Hätte man den Untergang Westroms noch abwenden können?

Mir scheint es einfach so, dass das Römische Reich schlicht in die Defensive gedrängt war.
Vielleicht gelangen Justinian seine Erfolge auch primär, weil der Elan der Völkerwanderungsvölker auch abgeglaut war. Manche wie die Ostgoten wurden ja mehr oder minder aufgerieben, bzw. rieben sich an inneren Problemen auf.
Es ist natürlich immer ein faszinierendes Thema wie es geschehen konnte, dass Großmächte untergingen. Im Falle des Römischen Reiches vollzog sich ja der Niedergang über mehrere Jahrhunderte und eher schleppend. Das System, Gegner in das Reich zu integrieren und deren innere Querelen geschickt auszunutzen, hatte sicherlich zum Aufstieg beigetragen. Auch die inneren Kriege wie zu Zeiten von Marcus Antonius hatten offenbar am Aufstieg nichts ändern können. Aber der Aufstieg war für mich auch sowohl mit bestimmten Herrscherpersönlichkeiten wie Augustus, als auch der inneren Verfassung des Reiches verbunden, welche eben auch durch die inneren Konflikte scheinbar im 1. Jh. v. u. Z. nicht nicht ganz zu unterhöhlen war.
Waren die neuen Gegenspieler gefährlicher als die alten? Waren sie noch unberechenbarer? Das lässt sich alles für mich nicht klar auflösen. Was wir haben bzw. wissen, das sind die Auswirkungen.
 
Die Desintegration des Römischen Reiches setzt nach Theodosius (379–95) ein.

Das mag man so sehen können, aber wenn, dann rissen da nur die letzten vermoderten Riemen, die dieses Wrack überhaupt noch zusammenhielten. Ich verstehe die Desintegration nur als letzte Phase eines da schon verlorenen Todeskampfes.
 
Eine Grenze Gibraltar (mit Vorfeld Andalusien) und Alpen hat schon was. Die Sache mit Africa und den Vandalen ist ja eher selten dumm gelaufen und ändert nix am strategischen Sinn einer solchen Grenze.

Gewässer haben mehr Verbindendes als Trennendes.
Obwohl ich glaube, mich zu erinnern, daß Justinian anfangs im Grundsatz eine Restauration des gesamten weströmischen Reiches anpeilte.
Davon ist auszugehen.



Von daher war Westrom zu diesem Zeitpunkt, selbst bei einer Rücknahme der Grenzen, bereits unrettbar verloren.

Die Überdehnung war ja das Resultat einer defensiv-offensiven Grenzpolitik. Hier biss sich die catta in ihr caudam.
 
Es waren jedenfalls nicht primär militärische Ursachen, die den Untergang Roms bewirkten, sondern soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme. Sie höhlten den Abwehrwillen des Imperiums entscheidend aus, sodass Angriffe von Völkern, die noch einige Jahrhunderte zuvor leicht hätten abgewehrt werden können, den totalen Zusammenbruch bewirkten.

Allerdings gibt es inzwischen mit Peter Heather einen Historiker, der in seiner Publikation "Der Untergang des römischen Weltreichs" (deutsche Ausgabe 2007) erneut den militärischen Aspekt vor den strukturellen stellt.
 
Waren die neuen Gegenspieler gefährlicher als die alten? Waren sie noch unberechenbarer? Das lässt sich alles für mich nicht klar auflösen.

Nun, die militärische Überlegenheit in Ausrüstung, Organisation und Ausbildung war im 5ten Jahrhundert dahin, etwa verglichen mit der Überlegenheit der römischen Legionen gegenüber den Briten einer Boudicca oder den Galliern eines Vercingetorix. Die Germanen hatten aufgerüststet, nicht zuletzt durch Know-How-Transfer aus dem römischen Reich und die römischen Legionen der Spätantike, waren zwar nicht wirklich schlecht, aber nicht mehr das, was sie mal waren.

Dazu kommt auch, daß ein Caesar sich noch jede Menge Legionen aus dem Ärmel schütteln konnte, auch wenn er sich damit bis an den Rand der Katastrophe verschuldete. Aber das Kapital war wohl da. In der Spätantike scheint es dann doch massiv an der Substanz gefehlt zu haben. Warum das so war, ist für mich das interessanteste Thema.
 
In der Spätantike scheint es dann doch massiv an der Substanz gefehlt zu haben. Warum das so war, ist für mich das interessanteste Thema.

In der Spätantike und im Mittelalter sah man mögliche Erklärungen im Verfall alter römischer Werte und Tugenden und in der Vergänglichkeit irdischer Macht. Ein Staat, so glaubte man, würde wie ein lebender Organismus nach der Geburt einen kraftvollen Höhepunkt erreichen, schließlich aber dem Zerfall und einem unaufhaltsamen Tod entgegengehen (Dekadenztheorie).

Dieses Denken in moralischen und christlichen Kategorien hat die moderne Geschichtswissenschaft natürlich in vieler Hinsicht erweitert. Heute besteht kein Zweifel daran, dass soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme des spätantiken römischen Staats ebenso für seinen Niedergang verantwortlich sind, wie die äußere Bedrohung durch die germanische Völkerwanderung.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Niedergang der Landwirtschaft und eine unerhörte steuerliche Belastung, die die Kosten der Reichsverteidigung und andere staatliche Leistungen aufbringen sollte. Die Steuerreform des Diokletian verstärkte den Druck auf die Reichsbewohner, die sich inzwischen einer übermächtigen Bürokratie und unerträglichen Steuerlast gegenüber sahen. Besonders hart traf es die Landpächter, die Kolonen. Zur Verhinderung der Landflucht fesselte sie der Staat durch Gesetze an die Scholle und erzwang damit - oft vergeblich - die Bebauung des Landes und Steuerzahlungen.

Die städtischen Eliten verarmten inzwischen, da der Staat alle Leistungen auf die Kommunen abzuwälzen suchte und dafür städtische Senate und Bürgermeister in Haftung nahm. Das führte schließlich dazu, dass sich niemand mehr für den römischen Staat verantwortlich fühlte, der nur noch als immense Belastung im täglichen Leben wahrgenommen wurde.

Als nach dem Hunneneinfall germanische Völker auf die Reichsgrenzen vorrückten, trafen sie im Raum des Weströmischen Reichs auf eine zerrüttete Landwirtschaft mit unzureichender Nahrungsbasis, stellenweise entvölkerte Regionen mit unbebauten Äckern sowie niedergehende Städte. Die Armee bestand sowohl diesseits als auch jenseits der Reichsgrenze aus vielfach unzuverlässigen Barbaren - abgesehen von den Führungskadern - , und an der Spitze des Staates standen entweder Kinderkaiser, die oft korrupte oder unfähige Vormünder hatten, oder rasch wechselnde Kaiser von Gnaden des Militärs.

Diese totale Desintergration Westroms, hervorgerufen durch unterschiedliche Faktoren, bewirkte damit zwangsläufig seinen Untergang. Es ist bezeichnend, dass das Oströmische Reich, das innenpolitisch und wirtschaftlich stärker gefestigt war, noch eine weitaus längere Lebensdauer hatte.
 
Auch die inneren Kriege wie zu Zeiten von Marcus Antonius hatten offenbar am Aufstieg nichts ändern können.
Das Römische Reich hatte im 1. Jhdt. v. Chr. das Glück, keinen wirklich existenzgefährdenden äußeren Angriffen ausgesetzt zu sein. Die Parther z. B. nutzten nach ihrem Sieg bei Carrhae die Situation ebenso unvollkommen aus wie nach ihrem Sieg über Marcus Antonius. Mithridates von Pontos machte zwar arge Probleme, aber Italien wurde durch ihn nicht ernsthaft bedroht (Eine "Einladung" durch die bereits am Rande der Niederlage stehenden Bundesgenossen im Bundesgenossenkrieg ignorierte er, und sein späterer Plan, die Donau entlang nach Norditalien zu marschieren, war ein unrealistisches Hirngespinst.), außerdem machte er auch selbst entscheidende Fehler, die den Römern den Sieg über ihn erleichterten. Kurz gesagt: Die Römer konnten es sich in der Endphase der Republik leisten, häufig gegeneinander zu kämpfen. In der Spätantike war das anders, was die Römer aber trotzdem nicht von inneren Konflikten abhielt. Wer weiß wie der Rheinübergang von 406 letztlich geendet hätte, wenn die Armeen des Honorius nicht gerade mit Usurpatorenbekämpfung beschäftigt gewesen wären. Generell war es so, dass sich die Kaiser und sonstigen römischen Machthaber im Zweifel lieber der Bekämpfung innerer Gegner widmeten als der Abwehr äußerer Feinde, so nach dem Motto: Lieber ein paar Provinzen an die Germanen verlieren als meinen Thron.

Waren die neuen Gegenspieler gefährlicher als die alten? Waren sie noch unberechenbarer?
Wie gesagt, sie kamen zu ungelegener Zeit. Wären die Römer zur Zeit der Punischen Kriege mit Bürgerkriegen beschäftigt gewesen, hätte es für sie auch schlecht ausgesehen.

Vielleicht gelangen Justinian seine Erfolge auch primär, weil der Elan der Völkerwanderungsvölker auch abgeglaut war. Manche wie die Ostgoten wurden ja mehr oder minder aufgerieben, bzw. rieben sich an inneren Problemen auf.
Das halte ich für zu kurz gegriffen. Man sollte auch nicht übersehen, dass die Gotenkriege fast zwei Jahrzehnte währten und sehr wechselvoll verliefen. Innere Probleme hatten die Ostgoten zwar, doch wirkten sie sich kaum auf ihre Verteidigungsfähigkeit aus.
Bei den Wandalen kam den Römern zugute, dass die Wandalen eine sehr dünne Personaldecke hatten und obendrein zur Zeit des oströmischen Angriffs ihre Streitkräfte zerstreut (wichtige Truppen standen z. B. auf Sardinien) waren.
 
Gewässer haben mehr Verbindendes als Trennendes.

Da war Winston Churchill sicher anderer Meinung :cool:

Auch wenn ich meine Zweifel habe an so einer Grenzverkürzung, wie oben ausgeführt, so finde ich Gibraltar schon strategisch gut zu verteidigen.

Insbesondere mit einer ergänzenden Vorneverteidigung in Andalusien auch mit diplomatischen Mitteln. Die Vandalen sind ja nach Africa eingeladen worden und dann wurde dilettantisch verteidigt. Auch wäre bei einer solchen Strategie des kleineren Reiches die Besatzung Africas eine stärkere gewesen. Ich will an der Stelle keine Was-Wäre-Wenn-Geschichte betreiben, aber strategisch macht Gibraltar schon Sinn.

Andererseits sollte man die wirtschaftlichen Konsequenzen nicht unterschätzen, die mit einem Zugang der Germanen zu den Mittelmeerküsten entstand. Der Piraterie und Schlimmerem war nun Tür und Tor geöffnet. Gallien und Spanien aufgeben hatte also nicht nur steuerpolitische Nachteile. Berücksichtigt man die weit größere maritime Front Mittelmeer, dann macht Gibraltar also wieder weniger Sinn.
 
Es waren jedenfalls nicht primär militärische Ursachen, die den Untergang Roms bewirkten, sondern soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme. Sie höhlten den Abwehrwillen des Imperiums entscheidend aus, sodass Angriffe von Völkern, die noch einige Jahrhunderte zuvor leicht hätten abgewehrt werden können, den totalen Zusammenbruch bewirkten.

Allerdings gibt es inzwischen mit Peter Heather einen Historiker, der in seiner Publikation "Der Untergang des römischen Weltreichs" (deutsche Ausgabe 2007) erneut den militärischen Aspekt vor den strukturellen stellt.
Das genannte Buch von Heather habe ich vor zwei Tagen fertig gelesen und es steht in starkem Widerspruch zu den von dir hier vertretenen Thesen. Was er schreibt, basiert offenbar auf dem neuesten Forschungsstand. Da ist aber nicht mehr die Rede von "wirtschaftlichen Problemen". Die in deinem Post (Nr. 146) gemachten Argumente entkräftet er.
 
Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Niedergang der Landwirtschaft und eine unerhörte steuerliche Belastung, die die Kosten der Reichsverteidigung und andere staatliche Leistungen aufbringen sollte.
...

Die städtischen Eliten verarmten inzwischen, da der Staat alle Leistungen auf die Kommunen abzuwälzen suchte ...

Schon klar, kann man ja Alles nachlesen. Aber das ist ja keine Ursache, sondern führt zu den Folgefragen:

- Warum kam es zum Niedergang der Landwirtschaft oder besser der Wirtschaft allgemein?
- Warum wurden Militär und Bürokratie immer teurer?
 
Obwohl ich glaube, mich zu erinnern, daß Justinian anfangs im Grundsatz eine Restauration des gesamten weströmischen Reiches anpeilte.
Davon ist auszugehen.
Das glaube ich nicht. Im Wesentlichen nutzte er sich bietende günstige Gelegenheiten, ein strategisches Gesamtkonzept ist nicht wirklich erkennbar.

Dazu kommt auch, daß ein Caesar sich noch jede Menge Legionen aus dem Ärmel schütteln konnte, auch wenn er sich damit bis an den Rand der Katastrophe verschuldete. Aber das Kapital war wohl da. In der Spätantike scheint es dann doch massiv an der Substanz gefehlt zu haben. Warum das so war, ist für mich das interessanteste Thema.
Die Truppen wären durchaus vorhanden gewesen, nur wurden sie gegeneinander verheizt, siehe z. B. die Schlacht am Frigidus. Es war auch nicht so, dass die Germanen so schwer zu besiegen gewesen wären, Siege wurden noch genug errungen (z. B. Stilicho mehrmals gegen die Westgoten), bloß wurden sie nicht entsprechend genutzt oder man stellte sich wegen innerer Konflikte erst gar nicht der Schlacht.

Es waren jedenfalls nicht primär militärische Ursachen, die den Untergang Roms bewirkten, sondern soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme. Sie höhlten den Abwehrwillen des Imperiums entscheidend aus, sodass Angriffe von Völkern, die noch einige Jahrhunderte zuvor leicht hätten abgewehrt werden können, den totalen Zusammenbruch bewirkten.

Allerdings gibt es inzwischen mit Peter Heather einen Historiker, der in seiner Publikation "Der Untergang des römischen Weltreichs" (deutsche Ausgabe 2007) erneut den militärischen Aspekt vor den strukturellen stellt.
Für mich überwiegt auch eher der militärische Aspekt.
Soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme gab es seit langem, ohne dass das Reich untergegangen wäre.
Was den Abwehrwillen betrifft: Es ist richtig, dass z. B. die Kolonen in der Regel keinen Widerstand gegen ihre neuen germanischen Herren leisteten. Aber war das jemals anders? Auch bei früheren Einbrüchen von Fremdvölkern (z. B. der Daker unter Domitian oder der Markomannen unter Mark Aurel) kam es nicht zu Zusammenrottungen der Provinzbewohner und Aufstellung von Milizen zur Abwehr oder großangelegten Partisanenaktivitäten. Die Zivilisten flohen oder erduldeten, was über sie kam. Die Abwehr musste das Militär übernehmen.

Da war Winston Churchill sicher anderer Meinung
Er hatte aber auch eine schlagkräftige Flotte, die eine Invasion verunmöglichte. Die römischen Seestreitkräfte hingegen waren eher schwach, und die Römer verloren im 5. Jhdt. die Seeherrschaft im westlichen Mittelmeer. Aber schon im 3. Jhdt. richteten sie zur See kaum etwas gegen die gotischen Plünderungsfahrten im Schwarzen Meer und der Ägäis aus.
 
Das genannte Buch von Heather habe ich vor zwei Tagen fertig gelesen und es steht in starkem Widerspruch zu den von dir hier vertretenen Thesen. Was er schreibt, basiert offenbar auf dem neuesten Forschungsstand. Da ist aber nicht mehr die Rede von "wirtschaftlichen Problemen". Die in deinem Post (Nr. 146) gemachten Argumente entkräftet er.

Ich hab den Heather aktuell auf dem Nachttisch liegen. Bin aber über das erste Kapitel noch nicht hinausgekommen. Darin vermittelt er den Eindruck, daß das spätrömische Reich nur anders, aber nicht kulturell oder als Zivilisation schwächer gewesen sei. Ganz im gegenteil, man war globaler geworden im Sinne des damaligen Erdkreises.

Ich bin auch gespannt, was da noch kommt an Argumenten. Es könnte natürlich auch ein neuer Pirenne werden. Der hört sich auf Anhieb auch nicht schlecht an.
 
Das genannte Buch von Heather habe ich vor zwei Tagen fertig gelesen und es steht in starkem Widerspruch zu den von dir hier vertretenen Thesen. Was er schreibt, basiert offenbar auf dem neuesten Forschungsstand. Da ist aber nicht mehr die Rede von "wirtschaftlichen Problemen". Die in deinem Post (Nr. 146) gemachten Argumente entkräftet er.

In meinem Post habe ich bekräftigt, dass es neben Verfechtern einer römischen Strukturkrise auch Vertreter einer militärischen Argumentation gibt:

Dieter schrieb:
Allerdings gibt es inzwischen mit Peter Heather einen Historiker, der in seiner Publikation "Der Untergang des römischen Weltreichs" (deutsche Ausgabe 2007) erneut den militärischen Aspekt vor den strukturellen stellt.

Dennoch teile ich nicht Heathers Meinung und andere Historiker ebenfalls nicht. Das Thema lässt sich kontrovers diskutieren, was in der Fachwissenschaft keine Seltenheit ist.
 
Auch wenn ich meine Zweifel habe an so einer Grenzverkürzung, wie oben ausgeführt, so finde ich Gibraltar schon strategisch gut zu verteidigen.
Nur wenn man die Meerenge kontrolliert oder zumindest eine Landung vereiteln kann. Zu beidem waren später die Westgoten nicht in der Lage, und die Wandalen hatten sogar innerrömische Hilfe bekommen.

Andererseits sollte man die wirtschaftlichen Konsequenzen nicht unterschätzen, die mit einem Zugang der Germanen zu den Mittelmeerküsten entstand. Der Piraterie und Schlimmerem war nun Tür und Tor geöffnet. Gallien und Spanien aufgeben hatte also nicht nur steuerpolitische Nachteile. Berücksichtigt man die weit größere maritime Front Mittelmeer, dann macht Gibraltar also wieder weniger Sinn.
Ein wichtiger Punkt!
 
Die Römer konnten es sich in der Endphase der Republik leisten, häufig gegeneinander zu kämpfen. In der Spätantike war das anders, was die Römer aber trotzdem nicht von inneren Konflikten abhielt.

Ja diese ständigen kleineren und größeren Bürgerkriege, die eigentlich seit der Republik nie so richtig aufgehört hatten, führten nicht nur zu militärischer Schwäche sondern waren auch nicht gut für die Wirtschaft.

Ich hatte in einem anderen Thread schon die Frage aufgeworfen, ob hier ein Fehler im politischen System liegt; neben den weit öfter zitierten militärischen und wirtschaftlichen Gründen. Gab es in der Antike überhaupt eine Chance auf ein politisches System, bei dem solche Bürgerkriege bei einem Reich dieser Größe zu vermeiden gewesen wären. Welche Form der Legitimation wäre notwendig gewesen und welche Gesellschaft braucht man dafür?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hatte in einem anderen Thread schon die Frage aufgeworfen, ob hier ein Fehler im politischen System liegt; neben den weit öfter zitierten militärischen und wirtschaftlichen Gründen. Gab es in der Antike überhaupt eine Chance auf ein politisches System, bei dem solche Bürgerkriege bei einem Reich dieser Größe zu vermeiden gewesen wären. Welche Form der Legitimation wäre notwendig gewesen und welche Gesellschaft braucht man dafür?
Das ist keine Frage des politischen Systems, sondern der Akzeptanz der Regierung und des Systems durch die Untertanen. In jedem politischen System kann es zu Putschen und Aufständen kommen, wenn sich genügend Unzufriedene finden, die bereit sind, die Grenzen der Legalität zu überschreiten. Nehmen wir z. B. die Demokratie: Sollte ein Bundeswehrgeneral auf die Idee kommen, zu putschen, würde er voraussichtlich schon daran scheitern, dass seine Untergebenen ihm die Gefolgschaft verweigern würden. Schützt die Demokratie also vor Bürgerkriegen und Putschen? Nein, wie man z. B. am Sezessionskrieg in Amerika und den gelegentlichen Militärputschen in der Türkei oder auch den blutigen Unruhen in Thailand in jüngerer Vergangenheit sah. Der Unterschied ist einfach der, dass in Deutschland zwar viele unzufrieden sein mögen, die große Masse aber trotzdem die bestehende Ordnung akzeptiert oder zumindest nicht bereit ist, sie gewaltsam zu ändern. In anderen Staaten war und ist das anders.

Natürlich hat das politisch-militärische System Roms in der späten Republik die Bürgerkriege begünstigt, z. B. wegen der Bindung der Truppen an ihre Feldherren. Aber wenn die Soldaten nicht bereit gewesen wären, gegen ihre Mitbürger zu kämpfen, hätten sich ihre ehrgeizigen Feldherren ihre Pläne abschminken können. Umgekehrt aber brach 175 der Usurpationsversuch des Avidius Cassius jämmerlich zusammen, als seine Soldaten erfuhren, dass Mark Aurel noch lebte: Sie waren eben nicht bereit, gegen den legitimen Kaiser zu ziehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist aber schon auffällig, daß die römischen Kaiser schon sehr früh gezwungen waren, ihren eigenen Legionen mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen zu widmen, als ihren Feinden. Nicht erst seit Septimus Severus. Der hat es nur als Erster offiziell ausgesprochen.

Ich rechne Stabilität und Legitimation schon zur Sphäre des politischen Systems, auch wenn Unzufriedenheit weitgreifendere Ursachen hat. Ich stimme dir aber zu, daß dies in jedem System passieren kann. Und die Römer versuchten ja auch, ihr politisches System anzupassen mit der Zeit. Auch habe ich nach längerem Nachdenken kein System in der menschlichen Geschichte gefunden, das 500 Jahre bei einem hinreichenden großen Reichsgebiet durchgehalten hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hab den Heather aktuell auf dem Nachttisch liegen.
Heather hat ein zum Thema passendes weiteres Buch geschrieben, auf welches er in seiner allerletzten Fussnote verweist: "Invasion der Barbaren: die Entstehung Europas im ersten Jahrtausend nach Christus". Ich empfehle, auch dieses zu lesen. Sein erstes Buch wird dann verständlicher.
 
Dennoch teile ich nicht Heathers Meinung und andere Historiker ebenfalls nicht. Das Thema lässt sich kontrovers diskutieren, was in der Fachwissenschaft keine Seltenheit ist.

Wer sind denn die "anderen Historiker"?

Wenn man die Rezension auf Sehepunkte liest dann ist Heather doch ein sehr gelungenes auf dem neusten Forschungsstand basierendes Buch gelungen:


Die deutsche Übersetzung steht dem englischen Original in keinster Weise nach: Ausgezeichnet übersetzt, zeichnet das Buch ein ebenso beeindruckendes wie facettenreiches Bild vom Niedergang des Imperium Romanum und bietet gleichzeitig wichtige Forschungsergebnisse und innovative Thesen auf einer sorgfältig recherchierten Quellenbasis. Wie im englischen Original rundet auch in der deutschen Übersetzung ein umfangreicher Anhang das gelungene Gesamtbild ab. So bleibt am Ende zu wünschen, dass die deutsche Fassung eine ebenso zahlreiche Leserschaft finden wird wie die englische Ausgabe.

SEHEPUNKTE - Rezension von: Der Untergang des Römischen Weltreichs - Ausgabe 8 (2008), Nr. 6
 
Es ist aber schon auffällig, daß die römischen Kaiser schon sehr früh gezwungen waren, ihren eigenen Legionen mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen zu widmen, als ihren Feinden.
In den ersten beiden Jahrhunderten war die Gefahr von Usurpationen üblicherweise gering. Gefahr drohte den Kaisern allenfalls eher in ihrem eigenen Umfeld (Familienkreis, Prätorianer) als von ihren Legionen. Abgesehen von 68/69 fanden die wenigen Usurpationsversuche nur wenig Anhänger. Aber natürlich waren die Legionen zur Grenzverteidigung wichtig.
 
Zurück
Oben