Sprachliches um die Karacke

@Galeotto

Ich spreche hier auch vom Neubeginn der europäischen Schiffahrt nach dem Untergang der Antike und der langen Stagnation des frühen Mittelalters. Es geht mir auch nicht um die Mittelmeerschiffahrt, sondern speziell um die Entwicklung des nordeuropäischen Schiffbaus.
Die Römer kannten ja auch schon das Gaffelsegel, das Artemon, wie du sagst, das Marssegel oder auch Kettenpumpen, bleibeschlagene Rümpfe und Fußbodenheizungen, etwa auf den Nemisee-Schiffen.
Wenn man sich aber etwa die venezianischen Handelsschiffe des 13. Jahrhunderts ansieht, erkannt man, wieso dort plötzlich Koggen und später Holke nachgebaut und natürlich auch weiterentwickelt wurden.
 
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Dieses römische Schiff, eine Corbita, war lange Zeit der Standardfrachter im römischen Mare Nostrum. Corbitae transportierten beispielsweise Unmengen von Getreide aus den Provinzen in den römischen Hafen Ostia. Typisch für diese Schiffe war der schnittige Bug und der sonderbare Schwanenhals in Verlängerung des stark einwärts gerundeten Achterstevens.
Schiffe dieser Zeit wurden noch durch Seitenruder beiderseits des Hecks gesteuert, während Wikinger sich später mit einem einzigen begnügten. (Für Rechtshänder war ein Ruder an der rechten achterlichen Schiffsseite am geeignetsten, deswegen auch der Begriff "Steuerbord".) Das zweigeteilte Segel ist ein früher Vorläufer des Marssegels, das dann erst wieder Mitte des 15. Jahrhunderts auftaucht, etwa bei der Santa Maria des Kolumbus.
 
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Auf einer Zeichnung eines niederländischen Malers aus dem Jahr 1470 ist eine nordische Karacke dargestellt. Rechts über dem Mastkorb hat der Künstler das Wort "Kraeck" geschrieben. Offenbar die flämische Bezeichnung. Vielleicht stammt der Namen auch aus dieser Richtung.
Das Wort "Carraca" erscheint bereits auf einem kastilischen Dokument von 1320 über den Angriff auf Tunis und gilt dort einem Nordafrikanischen Schiff.
 
Es gibt noch einen früheren Beleg, nämlich im Ordenamiento portuario de Sevilla von 1302, dort wird eine zweimastige Karracke mit zwei Doblas Zoll belegt:
"Otrosi que pechen el ancoraje las naos e las carracas e baxeles en esta manera. E la carraca que entrare de fuera de Barrameda fasta aqui al puerto de Seujlla que traya dos masteles que pague dos doblas si amos los masteles pasaren."
 
Noch ein früherer Beleg, aus der Estoria de España (taq 1284):
"Enla era de mill & dozie[n]tos & ochenta & seys quando andaua el anno dela encarnaçion en mill & dozientos & (a)[q]uarenta & ocho annos Orias con otros moros delos meiores de seuilla pasaron a triana Mas commo quier quela yda desenbargada ouieron la tornada non fue tan en su mano depues. Ca los delas naues dese auenturado Rey castellano seles fueron meter en el paso con muy gran poder que troxieron de galeas & de carracas & de zauras & de otros nauios muchos & muy bien guisados. Et vino Remont bonifaz con toda la mayor partida dela meior conpanna desa flota que el cabdellaua de quien les non fue otorgada la pasada. Et esos onrrados moros aque mucho peso de que el paso ouieron preso & sse presos vieron asi de todas partes queles non defendie njn ualie tierra njn agua njn auien guarda njn saluamiento aniguna parte de todas las del mundo."
Das beschriebene Ereignis 1286 nach der hispanischen Ära oder 1248 nach der normalen christlichen Zeitrechnung sind einige maurische Adelige von Sevilla nach Triana gefahren (Triana, heute ein Stadtteil von Sevilla liegt einfach auf der anderen Seite des Guadalquivir), kamen aber - unter der Voraussetzung dass ich den Text richtig verstehe - aus Triana nicht mehr zurück nach Sevilla, weil inzwischen die Flotte des kastilischen Königs (Ferdinand III., der Vater von Alfonso X. der die Estoria de España anfertigen ließ) sich zwischen Triana und Sevilla geschoben hatte. Und so kamen diese adeligen Mauren in Gefangenschaft. (Das wird dann im weiteren noch ausgeführt, interessant ist hier lediglich die Erwähnung der Karacke für ein Ereignis 1248, hier explizit als ein von Kastiliern gelenktes Schiff.
 
Sevilla und Triana waren durch eine Schiffsbrücke verbunden (nach anderen Auffassungen nur eine Kette) über die Sevilla versorgt wurde und die durch die kastilische Flotte gerammt und zerstört wurde. (Was dann zur Kapitulation der Stadt führte)

Der erwähnte "Remont Bonifaz" ist der Almirante de Castilla Ramon de Bonifaz.

Die Schiffe stammten aus den vier Kastilischen Häfen in Nordspanien: Santander, Laredo, Castro Urdiales und San Vicente de la Barquera. Bisher hatte ich jedoch immer die Bezeichnung von "Naos" gelesen, abgesehen von einigen Galeeren die extra dafür in Santander gebaut worden waren.

Das Ereignis ist noch heute auf dem Wappen von Santander und Cantabrien dargestellt: Archivo:Escudo de Santander.svg - Wikipedia, la enciclopedia libre

"Zaura" oder Zabra ist ein leichteres Segelschiff, ein Begriff der üblicherweise für arabische Schiffe verwendet wurde.
 
Wenn die ersten Erwähnungen der Karacke bereits im 13. Jh. liegt denn nehme ich doch an, dass es aus dem Spanischen oder einer Ableitung aus dem Arabischen stammt da in anderen Ländern die Bezeichnung erst im 15. Jh. üblich wurde.
 
Also die Begriffe "Karracke", "Carraca" und "Kraek" stammen garantiert NICHT von Caravela ab, da sie m.W. viel früher in den Dokumenten erscheinen als letztere.

@ EQ: Mal eine ganz wilde Spekulation: Bei den ersten genannten Karracken handelte es sich um (für ihre Zeit) ausserordentlich großen Kriegsschiffen. Kann es nicht eventuell etwas mit dem Wort "Karak" (الكرك : Festung?) zu tun haben?
 
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...wobei die Karavelle im Gegensatz zum umgangssprachlich auch "Kraweel" genannten kraweelgebauten Holk der Hanse einen vollkommen anderen Schiffstyp darstellt.
Die portuguesische Karavelle wurde speziell für die Erkundung des Seewegs nach Indien entwickelt und konnte auch Flussmündungen befahren. Sie war in der Regel lateinergetakelt und verfügte über einen flachen Heckspiegel. Dieses Konstruktionsmerkmal taucht 1515 zum ersten mal an einer Karracke auf, nämlích der englischen Mary Rose, deren Wrack in Portsmouth zu besichtigen ist.

Ach, hallo! Das mit der "Festung" könnte ein Volltreffer sein! :)=
 
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@ EQ: Mal eine ganz wilde Spekulation: Bei den ersten genannten Karracken handelte es sich um (für ihre Zeit) ausserordentlich großen Kriegsschiffen. Kann es nicht eventuell etwas mit dem Wort "Karak" (الكرك : Festung?) zu tun haben?
Klingt ganz plausibel denn Karacken konnte man für damalige Verhältnisse durchaus als schwimmende Festungen bezeichnen.
 
Wenn man sich aber etwa die venezianischen Handelsschiffe des 13. Jahrhunderts ansieht, erkannt man, wieso dort plötzlich Koggen und später Holke nachgebaut und natürlich auch weiterentwickelt wurden.
@Nosferatu,
das venezianische Handelsschiff des Mittelalters war nicht so schlecht. Immerhin wurden damit die Kreuzritter und deren ganzes Zubehör samt Pferden transportiert. Sie hatten noch viel Ähnlichkeit mit den Rümpfen der Römer, samt den beiden seitlichen Steuerrudern.
Die Cocca oder auch venezianisch Cocha genannten großen Handelssegler des 16. Jh. hatten außer des Namens, der Takelage und des Steuerruders wenig Gemeinsamkeit mit der nordischen Kogge oder dem Hulk. Man kann sie als durchaus eigenständige Schiffstypen bezeichnen.
 

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@Galeotto


Dieses venezianische Handelsschiff scheint ein direkter Nachkomme der antiken Corbita zu sein, tradiert vielleicht auch durch byzantinische Schiffbauer.

Ich könnte mir vorstellen, daß die Venezianer vor allem vom effektiveren Stevenruder der nordischen Koggen begeistert waren und vom Rahsegel, das zwar schon römische Galeeren fuhren, das aber im ganzen Mittelmeerraum längst vom Lateinerrigg abgelöst worden war.

Ich kenne natürlich die Vorgabe deiner "Cocca", die von Admiral Paris fahrlässigerweise dem 15. Jahrhundert zugeordnet wurde. Solche Datierungen halten sich leider ewig, auch wenn sie noch so falsch sind. Die Heckgalerie und alles andere weist jedenfalls auf eine Galeone des späten 16. Jahrhunderts hin, allerdings mit einem ziemlich befremdlichen Vordersteven.

Die linke Abbildung eines venezianischen Handelsschiffes aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt aus "The Art and Archaeology of Venetian Ships and Boats" von Lilian Ray Martin, Chatham Publishing London 2001.
Mitte, aus dem selben Buch: Schriftliche Erwähnungen von kleineren venezianischen Schiffen, Kriegsschiffen und Handelsschiffen zwischen 300 und 1400. Rechts: "Cocca"-Modell von Vincenzo Lusci.
 

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Die "Cocca" erinnert stark an die Schiffe auf dem Stich von der Schlacht bei Zonchio (auch als erste Schlacht von Lepanto bekannt oder Battaglia della Sapienza) aus dem jahr 1499. Bei dieser Schlacht verkeilten sich drei große Karracken als zwei Venezianische Schiffe ein Osmanisches zu entern versuchten. Der türkische Kapitän setzte sein Schiff in Brand und zerstörte so alle drei.

Hier ist eine Abbildung mit niedriger Qualität aus Wikipedia. Ich habe eine wesentlich bessere Kopie in einem älteren Buch, die leider zu groß für meinen Scanner ist. Ich setze deshalb nochmals die Hälfte des Bildes ein.
 

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("Vorlage" sollte das heißen, nicht "Vorgabe", sorry.)

Diese Schlacht von Zonchio soll ja die erste Seeschlacht gewesen sein, in der die Artillerie eine wichtige Rolle gespielt hatte.
Auffällig ist hier, daß selbst Türken bereits den Karrackenbau beherrschten, wenn man dem Holzschneider glauben darf. Dabei war es noch kein halbes Jahrhundert her, daß sie Konstantinopel erobert hatten. Eigentlich sollte man annehmen, daß die Osmanen nur über Galeeren als Kriegsschiffe verfügten.
Aber ich lasse schon wieder den etymologischen Aspekt außer Acht, tut mir leid :-(=

PS: Diese Kastellbedachungen findet man übrigens nur bei Karracken aus wärmeren Regionen. Das waren wohl Gerüste für Sonnensegel.
 
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Bei der Schlacht von Zonchio, die als eine der ersten Seegefechte zählt bei der in großem Stil Kanonen eingesetzt wurden, waren neben Galeeren, aufgerüsteten Handelsgaleeren auch große Karacken beteiligt. Es war eine der merkwürdigsten Seeschlachten ,die je zwischen Christentum und Islam geführt wurde. Die Venezianer verloren damals trotz der Überlegenheit ihrer Schiffe gegen die damals noch nicht besonders im Seekrieg erfahrenen Osmanen ,durch die totale Unfähigkeit ihres Anführers Grimani ihre gesamten Kolonien auf dem griechischen Festland. Das Gefecht, welches auf dem Bild zu sehen ist, zeigt die Karacke Pandora unter Führung von Andrea Loredan und die Karacke von Alban d'Armer im Kampf mit dem 1800-Tonnen- Rundschiff des Borrak Rais. Als 4. Schiff war das als große Göke benannte Schiff des damals berühmt berüchtigten Kemal Rais und zahlreiche kleine türkische Fahrzeuge bei dem Gefecht beteiligt. Die gesamte große venezianische Flotte hielt sich völlig zurück ,da ihr Oberbefehlshaber keinerlei klare Befehle erteilte. Die drei ineinander verkeilten Schiffe auf dem Bild gerieten in Brand und sanken samt Besatzung und Offizieren ohne dass aus der großen Flotte auch nur ein Schiff zu Hilfe kam. Die Schlacht zog sich mehrere Tage hin wobei es immer nur einige einzelne Kapitäne wagte sich in Einzelgefechte mit den Osmanen einzulassen während der Rest der Flotte völlig tatenlos blieb und von Grimani kaum Befehle erteilt wurden. Die damals mit Venedig verbündeten Franzosen zogen sich mit ihren Schiffen angewidert von der Feigheit des Oberbefehlshabers zurück. Wegen dieser Schande wurde Grimani in Ketten gelegt und auf einem kleinen Lotsenboot nach Venedig gebracht ,wo ihm der Prozess gemacht wurde. Jahre später wurde er aber zum Dogen gewählt.
 
Auffällig ist hier, daß selbst Türken bereits den Karrackenbau beherrschten, wenn man dem Holzschneider glauben darf. Dabei war es noch kein halbes Jahrhundert her, daß sie Konstantinopel erobert hatten. Eigentlich sollte man annehmen, daß die Osmanen nur über Galeeren als Kriegsschiffe verfügten.
PS: Diese Kastellbedachungen findet man übrigens nur bei Karracken aus wärmeren Regionen. Das waren wohl Gerüste für Sonnensegel.
Ich nehme stark an, dass die osmanischen Karacken keine Eigenbauten sondern gekaperte Schiffe waren. Sowohl Barrak als auch kemal Rais waren Piraten.
Bei der zweiten Seeschlacht von Zonchio gerieten zwei große venezianische Handelsgaleeren in die Hände der Osmanen. Der von den Ausmaßen und der Kampftüchtigkeit der Schiffe beeindruckte Sultan erteilte seinen Schiffsbauern den Befehl mehrere solcher Schiffe nachzubauen. Nach mehreren Versuchen mussten diese aber eingestehen, dass sie das nicht zustande brachten. Die venezianische Schiffsbaukunst war damals noch unerreichbar. Erst Chaireddin Barbarossa gelang es eine Flotte mit solide gebauten Galeeren, nach italienischen Vorbild aus dem Boden zu stampfen. Sicher auch mit Hilfe gekaufter venezianischer Schiffsbaumeister. Ein weiterer Segelschiffstyp der Osmanen war am Ende des 16. Jh. das Karamussal welches ein großes, hauptsächlich als Frachter und Truppentransporter genutztes Rundschiff ,nach Vorbild der Nave war. Später bauten die Osmanen auch Galeonen die türkisch Kalyon hießen.

Die Gerüste auf Achter und Vorderkastell und teilweise auch an den Bordwänden dienten in erster Linie als Stellagen für Enternetze und um nachts das gesamte Schiff mit einer Persenning zu überdachen. Am Achterkastell wurden sie aber natürlich auch für Sonnensegel verwendet.
 
Interessante Geschichte :)=
Vor allem, weil die Italiener schon seit Urzeiten zur See fuhren, während die Türken als ehemaliges Steppenvolk gerade erst das Schwimmen gelernt hatten.
Aber schon wieder nix Etymologisches. Ob man Bdajans Vorschlag wohl definitiv als Begriffserklärung für "Karracke" ausrufen sollte? "Festung" war jedenfalls das Einleuchtendste, was bisher vorgetragen wurde. Aber aus welcher Sprache stammt dieser Begriff eigentlich?
 
An Enternetze hatte ich auch gedacht. Aber diese waren vielleicht bevorzugt über der Kuhl gespannt wie damals auf der Mary Rose. Als sie sank, riss sie ihre Besatzung wie die Fische im Netz in die Tiefe :-(=
 
Interessante Geschichte :)=
Vor allem, weil die Italiener schon seit Urzeiten zur See fuhren, während die Türken als ehemaliges Steppenvolk gerade erst das Schwimmen gelernt hatten.
Aber schon wieder nix Etymologisches. Ob man Bdajans Vorschlag wohl definitiv als Begriffserklärung für "Karracke" ausrufen sollte? "Festung" war jedenfalls das Einleuchtendste, was bisher vorgetragen wurde. Aber aus welcher Sprache stammt dieser Begriff eigentlich?
Aus dem Arabischen, wie die Kreuzritterfestungen in Syrien als Karak oder Krak (Crac de Chevalliers) bezeichnet wurden. Über das Kalifat von Cordoba könnte der Begriff ins Spanische gelangt sein.
 
Jetzt habe ich auch das Bild des flämischen Malers mit der Überschrift Kraeck gefunden. Wenn es sich um eine flämische Karacke handeln sollte so wäre es falsch, dass die Gestelle für Netze und Sonnensegel im Norden nicht üblich waren.
 

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