Seit bitte so freundlich und seht mir meine Zitierweise nach (farbig [blau] markiert und dem Mitdiskutanten zugeordnet). Die Nutzung der Zitierfunktion wäre mir jetzt zu unübersichtlich.
@Barbarossa
Was Du in #49 und #53 beschreibst spiegelt sehr gut die Desorientierung und Deformation der ostdeutschen Bevölkerung in 1992 wider, und zwar als die Folgen der Wiedervereinigung sich sozial manifestierten. Der Transformationsprozeß lief auf ökonomischen Gebiet gleichsam auf "Hochtouren", der soziale und mentale Transformationsprozeß folgte dem ökonomischen naturgegebenermaßen nur zögerlich, das ist m.E immer so. Der
Spagat beider Transformationsprozesse erzeugte nicht nur soziale Unsicherheit (Lebenssicherung, Zukunftssicherung etc.), sondern auch eine gefühlte Desillusionierung zwischen den projezierten vermeintlichen "Verheißungen" der Wiedervereinigung und dem persönlich erfahrenen Ergebnissen der Wiedervereinigung. Das gilt in besonderem Maße für Kinder und Jugendliche, die gleichsam über Nacht ihr Werte- und Bezugssystem verloren haben. Ihre Unsicherheit, also genau das Fehlen eines nachhaltigen Werte- und Bezugssystem, projezierten sie auf das schwächste und auch für viele Ostdeutschen unverständlichsten Teil des neuen gesellschaftlichen Systems, nämlich die Asylbewerber. Diese politische, ökonomische und soziale Gemengenlage am Anfang der Transformationsprozesse und deren Spagat war der m.E. der Ausgangspunkt der von Dir geschilderten Krawalle, logisch lösen soche Krawalle immer auch bestimmte Vorkommnisse, individuelle Determiniertheiten, gruppendynamische Prozesse usw. aus. Klar haben rechtsradikale Organisationen dieses auch genutzt und vllt. auch im weiteren Verlauf organisiert, das weiß ich aber nicht. Die Kids selbst waren nicht rechtsradikal, vllt. hätten die sich selbst so bezeichnet; aber die haben gespürt, daß diese "Aktionen" die höchste Aufmerksamkeit erzeugt, medial und leider auch bei ihren Eltern bzw. dem persönlichen Umfeld.
"...Insgesamt muß man für das Jahr 1992 wohl von einem "Großangriff" der Rechten auf den demokratischen Staat sprechen, mit dem Ziel, den Staat im Chaos versinken zu lassen. Diess Ziel wurde zwar nicht erreicht, doch das Image einiger Städte war durchaus ruiniert." (Barbarossa #53)
Entschuldige bitte, aber da möchte ich Dir widersprechen. Was spricht gegen Deine These. Die Angriffe erfolgten gegen die Schwächsten, die Asylbewerber, und nicht gegen Institutionen des Staates (z.B. Polizei, Justiz, Politik etc.). Von einem "Marsch auf Berlin" waren eventuelle rechtsradikale Organisatoren, die sich diese spontanen Aktionen zu nutze gemacht haben, weit entfernt, die Kids sowieso. Natürlich wurden nicht nur das Image von Städten zerstört, sondern auch das Image der "Ostdeutschen", als fremdenfeindliche, widerwärtige Spießer. Da hast Du allerdings recht.
@thanepower
"...Unter dieser Voraussetzung kann man den Rechtsextrmismus der pre WW2-Phase mit dem der post WW2-Phase mit Hilfe der gleichen Konstrukte theoretisch erfassen, dennoch ergibt sich eine Spannung im Vergleich der beiden Epochen.
Dieses Problem wird besonder deutlich, sofern man den Aufsatz von Broszat (Soziale und pychologische Grundlagen des Nationalsozialismus, in: Feuchtwanger: Deutschland-Wandel und Bestand, S. 129ff) heranzieht, um die Elemente der NS-Bewegung analytisch zu greifen.
Relevant erscheint mir diese Carakterisierung der NS-Bewegung deswegen, weil in der Tat strukturelle Ähnlichkeiten bewußt oder unbewußt vorhanden sind. ..." (thanepower #51)
Ich habe mir die entsprechenden Parteiprogramme angeschaut (eine Verlinkung erspare ich mir, zumal ich keine "virtuellen Kopfnüsse" riskieren mag
- die ich im übrigen verstehen würde). Natürlich werden Parteiprogramme dieser Parteien auch mit Blick auf die Überprüfung durch den VS, den polizeilichen Staatsschutz und Gerichte abgefaßt*. Die zehn Punkte die Broszat formuliert hat, beziehen sich auf die Traumatisierung der deutschen Gesellschaft nach dem I.WK (Versailles, Hyperinflation usw.) und explizit auf die NS-Bewegung, Du sprachst es in #51 an. Rena8 hat es in Ihrem Beitrag #52 auf den Punkt gebracht:
"Siehst du Parallelen bei den genannten 10 Punkten zwischen der Weimarer Republik und den 80er Jahren ..." (rena8 #52)
Ich jedenfalls sehe zwischen der Weimarer Republik und der Bundesrepublik der 1980'er und 1990'er Jahre kein Kontinuum, im übrigen auch kein Kontinuum bei den rechtsradikalen Parteien bzw. Organisationen (die DRP wäre vllt. gesondert zu untersuchen).
o.t.
Ich wohne in Berlin-Köpenick, leider befindet sich da auch die Zentrale der NPD, weißt was mich ruhig schlafen läßt, daß diese Zentrale wenn notwendig, durch die Berliner Polizei bewacht wird und nicht durch irgendwelche paramilitärischen Ableger der NPD, so sie diese hat. O.k. unwissenschaftliche Argumentation, aber sehr beruhigend.
@beetle
"...Persönlich denke ich, dass rechtsgerichtete Organisationen oftmals sehr viel besser organisiert sind, als "Linke"." (beetle #50)
Während sich Rechtsradikale meist gegen Schwache wenden, Asylbewerber, Ausländer allgemein, Obdachlose, sind die Aktionen von Linksradikalen häufig gegen Vertreter der Wirtschaft, gegen die Polizei usw. gerichtet. Die Organisationsstrukturen sind halt anders und werden somit auch anders wahrgenommen, die Rechten, thanepower erwähnte es, eher hierarchisch, die Linksextremen eher graswurzelrevolutionär.
Sorry, wegen der Länge des Postings.
M.
* Ich weiß, ein Ausflug in die Politik.