Kelten und Germanen

Auch Tacitus hat nicht behauptet, dass die Treverer germanischer Herkunft waren, er hat nur geschrieben, dass sie selbst das für sich in Anspruch nahmen. Er selbst stand diesem Anspruch offenkundig ablehnend gegenüber.
Soweit ich das überblicke, hat sie kein römischer Autor als Germanen bezeichnet.

Stellt sich auch hier die Frage, warum Tacitus und die anderen Autoren das ablehnen. Er war kein Ethnologe, die anderen auch nicht, niemand hat sich die Mühe gemacht, dort groß nachzuforschen.
Aber die Treverer waren inzwischen Verbündete, zählten zu den "Guten", also fällt die Einordnung leicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das halte ich für kein hinreichendes Argument. Schließlich bestanden die imperialen Leibwachen häufig genug aus germanischen Kriegern, waren also gewissermaßen auch Verbündete.
 
Nein, bereits die julisch-claudischen Kaiser hatten eine germanische Leibwache, die dann von Galba aufgelöst wurde.
 
Stellt sich auch hier die Frage, warum Tacitus und die anderen Autoren das ablehnen. Er war kein Ethnologe, die anderen auch nicht, niemand hat sich die Mühe gemacht, dort groß nachzuforschen.
Aber die Treverer waren inzwischen Verbündete, zählten zu den "Guten", also fällt die Einordnung leicht.
Das halte ich für kein hinreichendes Argument. Schließlich bestanden die imperialen Leibwachen häufig genug aus germanischen Kriegern, waren also gewissermaßen auch Verbündete.
Außerdem lebten auf Reichsgebiet ja auch andere Stämme, die trotzdem eindeutig als Germanen bezeichnet wurden: Das Germanentum der Treverer und Nervier bezweifelt Tacitus zwar, aber die Vangionen, Triboker, Nemeter und Ubier bezeichnet er als eindeutig germanisch.
 
Ja und laut Cäsar waren angeblich die Belgen germanischer Abstammung, wofür es weder archäologisch noch sprachlich Hinweise gibt.

„Die ersten, die den Rhein überschritten und die Gallier vertrieben hätten, die jetzigen Tungrer, seien damals :Germanen genannt worden. So habe der Name eines Stammes, nicht eines ganzen Volkes, allmählich weite Geltung :erlangt: zuerst wurden alle nach dem Sieger, aus Furcht vor ihm, als Ger-manen bezeichnet, bald aber nannten auch :sie selbst sich so, nachdem der Name einmal aufgekommen war.“
-Tacitus

laut Tacitus sind aber auch Eburonen und Nervier Germanen -eindeutig Kelten!

die "Germani Cisrhenani": Caeroeser, Condrusen, Eburonen, Paemanen, und Segner -alles Kelten!

Tacitus zufolge betrachteten die Germanen "(...) Die Bezeichnung Germanien als neu und erst vor einiger Zeit aufgekommen"

nochmals meine ewige Litanei: antiker Germanenbegriff (oder besser Begriffe!) und heutiger Germanenbegriff müssen auseinandergehalten werden...

das sind/waren zwei völlig unterschiedliche Dinge! In der Antike ging es nicht um Sachgut (archäologie) und auch nicht unbedingt um Sprache (keltologie) sondern um Loyalitätsverhältnisse...
 
nochmals meine ewige Litanei: antiker Germanenbegriff (oder besser Begriffe!) und heutiger Germanenbegriff müssen auseinandergehalten werden...

das sind/waren zwei völlig unterschiedliche Dinge! In der Antike ging es nicht um Sachgut (archäologie) und auch nicht unbedingt um Sprache (keltologie) sondern um Loyalitätsverhältnisse...

Sehr richtig. Nicht nur der Germanenbegriff, überhaupt der Begriff "Volk" sollte im Zusammenhang mit den von den antiken Autoren genannten Namen sehr vorsichtig angewandt werden. Es gab dort Gruppen, die von den Römern mit Namen belegt wurden. Ob diese Gruppen auch nur einen Tag später in der gleichen Zusammensetzung noch existierten, ist uns nicht bekannt, selbst wenn sie in der damaligen Literatur noch jahrzehntelang auftauchten. Und - wie oben geschrieben - wie homogen diese Gruppen waren, wissen wir ebenso wenig.
 
laut Tacitus sind aber auch Eburonen und Nervier Germanen -eindeutig Kelten!
Der Nervier bezeichnet Tacitus eben nicht als Germanen. Er schreibt lediglich, dass sie - wie die Treverer - germanische Herkunft für sich beanspruchen würden, steht dem aber offenkundig skeptisch gegenüber.
Und wo schreibt er, dass die Eburonen Germanen gewesen seien?

das sind/waren zwei völlig unterschiedliche Dinge! In der Antike ging es nicht um Sachgut (archäologie) und auch nicht unbedingt um Sprache (keltologie) sondern um Loyalitätsverhältnisse...
Und wieso schreibt Tacitus dann, dass die Treverer und Nervier germanische Herkunft für sich beanspruchten, und bezweifelt es dann? Was hat das mit Loyalität zu tun? Wieso sollte er erwähnen, was einige Stämme selbst über sich aussagten, wenn es ihm nur um eine Einteilung in loyal und illoyal ging? Und in den nächsten Sätzen erklärt er dann einige linksrheinische, also unter römischer Herrschaft lebende, Stämme, sogar die Ubier, doch zu Germanen. Wo ist da die Systematik? Wenn alle Germanen illoyal und böse sind, dann hätte er doch insbesondere die Ubier, die er ausdrücklich lobt, zu Galliern erklären müssen.
 
stimmt! Es war Cäsar der schreibt: „Condrusos, Eburones, Caeroesos, Paemanos, qui uno nomine Germani appellantur

Das Tacitus Zitat belegt immerhin doch schonmal deutlich ,daß Tacitus und die Nervier, Eburonen den Germanenbegriff unerschiedlich besetzt hatten!

Du darfst nicht nur von Loyalitätsbeziehungen zu Rom ausgehen sondern auch zu Klientel- und "Verwandtschafts" verhältnissen der Stämme untereinander...


bleibt die Frage nach den Tungrern :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja und laut Cäsar waren angeblich die Belgen germanischer Abstammung, wofür es weder archäologisch noch sprachlich Hinweise gibt.
So allgemein behauptet er das nicht. Unter Berufung auf die Aussagen der Gallier, vor allem der Remer, schreibt er in 2,4, dass sehr viele ("plerosque") Belger von Germanen abstammen würden, die über den Rhein gekommen wären. Im weiteren Verlauf des Kapitels macht er dann noch genauere Angaben: Nur die Condruser, Eburonen, Caeroser und Caemaner bezeichnet er ausdrücklich als Germanen. In 6,32 nennt er dann auch noch die (in 2,4 nicht erwähnten) Segner Germanen.

Das Tacitus Zitat belegt immerhin doch schonmal deutlich ,daß Tacitus und die Nervier, Eburonen den Germanenbegriff unerschiedlich besetzt hatten!
Noch einmal meine Frage: Auf welche Tacitus-Stelle beziehst Du Dich hinsichtlich der Eburonen?
Aber immerhin zeigt das Tacitus-Zitat, dass der Germanen-Begriff keine Erfindung der Römer war, um böse/illoyale/gefährliche Stämme bzw. Stämme, deren Besiegung besonders gerechtfertigt/ruhmvoll war, zu bezeichnen.
 
Da hat meine Bemerkung mit den struppigen Pferden doch einige echt interessante Ideen bei euch hervor gelockt.

Lasst mich versuchen, aus unserer Diskussion mal einen echten, bleibenden Nagel einzuschlagen:
Der Begriff "Germanen" hatte bei vielen Beispielen aus der antiken Literatur etwas mit dem Überschreiten des Rheins zu tun.

Weitere Nägel, die ich erst mal vorschlagen würde - im Sinne von "Mindestübereinstimmungen":
Der Beiname "Germanen" wurde den ersten gegeben, die (in Kenntnis der Römer vermutlich) den Rhein überschritten.

Selbst für die "von dort kommenden" war der Begriff "Germania" nicht sonderlich alt.

Ob sich mit dem Begriff auf der anderen, nicht dauerhaft römisch besetzten Seite des Rheins auch ein Volk oder ein größerer Stammesverbund verbinden ließ, dazu sind die römischen Autoren alleine keine ausreichenden Quellen.
 
Der Beiname "Germanen" wurde den ersten gegeben, die (in Kenntnis der Römer vermutlich) den Rhein überschritten.
Also laut Tacitus war es umgekehrt: Der Stamm der Tungrer hieß ursprünglich "Germanen", und daher wurden von den Galliern auch die anderen germanischen Stämme jenseits des Rheins so genannt. Es kommt öfters mal vor, dass ein ganzes Volk von seinen Nachbarn nach dem ihnen nächstwohnenden Stamm benannt wird, siehe z. B. die Benennung der Deutschen in verschiedenen Nachbarländern.
 
Ich find den Satz in der englischen Wikipedia schön:

The term Germani therefore, was a term which probably originally applied to a specific group of tribes in northeastern Gaul who may not have spoken a Germanic language, and whose links to Germania are unclear.
 
Ich find den Satz in der englischen Wikipedia schön:

The term Germani therefore, was a term which probably originally applied to a specific group of tribes in northeastern Gaul who may not have spoken a Germanic language, and whose links to Germania are unclear.

Ganz ähnlich, allerdings mit zeitlicher Differenzierung, ist das in der Literatur zu lesen. Offenbar liegen in der "ethnischen" Bezeichnung auch Schemata für die Lokalisierung, Identifizierung in der Fremde, Zuordnung dieser Volksangehörigen im Römischen Reich vor. Es stellt sich die Frage, inwieweit die antiken Autoren diese Schemata wiedergeben.

Falls jemandem dazu der Aufsatz "Ethnic Identity in the Roman Frontier" (in: Derks/Roymans, Ethnic Constructs in Antiquity) bekannt ist, hätte ich die Frage, ob die Schlussfolgerungen aus bekanntem Auftreten zB der Bataver, Treverer und Ubier (aus Inschriften, beispielhaft für diese Völker) so allgemein vertreten werden?
 
Offenbar liegen in der "ethnischen" Bezeichnung auch Schemata für die Lokalisierung, Identifizierung in der Fremde, Zuordnung dieser Volksangehörigen im Römischen Reich vor. Es stellt sich die Frage, inwieweit die antiken Autoren diese Schemata wiedergeben.

Falls jemandem dazu der Aufsatz "Ethnic Identity in the Roman Frontier" (in: Derks/Roymans, Ethnic Constructs in Antiquity) bekannt ist, hätte ich die Frage, ob die Schlussfolgerungen aus bekanntem Auftreten zB der Bataver, Treverer und Ubier (aus Inschriften, beispielhaft für diese Völker) so allgemein vertreten werden?

Der interessante Literaturhinweis ist auch downloadbar: http://dare.ubvu.vu.nl/bitstream/1871/15673/2/DerksEthnicity.pdf
Und ich habe mir in verschiedenen Zeitschriften-Datenbanken einen Wolf gesucht und leider nur eine sehr kurze Rezension gefunden.

In den Artikel habe ich jetzt nur kurz reingelesen, aber schon alleine die zwei Inschriften mit der Bemerkung "nation(e) Ubius" und "natione Batavus" erscheinen mir doch sehr bemerkenswert. Ich erinnere mich, daß ich ähnlich beeindruckt war, als ich von der in Pannonien lokalisierten spätantiken Inschrift las, daß sich ein römischer Bürger (und Soldat) als Franke bezeichnete. Die Identitätsbildung, wenn man sich davon zu sprechen erlaubt, verlief damals vielleicht auch weniger binär (im Vergleich zu neuzeitlichen Indentitäts-Konstrukten). Ich will den Artikel bei Gelegenheit noch eingehend studieren.

Der Rezension von M. A. Fernández-Götz (in: European Journal of Archaeology 13 (2010), pp.267-268) entnehme ich, daß in dem gesamten Band die durchaus modische "ethnische Deutung" achäologischen Materials von einigen Forschern vertreten wird, aber nicht unkontrovers: z. B. Frans Theuws ist hier sehr viel skeptischer und argumentiert auf einer Linie, wie sie auch von Sebastian Brather hinsichtlich ethnisierender Diskurse gezogen wird. Deren Ansatz scheint mir aber auch nicht epigraphisch ausgerichtet zu sein.

Somit würde ich ein methodischen Unterschied konstatieren, der hier auf Grund des archäologischen Materials wohl eine Brücke zu den antiken Überlieferungen bieten kann. Das spricht zunächst tendenziell für die Möglichkeit ethnisierender Deutungen, aber die "Bataver" könnten hier vor allem - mit Vorbehalt formuliert - auch ein günstiges Untersuchungsobjekt darstellen.

Soweit meine ersten Überlegungen zum interssanten Literaturhinweis, Silesia!
 
In den Artikel habe ich jetzt nur kurz reingelesen, aber schon alleine die zwei Inschriften mit der Bemerkung "nation(e) Ubius" und "natione Batavus" erscheinen mir doch sehr bemerkenswert. Ich erinnere mich, daß ich ähnlich beeindruckt war, als ich von der in Pannonien lokalisierten spätantiken Inschrift las, daß sich ein römischer Bürger (und Soldat) als Franke bezeichnete. Die Identitätsbildung, wenn man sich davon zu sprechen erlaubt, verlief damals vielleicht auch weniger binär (im Vergleich zu neuzeitlichen Indentitäts-Konstrukten).

Dieses Identitätskonstrukt scheint jedenfalls nach der epigraphischen statistischen Analyse eine gewisse Rolle zu spielen. Wobei die Prioritäten nach geographischer und stammesbezogener Identität offenbar im Zeitablauf noch gewechselt haben.

Jedenfalls scheint das ein interessanter Artikel zum Thema zu sein.
 
Somit würde ich ein methodischen Unterschied konstatieren, der hier auf Grund des archäologischen Materials wohl eine Brücke zu den antiken Überlieferungen bieten kann.
Halten zu Gnaden,aber diese Brücke sehe ich im Bezug auf die Kelten/Germanenabgrenzung nicht wirklich.
Zum einen besteht natürlich ein erheblicher Unterschied in der Wahrnehmung zwischen einer Stammesidentität/Kleingruppe und der Identität mit eines ethno-kulturellen Großverbandes.Jemand ,der sich als Suebe oder Treverer sieht muß sich noch lange nicht als Germane oder Kelte sehen.
Zum anderen sind die antiken Inschriften,auf die hier Bezug genommen wird ebenso wie ihre Auftraggeber , natürlich von der römisch-imperialen Einteilung geprägt und die war eher politischer als ethnologischer Natur.
 
Zum einen besteht natürlich ein erheblicher Unterschied in der Wahrnehmung zwischen einer Stammesidentität/Kleingruppe und der Identität mit eines ethno-kulturellen Großverbandes.Jemand ,der sich als Suebe oder Treverer sieht muß sich noch lange nicht als Germane oder Kelte sehen.

Bei Tacitus sehen wir ja im Fall der (eindeutig keltischen) Treverer sehr schön, wie sich Angehörige dieses Stammes als "germanischstämmig" einordnen.
Anscheinend nur, um sich von benachbarten, ebenfalls keltischen Stämmen abzugrenzen.
 
war die römische Sicht (welcher die meisten Sprachzeugnisse zu verdanken sind für den fraglichen Zeitraum und die fragliche Region) nicht insgesamt eher "politisch-geografisch" und eben leider nicht sprachwissenschaftlich? Auffallend ist doch z.B. später, dass all die herandrängenden Goten zunächst nicht mit den germanisch spechenden Franken, Alemannen etc. gleichgesetzt wurden: allerlei Goten, Gepiden etc. wurden der Scythia zugeordnet, allerlei "Germanen" der Germania - und diese Großregionen hatten in der Vorstellung eine gewissermaßen bürokratische Einteilung.
 
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