Warum darf Arminius kein deutscher Held sein?

Welche Parameter wären das - dass sie in dem Jahrtausend den aufrechten Gang nicht abgelegt haben, z. B.? Ehrlich gesagt sehe ich da herzlich wenig. Die germanischen Stämme des 1. Jhs. werden in der Völkerwanderung derart gut "aufgemischt" von anderen Stämmen – den nachrückenden wie denen der neuen Siedlungs- und Durchzugsgebiete – dass die Resultate dann einen neuen Namen "Deutsche Völker" erhalten. Das halte ich nur für gerechtfertigt.
 
Also ich sprach von relativ egalitär.
Da für den Zeitraum den wir hier besprechen, es keinerlei in der Grablege der Germanen, begründetete Annahme für eine starke soziale Stratifizierung gibt, sondern die Gräber relativ einheitlich in ihren Ausstattungen sind, kann man m.E. darau schließen, das die Gesellschaft ebenfalls relativ einheitlich war
Warum ich von klein spreche, das Siedlungswesen zu dieser Zeit besteht in den germanischen rechtsrheinischen Gebieten hauptsächlich aus sehr kleinen Orten mit teilweise nur 2-3 Häusern.
Ich würde schon sagen das die bezeugten "Stammesführer" eine hohe Position innerhalb ihrer Gemeinschaft hatten, aber sie waren eben auch nur erste unter freien Männern mit einer Führungsposition, aber nicht unbedingt einer Machtposition.
Die Kelten mit den Germanen vergleichen wollen, ist wie Äpfel und Birnen vergleichen zu wollen.
Das sind einfach viel zu viele Unterschiede vorhanden.


Ich teile die Ansicht einer "Einheitlichkeit" in Bezug auf die Siedlungsweise.
Was die Bevölkerungszahlen angeht, lassen sich m.E. nur schwer Angaben dazu machen. Historiographisch ist immer wieder die Rede von der großen Zahl der Germanen. Die bisher gefundenen Orte sind, hier stimme ich wiederum zu, oft nicht sehr groß. Für Fritzlar-Geismar, als "große" und gut ergrabene Siedlung, wird eine Zahl von maximal 400 bis 500 Einwohner geschätzt, und in Feddersen-Wierde geht man meines Wissens von einer ähnlichen Bevölkerungszahl aus. Aber insgesamt gibt es doch zu große Forschungslücken, um die Bevölkerungen von Regionen einigermaßen abzuschätzen. Zumal ja noch die Problematik besteht, dass die über lange Zeit gepflegte Sitte der Brandbestattungen wenig Spuren hinterließ.
 
Kannst Du das mal belegen bzw. dieses angeblich fachwissenschaftliche Verständnis von "Kontinuität" näher definieren?
Kontinuität bedeutet allgemein gesehen das sich bestimmte Sachverhalte oder Phänomene von einem Ursprung stringent in ihren Entwicklung über einen bestimmten Zeitraum erfassen und verfolgen lassen.
Ein Bsp. wäre die Entwicklung des Latènestils zu nennen. Es läßt sich über einen längeren Zeitraum die Entwicklung verfolgen. Die Kontinuität besteht hierbei z.b. in der stringenten Entwicklung des Kunststiles, so lassen vor allem bei den Fibeln auch die Konstruktionsmerkmale bzw. die Idee der älteren Fibeln fassen. Auch verschiedene künsterlerische Entwicklung, haben einen Bezug zu den jeweils älteren Kunstformen.

Das ganze auf die "Germanen" angewandt, kann ich auf jeden Fall keine "historische Kontinuität" zwischen den germanischen Gruppen des 1 Jhs.v.chr. und denen des 5. Jhs.n.chr finden.
Dieter hat ja in seinen obigen Post auch einiges dazu gesagt, dem kann ich mich nur anschließen.
 
Das ganze auf die "Germanen" angewandt, kann ich auf jeden Fall keine "historische Kontinuität" zwischen den germanischen Gruppen des 1 Jhs.v.chr. und denen des 5. Jhs.n.chr finden.
Dieter hat ja in seinen obigen Post auch einiges dazu gesagt, dem kann ich mich nur anschließen.

Das verstehe ich nicht so ganz.
Was hat denn die kulturelle Verbundenheit in der relativ kurzen Zeit aufgelöst?
 
Für Fritzlar-Geismar, als "große" und gut ergrabene Siedlung, wird eine Zahl von maximal 400 bis 500 Einwohner geschätzt, und in Feddersen-Wierde geht man meines Wissens von einer ähnlichen Bevölkerungszahl aus. Aber insgesamt gibt es doch zu große Forschungslücken, um die Bevölkerungen von Regionen einigermaßen abzuschätzen. Zumal ja noch die Problematik besteht, dass die über lange Zeit gepflegte Sitte der Brandbestattungen wenig Spuren hinterließ.
Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass die Spuren großer Siedlungen oder die Gräber der Stammesführer noch nicht gefunden und ergraben worden sind. Aber für unwahrscheinlich halte ich es schon. Archäologie wird seit rund 200 Jahren relativ systematisch betrieben. Dabei sind gerade in jüngster Zeit allerlei Dinge gefunden worden, die man nur mit einem guten Auge überhaupt erkennen kann. Hätte es die großen Zentralorte und die wichtigen Häuptlinge gegeben, wäre die statistische Wahrscheinlichkeit, dass die Überreste davon als erste gefunden werden, relativ hoch. Je größer ein Bauwerk in der Kaiserzeit war, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Spuren davon bis heute erhalten haben. Aus dieser germanischen Zeit gibt es aber bislang keinerlei Spuren, die darauf hindeuten, dass es in der Bevölkerung Personen von herausragender Stellung gegeben hat (persönlicher "Reichtum" mal ausgenommen).

Das verstehe ich nicht so ganz.
Was hat denn die kulturelle Verbundenheit in der relativ kurzen Zeit aufgelöst?
Ich persönlich bezweifele, dass es sowas wie "kulturelle Verbundenheit" unter den Germanen je gab. Sie selbst haben sich ja wohl nie als "Germanen" betrachtet. Und sie haben untereinander offenbar genauso gern Krieg geführt wie gegen Römer, Gallier oder Kelten. Die Vorstellung von der kulturellen Verbundenheit entnehmen wir doch eigentlich in erster Linie den Werken von Caesar und Tacitus. Caesar hatte explizit politische Gründe, die Germanen zur "Gefahr" aufzubauen, und Tacitus wollte den dekadenten Römern das "unverfälschte Naturvolk" nördlich der Alpen als Vorbild vorhalten. Wir diskutieren heute über die Frage, ob es eine ethnische oder kulturelle Kontinuität gab oder gibt. Den Germanen war diese Frage - nach allem, was wir heute belegen können - aber offenbar völlig egal.

MfG
 
Ich persönlich bezweifele, dass es sowas wie "kulturelle Verbundenheit" unter den Germanen je gab.

Ob es ein "germanisches Bewußtsein" unter den Stämmen gab, sei mal dahingestellt.
Gemeint war die kulturelle Verbundenheit der Stämme aus dem 1 Jhs.v.chr. und denen des 5. Jhs.n.ch.
Warum soll es in diesem Zeitraum keine Kontinuität gegeben haben?
 
Eine Kontinuität der einzelnen Stämme wäre wohl zu bezweifeln. Die haben sich untereinander assimiliert. Eine gewisse Kontinuität dessen, wonach wir die Germanen ausmachen, der Sprache, hat es aber schon gegeben, bis heute. Es hat nie einen radikalen Bruch gegeben, bei dem wir sagen würden, "ab da an hörten sie auf germanische Sprachen zu sprechen".

Offenbar sahen die Deutschen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit die Germanen ebenfalls als Deutsche an. Man sprach dann von den "alten Teutschen".
 
Natürlich gab es keine ethnische Stringenz zwischen den Germanen des 1. und des 5. Jahrhunderts.
Es handelt sich ja um völlig unterschiedliche Stämme. Wie kann man überhaupt darauf kommen, die Vandilier und Gotonen des Tacitus hätten etwas mit den Stämme des Völkerwanderungszeit zu tun? Zum Beispiel diese dubiosen Sueben an Elbe, haben auch rein gar nichts mit Jahrhunderte später existierenden gleichnamigen Ethnien in Süddeutschland und Spanien zu tun, allein schon Kilometer und Jahrhunderte dazwischen. Gleichsam möchte ich ja auch darauf hinweisen, dass die römische Inschrift, die aussagt, die Semnonen würden neuerdings Juthungen heißen, nichts aussagt. Ebenso möchte ich gänzlich ausschließen, dass die Angeln und Variner, die Tacitus als Bewohner Jütland erfindet, etwas mit gleichnamigen Stämmen im Thüringen oder England zu tun hätten. Eine Verbindung der taciteischen Saxones mit in England und der norddeutschen Tiefebene auftauchen Stämme... einfach haltlos.
Ich muss ja zugeben, dass es gerade für Stämme am Rhein sehr viele Ansatzpunkte für eine Kontinuität gibt. So berichtet schon Tacitus von der Anwesenheit der Griechen am Rhein, von griechischen Inschriften des Odysseus, hier läßt sich doch klar eine Brücke schlagen zu den trojanischen Franken und den makedonischen Sachsen des frühen Mittelalters.

Leider unterbreche ich jetzt meinen bösartigen Ironieexkurs.:cry:
Tatsächlich sehe ich mannigfaltigen Fortbestand der taciteischen Germanenstämme. Dies betrifft aber in erster Linie sogenannte Elbgermanen, Ostgermanen und Nordseegermanen. Eigentlich alle haben ihre Wohnsitze verändert, selbst die Friesen haben in deutlich verlagert. Sicherlich ging die Ethnogenese weiter wie bei allen lebendigen Ethnien. Hie und da wurden neue Bevölkerungsgruppen assymiliert und gaben trotzdem sicher auch eigene Impulse in Stämme. Einzelne Kleinstämme dehnen ihr ethnisches Kollektiv aus, andere gehen in diesen auf. Von diesen (trotz des Wandels) alten Stämmen bleiben aber nur wenige bis ins Frühmittelalter erhalten, und je weiter weg von Germanien desto wahrscheinlicher scheint ihr Untergang.
Eine fehlende Stringenz erkenne ich vor allem bei den vielen kleinen Stämme am Rhein, in Mitteldeutschland (bis zur Nordseeküste) und Böhmen. Ausgerechnet von den Cheruskern fehlt natürlich jede Spur. Auch die Konkurrenten Markomannen (Quaden...) und Hermunduren sind verschwunden. Die simple Idee einer Traditionslinie von Markomannen und Bajuwaren oder gar Hermunduren und Thüringern bleibt nur eine Theorie ohne wissenschaftliche Argumente. Die historische Überlieferung gibt zumindest keine her. (Zur Kontinuität von Chatten und Hessen gehört sehr viel gutr Wille; deutliche Quellenbelege hierfür fehlen von den grob zusammengeschusterten Etymologie mal abgesehen. Da hat sogar Chlodwigs Sugambertum bessere Argumente.)
Ebenso offensichtlich ist aber, dass die Stämme ethnisch und nicht politisch verstanden werden. So bleiben schon in Marbods Reich die unterschiedlichsten Stämme bestehn; im Grunde ist das kein Markomannenreich sondern das Reich eines Markomannen! Gleiches gilt für die Völkerwanderungszeit. Die Sueben in Spanien bleiben Sueben, werden keine Vandalen. Die skythischen Alanen werden auch keine Goten. Im Thüringerreich bleiben Angeln Angeln und Warnen Warnen, gleiches gilt für das fränkische Merowingerreich. (Naja, mittlerweile sind sie auch "ausgestorben".)
In der Völkerwanderungszeit bilden die Stämme auch keine Reiche sondern die Könige. Die zahlreichen "Könige" der Allamannen und auch der Franken bilden ein Chaos, dass es mit den Verhältnissen der Cherusker und Chatten zu Beginn der Römische Kaiserzeit durchaus aufnehmen kann. Die Einbildung einer gemeinsamen Abstammung und ethnischen Zusammengehörigkeit unterliegt in Fragen von Krieg und Politik der Organisation in Gefolgschaften, die sich um Adelige scharen.
Doof an meiner Argumentation ist jetzt natürlich, dass ich eine Kontinuität von Engländern und Angeln hergestellt habe, aber an fast allen "deutschen Stämmen" irgendwie vorbeigeschossen habe. ;)
Ethnische Zugehörigkeit und Abstammung ist sowieso vor allem eine Frage der Einbildung. Man muss nur fest genug dran glauben und schon ist manselbst Germane und dieser Hermann ähm Arminius war einer von uns.
 
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Man muss nur fest genug dran glauben und schon ist manselbst Germane und dieser Hermann ähm Arminius war einer von uns.

Das hat mMn. weniger was mit gutem Willen zu tun, sondern eher damit, was man als "Germane" definiert, nämlich den Sprecher einer germanischen Muttersprache.
 
Natürlich gab es keine ethnische Stringenz zwischen den Germanen des 1. und des 5. Jahrhunderts.
Es handelt sich ja um völlig unterschiedliche Stämme. Wie kann man überhaupt darauf kommen, die Vandilier und Gotonen des Tacitus hätten etwas mit den Stämme des Völkerwanderungszeit zu tun? Zum Beispiel diese dubiosen Sueben an Elbe, haben auch rein gar nichts mit Jahrhunderte später existierenden gleichnamigen Ethnien in Süddeutschland und Spanien zu tun, allein schon Kilometer und Jahrhunderte dazwischen. (...) Eine Verbindung der taciteischen Saxones mit in England und der norddeutschen Tiefebene auftauchen Stämme... einfach haltlos.
(...)
Leider unterbreche ich jetzt meinen bösartigen Ironieexkurs.:cry:
Tatsächlich sehe ich mannigfaltigen Fortbestand der taciteischen Germanenstämme...
Nun, wir müssen ja hier keine Extrempositionen vertreten. Ich für meinen Teil habe nicht behauptet, dass die von Caesar als "germanisch" bezeichneten Stämme restlos verschwunden sind. Ich habe nur die Frage aufgeworfen, ob das, was von ihnen übrig geblieben ist, für die ethnische Entwicklung hin zu den Deutschen bestimmend war. Wenn ich sage, dass es keine ethnische Kontinuität von Germanen zu Deutschen gibt, dann sage ich doch nicht, dass die Deutschen keine ethnischen Wurzeln haben. Nur, dass es da noch weitere Wurzeln gibt. Siehe Zuckmayer.

Wir jonglieren mit Stammesnamen. Aber was bedeuten die eigentlich? Caesar erwähnt die Sueben. War das ein Stamm? Ein Stammesverband? Eine Ansammlung von Splittergruppen verschiedener Stämme? Was für Stämme? Germanische oder keltische? Vielleicht slawische? Wissen wir alles nicht. Wer waren die Franken? Sicher kein Stamm. Wo kamen plötzlich die Vandalen, die Alemannen oder die Goten her? Waren das Stämme, die nur jeweils eine ethnische Wurzel hatten?

Schon die Namen, die Tacitus erwähnt... Jahrzehntelang haben die Römer gegen die Sugambrer gekämpft. Plötzlich leben in dem gleichen Gebiet Marser, die vorher nie erwähnt wurden. Alles sehr merkwürdig. Haben sich die Römer unter dem Begriff "Stamm" vielleicht etwas ganz anderes vorgestellt als die Germanen?

Sicher scheint mir, dass die Stammeskoalitionen nicht ethnisch oder sprachlich oder kulturell begründet waren. Sie hatten geografische Ursachen. Nachbarn hatten ähnliche Probleme und mussten folglich ähnliche Lösungen ersinnen. Das hat sie verbunden. Gleichgültig, ob die einen Kelten und die anderen Germanen waren.

Ich kann nicht erkennen, wie wir das heute festmachen sollten. Die Sprache ist auch nur ein Indiz. Alles was wir sagen können, ist: Deutsch ist keine romanische Sprache. Aber die deutsche Sprache hat eine Menge Worte, die lateinische Wurzeln haben. Und der Rest? Wie viel davon mag wohl auf die keltischen Dialekte zurückgehen?

Europa hat aus geografischen Gründen nie die Möglichkeit geboten, dass sich ein Volk längere Zeit isoliert von anderen Völkern entwickeln konnte. Kontakt war hier immer Zwang. Deshalb die vielen Kriege. Deshalb aber auch der intensive Austausch. Und deshalb glaube ich nicht, dass man eine Kontinuität von damals zu heute rekonstruieren kann. In der Rückschau lassen sich natürlich Kontinuitäten erkennen. Aber die führen eben nicht nur zu den Germanen.

MfG
 
Da ist aus fachwissenschaftlicher Sicht kein Streitpunkt, kein Archäologie oder Historiker würde jemals eine Kontinuität zwischen den Germanen und dem deutschen Volk konstantieren.
Soll kein persönlicher Angriff sein, aber manchmal bist du schon so ein bisschen "Und weil es alle sagen (was auch wieder nicht wahr ist) stimmt es auch".;-) Ich gehe hier nicht mit dir d'accord.
Die Deutschen sind ja nicht einfach hier aufgetaucht, vom Mars kamen sie jedenfalls nicht. Und seit dem Hochmittelalter setzten sich die "Deutschen" dann schon immer gerne mit den Germanen gleich...das kommt ja nicht von ungefähr.

Ethnische Zugehörigkeit ist IMO sowieso auch immer eine Sache der persönlichen Verortung. Mag sein, dass sich die Franken des 6. Jhds. nicht als Germanen gesehen haben, aber ein paar hundert Jahre später haben sich die Deutschen in der Tradition der Germanen gesehen. Und das ist dann doch auch ihr gutes Recht, gleich ob es 100% stringent ist.
 
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Soll kein persönlicher Angriff sein, aber manchmal bist du schon so ein bisschen "Und weil es alle sagen (was auch wieder nicht wahr ist) stimmt es auch".;-) Ich gehe hier nicht mit dir d'accord.
LOL ?
Nicht weil alle es sagen, sondern weil die Menschen die sie von Berufswegen (Archäologen, Historiker) damit auseinandersetzen, es aus gutem Grund postulieren, so was nennt man dann Lehrmeinung, die hat so lange bestand bis sie verworfen wird und eine weitere Theorie an ihre Stelle tritt.

Lies doch mal das Buch von Geary, dass ich hier angegeben habe.
Vielleicht wirds dann ein bischen klarer.
 
Die germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe waren unleugbar die Bevölkerungsbasis, auf der das spätere Heilige Römische Reich erwuchs - darin sind sich die Historiker einig.

Verfehlt wäre es allerdings, Germanen mit Deutschen gleichzusetzen, wie es häufig während der nationalsozialistischen Diktatur geschah. Zwischen den germanischen Stämmen des 8. Jh. und der Reichsbevölkerung des des 11./12. Jh. lagen insofern Welten, als das Christentum und neuartige kulturelle und politische Einflüsse das "Germanentum" entscheidend wandelten und einen Transformationsprozess anregten, der etwas völlig Neues hervorbrachte.

Genetisch mögen die Wurzeln weitgehend identich gewesen sein, aber das ist kein sehr entscheidendes Kriterium!
 
Nun, R.A hat bestimmt irgendwie recht mit seiner Definition der Kontinuität. Im historischen Kontext ist bestimmt eher festzustellen, dass es bestimmte Klammern zwischen einzelnen historischen Abschnitten gibt, als dass irgendein Kulturmerkmal quasi unverändert über 2-3 Jahrtausende hinweg besteht.
Sicher stimmen einige dieser Kontinuitäten auch innerhalb der „Germanischen Welt“. Die Sprachen, das Erbrecht, manchmal vielleicht auch eine gewisse, zumindest grobe, Ortskontinuität ab einem bestimmten Zeitpunkt, manche Namen und Bezeichnungen.

Aber, frage ich mich, was hat das mit „Deutsch“ zu tun ?
Mit exakt derselben Argumentation könnten die Dänen, die Norweger, die Isländer, ein Teil der Belgier, die Schweden, die Holländer, die Österreicher, ein Teil der Schweizer, die Engländer, die Kanadier, die Australier und wohl ein großer Teil der US-Amerikaner „Hermann“ zu ihrem Helden machen. Ach ja – und die Buren und die Engländer in Südafrika. (Jetzt bitte keine Unterstellung der Unkenntnis der Kolonialen Historie...)
Ich vergaß noch die Bahamas. Da leben noch immer Abkömmlinge königstreuer Engländer die 1776 die neuen USA verließen....

M.E ist es doch nicht das Problem, irgendeine Kontinuität zu erkennen oder zu konstruieren oder anzuerkennen. Es geht doch um bei der Ausgangsfrage darum ob Arminius/Hermann ein deutscher Held sein kann.
Klar kann man/frau in ihm einen Helden sehen. Warum nicht. Wenn man/frau will – bitte.

Aber Deutsch ? Deutsch ist doch innerhalb der „ germanischen Welt“ nur eine Gruppe. Wie weit, bitte, reicht die denn ? Bis nach Tunesien, weil da mal die Vandalen waren ? Bis nach Venezuela, weil das mal den Welsern gehörte ? Weil der damalige Kaiser Habsburger war ?

Oder weil die Schlacht im Teutoburger Wald auf deutschem Boden stattfand ?
Gehören jetzt Schwaben, Baden, Oberbayern, Niederbayern jetzt nicht zu den Deutschen, weil die damals römisch waren ? Ist Augsburg italienisch ? Braucht die Prinzessin von Thurn und Taxis in Regensburg jetzt einen italienischen Pass ? Liegt Köln im Ausland ?

Genau - das ist natürlich alles Unsinn.

Das Problem m.E. ist einfach, dass „deutsch“ im Zusammenhang mit Hermann/Arminius einfach immer noch zu eindeutig besetzt ist. Teutsch. Deutsch. Deutsch im Sinne einer Nation. Der Deutschen.

Die Römer als Zerrbild der Franzosen.
Die Schlacht „in der Nähe des Teutoburger Waldes“ als Vorspiel für Leipzig, Sedan, Verdun, Dünkirchen.
Auch noch ganz angenehm dazu. Die Germanen in der Rolle des Angegriffenen, die sich den Invasoren in den Weg stellen. Die Verteidigung der Kultur. Kein Angriff, kein Niederbrennen Roms, keine Invasionen späterer Zeiten. Nichts.

Und das sind für mich sehr wohl ausreichende Gründe in Arminius/Hermann keinen Deutschen Helden zu sehen. Vielleicht einen germanischen.
Aber keinen Deutschen.

Nix für ungut.

Thomas
mit griechischem Vornamen, aus Nürnberg, einer Stadt mit keltischem Flussnamen in einer Gegend, die wohl erst so, na ja, nachchristlich von den Germanen besetzt wurde, nachdem die Kelten weg waren und die Römer nicht hinwollten. Jetzt Franken genannt, obwohl keine Franzosen hier wohnen.

 
Nun, R.A hat bestimmt irgendwie recht mit seiner Definition der Kontinuität. Im historischen Kontext ist bestimmt eher festzustellen, dass es bestimmte Klammern zwischen einzelnen historischen Abschnitten gibt, als dass irgendein Kulturmerkmal quasi unverändert über 2-3 Jahrtausende hinweg besteht.

Danke - Du scheinst einer der wenigen zu sein, die den Beitrag überhaupt zur Kenntnis genommen haben.

Mich frustriert die Diskussion zunehmend. Da wird weiter apodiktisch "gibt hier keine Kontinuität" gesagt ohne Kriterien dafür zu definieren, die dann auch für andere Beispiele halten.

Aber, frage ich mich, was hat das mit „Deutsch“ zu tun ?
Weil Arminius zu den Germanen gehörten, die später zu Deutschen wurden.

Mit exakt derselben Argumentation könnten die Dänen, die Norweger, die Isländer, ein Teil der Belgier, die Schweden, die Holländer, die Österreicher, ein Teil der Schweizer, die Engländer, die Kanadier, die Australier und wohl ein großer Teil der US-Amerikaner „Hermann“ zu ihrem Helden machen.
Theoretisch ja, und daß sie es nicht tun, ist erst einmal kein Argument, daß die Deutschen es nicht tun sollten.

Der Knackpunkt ist halt, daß bei diesen aufgeführten Beispielen noch weitere Faktoren hinzukamen, die zu einem Traditionsbruch führten (z. B. geographisch durch Auswanderung, sprachlich oder politisch).
Zum Fortführen einer historischen Kontinuität gehört ja auch immer, daß man diese will. Wenn eine Tradition bewußt aufgegeben wird, bricht die Kontinuität halt ab.
Insofern fände ich es völlig problemlos und angemessen, wenn z. B. die Holländer oder Schweizer Arminius genauso als Persönlichkeit (um die Zusatzproblematik "Held" zu vermeiden) ihrer Vorgeschichte sehen wollten. Tun sie aber nicht - bitte schön.

M.E ist es doch nicht das Problem, irgendeine Kontinuität zu erkennen oder zu konstruieren oder anzuerkennen.
"Irgendeine" gibt es ja fast immer. Die Frage ist, ob sie breit genug angelegt ist, um sie als Tradition akzeptieren zu können.

Beispiel: Die Römer sahen sich ja als Nachfahren der Trojaner. Da ist die Kontinuität aber so dünn, daß man das nur als Geschichtsklitterei bezeichnen kann.
Zwischen den Deutschen unter Otto dem Großen und den Arminius-Germanen gab es geographische, abstammungsmäßige, sprachliche und sehr starke kulturelle Kontinuität. Nur politisch waren die Stämme mehrfach neu sortiert worden - das halte ich aber für unproblematisch.

Wie weit, bitte, reicht die denn ? Bis nach Tunesien, weil da mal die Vandalen waren?
Nein, weil es eben dort weitere (sehr entscheidende) Traditionsbrüche gab.

Würde es in Tunesien noch eine vandalische Minderheit geben, die ihre Sprache und Tradition pflegt und der alten Heimat gedenkt - dann könnten die sich natürlich auch auf Arminius berufen.
Mal zum Vergleich: Bei den jüdischen Minderheiten in diversen Ländern findet man ja Analoges, die pflegen auch ihr Andenken an Helden, die vor 3000 Jahren in Judäa lebten.
Aber die Vandalen pflegen eben nichts mehr, die sind platt.

Das Problem m.E. ist einfach, dass „deutsch“ im Zusammenhang mit Hermann/Arminius einfach immer noch zu eindeutig besetzt ist.
Diese falsche Besetzung, dieser Mißbrauch durch Nationalisten, oder diese widersinnige Gleichsetzung von Römern mit Franzosen - das ist natürlich alles Murks.

Aber man sollte nicht ins entgegengesetzte Extrem verfallen und so tun, als wären irgendwann 300 n. Chr. Marsmenschen gelandet und hätten im Bereich des heutigen Deutschlands jeden Kontakt zwischen vorher und nachher unterbrochen.

Ich hatte ja mit dem Beispiel Konfuzius angefangen. Wenn der ganz normal als "chinesischer" Philosoph bezeichnet werden kann (auch von Auslandschinesen ...), dann muß sich nicht scheuen, Arminius nach genau den gleichen Maßstäben in die deutsche Geschichte zu stecken.
 
Zwischen den Deutschen unter Otto dem Großen und den Arminius-Germanen gab es geographische, abstammungsmäßige, sprachliche und sehr starke kulturelle Kontinuität.
Das ist doch genau der Knackpunkt.

1. Sprachliche Kontinuität
Da wir erst im ab dem Frühmittelalter in der schriftlichen Zeit befinden, kann man wohl keine sprachliche Kontinuität beweisen, sie kann angenommen werden, aber Beweise sind sehr schwer bzw. unmöglich zu erbringen.

2.Abstammungsmäßig
Es gibt nur sehr wenige Gräberfelder (Liebersee z.B.) die eine derart lange Belegungsdauer besitzten, dass man von einer möglichen Abstammungslinie ausgehen kann.
Die meisten anderen "germanischen" Gräberfelder waren relativ kurzzeitig belegt.

3. Geographische Kontinuität
Nun es waren ja nach Auskunft der Gräber z.B. im rechtsrheinischen Gebiet, keinesfalls die gleichen Gruppen die sich im 1.Jh.v.chr und dann wieder ab dem 5 Jh.n.chr z.B. an den gleichen Orten bestatten ließen (Als ein Gegenbsp. habe ich auf das Gräberfeld von Liebersee hingewießen, ein wirklicher Sonderfall).

4.Kulturelle Kontinuität
Jetzt wird s wirklich schwierig und ohne Beispiele wie die kulturelle Kontinuität definierst kann ich schwerlich darauf antworten.

Ich würde dich einfach mal bitten deine Behauptungen anhand von Bsp. zu untermauern:winke:.
 
Das ist doch genau der Knackpunkt.

1. Sprachliche Kontinuität
Da wir erst im ab dem Frühmittelalter in der schriftlichen Zeit befinden, kann man wohl keine sprachliche Kontinuität beweisen, sie kann angenommen werden, aber Beweise sind sehr schwer bzw. unmöglich zu erbringen.

2.Abstammungsmäßig
Es gibt nur sehr wenige Gräberfelder (Liebersee z.B.) die eine derart lange Belegungsdauer besitzten, dass man von einer möglichen Abstammungslinie ausgehen kann.
Die meisten anderen "germanischen" Gräberfelder waren relativ kurzzeitig belegt.

3. Geographische Kontinuität
Nun es waren ja nach Auskunft der Gräber z.B. im rechtsrheinischen Gebiet, keinesfalls die gleichen Gruppen die sich im 1.Jh.v.chr und dann wieder ab dem 5 Jh.n.chr z.B. an den gleichen Orten bestatten ließen (Als ein Gegenbsp. habe ich auf das Gräberfeld von Liebersee hingewießen, ein wirklicher Sonderfall).

4.Kulturelle Kontinuität
Jetzt wird s wirklich schwierig und ohne Beispiele wie die kulturelle Kontinuität definierst kann ich schwerlich darauf antworten.

Ich würde dich einfach mal bitten deine Behauptungen anhand von Bsp. zu untermauern:winke:.

Du machst natürlich zu Recht auf viele Überlieferungslücken und Quellenprobleme aufmerksam, trotzdem ist hier eine Kontinuität wahrscheinlicher als...als...was ist denn z.B. deine Theorie? Woher kamen die Germanen? Was geschah mit ihnen? Von welchem Planeten kamen die Deutschen und was haben sie mit den armen Germanen gemacht?

2.Abstammungsmäßig

Es gibt nur sehr wenige Gräberfelder (Liebersee z.B.) die eine derart lange Belegungsdauer besitzten, dass man von einer möglichen Abstammungslinie ausgehen kann.
Die meisten anderen "germanischen" Gräberfelder waren relativ kurzzeitig belegt.

Zumindest von den Franken wissen wir, dass sie sich in der Merowingerzeit immer noch auf die selben Urahnen beriefen, bzw. diese aufführten, die Tacitus in seiner Germania mit der Einteilung der drei Germanen-Kultverbände aufführte.

Jetzt wird s wirklich schwierig und ohne Beispiele wie die kulturelle Kontinuität definierst kann ich schwerlich darauf antworten.

Das deutsche Wort "Buchstaben" ist hier ein nettes Beispiel. Diverse christliche Heilige, die Domänen ehemaliger Götter übernahmen auch. Diverses Brauchtum (auch wenn man hier geteilter Meinung sein kann und es eher in den volkskundlichen Bereich geht). Außerdem gab es ab der Neuzeit und dann verstärkt im 19. Jhd (aber auch davor) Anknüpfungen an germanische Traditionen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mich frustriert die Diskussion zunehmend. Da wird weiter apodiktisch "gibt hier keine Kontinuität" gesagt ohne Kriterien dafür zu definieren, die dann auch für andere Beispiele halten.

Na dann versuchen wir doch gemeinsam einen Nenner zu finden. Für mich ist Konitnutät dann erreicht, wenn in den Bereichen von Sprache, Kultur, Brauchtum und regionaler Abgrenzung über einen längeren Zeitraum mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen zu erkennen sind.

Beispiel: Die Römer sahen sich ja als Nachfahren der Trojaner. Da ist die Kontinuität aber so dünn, daß man das nur als Geschichtsklitterei bezeichnen kann.
Zwischen den Deutschen unter Otto dem Großen und den Arminius-Germanen gab es geographische, abstammungsmäßige, sprachliche und sehr starke kulturelle Kontinuität. Nur politisch waren die Stämme mehrfach neu sortiert worden - das halte ich aber für unproblematisch.
Da DerGeist ja schon einen Teil der Kritik angebracht hat, beschränke ich mich erst einmal mit Fragen die du mir hoffentlich im Sinn derKontinuität beantworten kannst.

Wo ist die geographische Kontinuität für die römischen Provinzen (Rhein, Donau) von Arminius bis zur Aufgabe der Gebiete im 4. und 5. Jahrhundert?Gleiche Fragestellung betrifft umso mehr noch die sprachliche und ethnische Entwicklung dieser Regionen. Hier sind klar römische und im Fall des bairischen Raums auch Volksgruppen aus de östlichen Donaubecken belegbar.

Wie ist die erst im 6. bis 8. Jahrhundert einsetzende Germanenmission im bezug auf Kontinuität zu sehen, da zwischen christianisierten und heidnischen Bevölkerungsgruppen und Stämmen keine Kontinuität zu sehen ist (für mich zumindest)?

Der Einfluß von slawischen Volksgruppen wurde ja eh schon angesprochen. In wie weit es eine generelle kulturelle Kontinuität gibt, würde mich auch interessieren. Nicht nur dass wir nur geringe Informationen zur Kultur germanischer Stämme im 1.Jahrhundert haben, es wandelt sich doch auch hin zur Dominanz von Lateinisch-römischer Kultur, zumindest für die Oberschicht.

Ebenso spricht vor der Zeit Ottos des Großen nicht wirklich viel für ein gemeinsames räumliches Denken/Verhalten, wie die Versuche zur Errichtung eigener, unabhängiger Reiche.
 
Eigentlich existieren wir Deutschen garnicht. Weil wir hatten sooo viele Kontinuitätsbrüche alleine seit 1871, dass einem schwindelig werden kann.
 
Zu dem Attribut "deutsch": Eine Nation oder Wertegemeinschaft definiert sich ja auch über ihre Kultur. Wenn also Arminius die germanische Kulturwelt vor dem Eindringen der römischen Invasoren gerettet haben und deshalb der Held einer deutschen Nation sein soll, komme ich zu dem Ergebnis dass er versagt hat und kein Held ist.
Denn schließlich haben die Völkerschaften, welche aus dem Gebiet zwischen Rhein und Elbe stammen in späteren Zeiten Rom in erheblichem Maße übernommen. In Kultur, Sprache, Religion und Wissenschaften wurden sie zu Rom-Fans. Man nannte sich sogar Heiliges Römisches Reich.

Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass Arminius' Sieg die germanischen Völker, die rechts des Rheins blieben, in den genannten Bereichen einige Hundert Jahre zurückgeworfen hatte. Sie kamen nicht in den Genuss römischer Sitte, wenn ich es mal so ausdrücken darf.


(Vielleicht hätte sich Germanien zur Kaderschmiede Roms entwickelt und später das Überleben des Reiches gesichert. Aber das ist nur träumerische Spekulation meinerseits *g*)
 
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