@Repo
Ich glaube du überschätzt die Obstruktionsmöglichkeiten der SPD in Sachen Kriegführung. Man braucht zwar zum Kriegführen Geld, aber nicht zum Krieg erklären. Die SPD hätte also nicht den Krieg verhindern sondern höchstens eine deutsche Niederlage herbeiführen können, indem die nötigen Gelder verweigert werden. Damit hätte die SPD die volle Verantwortung übernehmen müssen für alle möglichen Folgen der Niederlage, bis hin zur Zerschlagung des Reichs. Hier wäre wohl der rechte, revisionistische Flügel der SPD knieweich geworden. Du hast ja den Zerfall der SPD - je nach Zustimmung zu den Kriegskrediten - selbst genannt, das wäre im umgekehrten Falle, dass die SPD-Führung gegen die Kredite ist, genauso passiert.
Davon abgesehen, hatte die SPD wie Turgot richtig sagt nunmal keine Mehrheit im Reichstag. Die genannten Prozentzahlen sind außerdem Wählerstimmen, die Anzahl der Mandate bei der Reichstagwahl 1912 sieht für die SPD schlechter aus:
Mögliche Kreditgegner:
SPD 27,7%
Linksliberale 10,6%
Regionalparteien 8,3%
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zusammen rund 47%
Dagegen kommen die Parteien die vorraussichtlich für die Kredite gestimmt hätten auf:
Koservative: (DKP+DRP) 10,8% + 3,5% = 14,3%
Nationalliberale: 11,3%
Zentrum: 22,9%
Bauernpartei: 1,8%
Antisemiten: 2,5%
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macht zusammen rund 53% der Abgeordneten
Es fehlte also die nötige Mehrheit im Reichstag für eine wirkungsvolle Obstruktionpolitik.
Quelle:
Reichstagswahl 1912 ? Wikipedia
Mein Eindruck ist, dass auch die Obstruktionswilligkeit der SPD von Bethmann Hollweg und anderen Zeitgenossen überschätzt wurde. Jedenfalls schließe ich das aus dem Verhalten der SPD während des Krieges. Hier wäre der Vertrag von Brest-Litowsk zu nennen, nach dem Russland als Kriegsgegner ausgeschieden war. Damit war die Situation hergestellt, gegen die die SPD angeblich 1914 durch Verweigerung der Kriegskredite opponiert hätte, warum tat sie es dann aber 1917 nicht? Der Vertrag selber ließ keinen Zweifel, dass es ab da um einen imperialen Eroberungskrieg ging, gegen Frankreich. Was hinderte also die SPD 1917 in die Opposition zu gehen?
@Turgot (#365)
Du setzt hier aber die SPD und die SPD-Wählerschaft gleich. Gerade die Tatsache, dass die SPD-Wähler unter den Soldaten als zuverlässig angesehen wurden, macht erst den Kampf gegen die SPD möglich. Die Arbeiter von der SPD zu trennen und für Monarchie und Vaterland zu gewinnen, dass war die Hoffnung der Rechten. Immerhin war die SPD schon einmal verboten gewesen, ohne dass es zu Aufständen, Massenstreiks oder ähnlichem gekommen wäre. Es gab Pläne, die SPD bei Kriegsausbruch wenn nötig zu zerschlagen und die SPD-Führung stand 1914 auf dem Sprung, sich mitsamt dem Parteivermögen in die Schweiz abzusetzen, falls es dazu kommen sollte.