweitern.
 
@Chesterton. Die Sohnschaft Gottes ist nicht Sache eines Geschichtsforums. Das war mein Hauptkritikpunkt. Das gehört eindeutig in die Theologie, zumind. solange die Sache nicht bewiesen ist.

Aber gut, wir können die Meinungen des Mythenerzählers selbstverständlich gelten lassen. Es wäre mir aber lieb gewesen, du hättest seine wesentlichen Argumente direkt hier angebracht, statt auf eine theologische Seite zu verweisen.


Aber das Zeug gehört einfach nicht hierher. Das ist Medizin, Psychologie, Esotherik. Irgendsowas halt.
 
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