Historizität Jesu von Nazareth

Jschmidt zitiert RGG: "Die Form der Erzählung ist die der Legende ...".
Danke! Genau das ist es, was ich hier diskutieren will (wobei es mir nicht darauf ankommt, ob man von Mythen oder Legenden spricht: ist der Unterschied hier wirklich relevant?
Gerade die Briefform scheint mir die Legende auszuschließen. Ich kenne keine Legende in Briefform.

Unterstellen wir, dass diese Briefformen eine Legende beschreiben bzw. wohl eher formen, würdest du eine kennen.

Ich möchte mal Christian Morgenstern zitieren: "Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf."
Gerade das nimmt die Objektivität.

Ein Literaturwissenschaftler, sicherlich sehr gebildet, in Kreisen eines christlich geprägten Literaturkreises ist - mit Verlaub - genauso wenig objektiver Beurteiler wie der von mir weiter oben ebenso bedachte Deschner. Beide sind in ihren Ausführungen bestimmt sehr ehrenhaft, als Quellen für historische Erkenntnis aber völlig unbrauchbar.

Das Argument, dass es keine "glaubensfremden Zeugen" gäbe (Sheik), finde ich nicht überzeugend. Denn wie soll jemand bezeugen, dass ihm Christus erschienen sei, und dennoch glaubensfremd bleiben, also die Auferstehung abstreiten? Aber dass jemand durch eine Erscheinung von einem "Glaubensfremden" zu einem "Zeugen" wird, finde ich plausibler, und genau das ist bei Paulus geschehen. (Übrigens schreibt er sehr wohl, dass er Kephas und die anderen getroffen habe).
Nun, ein unbeteiligter Beobachter könnte beispielsweise die Berichte eines Epileptikers niedergeschrieben haben (man vermutet, dass auch Paulus von Tarsus einer war). Es gibt sicherlich eine Reihe von Gründen, warum jemand eine Kuriosität beobachtet haben könnte (und dokumentiert haben könnte), oder warum ihm das egal war, weil er eine schlichte Kuriosität als solche erkannt hat. Ich würde das allerdings ebenso in das Reich der Spekulationen verweisen. Nichts genaues weiß man.

Aber gut, ich gebe zu: Was die Form der neutestamentlichen Berichte angeht, erscheint sie mir viel plausibler als die These von ihrem legendenhaften oder mythischen Charakter.
Aber dagegen sprechen m.E. folgende Punkte:
1. Gerade (u.a.) wegen ihrer hohen ethischen Ideale hatten die Apostel großen Erfolg in der Verkündigung. Es ist unwahrscheinlich, dass der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit so lange unentdeckt geblieben wäre, wenn die Apostel nur eine Betrügerbande gewesen wären.
Ich denke nicht, dass sie das waren. Die jüngere Geschichte ist allerdings voll von Menschen, die mit bestem Wissen und Gewissen Dinge getan haben, über die ein vernünftiger Mensch nur mit dem Kopf schütteln kann. Aus religiösen oder quasi-religiösen Gründen. Für einen Historiker nicht brauchbar.

2. Sie erklärt im Falle des Paulus gerade nicht seine Bekehrung.
Niemand kann objektiv beurteilen, warum ein Mensch eine gewisse Veränderung in sein Leben einführt. Sicherlich aber ganz besonders nicht durch subjektive und persönliche Schilderungen. Auch das erscheint mir nicht brauchbar als Quelle für das, was da "bewiesen" werden soll. Bestenfalls noch dafür, dass Menschen in vergangener Zeit ähnlich "getickt" haben, wie wir Menschen heute. Interessant sind die Schilderungen Paulus' lediglich aus anthropologischer Sicht (will ich nicht abwerten. Ist ein interessantes Thema).

3. Die Apostel sind für ihren Glauben in den Tod gegangen. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass es unter all diesen Betrügern nicht den einen oder anderen gegeben hat, der angesichts Verfolgung, Gefängnis und drohendem Tod nicht umgekippt und den Betrug zugegeben hätte, um seine Haut zu retten.
Ich möchte das ausschließlich als Beispiel verstanden wissen: ein religiöser Fanatiker geht dann in den Tod, wenn ihm überzeugend dargelegt wurde, dass anschließend eine glückselige Ewigkeit auf ihn wartet. Ich würde dabei das Betrugsszenario zumindest führender Persönlichkeiten der jüdischen Sekte ausschließen. Das waren überzeugte Anhänger einer Endzeitbewegung. Sie hatten nichts zu verlieren, nur zu gewinnen.
 
Um mal auf diese "Wunderheilungen" zu sprechen zu kommen, die vorhin erwähnt wurden als Beispiel dafür, dass man nicht alles als unmöglich abstempeln sollte, weil die moderne Wissenschaft keine Beweise dafür hat:

"Wunderheilungen" sind medizinisch gesehen genauso logisch wie Selbstentzündung (gibt es tatsächlich auch). Fakt ist, dass im Menschlichen Körper so viele verschiedene Verbindungen bestehen, die sich in die eine oder andere Richtung entwickeln können, dass man nie zu 100% bestimmen können wird, was sich genau jetzt im Körper abspielt. Die moderne Medizin hat zwar schon Vieles herausgefunden, aber noch längst nicht alles.

Wüsste man es, dann könnte man mittlerweile Medikamente für alles kaufen. Es gibt dennoch Krankheiten, die bis heute unheilbar sind.

Zudem ist auch bekannt, dass wir nur einen Teil unseres Gehirns tagtäglich nutzen. Auch dass Teile des Gehirns die Aufgabe(n) von anderen übernehmen können, wenn Letztere verletzt wurden.

Auch Krebs ist so eine Sache. Jeder Mensch hat Krebszellen im Körper. Ob jedoch der Krebs "ausbricht" bzw. wuchert, ist von vielen verschiedenen Faktoren anhängig. Es gibt Menschen die rauchen ihr Leben lang und sterben mit 90 an Altersschwäche, friedlich, in ihrem Bett. Und es gibt Menschen die haben nie geraucht und sterben mit 30 an einem Gehirntumor.

Aber vor allem die Wirkung des Bewusstseins bzw. Unterbewusstseins sollte man nicht unterschätzen und dies bringt mich zu den eigentlichen Wunderheilungen. Warum glaubst du wohl funktionieren Placebos? Warum kann man Menschen hypnotisieren und so mehr oder weniger ihren Willen ausschalten? Das sind alles Dinge, die noch nicht erforscht sind, nur sind es deswegen lange noch keine Wunder.

Wie jemand allerdings Wasser in Wein verwandelt, das will ich sehen ;) das ist, chemisch betrachtet, nicht möglich. Wenn du mir einen Gegenbeweis liefern kannst, der NICHT aus irgendwelchen Glaubensschriften stammt (AT, NT, Koran, usw.), dann lasse ich mich eventuell davon überzeugen, dass die Evangelien tatsächlich Tatsachenberichte sind.

Ansonsten muss ich mich meinen Vorrednern anschließen, die von Mythen, Legenden und Religionspropaganda reden :) Tut mir Leid.
 
Die Frage ist halt welche Aussagekraft es bezüglich der Historzität von Jesus hat ob die Evangelien Tatsachenberichte sind. Ein Beispiel dafür ist ja die Herkunft aus Bethlehem, oder die Kindstötungen. Oder die späteren Legenden über seine Kindheit.

Das sind Motive die (warscheinlich) den Berichten über Jesus aufgestülpt wurden um die Erwartung von etwas Messiasartigem zu erfüllen, um eine Besonderheit hervorzuheben. Es ist vollkommen nachvollziehbar derartige Dinge in Zweifel zu ziehen. Ungeachtet dessen benötigt so etwas immer noch jemanden an dem seine Umwelt die Möglichkeit sieht diese Erwartungen auf ihn zu projezieren.
 
Genau da liegt aber das Problem. Der einzige Beweis für die Existenz Jesu sind eben die Evangelien und andere Glaubensschriften. Und Glaubensschriften mögen zwar eine Person brauchen, auf die sie Bezug nehmen, dennoch stellt sich die Frage, ob diese Person derjenigen in den Schriften genannten entspricht.

Daher bin ich einfach nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei den Evangelien um Tatsachenberichte handelt, zumal ihre Verfasser Jesus nichteinmal zu Lebzeiten kannten. Ein Tatsachenbericht verlangt meiner Ansicht nach zum einen, dass der Verfasser das, worüber er schreibt tatsächlich erlebt hat und zum anderen, dass es sich eben um Tatsachen und nicht um Mythen handelt.
Die Evangelisten schrieben aber nicht, um Tatsachen zu berichten, sondern um die Geschichte Jesu in religiösem Zusammenhang zu verbreiten.

Insofern stehen wir vor demselben Problem, das wir schon am Anfang der Diskussion hatten :D
 
Stell dir vor ich erzähle etwas, zum Beispiel über eine Person der aktuellen Zeitgeschichte die vor kurzem gestorben ist. Wie wärs mit dem letztem Papst?

Wenn ich nun mit Leuten spreche die diesen noch kannten so könnte ich berichten das der gute Mann früher mal Theater spielte, viel herumgereist ist und ein Attentat überlebte. Ausserdem war er der Meinung das Sex zur Fortpflanzung und der Freude dienen sollte.

Habe ich diese - mir nicht bekannte doch aber gut dokumentierte Person nun treffend beschrieben, so wie es diese gab? Kannst du sie dir anhand meiner Beschreibung vorstellen und wird das Bild das du dir machst der Person tatsächlich entsprechen?

Gewiss nicht. Und natürlich liegt dies unter anderem daran dass ich sie nicht persönlich kannte, und dir so oder so nur einen Ausschnitt erzähle. Doch die blosse Qualität der Ausschnitte macht noch keine Aussage darüber ob es diese Person gab.

Es gehört wie oben schon gesagt einfach dazu dass Berichte über historische Personen durch Zielsetzungen gefärbt sind, auf Hörensagen oder der Befragung von Zeitzeugen basieren - oder uns nur in der Überlieferung dieser ursprünglichen Berichte vorhanden sind.

Das macht sie nur nicht nutzlos.
 
Ähm... nur muss man unterscheiden zwischen möglichen Dingen und unmöglichen Dingen. Wasser in Wein zu verwandeln, gehört zu den unmöglichen Dingen.

Versteh mich nicht falsch, ich behaupte nicht, dass es Jesus nicht gab. Ich wage aber zu behaupten, dass die Glaubwürdigkeit der Evangelisten in Frage zu stellen ist. Diese Männer schrieben nunmal für eine Religionsgemeinschaft und nicht für die Geschichtswissenschaft. Es mag sein, dass es einen Jesus von Nazareth gegeben hat, der vielleicht ein wundervoller Mensch gewesen ist, wer weiß? Aber genau da liegt die Diskrepanz Religion/Geschichtswissenschaft: Die Religion sieht ihn als Wunder wirkenden Sohn Gottes. Die Geschichtswissenschaft sieht ihn, wenn überhaupt, als Menschen. Und NUR als Menschen.

Für einen gläubigen Christen ist das Blasphemie, sicherlich. Aber hier geht es nicht um die Religion, sondern um Tatsachen und da sind die Evangelien eben ein wenig kritisch zu betrachten.

Was dann eben auch dazu führt, dass ich zwar annehme, es habe möglicherweise jemanden gegeben, den die Evangelisten beschreiben - jedoch war er mit Sicherheit nicht so, wie in den Evangelien beschrieben (als Sohn Gottes).

War das jetzt ein bisschen klarer ausformuliert? :D

:winke:
 
Ähm... nur muss man unterscheiden zwischen möglichen Dingen und unmöglichen Dingen. Wasser in Wein zu verwandeln, gehört zu den unmöglichen Dingen.

Obwohl ich nicht der Meinung bin, dass man die Wunder, wie hier von der Kafernaumer Hochzeit, unbedingt erklären muss, weil die Evangelien eben keine Biographien sind, hat es durchaus interessante Versuche gegeben, diese "Wunder" wissenschaftlich zu erklären.
Z.B. mit zypriotischem Wein, der eingedickt geliefert wurde (also wie Sirup) und der erst durch Zugabe von Wasser genießbar wurde. Oder mit der These - die allerdings eher in meinem privaten Kreis geäußert wurde - dass nach drei Tagen Besäufnis in Kafernaum das Wasser ganz erfrischend (und zudem eine Abwechslung) war und deshalb viel besser schmeckte als der süße und schwere Wein. Das kennt man doch: Wenn man zuviel getrunken hat, dann schmeckt es eigentlich nicht mehr.
 
Ähm... nur muss man unterscheiden zwischen möglichen Dingen und unmöglichen Dingen. Wasser in Wein zu verwandeln, gehört zu den unmöglichen Dingen.
Das ist wunderbar klar formuliert.

Aber bezüglich der Glaubwürdigkeit der Evangelien gibt es halt auch ein Problem: Wir kennen weder die Originalaussagen noch wissen wir immer wie die Versionen davon die wir haben gemeint sein könnten.

Um mal ein Beispiel zu bringen, etwas nicht von Jesus sondern von Josua:

Damals, als der Herr die Amoriter den Israeliten preisgab, redete Josua mit dem Herrn; dann sagte er in Gegenwart der Israeliten: Sonne, bleib stehen über Gibeon und du, Mond, über dem Tal von Ajalon! Und die Sonne blieb stehen und der Mond stand still, bis das Volk an seinen Feinden Rache genommen hatte.
Nun gehen wir doch eher nicht davon aus das an diesem Tage die Sonne still stand - dafür hätte irgendwie ja doch die Erde still stehen müssen und sich nicht rotieren.

Alles Schmuh also? Hat Josua das zu seinen Leuten gesagt oder nicht?

Such mal im Netz nach "Sonne steh still", das ganze hat wahre Stilblüten getrieben von Leuten die diesen Trick rational erklären wollen. Mit Meteoriten, Polschwankungen und ähnlichen Begründungen. Tatsächlich ist die Passage aber keine Tatsachenbeschreibung, sondern in erster Linie ein Zitat, und zwar ein Zitat aus einer Liedersammlung. Eben dem erwähntem Buch des Aufrechten - welches sich nicht erhalten hat und angeblich ein Bogenlied beinhaltete. Vielleicht wollte Josua seinen Leuten auch nur Mut machen indem er ein Zitat brachte? Wahr ist das wir es nicht wissen, was man darunter verstehen sollte, und wie diese Geschichte entstand.

Aus der blossen Tatsache dass die Sonne nicht mal einen Tag stillstehen kann ohne das die Erde sich aufhört zu drehen zu schliessen das es wohl so nicht passiert ist (es wäre wohl noch ein paar Leutchens aufgefallen) macht Sinn.

Daraus zu schliessen das Josua nie mit den Gibeonitern gekämpft hat ist aber zumindest fragwürdig.

Auf Jesus bezogen bedeutet das: Erstmal muss man nachschauen wie und wo denn die ganzen unwahrscheinlichen bis unmöglichen Dinge zu seiner Geschichte hinzukamen und was sie bedeuten könnten, und danach kann man sagen inwieweit das ganze eher literarisch als historisch wertvoll ist.

Und die Gefahr ist gross, weil es bei Jesus und dem Neuem Testament so viele Zitate und Schilderungen gibt die sich direkt auf das alte Testament beziehen oder die damalige Glaubenswelt.

"Jesus treibt Dämonen aus!" ist halt für uns die Schlagzeile, und wir schütteln den Kopf. "Jesus treibt Dämonen bei Nichtjuden aus" ist die Schlagzeile für die Christengemeinden ausserhalb Israels, und der hinzugekommene Teil dürfte dort der entscheidendere gewesen sein als die Frage inwieweit die Dämonen "echt" waren.

Was Wasser zu Wein betrifft: In Zeiten als das klare Nass noch nicht aus dem Hahn kam könnte dies auch einfach darauf hindeuten dass Jesus es gefahrlos trinkbar machte. Oder zumindest mal behauptete es sei trinkbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Obwohl ich nicht der Meinung bin, dass man die Wunder, wie hier von der Kafernaumer Hochzeit, unbedingt erklären muss, weil die Evangelien eben keine Biographien sind, hat es durchaus interessante Versuche gegeben, diese "Wunder" wissenschaftlich zu erklären.

Es gibt zwar in der Tat immer wieder Forscher, die so etwas unternehmen, "wissenschaftlich" sind diese Erklärungsversuche allerdings nicht, weil sie einen methodischen Holzweg beschreiten: Sie gehen erstens von der unbewiesenen Prämisse aus, eine (in der geschilderten Form) fantastische und unmögliche Geschichte müsse nichtsdestotrotz einen historischen Kern aufweisen, und sie nehmen zweitens an, man brauche die an sich rational nicht nachvollziehbare Geschichte einfach nur zu "rationalisieren", um zu diesem historischen Kern zu gelangen. Die Rationalisierung besteht dabei darin, die unrealistischen Elemente zu streichen und durch Phänomene zu ersetzen, die nicht im Widerspruch zur Naturwissenschaft
stehen. Wie willkürlich und damit unverbindlich und damit auch unwissenschaftlich diese "Rationalisierungen" sind, verdeutlicht vielleicht ein Beispiel aus dem Jahr 2006: Jesus sei nur scheinbar über das Wasser gelaufen, in Wirklichkeit aber über Eis. (Meeresforschung : Lief Jesus über Eis? - Wissenschaft - STERN.DE)
Mit dieser "Methode" gelangt man zu überhaupt keinen verbindlichen Aussagen, sondern nur zu einem vermeintlichen historischen Kern, den man sich in Wirklichkeit nach Belieben zurechtlegt. Einen historischen Kern können wir bei einer unglaubwürdiger "Geschichte" daher nur annehmen, wenn die Wahrscheinlichkeit uns dazu zwingt oder wenn unabhängige Quellen ihn bezeugen. Auf die Wunder in den Evangelien trifft das nicht zu, zumindest nicht für unvoreingenommene Leserinnen und Leser.
 
Obwohl ich nicht der Meinung bin, dass man die Wunder, wie hier von der Kafernaumer Hochzeit, unbedingt erklären muss, weil die Evangelien eben keine Biographien sind, hat es durchaus interessante Versuche gegeben, diese "Wunder" wissenschaftlich zu erklären.
Z.B. mit zypriotischem Wein, der eingedickt geliefert wurde (also wie Sirup) und der erst durch Zugabe von Wasser genießbar wurde. Oder mit der These - die allerdings eher in meinem privaten Kreis geäußert wurde - dass nach drei Tagen Besäufnis in Kafernaum das Wasser ganz erfrischend (und zudem eine Abwechslung) war und deshalb viel besser schmeckte als der süße und schwere Wein. Das kennt man doch: Wenn man zuviel getrunken hat, dann schmeckt es eigentlich nicht mehr.


In ähnlicher Weise lassen sich wohl auch die Krankenheilungen und Exorzismen erklären. Es ist bekannt, dass Hypochonder, die glauben an einer bestimmten Krankheit zu leiden, typische Symptome dieser Krankheit bekommen können, ohne wirklich daran zu leiden, ebenso ist die Kraft der Autosuggestion und des Placeboeffektes wissenschaftlich erwiesen. Medizin und Magie hingen noch stark miteinander zusammen, und auch bedeutende medizinische Koryphäen wie Hippokrates erwähnen Gebete, die bei der Medikation zu sprechen waren. Dazu darf man getrost von einer chronischen medizinischen Unterversorgung und einem starken Aberglauben ausgehen. Im Mittelalter erwartete man von Königen das Königsheil und es gibt zahlreiche Berichte von wundersamen Heilungen. So erwähnt Sueton in seiner Biographie des Vespasian, dass dieser in Ägypten einen Mann geheilt habe, und noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte Rasputin durch wunderbare "Heilungen" verblüffen. In den Evangelien sagt Jesus mehrfach zu geheilten Kranken, dass ihr Glaube sie geheilt habe.
 
Ich schon, ich musste mich mal von jemandem anpflaumen lassen, als ich die "Wenn Jesus gelebt hat, dann war er ein Mensch wie du und ich"- These vertrat. ;) Dieser Jemand war ein katholischer Pfarrer.

Er war der Ansicht dass man Jesu Menschlichkeit nicht betrachten kann, ohne seine Göttlichkeit mit einzubeziehen.
 
Pfarrer sind keine Exegeten und außerdem gilt noch immer Gal 2,11

Täusche ich mich, oder war gar nicht von Exegeten die Rede, sondern einfach nur von "gläubigen Christen"? Die Exegeten hast du ins Spiel gebracht. An der Aussage von FoxP2gen, wonach es gläubige Christen als Blasphemie empfinden, die göttliche Natur Jesu zu leugnen, ist nichts auszusetzen. Was Galater 2,11 mit dem Thema zu tun hat ist mir übrigens nicht klar. Hat sich der Pfarrer mit seiner Exegese "ins Unrecht gesetzt"? Vom religiösen Standpunkt ganz bestimmt nicht: Die Aussage "Wenn Jesus gelebt hat, dann war er ein Mensch wie du und ich" ist aus christlicher Sicht natürlich untragbar und unannehmbar.
 
Täusche ich mich, oder war gar nicht von Exegeten die Rede, sondern einfach nur von "gläubigen Christen"? Die Exegeten hast du ins Spiel gebracht. An der Aussage von FoxP2gen, wonach es gläubige Christen als Blasphemie empfinden, die göttliche Natur Jesu zu leugnen, ist nichts auszusetzen. Was Galater 2,11 mit dem Thema zu tun hat ist mir übrigens nicht klar. Hat sich der Pfarrer mit seiner Exegese "ins Unrecht gesetzt"? Vom religiösen Standpunkt ganz bestimmt nicht: Die Aussage "Wenn Jesus gelebt hat, dann war er ein Mensch wie du und ich" ist aus christlicher Sicht natürlich untragbar und unannehmbar.


Auch wenn wir hier keine religiösen Bekenntnisse von uns geben, halte ich den letzten Satz so für unzutreffend. Es bleibt doch jedem Christen selbst überlassen, wie er seine religiöse Überzeugung auslegt. Für die einen steht die Auferstehung der Toten, die unbefleckte Empfängnis, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist im Mittelpunkt, andere halten vielleicht ethische Grundsätze, wie sie in der Berglehre und verschiedenen Gleichnissen überliefert werden als zentral, und die Zugehörigkeit zum Christentum kann daher auch ernsthafte Zweifel an der Existenz Gottes und seiner Wunder zulassen.


Über die Verwandlung von Wein in Wasser, die Auferweckung von Toten, die Speisung von 4000 mit 5 broten und 3 Fischen lässt sich nicht sachlich diskutieren, über die Historizität von Jesus von Nazareth und das Neue Testament als historische Quellen dagegen sehr wohl. Das Jesus von Nazareth tatsächlich gelebt hat, wird von den meisten Historikern nicht bestritten. Richtig ist allerdings, dass es außer den Evangelien, der Apostelgeschichte und den echten Paulusbriefen kaum biographische Überlieferungen über Jesus gibt oder diese tendenziös verzerrende sind (Jesus als unehelicher Sohn eines römischen Soldaten namens Panthera) Als historische Quellen kann das NT natürlich nicht wörtlich genommen werden, ebensowenig wie man Tacitus, Cassius Dio oder Caesar kritiklos alle Angaben glauben wird. Jesus wurde höchstwahrscheinlich nicht in Bethlehem geboren, noch stammte er von König David ab, noch stellte ihm Herodes nach, ebenso wie die Geschichte der Weisen (griech. Magoi) sehr, sehr unwahrscheinlich ist.

Mit dem, was die Alte Geschichte, Archäologie, Judaistik und Orientalistik herausgefunden haben, lassen sich die im NT überlieferten Informationen und Fakten quellenkritisch überprüfen und aus den so gewonnenen Erkenntnissen lassen sich doch eine ganze Reihe von zuverlässigen Informationen zur Person, Lehre, sozialem Hintergrund und Wirken der historischen Persönlichkeit Jesus von Nazareth ableiten. Die Evangelien und das NT sind für die Alte Geschichte und die Geschichte des frühen Christentums daher nicht nur durchaus ernst zu nehmende, sondern vielfach auch die einzigen schriftlichen Quellen.
 
Nur ein paar Gedankensplitter zur Thematik (theologische Wirklichkeiten hoffentlich auslassend, rationale Wahrheiten hoffentlich diskutierend, sich hoffentlich damit nicht in die Nesseln setzend!):

Jesus, der Verkrustung aufbrechende radikale Erneuerer des Pharisäertums, dessen Lehre über den Pharisäer(!) Schaul, Paulus, verbreitet und theologisiert wird...

Warum hätte Paulus, der Jesus wohl nicht persönlich gekannt haben wird, die Mühen auf sich nehmen sollen, wenn er an der Existenz Jesu gezweifelt hätte... ob das Damaskuserlebnis ihn dann so tief erschüttert hätte? Er war immerhin ein gesetzestreuer Pharisäer!

Es darf auch nicht vergessen werden, dass die Menschen beim Verfassen ihrer damaligen "Tatsachenberichte" nicht ahnen konnten, dass es viel später einmal zur strengen Trennung von Religio und Ratio kommen könnte, um zwischen Wirklichkeit und Wahrheit unterscheiden zu können. Diese bildeten im außeraufklärerischen Denken eine Einheit.
 
@Scorpio
was ich mich frage ist folgendes
wenn man zwar die,ich nen es mal "Lebensregeln" von Jesus,für sich annimmt,oder anders das was man eigentlich die christliche Lehre nennt ohne an die Göttlichkeit Jesus' zu glauben ist es dann noch eine Religion oder nicht eher eine Philosophie.Braucht Religion nicht den Glauben an etwas Göttliches um sich von Philosophien abzugrenzen
 
Auch wenn wir hier keine religiösen Bekenntnisse von uns geben, halte ich den letzten Satz so für unzutreffend. Es bleibt doch jedem Christen selbst überlassen, wie er seine religiöse Überzeugung auslegt. Für die einen steht die Auferstehung der Toten, die unbefleckte Empfängnis, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist im Mittelpunkt, andere halten vielleicht ethische Grundsätze, wie sie in der Berglehre und verschiedenen Gleichnissen überliefert werden als zentral, und die Zugehörigkeit zum Christentum kann daher auch ernsthafte Zweifel an der Existenz Gottes und seiner Wunder zulassen.
Das erscheint mir überaus problematisch. Natürlich kann im Prinzip jeder Mensch glauben, was er will. Nur: Warum soll man solche Leute noch als Christen bezeichnen? Der Begriff verschwimmt dann ja vollkommen und verlierte so gut wie jede Bedeutung. Es entspricht weder dem (seit Jahrhunderten) üblichen Wortgebrauch noch der Intention der Religionsschöpfer (so weit diese eruierbar ist), Agnostiker und Atheisten als Christen „zuzulassen“. (Nur im übertragenen Sinn spricht man etwa bei Ernst Bloch oder Albert Camus von „christlichem Atheismus“. In Wirklichkeit wäre das doch eine „hölzerne Eisenbahn“.)
Es handelt sich also um einen neuen Wortgebrauch, der hier eingeführt wird, und der (wie jede ähnlich geartete sprachliche Innovation) eine gute Rechtfertigung braucht, wenn man ihn akzeptieren und nicht einfach nur für einen Quell der Verwirrung halten soll. Nun kann man sich jedoch des Eindrucks nicht erwehren, dass es nicht eine rationale Überlegungen ist, die den neuen Wortgebrauch motiviert, sondern ein emotionales Bedürfnis säkularisierter Christen, welche wesentliche Glaubensinhalte ihrer Religion nicht mehr für bare Münze zu nehmen im Stande sind, aber trotzdem irgendwie als Christen durchgehen wollen. Das ist zwar psychologisch verständlich und glaubensmäßig legitim (es kann ja eben jeder glauben, was er will), von einem unabhängigen Standpunkt aus betrachtet aber ein zweifelhaftes „Argument“, den Sprachgebrauch zu verändern bzw. den Wortgebrauch dermaßen auszudehnen. Fazit: Wer nicht an Gott glaubt und Jesus für einen „Menschen wie du und ich“ hält, kann meiner Einschätzung nach keinen guten Grund geltend machen, als Christ bezeichnet zu werden.


Über die Verwandlung von Wein in Wasser, die Auferweckung von Toten, die Speisung von 4000 mit 5 broten und 3 Fischen lässt sich nicht sachlich diskutieren, über die Historizität von Jesus von Nazareth und das Neue Testament als historische Quellen dagegen sehr wohl. Das Jesus von Nazareth tatsächlich gelebt hat, wird von den meisten Historikern nicht bestritten.
Volle Zustimmung.


Als historische Quellen kann das NT natürlich nicht wörtlich genommen werden, ebensowenig wie man Tacitus, Cassius Dio oder Caesar kritiklos alle Angaben glauben wird. Jesus wurde höchstwahrscheinlich nicht in Bethlehem geboren, noch stammte er von König David ab, noch stellte ihm Herodes nach, ebenso wie die Geschichte der Weisen (griech. Magoi) sehr, sehr unwahrscheinlich ist.
Auch hier Zustimmung. Als kritisch denkende Menschen dürfen wir das Neue Testament natürlich nicht als Tatsachenbericht lesen. Aber: Die Urheber des NT selbst wollten doch wohl zweifellos, dass ihre Texte als Tatsachenberichte gelesen werden – sie wollten, dass die von ihnen geschilderten Ereignisse 1:1 für historische Realität gehalten werden. Das gilt es festzuhalten, da ich ja von der „Intention der Religionsschöpfer“ gesprochen habe: Die Bibel will wörtlich verstanden werden. Wer das nicht tut (wie Historikerinnen und Historiker, oft auch katholische und evangelische Exegeten), begibt sich in Widerspruch zu dieser Intention und zu dem Text, der die Grundlage des eigenen Glaubens ist. Völlig widerspruchsfrei und konsistent lässt sich nun zwar kaum etwas denken und glauben, aber mit „atheistischem Christentum“ hat man den Bogen doch wohl überspannt!
 
Das erscheint mir überaus problematisch. Natürlich kann im Prinzip jeder Mensch glauben, was er will. Nur: Warum soll man solche Leute noch als Christen bezeichnen? Der Begriff verschwimmt dann ja vollkommen und verlierte so gut wie jede Bedeutung.

I. Wenn sich jemand, der die Glaubensinhalte a,b,...,n vertritt, als "Christ" bezeichnet, sollte "man" das akzeptieren - und im Zweifelsfall darauf verzichten, "Christ" als analytische Kategorie zu verwenden.
Wenn sich jemand - z. B. - als "Katholik" bzw. Mitglied der römisch-katholischen Kirche bezeichnet, muss er sich gefallen lassen, dass seine Glaubensinhalte denen gegenübergestellt werden, welche die Kirche für konstitutiv hält (siehe die "amtliche" Version Papst Pauls VI. Katholik und Glaube: CREDO DES GOTTESVOLKES - katholisches Glaubensbekenntnis).
Vor 10 Jahren (? - Quelle leider entfallen) hat der Kölner Kardinal Meisner, an dem ich sonst wenig Freude habe, dazu etwas Richtiges gesagt: Man könne nicht (katholischer) Christ sein und gleichzeitig Dinge wie den Teufel, das Jüngste Gericht und die Hölle einfach ausblenden oder weglassen...

II. Ich gehe nochmal - mit der Bitte, Redundanzen zu verzeihen - auf den gern zitierten, aber wenig gelesenen Albert Schweitzer zurück, der die Komplexität des Problems in vier Hauptfragen gefasst hat (Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Taschenbuch-Ausgabe 1972, S. 505):

  1. Die religionsphilosophische [Frage] ist die allgemeinste und wichtigste, da ihre Beantwortung über Sinn und Bedeutung der Auseinandersetzung entscheidet und über Befangenheit und Nichtbefangenheit der Streitenden orientiert. Welche Stellung nimmt, rein theoretisch betrachtet, die in den Evangelien geschilderte Persönlichkeit Jesu in der christlichen oder einer mehr oder weniger christlich gearteten [sic] Religion ein? Inwiefern ist sie deren Fundament oder Element? Welche Folgen müßte ihr eventueller Verlust nach sich ziehen, sei es, daß die moderne Religiosität sie als unbefriedigend und fremdartig empfindet, sei es, daß ihre Existenz überhaupt zweifelhaft wird?
  2. Religiongeschichtlich ist zu erwägen, ob es an der Wende der Zeitrechnung eine orientalisch-griechisch-jüdische, synkretistische Bewegung gegeben haben kann, die die Idee eines sterbenden und auferstehenden Erlösergottes dachte und dann dazu fortschritt, ihm eine historische Existenz beizulegen, wie sie in den Evangelien geschildert ist.
  3. Die dahingehenden Annahmen über die Entstehung des Christentums sind dann - dies die dogmengeschichtliche Frage - daraufhin zu prüfen, ob sie mit den feststehenden Tatsachen der Weiterentwicklung seiner Lehren und Anschauungen in Einklang gebracht werden können.
  4. Die literaturhistorische Frage fordert den sachlichen Entscheid, ob die Berichte der Evangelien sich als Überlieferungen von dem Wirken einer geschichtlichen spätjüdischen Persönlichkeit erklären lassen, oder ob Kunstprodukte - zu Geschichte erstarrte Mythen oder symbolische Erzählungen - anzunehmen sind.
Schweitzer weist die Schuld an der oft ungeordneten und unqualifizierten Diskussion zum Berichtszeitpunkt (Anfang des 20. Jh.) den Historizitäts-Bestreitern zu: Die hätten getan, "als ob sie allein den Mut hätten, die Stimme für die Wahrheit zu erheben, während die 'Theologen' aus Beschränktheit oder Ängstlichkeit noch an der Existenz Jesu festhielten und die natürlichen Konsequenzen der neuesten Forschung nicht zu ziehen wagten." (S. 502)

Hierüber kann man nun ebenfalls wieder streiten. Dass Schweitzer ein unabhängiger und aufrichtiger Denker ist, zeigt sich immerhin in seinem Hinweis auf frühere "Zeiten, wo Rad und Feuer derjenigen warten, die anders zu lehren wagen als 'die Theologen'" (ebd.).

III. Geschichtswissenschaft geht nicht von Offenbarungen aus, sondern von Quellen. Wie ich schon oben (#299) unter Verweis auf Schweitzer zu sagen versuchte, ist die Quellenlage in Bezug auf die Person Jesu seit vielen Jahrzehnten/Jahrhunderten unverändert. Die Quellen, wie sie sind, werden unterschiedlich interpretiert, ohne dass ein Konsens derzeit erreichbar scheint. Dass mehr/andere Quellen oder neue überzeugende Interpretationen hinzukommen werden, ist eher unwahrscheinlich - ergo sollte man den Dissens "ertragen". Dass das möglich ist, zeigt dieses Forum mehr oder weniger deutlich.
 
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